Was von einem kombinierten Medientenor mit Trendbefragungen vor Volksabstimmungen zu erwarten wäre

Es gilt unverändert: Die Abzocker-Initiative findet von den drei Vorlagen der eidg. Volksabstimmungen vom 3. März 2013 die grösste Aufmerksamkeit. Der Nein-Trend in der Medienberichterstattung scheint seit neuestem aber gebrochen zu sein. Was das für die kommenden Stimmabsichten heisst, sei hier als Instant-Hypothese formuliert.

Die erste Kampagnenphase gehörte den BefürworterInnen der Abzocker-Initiative. Die Medienaufmerksamkeit war hoch, der Medientenor positiv. Höhepunkt in diesem Spannungsbogens war die Parolenfassung der SVP, dramatisiert durch den Zweikampf zwischen Christoph Blocher und Initiant Thomas Minder.

Die Nein-Parole der SVP wirkte wie ein doppelter Wendepunkt in der Medienberichterstattung zur Abzocker-Initiative. Die Aufmerksamkeit liess nach, und der Tenor wurde zunehmend kritischer. Die Nein-Kampagne zeigte Wirkung. Das galt bis vor rund zwei Wochen.

Das zweite Grossereignis, das massenmedial vermittelt wurde, war die Bilanz-Medienkonferenz der UBS, mit der die Boni-Frage angesichts eines defizitären Abschlusses neu aufs Tapet gebracht wurde. Unfreiwillig vorbereitet wurde dieses Medien-Event durch den Abgang mit Daniel Vasella bei Novartis, verbunden mit der umstrittenen Abgangsentschädigung. Das mediale Interesse hatte damit wieder zugenommen, und der negative Trend in der Berichterstattung zur Initiative wich einer insgesamt neutralen Beurteilung.

Der Abstimmungsmonitor der Forschungsstelle für Oeffentlichkeit und Gesellschaft (fög), ein der Uni Zürich angegliederter Forschungsbereich, zeichnet diese Trends aufgrund der Berichte in Massenmedien wie Blick, Le Matin, Le Temps, Neue Zürcher Zeitung, Tages-Anzeiger und 20 Minuten im Wochenrhythmus nach. Erstmals erfolgt dies als Begleitprojekt zum Abstimmungskampf, denn früheren Analysen dieser Art wurden erst im Nachhinein erstellt. Damit erhöht sich der Wert des Abstimmungsmonitors als Instrument der Analyse von kampagnenbezogenen Medieneinflüssen.

Medientenor und Stimmabsichten müssen nicht direkt übereinstimmen. Denn die Meinungsbildung zu Sachvorlagen beginnt bei Beginn des Abstimmungskampfes nicht bei Null. Gut belegt ist, dass in einem variablen Mass Prädispositionen bestehen, die sich aus der Alltagserfahrung mit dem Thema nähren; hinzu kommt die vorbereitende Behandlung des Problems in den Medien. Beides bildet zusammen die Basis der Meinungsbildung unter Kampagneneinflüssen.

Die erste der beiden Befragungen, welche das Forschungsinstitut gfs.bern zu Stimmabsichten und Meinungsbildung leistet, legte nahe, dass die Meinungsbildung bei der Abzocker-Initiative am weitesten gediehen war. Mitte Januar 2012 bekundeten 52 Prozent der beteiligungsbereiten Befragten, eine feste Stimmabsicht zu haben. Beim Familienartikel waren es 44 Prozent, beim Raumplanungsgesetz gar nur 37 Prozent.

Verglichen mit dem Stand der Meinungsbildung bei Wahlen ist das insgesamt viel weniger. Stellt man es zu anderen Abstimmungsvorlagen in der Schweiz in Bezug, kann man bei der Abzocker-Initiative von einer mittleren bis hohe Prädisponierung ausgehen, beim Familienartikel von einer mittleren und beim Raumplanungsgesetz von einer mittleren bis tiefen. Das legt erste Vermutungen nahe zu den Kampagneneinflüssen, denn je geringer die frühe Prädisponierung von Stimmabsichten ist, umso mehr muss es der Abstimmungskampf richten.

Alles in allem wird erwartet, dass die Sicherheit der Entscheidung mit Dauer des Abstimmungskampfes zunimmt. Bei der zweiten SRG-Befragung dürften die zitierten Anteile durchwegs höher ausfallen. Erwartet werden kann auch, dass sich der Medientenor, seinerseits bestimmt durch die Ereignisse, sich auf die Veränderungen der Stimmabsichten zwischen beiden Befragungen auswirkt. Mit anderen Worten: Die Kombination das Abstimmungsmonitors von fög und der Trend-Befragungen für die SRG ist vor allem hinsichtlich der Veränderungen von Entscheidungen von Belang. Beim Familienartikel kann, angesichts der eher positiven Presse, mit einer Zunahmen der (mehrheitlich) positiven Stimmabsichten gerechnet werden, beim Raumplanungsgesetz ist das angesichts der eher kritischen Berichte und der geringen Prädisponierung nicht sicher, während die neutrale Position der Medien insgesamt zur Abzocker-Initiative der Nein-Seite nicht helfen dürfte, ihren Rückstand wett zu machen.

Klar muss sein, dass damit nicht alle Einflussfaktoren genannt sind. Mit Sicherheit müsste man auch die Werbeintensität mitberücksichtigen, aber auch die Meinungsbildung in den Parteien. Mehr dazu später.

Claude Longchamp