Analyse von Ständeratswahlen

Heute war Auftakt zu meiner Lehrveranstaltung an der Universität St. Gallen. Der Kurs ist einer der neun Praxisprojekte im Rahmen des MIA-Masterlehrgangs an der HSG. Hier meine Zielsetzung.

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Obwohl der Ständerat im bi-kameralistischen Parlament der Schweiz gleich wichtig ist wie der Nationalrat, ist seine Wah bisher praktisch nicht untersucht worden.

Ich habe mich entschieden, mit meine Studierenden Ständeratswahlen zu analysieren. Ausgelöst wurde dieses Interesse durch das jüngste Spezialheft der Schweizerischen Zeitschrift für Politikwissenschaft. Es beansprucht, den Stand der Dinge zur Schweiz darzustellen, behandelt die Wahlen in die kleine Kammer aber mit keinem Artikel.

Ich habe zwei übergeordnete Fragestellungen an den Anfang der Veranstaltung gestellt:

Erstens: Kann man aus den Potenzialen von KandidatInnen sinnvolle Prognosen machen für das Wahlergebnis? – Ich hoffen auf ein Ja.
Zweitens: Wie weit können Aktualisierungen solcher Potenziale in Wahlkämpfen des Wahlergebnisses beeinflussen? – In denke, dass es auch hier positive Hinweise gibt.

In beiden Fällen interessieren die Wahlergebnisse als abhängige Variable. Dabei stehen Stimmenzahlen, Stimmenanteile, Beteiligungsanteile zur Verfügung. Ueber die Wahlmotive weiss so nichts, und es gibt praktisch keine Befragungen als Nachanalysen von Ständeratswahlen, die einem helfen würden, strategisches und taktisches Wählen zu analysieren. Untersuchbar sind aber Wahlergebnisse beispielsweise auf kommunaler Ebene, so im Stadt/Land- oder Sprachenvergleich.

Was die unabhängigen Variablen betrifft, schlage ich ein Raster vor, das bei den Potenzialen die institutionellen Rahmenbedingen, die KandidatInnen-Profile (im Vergleich) und die Allianzbildungen unterscheidet. Bei den Aktualisierungen differenziere ich nach dem Wahlkampf als solchem, nach den Kampagnen der KandidatInnen und nach den Medienstrategien.

Typische Indikatoren der Rahmenbedingungen sind das Wahlrecht, die Sitzzahl, die Zahl der freien Sitze sowie die Gesetzmässigkeiten erster und zweiter Wahlgänge. Bei den KandidatInnen-Profilen interessieren die Rollen der Bewerbung vom Amtsinhaber, über die Herausforderung bis zur Aufbau-Kandidatur. Es geht auch um die bisherige politische Karriere, den Leistungsausweise, die Erfahrugnen in Kampagnen, das Parteiimage und die Mitgliedschaften in politisch relevanten Gruppen. Schliesslich sollte man etwas über die Hausmacht der Bewerbungen wissen, die Allianzbildungen über Parteien hinweg und über Absprachen unter Parteien, welche den Wettbewerb bei einer Wahl einschränken.

Bei den Aktualisierungen geht es zunächst um das Unfeld einer Wahl, sei es, dass gleichzeitig weitere Wahlen oder Abstimmungen stattfinden. Es interessiert hier aber auch die Dauer des Wahlkampfes, und die Gepflogenheiten in einem Kanton bei solchen Wahlen. Wenn von Kampagnen die Rede ist, sollten die Stäbe der KandidatInnen verglichen werden, ihre Budgets, die beanspruchte professionelle Hilfe, die Werbe- und Kommunikationsstrategien sowie die direkte Wähleransprache und die Mobilisierungsaktionen. Schliesslich sollte man mehr wissen, über die Medienstrategien bei Ständeratswahlen, wie wichtig ihnen diese sind, welche Nähe und Distanz relevante Medien zu den Bewerbungen haben, wie ihre Redaktionskonzepte sind, wie sie mit Wahlwerbung umgehen, und wie das alles zusammenspielt.

Anlehnungen mache ich hiermit vor allem an das amerikanische Prognoseprojekt von pollyvote und an eine Untersuchung von Mark Balsiger zur Schweiz, der sich grundsätzlich mit Personeneffekten bei Nationalratswahlen beschäftigt hat.

Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Die ersten Diskussionen waren schon mal aufschlussreich. Sie zeigten mir, dass man sich zur weltanschaulichen Polarisierung von Personenwahlen Gedanken macht, dass man mehr über Emotionalisierung in Medienstrategien wissen möchte, und dass beispielsweise das Stadt/Land-Profil der Wahlkreise als Determinanten von linken und rechten Kandidaturen besonders interessiert.

Mehr später!

Claude Longchamp