Wieder courant normal

Nach klar überdurschnittlichen Beteiligungswerten bei verschiedenen eidgenössischen Volksabstimmungen der letzten 15 Monate kehrt die Schweiz am 8. März 2015 wieder zum courant normal zurück.

Im Kanton Genf hatten gestern 38 Prozent der Stimmberechtigten bei den eidgenössischen Vorlagen bereits abgestimmt. Hochgerechnet auf den Abstimmungstag deutet das auf eine kantonale Beteiligung von 47 Prozent hin. Analoge Projektionen in der Stadt St. Gallen verweisen (bei einer wichtigen städtischen Abstimmung) auf einen etwas höheren Wert, derweil der solcher in der Stadt Zürich tiefer ausfallen dürfte.

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Mit extrapolierten Teilnahmequoten hat man im Kanton Genf am meisten Erfahrungen. Denn die tägliche Publikation der Zwischenstände findet seit mehreren Jahren statt. So kennt man recht zuverlässig die Minimal- und Maximalwerte, erzielt beim Tierseuchengesetz resp. bei der Masseneinwanderungsinitiative. Demnach war der Start diesmal effektiv noch im obersten Bereich; eine Steigerung der Beteiligung wie vor dem 9. Februar 2014 fand jedoch weder in der vor- noch in der letzten Woche vor dem Abstimmungstag fest. Darüber hinaus kann man die Genfer Werte auch ganz gut für die Schweiz verwenden. In den letzten Jahren lagen sie stets etwas über dem nationalen.

Interpretiert man diese harten Befunde, kann man jetzt schon sagen: Eine hohe Beteiligung, wie wir sie in den letzten 15 Monaten gleich mehrfach hatten, wird es am 8. März 2015 nicht geben. Wahrscheinlich erscheint ein gesamtschweizerischer Wert von ungefähr 45 Prozent. Dafür gibt es mehrere, allgemein bekannte Gründe:

Erstens, nur zwei Vorlagen. Die Zahl der Vorlagen beeinflusst die Beteiligungshöhe. Je mehr Gegenstände zur Entscheidung anstehen, desto höher ist die Teilnahmequote. Allerdings, der Effekt ist bei einer Steigerung von einer auf Zwei Vorlagen höher als bei weiteren Zunahmen, denn er läuft sich bei 4 oder 5 aus. Hauptgrund hier ist, dass jede Vorlage einen Fan-Club hat, der vor allem wegen ihr teilnimmt. Das Mittel an Abstimmungsgegenständen auf eidgenössischer Ebene liegt nahe bei 3. Die aktuellen 2 sind damit unterdurchschnittlich viel – oder wenig.
Zweitens, die Spannung ist zu gering. Umfragen, Prognosen und Erwartungen der Medien gehen fast unisono von zwei Ablehnungen am Abstimmungstag aus. Im einen Fall dürfte diese sehr deutlich sein, im anderen Fall ist die Höhe der Nein-Quote noch etwas offen. Diese generelle Einschätzung hat sich recht flächendeckend auch auf die Schlussmobilisierung ausgewirkt. Sie ist, normalerweise angefeuert von den Initiantinnen, ebenfalls unter dem Mittel, wie ein Blick in Leserbriefspalten, Kommentarfelder und neue soziale Medien zeigt.
Drittens, kein Protestvotum. Verschiedene Abstimmungskämpfe der jüngsten Zeit zeigten, dass die Beteiligung vor allem dann hoch ist, wenn in den Wochen vor einer Volksabstimmung ein eigentlicher Protest gegen die etablierte Politik entsteht. Das war bei der Masseneinwanderungsinitiative exemplarisch der Fall. Die Beteiligungswerte stiegen von Woche zu Woche an, und der Mobilisierungsfall wirkte sich vorteilhaft auf die Zustimmung zum Volksbegehren aus. Davon war im aktuellen Fall nur wenig zu spüren.

Vielmehr herrscht wieder weitgehend courant normal.

Claude Longchamp