Nein zur Kriegsgeschäfte-Initiative wahrscheinlich – Ausgang bei der Konzernverantwortungsinitiative weiter offen

Zwischenzeitlich sind fast alle wichtigen Tools zur Bestimmung der Meinungsbildung bei den Volksabstimmungen vom 29. November 2020 publiziert. Namentlich sind dies Inhaltsanalysen, Wettbörsen und Umfragen. Sie lassen den Schluss zu, dass die Kriegsgeschäfte-Initiative wohl abgelehnt wird, während der Ausgang der Volksentscheidung zur Konzernverantwortungsinitiative noch offen ist.



KVI = Konzernverantwortungsinitiaitive
KGI = Kriegsgeschäfteinitiative

Tools im Ueberblick
Die eidg. Räte lehnten beide Volksbegehren ab. Die Schlussabstimmungen im Nationalrat sind jeweils ein erster Gradmesser für den Abstimmungsausgang. Bei der KVI waren 57% der Volksvertreter dagegen, bei der KGI 67%. Nein sagten in beiden Fällen die Fraktionen der SVP, FDP und CVP, für ein doppeltes Ja setzten sich SP, GPS und EVP ein. Die GLP und BDP waren mehrheitlich für die KVI, aber gegen die KGI.
Das wiederholte sich beim Parolenspiegel. Gemischte Parolen gab es zudem bei der EDU.
Die Mehrheiten im Nationalrat verweisen auf eine Ablehnung beider Initiativen mit 55 resp. 64 Prozent. Die nationalen Parteien dagegen machen 57 resp. 67 Prozent aus. (www.swissvotes.ch)
Beide Indikatoren müssen das Abstimmungsergebnis nicht vorweg nehmen. Denn sie bilden die Charakteristik eines Abstimmungskampfes bisweilen nur unvollständig ab. Das ist aktuell mit dem Ja-Engagement der Zivilgesellschaft, aber auch der Nein-Kampagne der Wirtschaft der Fall. Deshalb sind zunächst Inhaltsanalysen von Medien hilfreicher.
Eine systematische Auswertung des Bundesbüchleins nach neuralgischen Begriffen wiederholt die Aussicht auf eine doppelte Anlehnung. Die Wahrscheinlichkeit der Ablehnung ist aber bei der KGI eindeutig grösser als bei der KVI. (www.stellus.ch)
Die Zwischenauswertung der Massenmedien durch das Institut Fög zeigt ähnliches. Bei der KVI fällt die mediale Bewertung mit 44:56 – verstärkt noch in der Deutschschweiz – schon recht deutlich aus, bei der KGI herrscht mit 49:51 noch ein faktisches Patt. (www.foegUZH.ch)
Nahe bei der medial veröffentlichten Meinung sind in aller Regel Wettbörsen. Die führende unter ihnen in der Schweiz geht von einem Ja bei der KVI aus, aber von einem Nein bei der KGI. Erwartet werden Ergebnisse recht nahe bei 50 Prozent. Auch hier gilt, dass die Sicherheit der Aussage bei der KGI höher ist als bei der KVI. (www.50plus1.ch)
Die beiden Umfragereihen, die heute letztmals ihre Werte publiziert haben, sehen zunächst gleich fast aus. Beide haben ein 50+ beim Ja zur KVI. Bei der KGI sind die letzten Zustimmungswerte tiefer. Beide Umfrageserien haben darüber hinaus einen negativen Trend. Der besagt, dass die Zustimmung in den letzten 2 resp. 4 Wochen gesunken ist. (www.gfsbern.ch resp. www.tamedia.ch).
Das entspricht genau den Annahmen zur Entwicklung der Meinungsbildung bei Volksinitiativen, wie sie im Dispositionsansatz formuliert wurden. Sie gehen davon aus, dass frühe Stimmabsichten eher Sympathiekundgebung denn Vorentscheidungen sind und sich solche erst im Verlaufe de Abstimmungskampfes bilden.
Da zählt, dass die Rückgänge der anfänglichen Zustimmungsabsichten namentlich bei den bürgerlichen Wählerschaften mit dem Abstimmungskampf geschmolzen sind.
Extrapoliert man diesen vom mittleren Befragungstag bis zum Abstimmungstag, ist ein Nein bei der KGI sicher, bei der KVI möglich, wenn auch aktuell nicht gegeben. Da kann das Ständemehr entscheiden.
Bisher unbekannt sind Analysen der bezahlten Werbung und der Bewertung der Vorlagen auf Twitter.

Bilanz
Streng genommen sind die Tools Momentaufnahmen, keine Prognosen. Nur die Inhaltsanalyse des Bundesbüchleins ändert sich, einmal erstellt nicht mehr.
Fasst man alle Instrumente zusammen, kann man von einer Ablehnung der KGI ausgehen, derweil der Ausgang der KGI weiter offen ist.
Mit den bisher vorhandenen Tools nicht klären lässt sich das Ständemehr. Da gilt aus Erfahrung, dass gegensätzliche Mehrheiten bei einem Volksmehr von 55 bis 50 Prozent nicht ausgeschlossen werden können. Wahrscheinliche Kippkantone sind BL, SO, LU, SG, VS und GR. Sie entscheiden wohl über das Ständemehr.
Würde die KVI angenommen, wäre das ein Sieg Mitte/Links, diesmal bestehend aus SP, GPS, GLP, EVP, BDP und EDU. National-, Stände- und Bundesrat würden eine Niederlage erleiden.
Wird die KVI dagegen abgelehnt, setzt sich das bürgerlichen Trio mit SVP, FDP und CVP durch. Zudem blieben Regierung und Parlament in der Mehrheit.
Bei der KGI zeichnet sich wohl ab, dass sich SVP, FDP, CVP, GLP, BDP und EDU am 27. November 2020 durchsetzen werden. Hier ist wahrscheinlich, dass Regierung und Parlament in der Volksabstimmung bestätigt werden.
Egal, was bei der Konzernverantwortungsinitiative herauskommt: Die GLP bleibt die Partei mit der grössten Kongruenz zwischen Parolen und Ergebnissen. Doch wäre bei einem Ja die BDP alleine an zweiter Stelle, bei einem Nein die CVP.