Luftschlösser, Stimmungslagen und Strategieüberlegungen

In der Luft liegt eine Mitte/Rechts-Regierung” titelte der “Sonntag”. Er berief sich dabei auf die “Strategie 51 Prozent” von Nationalrat Ulrich Schlüer. Einige Nachgedanken zwischen Luftschlössern und Strategiedenken.

sonntag

Zunächst zum Brauchbaren: Der Artikel von Othmar von Matt beschäftigt sich mit dem Ausgang der Parlamentswahlen 2011. Zitiert werden die offiziellen Wahlziele der SVP, vermutet wird aber auch eine “versteckte Agenda”. Der neue Geheinplan beinhalte verschiedene Spielarten einer Mitte/Rechts-Regierung, die samt uns sonders auf die Brüskierung der SP als Regierungspartei ausgerichtet seien. Erwähnt werden 4 Szenarien.

Szenario Bruch: Demnach verliert die SP Ende Jahr bei Bundesratssitze an die bürgerlichern Parteien.
Szenario Bestrafung: Demnach verliert die SP einen Bundesratssitz an die SVP.
Szenario Schwächung: Demnach verliert die SP einen Bundesratssitz an die Grünen
Szenario Status Quo: Demnach koalieren SVP, FDP und SVP, um die SP im Bundesrat regelmässig ins Leere laufen zu lassen.

Letzteres ist auch heute möglich. Es scheiterte stets am gemeinsamen Willen der bürgerlichen Parteien und ihrer BundesratsvertreterInnen, die sich sachpolitische Freiheiten ausbedingen.

Dann zum Unbrauchbaren: Das Luftschloss “Subito 51 Prozent für die SVP” unterliegt einem verbreiteten Denkfehler. Nur wenn das bürgerliche Lager gemeinsam zu Lasten von Rotgrün wächst, wäre eine eigentlicher Regierungswechsel angezeigt.

Solange die SVP aufgrund von Fusionen mit Kleinparteien zulegt, muss sie eine klaren Rechtskurs halten, was ihre Regierungsfähigkeit im Schnittfeld zwischen Oppsitionspartei in Migrationsfragen und Regierungspartner in Wirtschaftsfragen schwächt. Und wenn die auf Kosten der bürgerlichen Parteien zulegt, erschwert sie die Zusammenarbeitsmöglichkeiten mit ihnen, denn man befindet sich im Rollenkonflikt, Konkurrent zum Partner zu sein. Da hat der Luftschlossherr Schlüer recht: Das kann man nur gewinnen, wenn man die Mehrheit erreicht.

Real wird die Abgrenzung zwischen den bürgerlichen Parteien mindestens bis zu den Wahlen im Herbst ’11 vorherrschen. Die Trends in Kantonen wie Zürich und Bern bei den aktuellen Wahlen bestätigen dies. Und danach entscheiden die Wählerstärken, allenfalls die Sitzzahlen der Parteien, was rechnisch möglich ist, und was politisch Sinn macht. Bevor man die Konkordanz weiter schwächt, wäre es richtig, die numerische Grössen und den politischen Willen nüchtern zu analysieren, um zu Vorschlägen zu gelangen.

Bleibt vorerst die Frage, wem der Artikel nützen sollte? SVP-Exponenten wie Nationalrat Mörgeli und Schlüer sind dafür bekannt, dass sie Wahlsiege in politische Forderungen ummünzen. 2007 stammte die Idee konservative Revolution mit vermehrter Einflussnahme der SVP auf, Schulen, Medien und Verwaltungen aus ihrem Kreise. Doch führte dieser offensichtliche Machtanspruch zum Fiasko bei Bundesratswahlen von Ende 2007. Entsprechend variieren die Reaktionen von SVP-Seite zwischen vorsichtiger Zustimmung und demonstrativer Distanzierung.

Anders sieht es auf linker Seite aus. Lanciert wurde die Geschichte vom grünen Nationalrat Jo Lang, der damit seine Partei als allzeit sensibilisierten Anit-SVP-Pol profilieren konnte. Und der gewievte Polittaktiker aus Zug weiss genau so gut wie Christian Levrat, dass die Angst, institutionell marginalisiert zu werden, zu den Mobilisierungsmassnahmen zählt. Diese Stimmungslage war wohl die Absicht für die grosse Aufmache vom Sonntag.

Immerhin, die Doppelseite hat mich in einem Punkte zum strategischen Nachdenken angeregt: Wenn schon im Nachgang zur Fusion von FDP und Liberalen ein Zusammengehen von CVP und BDP ins Spiel gebracht wird, wäre es nur folgerichtig auch über die Kooperation von SP und Grünen über den Status Quo hinaus nachzudenken. Sachpolitisch ist die Uebereinstimmung seit langem hoch; machtpolitisch gäbe es dann einen genügend Gegenkräfte auch zu einer erstarkten SVP.

Wie wär’s also damit?

Claude Longchamp