BundesrätInnen im Wahlkampf

FDP-Präsident lancierte heute eine heikle Diskussion. Er will, dass die FDP-Bundesräte im FDP-Wahlkampf 2011 eine sichtbare Rolle im Wahlkampf spielen. Solche Engagement können der Partei helfen, dem Bundesrat aber auch schaden.

Tagesschau vom 12.12.2010

Im Bundesbern weiss man es: Seit Bundesrat Ueli Maurer im Wahlkampf der Berner SVP auftrat, als wäre er noch schweizweiter SVP-Parteipräsident, scheiden sich die Geister. Denn die Berner SVP realisiert trotz Abspaltung der BDP ein gutes Wahlergebnis. Vielleicht aus deswegen wirft man Maurer hinter vorgehaltender Hand Bruch mit den Verhaltensregeln von Bundesräten in Wahl- und Abstimmungskämpfen vor.

Genau das nimmt nun Fulvio Pelli, FDP-Präsident, zum Anlass, von “seinen” Bundesräten im kommenden Wahlkampf mehr Präsenz gegenüber der WählerInnen-Basis und dem Wahlvolk zu verlangen. Man habe sich diesbezüglich geeinigt, verkündet er im heutigen “Sonntag”. Das ist, mit Verlaub, kein Problem wegen der FDP, indes ein generelles.

Der aktive Einsatz von Bundesratsmitglieder in Wahlkämpfen geht mit der Veränderung der politischen Kultur einher: Gezielte Kommunikation auf nationaler Stufe einerseits, politische Polarisierung auf der anderen Seite sind die beiden wichtigsten Stichworte.

BundesrätInnen eignen sich mit ihrer Medienpräsenz, Bekanntheit und Themennähe als Treiber der Kommunikation im Wahljahr ganz besonders. Entdeckt hat das Adolph Ogi 1991, der als erster Bundesrat die vornehme Zurückhaltung im Wahlkampf aufgab. Erstmals von einer Partei strategisch eingesetzt wurden die Bundesräte 1995 durch die SP. Otto Stich trat kurz vor den Wahlen zurück, und sein Parteipräsident Peter Bodenmann schlug anderntags 7 KandidatInnen für seine Nachfolge vor, womit er während Wochen den Wahlkampf beherrschte und seiner Partei nach einer langen Durststrecke einen grossen Wahlerfolg bescherte.

2007 erlebten wir den bisherigen Höhepunkt in dieser Entwicklung: Christoph Blocher, damals noch SVP-Bundesrat, überzeugte seine Partei, in der Schlussphase das Ausländerthema wieder in den Hintergrund zu rücken, dafür seine Person als einigendes und mobilisierendes Band rund um alle potenziellen SVP-WählerInnen ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu schieben. “SVP wählen, Blocher stärken” hiess der damalige Slogan, der zum bisher grössten Wahlerfolg einer Partei unter Proporzbedingungen für Nationalratswahlen führte. Immerhin, aus der vermeintlichen Volkswahl von Bundesrat Blocher wurde nicht. Keine zwei Monate später wurde er zur Ueberraschung aller vom Parlament aus dem Bundesrat abgewählt.

Das alles ist typisch für heutige Wahlkämpfe: Treiber sind die Parteien, die in erster Linie die Medien für sich gewinnen wollen. Denn sie sind ihr wichtigstes Verbindungsglied zu einer Wählerschaft, die parteipolitisch nicht mehr eindeutig einzuordnen ist, die zwar weiss, ob sie links oder rechts steht und das mit Werten in Verbindung bringt, nebst den Themen vor allem die Köpfe sehen will, welche sie vertreten werden.

Für eine Regierung, die vom Parlament gewählt wird und nach Konkordanzregeln funktioniert, ist das alles ein Problem. Es unterminiert die Rolle der BundesrätInnen als politisch Verantwortliche. Es verringert die Einheit des Gremiums, das die Schweiz führen soll. Nicht umsonst wächst der Ruf nach Persönlichkeiten im Bundesrat, die sich für das Land und die Sache einsetzen, nicht die Handlanger ihrer Parteien sind. Und es ist auch kein Zufall, dass Konkordanz in der Bevölkerung immer weniger mit Formeln für die parteipolitischen Zusammensetzung des Bundesrates zu tun hat, immer mehr aber mit dem versprochenen Willen, auch mit VertreterInnen anderer Parteien zusammenarbeiten zu wollen.

So bleibt die Bilanz der BundesrätInnen in Wahlkämpfen zwiespaltig. Als Kommunikatoren sind sie ohne Zweifel von Vorteil, für das Land und für ihre Partei. Ihr Vordringen ins Herz von Wahlkämpfen schwächt sie aber als Regierungsmitglieder, denn sie werden damit ohne Zweifel zu ParteipolitikerInnen, die zur Polarisierung beitragen. Nach den Kritiken aus den Reihen der Geschäftsprüfungskommission hat Bundespräsidentin Doris Leuthard gekonnter, und Besserung versprochen in der Zusammenarbeit des Bundesrates als Gremium.

Zudem hat man hat gerade mit den drei letzten Bundesratsersatzwahlen versucht, einer neuen Generation von Regierungsmitgliedern den Weg zu ebnen, die sich sachorientiert für die Weiterentwicklung der Schweiz einsetzt, und sich von den Hahnenkämpfen wie 2007 zwischen Blocher und Couchepin fernhält. Man würde gut daran tun, das konsequent weiter zu verfolgen, und den Einsatz des BundesrätInnen als parteiische Wahlkampflokomotiven im letzten Vierteljahr vor den Wahlen zu verringern. BundesrätInnen werden gewählt um zu regieren, nicht um zu inszenieren!

Claude Longchamp