Lassen sich Schweizer Wahlen prognostizieren?

Mit Blick auf die Schweizer Wahlen 2015 wage ich ein für die Schweiz neuartiges Experiment in der Wahlforchung.

Umfragen zu den Wahlabsichten vor Schweizer Nationalratswahlen sind heute weitgehend eingeführt und sie werden medial und politisch vielfach verwendet. Insgesamt haben sie sich bewährt, und einen im internationalen Vergleich brauchbaren Stand erreicht. Es bleiben aber zwei Probleme: Befragungen kurz vor einer Entscheidung vermitteln einen leicht “zittrigen” Eindruck, denn die Schwankungen der Messergebnisse im Zufallsbereich bleiben bei allen methodischen Verbesserungen bestehen. anderseits sind Umfragen weit vor einer Wahl eher Momentaufnahmen denn Vorhersagen, denn es fehlt ihnen die Berücksichtigung der Meinungsbildung, die erst noch kommt.

Die internationale Wahlforschung der letzten 15 Jahre ist genau deshalb neue Wege gegangen. Sie prüft alternative Instrumente wie Wahlbörsen oder ExpertInnenbefragungen, und sie hat Modellrechnungen entwickelt, um beispielsweise mit ökonomischen Indikatoren oder medialen Themenanalysen Wahlprognosen erstellen zu können. Andere VertreterInnen der neuen Wahlforschung verfolgen den Pfad, Umfrageergebnisse zu qualifizieren, indem sie mit anderen Messgrössen kontrolliert, spricht justiert werden.

Genau diesen neuen Möglichkeiten der Wahlprognose nimmt sich mein neu gestaltetes Forschungsseminar an der Universität Bern an. Ziel ist es, ein Instrumentarium zu entwickeln, das mit oder ohne Umfragen zu Wahlabsichten 2015 eingesetzt werden könnte, um den Ausgang von National- und Ständeratswahlen vorherzusehen. Auf diesem Weg gibt es in der Schweiz bisher nur wenig; erwähnt seien Extrapolationen kantonaler Wahlen – mit der Einschränkung, dass die Trends aber nicht gleich verlaufen. Zu Ständeratswahlen gibt es noch weniger – mit Ausnahme erster Forschungsarbeiten, die ich 2011 an der Uni Bern angeregt habe.

Diese Lücke will das Seminar füllen. Es richtet sich an Studierende auf der Masterstufe. Vorausgesetzt werden gute Kenntnisse der Schweizer Wahlen und ein grundlegendes Wissen zu den Theorien und Methoden der Wahlforschung. Die Lehrveranstaltung selber besteht aus mehreren Teile: einer Einführung mit den Erarbeitung der Zielsetzung: eine Bearbeitung der relevanten Literatur aus den USA und aus Deutschland; der Bildung von Projektgruppen, die je ein Instrument entwickeln müssen und der Diskussion erster Ergebnisse aus der neuen Forschung. Als externen Referanten habe ich zudem Andreas Graefe von der Uni München eingeladen, der ein vergleichbares Projekte zu den Bundestagswahlen 2013 realisiert.

An die studentischen Projekte stelle ich eine Anforderung: Die Intuition, die hier sehr wohl eingesetzt werden kann, soll durch ein systematisches und methodisch kontrolliertes Vorgehen ersetzt werden. Die Arbeiten aus dem Seminar müssen bis Ende Januar 2014 abgeben werden, mit konkreten Vorschlägen, wie neue Instrument der Wahlprognoseforschung jenseits der eingeführten aussehen und wie sie mit Blick auf die Wahlen 2015 realisiert werden könnten. Interessierte der Uni Bern erfahren übere Ilias mehr dazu.

Ich hoffe, hier nicht nur Neuland zu beschreiten, sondern auch festeren Boden unter den Füssen zu bekommen!

Claude Longchamp