Wahlen und Wählerschaft in der Schweiz – Buchbesprechung der Neuerscheinung

Gerade rechtzeitig vor den nächsten Parlamentswahlen erscheint im NZZ-Verlag das Buch „Wahlen und Wählerschaft in der Schweiz“. Editiert wurde der Sammelband von Markus Freitag und Adrian Vatter, Direktoren des Berner Instituts für Politikwissenschaft. Präsentiert wird der state-of-the-art in der Schweizer Wahlforschung.

wahlenundwaehlerschaf

In der Einleitung schreiben die Herausgeber, die Parteienlandschaft der Schweiz habe sich in den letzten 20 Jahren grundlegend verändert. Sichtbarstes Zeichen sei der Aufstieg der SVP. Damit verbunden hätten sich die prägenden Konfliktlinien des Parteiensystems erweitert; namentlich sei der Gegensatz zwischen einer offenen und verschlossenen Schweiz hinzugekommen. Relativiert worden seien damit die Grundlagen der Parteien aus der Industrialisierung.
In der Tat, das Parteiensystem wirkt heute einerseits postindustriell, anderseits mediendemokratisch. 13 Beiträge, die Freitag und Vatter aufgrund einer Institutstagung zu Beginn des Wahljahres versammelt haben, geben hierzu in unterschiedlich tiefem Masse Auskunft.
Die Herausgeber, vor allem an der Entwicklung der Wahl-Forschung interessiert, haben sie in zwei Gruppen gegliedert: neue Fragestellungen für die Schweiz und neue Befunde zu bestehenden Themen.

Innovationen
Zur ersten Gruppe zählt zweifelsfrei der gelungene Beitrag von Isabelle Stadelmann-Steffen und Karin Ingold zur Entstehung der GLP. Aufgrund eines breiten Materials aus dem Parteiprogramm und Wählerbefragungen suchten sie das Alleinstellungsmerkmal der jungen Partei. Ähnlich wie die bürgerlichen Parteien stünde die GLP sozialen Umverteilungen skeptisch gegenüber; befürwortet würden nur ökologische Steuern, schreiben die Autorinnen. Soziale Investitionen befürworte die Partei ebenso wie die Linke, betone aber die Nachhaltigkeit von Investitionen stärker. In Ökologiefragen stimme die GLP anders als bürgerliche Parteien dem Ausstieg aus der Atomenergie zu, setze dabei, anders als linke Parteien, auf marktorientierte Lösungen. Schliesslich nähme die Partei eine kulturell-liberale Haltung ein; vor allem die Basis werde dadurch geprägt, während die Parteikader mehr Zurückhaltung zeigten. Grundsätzlich fülle die GLP eine Lücke, und dies nicht nur im Umweltbereich. „Negativ ausgedrückt ist die GLP weder richtig grün noch richtig liberal. Positiv ausgedrückt ist sie beides ein bisschen.” Originell ist der Beitrag, weil dieser die Partei mehrdimensional verortet, die Abgrenzung als Definitionskriterium verwendet und dennoch differenziert urteilt. Das drückt sich auch in der Warnung der Autorinnen aus, denn das bewusste Anders-sein-wollen der GLP berge auch die Gefahr in sich, alle denkbaren Allianzpartner aufs Mal zu verärgern, womit die Rolle der Mehrheitsbeschafferin bald einmal infrage gestellt werden könnte.
Die wahlbezogenen Möglichkeiten und Grenzen kleiner Parteien untersucht vertieft Adrian Vatter. Erstmals wird eine Gesamtübersicht über die institutionellen Voraussetzungen der Parteien unternommen. Die massgeblichen Stichworte sind die Wahlkreisgrösse und die Listenverbindungen. Ersteres nütze den grösseren Parteien und schade mit vergleichsweise hohen Eintrittsschwellen der Entstehung kleinerer Parteien. Parteien wie die GPS oder die EVP gehörten zu den Verlierern des föderalen Wahlrechts. Zweiteres, ursprünglich als Ausgleich gedacht, hänge stark von der taktischen Nutzung ab, die Mitte-Links adäquater gehandhabt werde, sodass insbesondere die SVP und FDP regelmässig Sitze verlieren würden. Am meisten überbewertet sei im Nationalrat die SP. Abhilfe ortet der Autor in erster Linie anhand einer Wahlrechtsreform, welche die Disproportionalität verringern würde.
Einen ganz anderen Weg der Wahlforschung beschreiten zwei Beiträge zur Psychologie der Wählerschaft. Gemäss Anja Heidelberger und Rolf Wirz beeinflussen prosoziale Einstellungen die heutige Wahlbeteiligung negativ, Extraversion jedoch positiv. Der Zusammenhang sei zwar nicht direkt; indirekt wirke er sich aber vor allem via ein verstärktes politisches Interesse, gepaart mit Netzwerken, Wissen und Pflichtbewusstsein der Extravertierten aus. Kathrin Ackermann und Markus Freitag wenden die dahinter steckende Typologie der Persönlichkeitsmerkmale auf die Wählerschaften der Parteien an. Verträglichkeit sehen sie vor allem bei der CVP-Basis vertreten, Offenheit für neue Erfahrungen finde sich bei den grünen Wählerschaften, Gewissenhaftigkeit bei der SVP und emotionale Belastbarkeit bei der SP. Die FDP-Wählenden schliesslich sehen sie durch fehlende Prosozialität gekennzeichnet. Die Autorinnen betonen, die psychologischen Eigenschaften der Wählerschaften seien klarer unterschiedlich als die demografischen.
Angefügt sei hier auch der profunde Beitrag von Mathias Fatke und Markus Freitag zur Nicht-Wählerschaft in der Schweiz. Aufgrund übergeordneter Überlegungen identifizieren die Forscher sechs Typen von BürgerInnen, die ihre Stimme bei Wahlen nicht abgeben. Desinteresse, Überforderung und Politikverdruss sind die hauptsächlichen. Ein Drittel der Wahlberechtigten lässt sich so charakterisieren. Weniger häufig, aber erwähnenswert ist zudem die soziale Isolierung als Abstinenzgrund sowie die Präferenz für Volksabstimmungen resp. andere Formen der politischen Partizipation. Namentlich die Mobilisierung der Unzufriedenheit mit der Schweizer Politik vor Wahlen stellt für gewisse Parteien ein Potenzial dar, ihre Stärke zu beeinflussen.

Weiterführungen
Wenn damit im Sammelband programmatische Eigenschaften von Parteien, institutionelle Rahmenbedingungen und Persönlichkeitsmerkmale der Wählenden exemplarisch neu beleuchtet werden, kreist die Mehrzahl der Beiträge rund um die Frage, was die Wahlerfolge der SVP ausmache. Anita Manatschal und Carolin Rapp untersuchen hierfür deren Wählerschaft im Zeitvergleich. Ihr Schluss: Die Partei habe ihre Basis im 21. Jahrhundert auf dem Land, in den unteren Schichten und jüngeren Generationen erweitern können, ohne Verlust der Kernwählerschaft im reformiert-konservativen Milieu. Entscheidend sei die thematische Erneuerung, namentlich die konsequente Anti-EU-Haltung und die Bevorzugung der einheimischen vor der zugewanderten Bevölkerung. Personifiziert worden sei diese Akzentsetzung mit der Figur Christoph Blocher, was den Aufbau neuer Parteibindungen erst ermöglich habe. Unsicher sind die Autorinnen bezüglich der Zukunft, denn die vorhandenen rechten Potenziale seien weitgehend ausgeschöpft, und gegen die Mitte sei mit der FDP eine Konkurrenz erwachsen.
Klaus Armingeon und Sarah Engler nehmen sich im internationalen Vergleich den programmatischen Präferenzen der SVP an. Auch sie stellen fest, die Selektion neuer WählerInnen gelinge der Partei mittels Polarisierung zwischen einer verschlossenen und offenen Schweiz am besten. Die Wählerschaft der Schweiz sei jedoch nicht fremdenfeindlicher als diejenige vergleichbarer Staaten. Die Stärke der SVP basiere darauf, früher als anderswo eine bewusste Strategie der Neupositionierung von oben vorgenommen zu haben, um entstehende Unzufriedenheit gezielt anzusprechen.
Dazu passt, was Daniel Schwarz und Jan Fivaz zum Vergleich von Gewählten und Wählenden schreiben. Gemäss ihrem Elite/Basis-Vergleich legen sie nahe, dass die Parteirepräsentanten heute polarisierte Positionen vertreten als die Wählerschaften. Begründet sehen sie dies im Wissen der Wählenden, dass in der Schweiz keine Partei alleine regieren kann, weshalb man weniger bestimmte Positionen wähle, vielmehr am Ende des Wahlkampfes die gewünschte Richtung akzentuiert unterstütze. Gemeinsam mit Cloe Jans ist der Schreibende den kommunikativen Gründen hierfür nachgegangen. Demnach mobilisiere die SVP wie keine andere Partei ihre Potenziale, weil sie Meinungen der bestehenden Wählerschaften systematischer als andere verstärke und denkbare Wählerschaften besser aufbaue als dies andere Parteien machen würden. Schliesslich sei es der SVP gelungen, mögliche Abwanderungen geeigneter zu verhindern. Hauptgrund seien die lang gezogenen Kampagnen der Partei; auffällig sei der dafür nötige finanzielle Aufwand für Werbung.

Systematisierungen
Erwähnt seien hier noch zwei Beiträge, die einen Beitrag zur Systematik der Ergebnisse aus der Wahlforschung leisten. Maya Ackermann und Sara Kijewski stützen sich dabei auf das gängige, sozialpsychologische Modell der Wahlforschung. Die empirische Anwendung bestätigt die vorrangige Bedeutung mentaler Parteibindungen für den Wahlentscheid. Hinzu kommt die Identifikation via Themenorientierung, die namentlich an den Polen massgeblich ist, und jene über Personenbindungen, die Mitte-Rechts von erhöhter Bedeutung ist. Marc Bühlmann, gemeinsam mit Marlene Gerber, ordnet die Gründe der Parteientscheidungen bei Wahlen in die sozialen Voraussetzungen ein. Betont wird, dass nebst der SVP auch die SP ihre Basis verändert habe. Gelungen sei der Vorstoss in die neuen Mittelschichten, allerdings zum Preis, den Kontakt zur Arbeiterschaft verloren zu haben. Die weiteren Veränderungen sehen die AutorInnen weniger im gesellschaftlichen Wandel begründet, sondern mehr im thematischen Wandel der Schweizer Politik: Hervorgehoben werden dabei die Zuwanderungsfrage und der Ausstieg aus der Kernenergie als Kennzeichen des Wertewandels. Ersteres habe die Parteibindungen rechts der Mitte ausgerichtet, zweiteres links der Mitte.

Bilanz
Der neue Sammelband dokumentiert vor allem die Entwicklungen der Schweizer Wahlforschung. Theoretisch hat sie in den letzten zwanzig Jahren den Anschluss an die internationale Forschung gefunden. Konzeptionell ist sie dabei, die allgemeinen Erkenntnisse auf die schweizerischen Voraussetzungen runter zu brechen. Empirisch wächst die Datenbasis von Wahl zu Wahl auf beeindruckende Art und Weise. Verbreitert hat sich auch die personelle Basis der Wahlforschung, verbunden mit einer thematischen Ausweitung. Das alles sind Verbesserungen. In den Hintergrund gerückt sind aber übergeordnete Fragestellungen der Politik: Was bedeuten Parteien und Wahlen heute? Was leisten sie für das Land, wo versagen sie?
Sicher, der neue Sammelband reflektiert vor allem die Wahlforschung in Bern. Deren Schwerpunkte sind institutionelle Themen, die politische Soziologie und neuerdings auch Psychologie. Politökonomische Fragen genauso wie Medienanalysen, fehlen dagegen weitgehend.
Typisch bleibt auch mit diesem Buch, dass Wahlforschung in der Schweiz die Erforschung von Nationalratswahlen meint, mit ihrem Schwerpunkt bei der Parteienbildung und den Ursachen für den Parteienwandel. Der Erkenntnisgewinn für die ebenso bedeutsamen Ständeratswahlen bleibt dabei zurück. Last but not least, Wahlforschung, wie sie mit dem aktuellen Sammelband dokumentiert wird, ist rückwärtsgewandt. Symptomatisch dafür ist, dass Prognosen für 2015 und darüber hinaus letztlich ganz ausbleiben.
Einige der Beiträge sind in verwandter Form bereits in Tages- und Wochenzeitungen besprochen worden. Nicht immer gelang dabei eine unverkürzte Darstellung resp. Rezeption. Der ausführliche Sammelband bietet Interessierten an der Empirie zu Schweizer Wahlen, ab morgen die Möglichkeit, sich direkt zu informieren.
Der hier besprochene Wälzer ist mit Anhang und Literaturverzeichnissen fast 500 Seiten dick. Wenn diese inhaltlich gelungen erscheinen, kann man das nicht von jeder grafischen Umsetzung sagen; das bleibt denn auch die einzige Schwäche. Dass sich das Buch dennoch schnell verarbeiten lässt, hat mit den strikten Vorgaben für den Aufbau der Beiträge zu tun. Diese erleichtert es Interessierten aus Wissenschaft und politischer Praxis, systematisch die Ergebnis- und Erkenntnisgewinne zu identifizieren. Der strenge Fahrplan für das ambitiöse Projekt hat es zudem ermöglicht, den Forschungsstand just eineinhalb Monate vor den nächsten Wahlen greifbar zu bekommen. Mit Sicherheit ein erster Wahlgewinn(er)!

Claude Longchamp

Twitter-Potenziale für den Wahlkampf der Parteien

Wie sind die Kandidatinnen für den National- oder Ständerat auf Twitter präsent? Wer hat grossen Potenzial, bei einer Parteibewerbungen zu punkten? Eine Netzwerk-Analyse.

Ein Forschungsteam von gfs.bern hat mit dem Programm R eine systematische Twitter-Recherche nach KandidatInnen für die anstehenden Wahlen erstellt. Kombiniert mit bestehenden Listen für Twitter-Accounts nach Parteien und Kantonen legt dies gut 650 eindeutig identifizierbare Konten von BewerberInnen offen; gut 600 gehören einer Bewerbung für den Nationalrat, rund 50 einer für den Ständerat. Stichtag war der 1. August 2015.

Die neue Datenbank lässt erste Schätzungen zur Verbreitung der BewerberInnen in diesem sozialen Netzwerk zu. Demnach gehören 22 Prozent der Konten einer SP-Kandidatur. Die FDP.DieLiberalen bringen es auf 16, die GPS auf 14 Prozent. Es folgen die CVP mit 12 und SVP mit 11 Prozent. GLP und BDP kommen auf je 9, die EVP auf 4 Prozent.


Grafik anclicken, um sie zu vergrössern


Im soziale, ökologischen und liberalen Umfeld vermehrt Kandidaturen

Die Zahlen für Kandidaten-Accounts decken sich nur bedingt mit den bisherigen Parteistärken resp. KandidatInnen-Anteilen. Das hat namentlich mit der Twitter-verbreitung zu tun, die im urbanen Umfeld verstärkt ist. Deshalb sind soziale, liberale und ökologische Twitterer tendenziell über-, konservative eher untervertreten. Kleinparteien, die oft Mühe haben, in Massenmedien gebührend berücksichtigt zu werden, kompensieren dies mit vermehrter Twitter-Aktivität. Uebrigens: Die SVP würde viel besser abschneiden, wenn man Facebook analysieren würde.
Der Mangel an Abbild von Stärkeverhältnisse schwindet, wenn man sich die Frage stellt, welches die KandidatInnen mit dem grössten Potenzial sind, ihre politischen Standpunkte innerhalb der Partei zum Ausdruck zu bringen. Darstellen lassen sich die Ergebnisse hier als Netzwerke der Kandidierenden einer Partei. Die nebenstehenden Grafiken leisten das. Wer im Zentrum ist, hat viel Potenzial, wer peripher erscheint wenig. Um in den nachstehenden Grafiken die Übersicht zu wahren, beinhalten sie je Partei maximal 50 Konten – die mit den meisten Follower.


Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

Sprache als zentrale Barriere – mit BrückenbauerInnen
Zunächst fällt auf, dass der Aufbau einer parteispezifischen nationalen Twittersphäre fast überall durch die Sprache begrenzt wird. Vor allem zwischen den deutsch- und französischsprechenden KandidatInnen ist die Spaltung auffällig. Typischerweise kennen die meisten Parteien Brückenbauer, die über die Sprachregionen hinaus zahlreiche Follower haben: Bei der SP sind diese J.-Ch. Schwaab, M. Reynard und M. Carobbio. Bei der GPS ist dies Pierre-Alain Jaquet, gefolgt von Co-Präsidentin A. Thorens. Bei der CVP seien die Nationalräte Y. Buttet und D. de Bumann erwähnt. Zudem twittert Generalsekretärin B. Wertli als eine der wenigen KandidatInnen recht systematisch zweisprachig. Keine speziell herauszuhebende Figur gibt es bei der FDP.DieLiberalen. Die Jungfreisinnigen M. Barone und V. Brune sowie Vize-Präsidentin I. Moret erfüllen die Bedingungen. Die Parteispitze der Waadtländer Jung-SVP, speziell Y. Ziehli, hat bei dieser Partei eine ähnliche Position. Schwieriger ist es, diese Rolle bei BDP und GLP dingfest zu machen. Hier mangelt es in den Sprachminderheiten an erkennbaren Twitter mit viele Follower über die Sprachgrenzen hinweg.


Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

Kern an MultiplikatorInnen- je nach Partei unterschiedlich geballt
Bei den meisten Parteien findet sich ein eigentlicher Kern denkbarer Multiplika-torInnen. Am ausgeprägtesten ist dies bei der SP der Fall. Die Parteispitze ist mit Ch. Levrat, F. Molina und Y. Feri gut vertreten. Bei der SP gibt es aber zahlreiche Personen darüber hinaus, insbesondere C. Wermuth und D. Roth, die ihre Position als frühere JUSO-Präsidenten nutzen können, aber auch S. Leutenegger Oberholzer und J. Badran von der Fraktion. Den parteiinterne Twitter-Leader haben bei der GPS B. Glättli, B. Girod und A. Trede inne; zu ihnen stösst auch die Regula Rytz, die Co-PräsidentInnen. Bei der FDP.DieLiberalen sind dies eindeutig Ch. Markwalder und Ch. Wasserfallen, letzterer Vizepräsident und damit ranghöchster FDP-Twitter, da Ph. Müller nicht präsent ist. Letzteres gilt auch für T. Brunner bei der SVP. Zwar hat er ein Konto, doch bewirtschaftet er es seit langem nicht mehr. So bilden N. Rickli, Ch. Mörgeli und L. Reimann von der SVP-Fraktion und O. Straub resp. A. Liebrand von der jungen SVP die Twitter-Spitze. Unbestritten im Zentrum der CVP findet sich die Generalsekretärin B. Wertli, umgeben von K. Riklin, B. Schmid-Federer, J. Wiederkehr. An sich wäre auch Ch. Darbellay dabei, doch kandidiert er 2015 nicht mehr. Einfacher sind die Verhältnisse bei den übrigen Parteien: Nationalrat B. Flach bildet bei der GLP das Zentrum, und Parteipräsident M. Landolt steht bei der BDP hierfür.


Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

Deutlich wird mit der Netzwerk-Analyse eine formelle wie auch informelle Parteispitze auf Twitter: Bisweilen sind die PräsidentInnen oder Stellvertreterinnen im Zentrum, bisweilen sind es aber auch die eigentlichen Twitter-Crack, die sich langfristig in den sozialen Netzwerken platziert haben, die führend sind. Sie bilden die grössten Potenziale, um auf Twitter den Parteienwahlkampf in Gang zu setzen oder zu halten.
Allerdings ist mit dieser Aufstellung noch nicht gesagt, ob die Aufgeführten effektive Beeinflusser sind oder nicht. Denn das hängt auch von ihrer Aktivität auf Twitter ab, speziell der Zahl der Beiträge und der Interaktionen. Da zentrale Personen im Juli ganz offensichtlich Ferien gemacht haben und Twitter-passiv waren, wird dies eine Wiederholung der Analyse mitten im Wahlkampf aufzeigen können.

Claude Longchamp

PS: Sollten wir eine Bewerbung übersehen haben, bitte wir um Nachsicht. Eine DM auf Twitter oder mail auf info@gfsbern.ch genügt, und wir werden Sie beim nächsten update berücksichtigen.

Vier Gründe für den Wiederanstieg der FDP

Warum gewinnt die FDP bei Wahlen wieder? (M)Eine Kurzanalyse.

Die Überraschung des Jahres unter den politischen Parteien ist die FDP. Sie legte bei allen kantonalen Wahlen zu, in Zürich gar spektakulär. Nun schwingt sie auch im Wahlbarometer oben aus. Statt 15.1 Prozent wie 2011 erhält sie in der repräsentativen Befragung von anfangs Juni 17.1 Prozent. Das sind 2 Prozentpunkte Differenz gegenüber der Vorwahl. Die Wahrscheinlichkeit, dass die FDP heute stärker ist als vor knapp vier Jahren, beträgt 96 Prozent.

fdpfeuer
FDP des Kts. Zürich – die erfolgreichste Kantonalpartei hat Feuer gefangen.

Gerade unter PolitikwissenschafterInnen ist es neuerdings üblich geworden, Wahlforschung auf Wahlprognosen zu reduzieren. Ich widerspreche dem. Vorhersagen bleiben mit Unsicherheiten behaftet, die grösser sind als bei Momentaufnahmen. Natürlich ist es wissenschaftlich legitim zu fragen was wird. Die eigentliche Stärke der Politikwissenschaft ist es aber, Erklärungen für Veränderungen anzubieten.

Was sagt uns das neueste Wahlbarometer hierzu?

Am Beispiel der FDP kann man vier Begründungen entwickeln, die statistisch geprüft sind.
Erstens, die wichtigste Ursache des Erfolgs in der Politik ist der Erfolg selber. Mit der neuen Parteileitung sucht die FDP den Durchbruch, der zwischenzeitlich Früchte trägt. Oder in den Worten der Partei: Die FDP hat Feuer gefangen.
Zweitens, die FDP profitieren von einem verbesserten Themenprofil. Anerkannt werden der Einsatz für eine positive Wirtschaftsentwicklung und den Forschungsstandort. Hinzu kommt, dass die Akzentsetzungen der Partei bei den Sozialversicherungen und in der Migrationsfrage nach innen positiv aufgenommen werden.
Drittens, der neue Parteipräsident hat an Statur gewonnen. Seine Akzeptanz hat sich im Innern – zu Beginn seiner Amtszeit ein Problem – klar verbessert. Mit Philipp Müller konnte die FDP das Bild einer Elitepartei etwas abstreifen. Dieses haftete ihr noch bei den letzten Wahlen an.
Viertens, die FDP. gilt heute wertemässig als Protagonistin einer klaren Präferenz für eine Politik der Wohlstandssicherung auf eigenverantwortlicher Basis und mit einer nach aussen offenen Perspektive. Damit hat sie ihre weltanschauliche Basis, bisweilen schwankend, geklärt.

In unseren Befragungen begann der Aufstieg der FDP im Herbst 2014. Seither ist der Trend ungebrochen. Hauptgrund ist, dass die FDP für bisherige Wählende der SVP und der GPL attraktiver geworden ist. Zudem hat sie konsequent an ihrer bisherigen Hauptschwäche gearbeitet, der Mobilisierung des vorhandenen, aber inaktiven Potenzials.
Auch die Kasachstan-Affäre mit Christa Markwalder im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit hat der Partei nicht geschadet. Mag sein, dass sich manche und mancher geärgert hat. Die Problemlage im Banne der Migrations- und Europa-Politiken verlangen jedoch aus BürgerInnen-Sicht materielle Antworten über solche Stimmungen hinaus.

Claude Longchamp

Zwischen Information und Opposition. Analyse sozialer Medien im Abstimmungskampf

Der Verfassungsartikel zur Präimplantationsdiagnostik ist in der Volksabstimmung angenommen worden. Die Aenderung des Radio und Fernsehgesetzes dagegen ist weiterhin offen. Was sagten die sozialen Medien zur Meinungsbildung hierzu?

Die Medienanalyse des Forschungsinstituts fög zeigte sowohl bei der Medienresonanz wie auch bei der Medientonalität Unterschiede: Die RTVG-Revision interessierte die Massenmedien weit mehr als die Rechtsgrundlage zur Präimplantationsdiagnostik. Ersteres war medial weit umstrittener. Obwohl beides Behördenvorlagen waren, war die Berichterstattung bei der PID mehrheitlich positiv, beim RTVG mehrheitlich negativ.
Es liegt auch eine erste Analyse der Nennungen beider Vorlagen auf den verschiedenen online-Kanälen vor, welche SRF vorgenommen hat. Bei der Resonanz wiederholt sich der Eindruck aus der Printmedienanalyse. Sowohl auf Twitter wie auf facebook interessierte die Radio- und Fernsehvorlage klar mehr. Anders verhält es sich aber bei der Tonalität. Denn in beiden Fällen kam das Negative viel klarer zum Ausdruck als das Positive.

Radio und Fernsehgesetz: Tonalität in sozialen Medien
rtvg

Präimplantationsdiagnostik: Tonalität in sozialen Medien
pid
rot: negativ, grün: positiv, gelb: neutral
Quelle: SRF online

Es zeigen sich zwei typische Charakteristiken der individualisierten online-Kommunikation in Abstimmungskämpfen:
Im Fall der Präimplantationsdiagnostik stellen die online Kanäle eine Gegenöffentlichkeit dar. Die Gegnerschaft dominiert im Verhältnis von 8 oder 9 zu 1. Hauptgrund hierfür ist, dass die Nein-Seite intensiv von den Angeboten Gebrauch gemacht hat, nicht zuletzt um ihren Nachteil im gekauften Werberaum auszugleichen. Derweil verzichtete die Ja-Seite auf eine intensive Bearbeitung der genannten Kanäle. Wenig plausibel ist es, dass es zu grösseren Wirkungen auf die Meinungsbildung kam. Obwohl öffentlich, dürfte sich dieser Teil der Medienarbeit im Wesentlichen an die vorab Ueberzeugten und damit mehr nach Innen als nach Aussen gerichtet haben. Nicht zuletzt weil die Massenmedien auf diese Nein-Kampagne kaum eingestiegen sind, zeigte sich auch kaum eine meinungsbildende Wirkung
Ein anderer Kommunikationstyp liegt beim RTVG vor. Hier dürfte die Internet-Kommunikation eine Trendsetter-Funktion übernommen haben. Zwar beschränkt sich die vorliegende Auswertung auf die letzten 4 Wochen vor der Abstimmung, doch zeigen punktuelle Vergleiche in den Wochen davor, dass es kaum eine Entwicklung gab. Die Stimmung in den bewerteten Beiträgen war von Beginn weg negativ, und zwar im Verhältnis von 7 bis 8 zu 1. Nicht zu übersehen ist allerdings, dass in diesem Beispiel der Anteil informativer Tweets deutlicher höher war, auf Twitter über der Hälfte, auf facebook nahe der Hälfte. Das legt nahe, dass die meinungsbildende Wirkung hier höher war, und zwar zwischen Informationsverbreitung und Mobilisierung der Opposition. Dafür spricht auch, dass die Zustimmungsbereitschaft in der SRG-Befragung in der Hauptphase des Abstimmungskampfes sank, am Schluss wohl minimal anstieg.
In beiden Fällen stellte die individualisierte online-Kommunikation eine Gegenwelt zur Behördenposition dar. Sie ist der Ort, indem die Gegnerschaft ausbreiten kann, die im organisierten parlamentarischen Entscheidungsprozess unterlegen ist. Bei facebook ist dies nicht erstmals massiv der Fall, wenn die Opposition von klar rechts oder links kommt. Die Beurteilung zu Twitter ist etwas mehrschichtiger, weil hier auch eine Art Informationsfluss von höherer Bedeutung ist. Der wesentliche Unterschied besteht aber darin, ob solche Positionen von den klassischen Prinmedien (via online Medien) aufgenommen werden oder nicht. Das wiederum hängt von der Prädisposition der Printmedien ab, die in beiden Fällen unterschiedlich war.

Claude Longchamp

Was für ein Tag

14. Juni 2015 – es sind Volksabstimmungen in der Schweiz. Eidgenössisch stehen vier Vorlagen zur Entscheidung an. So werden zeigen, in welche Richtung sich die Schweiz bewegt.

Bei der Erbschaftssteuerinitiative wie auch bei der Stipendieninitiative wird allgemein mit einer Ablehnungen gerechnet. Offen ist der Ausgang bei der Verfassungsgrundlage für die Präimplantationsdiagnostik, genauso wie beim neuen Radio und Fernsehgesetz.

parolenspiegel
Tabelle anclicken, um sie zu vergrössern.
Quelle: gfs.bern, Medienbericht zur 2. Welle der SRG Trend Befragungen

Ein vierfaches Nein empfiehlt heute die SVP. Drei Ablehnungen bei einer Zustimmung für die PID empfehlen die FDP und die GLP. Zwei Ja, zwei Nein ist aus der Sicht der CVP und der BDP richtig. Sie folgen damit dem Behördenempfehlungen. Anders positioniert sind die SP und die GPS, sie haben eine vierfache Ja-Parole herausgegeben.

Sollte es ein vierfaches Nein geben, wäre das ein Zeichen für eine rechtskonservative Schweiz. Gut passen würde es zur Entwicklung der Schweiz, die mit der Befürwortung der Masseneinwanderungsinitiative eingeleitet worden ist. Der Trend geht klar gegen rechts, aber auch Richtung konservativ. Das Schweizerische soll gestärkt werden, mit ihm die nationalen und religiöse Rückbesinnung auf Geschichte und Tradition. Wirtschaft ist gut, vor allem im Sinne der KMUs, indes weniger, wenn es um die Interessen grosser Firmen und der global ausgerichteter Forschung geht. Diese Botschaft hätten die Behörden immer noch nicht verstanden, weshalb es zum Graben zwischen Volk und classe politique komme.

Sollte das Ergebnis heute drei Mal Nein und einmal Ja zur Präimplantationsdiagnostik lauten, wäre es ein Signal für eine (rechts)liberale Schweiz. Dieses Ergebnis würde gut zum Trend der letzten Monate passen, der namentlich der FDP Gewinne bei kantonalen Wahlen brachte. Erste Beobachter sprechen bereits von einem liberalen revival. Mehr Wettbewerb, letztlich um die Schlagkraft des Standortes Schweiz zu erhalten, die Wissenschaft als Motor des Fortschritts zu fördern und den Markt gegenüber dem Staat fit zu machen, wäre die Grundlage für die heutigen Entscheidungen. Von einem generellen Graben zwischen Stimmenden und Meinungsmachern könnte man nicht sprechen, aber von Neuorientierung in einzelnen Politikfeldern.

Schliesslich sei der Fall erwähnt, dass sich Bundesrat und Parlament mit ihrem Ja zu den Behördenvorlagen, ihrem Nein zu den Volksinitiativen durchsetzen, wäre es eine Stärkung der institutionellen Politik. Die Opposition kommt aktuell klar von rechts, findet in Teilen der Medien willkommene Aufmerksamkeit, hat aber keine Mehrheit hinter sich. Denn konservative und liberale Weichensteller bilden keine gemeinsame Frontstellung gegenüber der etablierten Politik. Der Mix an linken und rechten Entscheidungen in dieser Legislatur, getroffen von Regierung und Parlament, würde die Stimmung unter den Stimmenden, ja unter den Stimmberechtigten als Ganzes gut treffen.

Spätestens um 14 Uhr wissen wir mehr – was für ein Tag heute ist.

Denk- und Verhaltensweisen bei Abstimmungen als Folge der wachsenden Internetnutzung

Soziale Stellung und politische Prädispositionen beeinflussen generelle Denk- und Verhaltensweisen bei Abstimmungen. Das ist weitgehend unbestritten. Ein Forschungspapier beschäftigt sich nun mit den Auswirkungen der Mediennutzung. Und folgert: Das Internet hat ambivalent Konsequenzen.


Die Studie

In einer Forschungsnotiz analysieren die Zürcher PolitologInnen Bruno Wüest und Denise Traber die Folgen der Internetnutzung auf Einstellungen und Verhaltensweisen der BürgerInnen. Anders als in vielen Untersuchungen geht es ihnen nicht um Politik an sich, sondern um Meinungsbildung bei Volksabstimmungen. Hierzu verwenden die AutorInnen die VOX-Analysen, genau genommen die konstant gestellte Frage zur Mediennutzung in den Nachbefragungen zu Volksabstimmungen.
Das Hauptergebnis lautet: Die Auswirkungen der Internetnutzung sind ambivalent. Wie bei eigentlich allen Medien, befördert Internetnutzung die politische Partizipation. Doch verändert sie auch Einstellungen, indem sie Politik polarisierter erscheint und mit mehr Misstrauen in die Behördenarbeit verbunden ist.

Der Umbruch der Mediennutzung in Abstimmungskämpfen
mediennutzung
Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

Die Befunde
Zuerst weisen Wüest und Traber nach, dass soziale Faktoren wie Schulbildung und Einkommen unverändert den grössten Einfluss auf politische Einstellungen und Verhaltensweisen haben. Je tiefer die soziale Stellung, desto geringer die politische Involvierung. Das gilt ziemlich generell. Zudem haben Männer ein polarisierteres, Frauen ein zentrierteres Bild der Politik. Auch das ist eine Bestätigung.
An zweiter Stelle rangieren nach Wüest und Traber politische Prädispositionen, allen voran das politische Interesse. Es beeinflusst sowohl Verhaltensweisen positiv, polarisiert aber auch das Politikbild. Immerhin, es befördert gleichzeitig das Vertrauen in die Behördenarbeit ganz allgemein.
Genau da setzen die Folgen der neuen Mediennutzung ein. Die Verwendung amtlicher Informationen, von Printmedien und Radio stärken das Vertrauen. Zentriert wird zudem das Bild, wenn man Informationen der Behörden in die Meinungsbildung miteinbezieht.
Ganz anders beurteilen die beiden ForscherInnen die Wirkungen von Kampagnenmedien, genauso wie die des Internets. Denn sie polarisieren die Bürgerschaft, verbunden mit vermehrtem Misstrauen in ihre Arbeit.

Die Kritik
Die Datenbasis der kleinen Studie ist beachtlich. Miteinbezogen wurden 39 Abstimmungssonntage zwischen 1999 und 2010. Die Fallzahl beträgt so rund 51000 Befragte. Für die Tests kamen multivariate Analysemethoden zum Einsatz.
Trotzdem kann man gewisse Zweifel an den Aussagen im Forschungspaper anmelden. Klar ist, dass soziale Positionen Einstellungen und Verhaltensweisen bestimmen. Weitgehend in Ordnung ist es auch, politische Prädispositionen wie das Interesse an der Politik als Voraussetzung für Denken und Handeln bei Abstimmungen zu bestimmen. Gewagter erscheint es mir hingegen, die Mediennutzung als Determinante von Sicht- und Verhaltensweise zu interpretieren. Denn der Zusammenhang kann genauso gut umkehrt sein: Demnach wären politische Einstellungen wie die politische Position auf der Links/Rechts-Achse oder das Behördenmisstrauen die relevanten Bestimmungsgründe der Medienwahl. Das gilt vor allem deshalb, weil die Internetnutzung zur Abstimmungsinformation weiterhin zurückbleibt, also erst die Innovatoren und frühen Nachahmer erfasst hat, nicht aber den mainstream.

Meine Bewertung
Ich würde deshalb die Wirkungen der Internetnutzung vorsichtiger interpretieren. Belegt ist, dass Kampagnemedien und Internet tendenziell mit klaren politischen Positionen einher gehen, die namentlich auf der rechten Seite von Misstrauen in die Arbeit der Behörden geprägt. Gesichert ist jedoch nicht, was Huhn und was Ei ist.
Bei Kampagnemedien ist die Polarisierung sogar Absicht. Sie sind darauf ausgerichtet, ein Ja oder ein Nein bei der Volksabstimmung zu erreichen. Bei Internet muss das nicht sein. Es mehren sich aber Hinweise, wonach rechte Bürger und Bürgerinnen vermehrt beispielsweise facebook verwenden, linke verstärkt auf Twitter präsent sind.
Spannend und unbeantwortet bleibt meines Erachtens die Frage, ob die Mediennutzung, insbesondere mit der Ausbreitung des Internets als Massenmedium Nummer 1 zur Polarisierung der Politik und zur Beförderung der Kritik an der Behördenarbeit beträgt, und zwar so, dass dies bei Volksabstimmungen von Belang ist. Das wiederum wäre ein weiterer Beitrag zum fundamentalen Wandel der politischen Kultur – weg von der Konsenssuche, hin zur polarisierten und skeptischen Oeffentlichkeit.

Claude Longchamp

Zukunft des Lobbyings in der Schweiz

Heute hatte die Schweizerische Public Affairs Gesellschaft ihren Sessionsanlass. Thema war das Lobbying im Spannungsfeld von gesetzlicher Regulierung, Selbstregulierung und keine Regulierung.

Natürlich schwang die Aktualität zur Kasachstan-Affäre mit; doch war der Anlass weder deshalb entstanden, noch beschränkte er sich auf diese Frage. Meine Aufgabe war es, eine Aussensicht zu präsentieren, auf die man als Politikwissenschafter kommen kann, wenn man Lobbying aus der Theorie und Praxis kennt, sprich analysiert und beobachtet hat.

Die Beziehungen zwischen politischen Parteien und Interessenorganisationen, aufgrund vergebener Zutrittskarten (gemäss Sonntagszeitung)
zutrittsberechtigte
Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

Letztlich hatte ich wohl acht Botschaften für das zahlreich erschienene Publikum aus Fachkreisen, Politik und Medien aufbereitet. Hier sind sie in der Kurzform:

1. Lobbying ist ein verbreitetes und wachsendes Phänomen der Gegenwartspolitik der Schweiz. Es ist ein Teil der Professionalisierung von Politik parallel zum Milizsystem. Lobbying ist aber keine schweizerische Eigenheit, vielmehr entsteht es entlang staatlicher Regulierungen vornehmlich wirtschaftlicher, aber auch anderer Interessen. Denn Lobbying ist in erster Linie Interessenvertretung.

2. Lobbying ist ein willkommener Beitrag sowohl der Politikformulierung, -entscheidung wie auch -umsetzung. Eingebundene Interessenvertretung ist gerade im liberalen Korporatismus der Schweiz erwünscht. Lobbying ändert aber auch die Einflussnahme durch Verbände, vor allem durch die Ausformung einer professionellen Tätigkeit mit Expertenwissen. Lobbying braucht keineswegs kritiklos hingenommen zu werden.

3. Lobbying ist Einflussnahme auf politische Entscheidungen, wo das decision making stets als Prozess verstanden wird. Es beginnt mit der Initiierung einer Politik, der vorparlamentarischen Vorbereitung, der parlamentarischen Entscheidung und der nachparlamentarischen Umsetzung. Eine Beschränkung auf eine Phase missachtet, dass der Erfolg in einer nachfolgenden Phase von einem Misserfolg begleitet sein kann.

4. Die mediale Reduktion auf das Lobbying gegenüber dem Parlament verkennt, dass Lobbying auch gegenüber den Exekutiven erfolgt, sprich Verwaltungen und Regierungen miteinbezieht. Im Konkordanzsystem der Schweiz wäre der Ausschluss der Exekutive gar trügerisch, denn er prägt den Stil der Verhandlung zur Mehrheitsbildung stärker als die Legislative.

5. Persönliche Begünstigungen politischer Akteure mit behördlichem Status gehören verboten, denn sie schadet dem Ruf der Politik nachweislich. Einflussnahme sollte dagegen erlaubt sein, pluralistisch strukturiert werden und klar definierten Transparenzregeln unterliegen.

6. Personenunabhängige Regulierungen sind personenabhängigen stets vorzuziehen. Dies gilt auch für Selbstregulierungen gegenüber gesetzlichen Regulierungen. Das Akkreditierungssystem ist gegenüber Legislative und Exekutive dem in der Schweiz vorherrschenden Götti-System vorzuziehen. Geregelt werden soll der funktional nötige Zugang, nicht der persönliche Vorteil.

7. Neue Verhaltensregeln zur Rollenvielfalt vor allem von Miliz-ParlamentarierInnen auf Bundesebene sind angezeigt. Sie sollen nach dem Vorbild der Rollenteilung bei Exekutivmitgliedern gefördert werden. Denn Politiker und Politikerinnen sind der Öffentlichkeit gegenüber Rechenschaft schuldig; Lobbyisten sind es nur bedingt.

8. Massnahmen sollen der Stärkung der Reputation von Lobbyisten einerseits, Politikerinnen und Politikern anderseits dienen. Beide sind aufeinander angewiesen, denn Politik besteht aus Informationsverarbeitung, aus Komplexitätsreduktion und aus klugem Handeln in beschleunigten Situationen.

Im Referat, das Sie hier nachschlagen können, finden Sie weitere Begründungen für die Thesen.

Claude Longchamp

Mein Einsatzplan am Abstimmungswochenende vom 14. Juni 2015

Was am kommenden Abstimmungssonntag vom 14. Juni 2015 via SRF kommuniziert wird!

Wie immer an Abstimmungssonntagen bin ich mit meinem Team vom Forschungsinstitut gfs.bern im Volleinsatz. Wir rechnen alle eidgenössischen Vorlagen hoch, analysieren die eintreffenden Ergebnisse aus Kantonen und Gemeinden, extrapolieren sie auf die nationale Ebene und schätzen frühzeitig ab, was wie stark angenommen resp. abgelehnt wird. Zudem unterziehen wir die Resultate einer Erstanalyse zum Konfliktmuster und bringen die Ergebnisse mit der Meinungsbildung in der Bevölkerung, den Massenmedien und den neuen soziale Medien in Verbindung.

Anbei der Fahrplan für den kommenden Sonntag (vorbehältlich kurzfristiger Aenderungen).

Trendrechnungen Volksabstimmungen
12:30 Trend zu allen vier Vorlagen, falls möglich, Kommentar via TV
12:37 Trend zu allen vier Vorlagen, falls möglich, Kommentar via Radio

Hochrechnungen Volkabstimmungen
13:00 1. Hochrechnungen zur Präimplantationsdiagnostik und zur Stipendieninitiativen, falls möglich, Kommentar via TV
13:05 1. Hochrechnungen zur Präimplantationsdiagnostik und zur Stipendieninitiativen, falls möglich, Kommentar via Radio

13:15 Kleine Analyse der 1. Hochrechnungen via TV

13:30 1. Hochrechnung zur Erbschaftsteuerinitiative und zur Revision des Radio und TV Gesetzes, wenn möglich, Kommentar via TV
13:38 1. Hochrechnung zur Erbschaftssteuerinitiative und zur Revision des Radio und TV Gesetzes, wenn möglich, Kommentar via Radio

14:00 Wiederholung der Hochrechnungen, wenn nötig (z.B. wegen Ständemehr), ausführlicher Kommentar zur Revision des Radio und Fernsehgesetzes via TV

14:30 Analyse soziale Medien im Wahlkampf, via TV

15:02 Hochrechnung Stimmbeteiligung, Kommentar Abstimmungskampf via TV

Erstanalysen
16:04 Erstanalyse Erbschaftssteuerinitiative via TV
16:20 Erstanalyse Präimplantationsdiagnostik via TV
16:35 Erstanalyse Radio und TV Gesetzesrevision via TV


Bilanz und Ausblick

18:43 Ausblick I: Was heisst das Abstimmungswochenende für das Wahljahr 2015?

Erläuterungen
Trendrechnung: qualitative Aussagen über erwartete Annahme/Ablehnung, wenn Trendergebnis klarer als 45/55 resp. 55/45
Hochrechnung: quantitative Aussagen über erwartete Werte der Zustimmung/Ablehnung beim Volks- und Ständemehr (wenn nötig), max. Fehlermarge +/-3 Prozentpunkte, dann jede halbe Stunde mit verbesserter Fehlermarge (nur wenn sich Mehrheiten ändern)
Erstanalyse: Analyse des Kantonsprofils von Zustimmung und Ablehnung aufgrund von weiteren Kontextmerkmalen

Claude Longchamp

Wie sich die CVP auf den heissen Wahlkampf einstimmt

Gestern begann die heisse Phase des Wahlkampfes 2015. Mindestens die Tagestemparaturen sprachen für diese Einschätzung. Für die über 100 National- und StänderatskandidatInnen der CVP im Bundeshaus galt das auch im übertragenen Sinn. Denn die möglichen Parlamentarier und Parlamentarierinnen der nächsten Legislatur nahmen ihre denkbare Wirkungsstätte unter der Bundeskuppel versuchsweise in Beschlag, um sich über politische Kommunikation im Wahlkampf zu unterhalten.

CVP-Parteistärke nach Gemeinden
cvpstaerke
Quelle: SRF online

Die Krux der CVP
Mein Part war die Sicht des Aussenstehenden auf die Mobilisierung im Wahlkampf. Die Innensicht brachte das Wahlkampfteam unter Beatrice Wertli ein.
Beiden Optiken gemeinsam war, dass die CVP zwei ganz unterschiedliche Voraussetzung für den Wahlkampf kennt:
. Auf der einen Seite stehen Kantone wie Appenzell-Innerrhoden, Obwalden, Wallis, Jura, Luzern, vielleicht Freiburg, Solothurn, St. Gallen und Schwyz. Hier hat oder hatte die CVP die Position der führenden Partei inne. Konkurrenziert wird sie heute oder seit geraumer in aller Regel durch die SVP. Mobilisierung bedeutet vor allem die Motivation der bestehenden, aber erodierenden Stammwählerschaft zum Wiederwählen der CVP.
. Auf der anderen Seite sind Kantone wie Genf, Waadt, Neuenburg, Bern oder Zürich. Hier gibt es keine oder kaum CVP-Traditionen. Vielmehr muss sich die Partei stets von Neuem aufbauen. Mobilisierung bedeutet hier die Einbindung bestimmter Zielgruppen unter das Dach einer (bürgerlichen) Zentrumspartei.
Die Krux der CVP besteht darin, dass die Erosion in den Stammlanden seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts meist grössere Wählerverluste bringt, als es in den Aufbaugebieten Gewinne gibt. Deshalb gilt die CVP insgesamt als Verliererpartei, wenn auch mit kantonal unterschiedlichen Akzenten.

Hintergründe
Hintergrund für die Verluste ist die Individualisierung des ehemals homogenen und geschlossenen katholischen Milieus. Für die einen bedeutet das die Verabschiedung von Familientraditionen, was die Bereitschaft erhöht, auch eine andere Partei oder KandidatInnen verschiedenster Parteien zu wählen. Für andere ist es die Verabschiedung von Politik und die Neuausrichtung beispielsweise am Beruf, jenseits der Herkunft.
Folgen hiervon ist die schrittweise Auflösung der angestammten CVP-Wählerschaft. Sichtbarstes Zeichen ist das Sinken der Wahlbeteiligungen, meist mit direktem Schaden für die CVP. Zwei Studien aus dem Jahre 2015 zeigen, dass die immer noch CVP-Wähler und Wählerinnen verliert, weil ein Teil nicht mehr wählen geht, ein anderer namentlich zur SVP wechselt. Die CVP wird das auch in diesem Wahlherbst nicht umkehren. Doch kann die Partei gezielt dahingehend wirken, die Verluste in den ehemaligen Stammlanden so gering wie möglich halten. Der Wahlkampf nach Innen muss hier vorhandene Defizite verringern.
Ganz anders präsentiert sich die Ausgangslage in den Aufbaugebieten. Von schnellen Erfolgen in einem Wahlkampf ist hier nicht auszugehen. Vielmehr braucht eine mittelfristige Perspektive. Die neue Partei kann ihren Ursprung bei katholischen Wählern haben, muss aber nicht. Vielmehr entsteht sie um herausragende Personen, strittige Themen oder zugewanderte Schichten. Die Identifikation mit lokalen Aushängeschildern ist das A und O. Sie können in ihre Generation ausstrahlen oder in ihr Berufsfeld. Die Bearbeitung von Problemen, welche die bestehenden Parteien nicht lösen konnten, gehört ebenso dazu. Ohne gezielte, crossmediale Medienarbeit funktioniert das in aller Regel nicht. Denn eines gilt: Medienkommunikation ist glaubwürdiger als Werbekommunikation.
Gerade im urbanen Gebiet eröffnet der Aufbau neuer Parteistrukturen unter integrierten MigrantInnen-Gruppen eine mittelfristig interessante Perspektive. Denn die Christdemokraten sind in zahlreichen Ländern Europas stärker als in der Schweiz. Die Chance, dass sich die CVP in diesen neuen Milieus empfehlen kann ist gegeben.
Fitte Kantonalparteien, die einen ihren Verhältnissen adäquaten Wahlkampf führen, nennt die Mutterpartei das.

Lösungsansätze

Gegen die Erosion in den Stammlanden bietet sich die Stärkung des Wir-Gefühls als Mittel im Wahlkampf an. Die Schaffung der emotionalen Verbundenheit ist ebenso wichtig, wie politische Erfolge mit Stolz zu feiern. Die Partei darf nicht nur von der Vergangenheit zehren, sie muss auch von der Gegenwart leben. Entscheidend ist, dass der Wahlkampf nahe bei den WählerInnen stattfindet und erlebbar ist. Die Anonymisierung einer Partei im ehemaligen Milieu ist Gift für die Wiederwahl. Am besten ist es, bestehende lokalen Netzwerke zu nutzen, und konstant für den Nachwuchs zu schauen. Denn die Stimmen aus dem Ursprungsmilieu werden geringer, und sie sind nicht mehr ohne Aktivitäten im Wahlkampf zu haben.
Für den Aufbau einer neuen Partei braucht es mehr, neue politische Arbeit und neue Wahlkampf-Techniken. Die Grundidee ist, künftige WählerInnen sind heute noch ungebundene Wählerinnen, meist im Zentrum. Allianzbildung ist die Voraussetzung des Wahlerfolgs. Politisches Marketing, nicht nur auf Wahlen beschränkt, unterstützt dies. So bilden private Treffen, an denen CVP-KandidatInnen auftreten, den Ausgangspunkt. So lassen sich über soziale Medien neue Beziehungsfelder etablieren. Und so dienen Anlässe, die keinen direkten Bezug zur CVP haben müssen, um sich einzubringen. Sicher, das braucht mehr Mut und Kraft. Einzelkämpfer sind die wenig geeignet, Gruppen mit hohem inneren Zusammenhalt sind es eher. Doch auch sie brauchen aktive Unterstützung durch eine Parteiorganisation.

Stand der Dinge
Nimmt man die aktuellen Wahlen als Massstab, hat die CVP des Kantons Luzern gezeigt, dass man die Erosion bestehender Parteibindung auf vergleichsweise hohem Niveau stabilisieren kann. Das wäre in allen Stammlanden das minimale Ziel bei der Wahl CVP. Es würde neuerliche Verluste verkleinern oder verhindern. Gefordert ist namentlich die CVP des Kantons Wallis, den hier verlor sie bei den kantonalen Wahlen erheblich, nicht zuletzt an die SVP. Der Benchmark für den Neuaufbau einer CVP ist seit Längerem die Genfer CVP. Sie zeigt, dass man sowohl national, kantonal und städtisch erfolgreich sein kann, ohne von eine langen Partei-Tradition hinter sich zu wissen.
Die CVP hat sich selber zum Ziel gesetzt, 2015 den Anteil Wählenden gesamtschweizerisch auf 14 Prozent zu erhöhen, und, wenn möglich, National- und Ständeratssitze hinzu zu gewinnen. In meiner Einschätzung ist sie noch nicht am Ziel. Immerhin, der Negativ-Trend der letzten Jahrzehnte konnte seit den Wahlen 2014 im Kanton Zug gebremst werden. Womöglich halten sich heute Verluste und Gewinne heute die Waage. Mit vermehrten Anstrengungen, die den sehr unterschiedlichen kantonalen Voraussetzungen Rechnung tragen, ist eine weiter Verbesserung denkbar.
1991 habe ich erstmals eine solche Wahlanalyse für die CVP gewagt. Ein knappes Vierteljahrhundert später stelle ich fest: Die Partei hat von Innen heraus einige Schritte gewagt und sich verbessert. Jetzt muss sie das Feuer, das sie dabei entwickelt hat, in die effektive heisse Wahlkampfphase auch einbringen.

Claude Longchamp

Wie integer sind Schweizer Wahlen?

Hier die Ankündigung meines Forschungsseminars im Herbstsemester 2015 am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. Es geht um die “Integrität” der Schweizer Parlamentswahlen 2015.

Development
Grafik anclicken, um sie zu vergrössern.

Diese Grafik hat mich beeindruckt: Bislang war ich der festen Ueberzeugung, Demokratie-Qualität korreliere positiv und linear mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Auf Wahlen bezog hiess das für mich, deren korrektes Funktionieren ist umso wahrscheinlicher, als es einem Land ökonomisch gut geht.
Zu den bisher interessanten Befunden der “Political Election Integrity” Projektes der Universität Harvard gehört der Zweifel, ob das zitierte “Quasi-Gesetz” heute noch gelte. Denn die Forschenden rund um die renommierte Harvard Professorin Pippa Norris gehen eher von einem gekrümmten Zusammenhang aus. Sie schliessen selbst nicht aus, dass Wahlen bei vergleichsweise hoher wirtschaftlichen Prosperität schlechter funktionieren als bei tieferer.
Ausgangspunkt solcher Ueberlegungen sind die Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika, insbesondere die höchst umstrittene Gültigkeit der Wahl von Goerge W. Bush als 43. Präsident der USA im Jahre 20020. Seither reissen kritische Urteile nicht ab. Die extremsten sprechen den USA den demokratischen Charakter gänzlich ab und nennen sie eine Plutokratie; gemässigtere bezweifeln wenigstens die Integrität der Wahlen.
Weltweit vergleichende Untersuchungen von Wahlen in Parlamente und an die Regierungsspitze zeigen für Europa weniger nachdenklich stimmende Befunde. Der Political Election Integrity Index, der Expertenmeinungen aus aller Welt zu Wahlen miteinander vergleicht, stellt den Wahlen in Norwegen ein gutes Zeugnis aus, womit dieses Land zum Gegenstück zu den USA avancierte. Ganz nach dem Motto: reich und integer!

elint
Grafik anclicken, um sie zu vergrössern.

Im Herbstsemester 2015 führe ich am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern ein Forschungsseminar durch, das die diesjährigen Wahlen in unserem Land aus einer international vergleichenden Perspektive untersuchen will. Verwendet werden die 11 Dimensionen, die den Wahlzyklus vom Anfang bis Ende abdecken und sich in der komparativen Wahlforschung etabliert haben. Konkret basieren sie auf rund 50 Indikatoren, die es zu beurteilen gilt. Das Resultat fliesst in den genannten Index ein, der wiederum das Ranking der Wahl bestimmt.
Mir ist jetzt schon klar, dass in einer globalen Perspektive die Schweizer Wahlen als sehr oder eher integer gelten werden. Es geht also nicht um die Kardinalsfrage, ob eine Wahl gelingt oder misslingt.
Mich interessiert aber, auf welchen Dimensionen in der Schweiz Bestwerte resultieren werden, vor allem aber auch, wo dies nicht (mehr) der Fall ist. Denn genau da werden sich die Schwachstellen zeigen, auf die man inskünftig gezielter ein Auge werfen muss. Amerikanischen Verhältnisse sollten möglichst frühzeitig ausgeschlossen werden können.
Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass die Finanzierung einer Wahl und die Medienberichterstattung die heikelsten Bereiche sind. Genau hierzu wird auch in der Schweiz heute schon regelmässig debattiert, so zur Transparenz des Geldes im Wahlkampf, so zu hinreichenden Medienabdeckung von Wahlen in Regionen mit nur noch schwachen Massenmedien.

Master-Studierende, die sich für das Seminar interessieren, können sich über die aktuellen Befunde und Kritiken, die ausserhalb der Schweiz entstanden sind, via Projekt-Website informieren. Als Einstiegslektüre nützlich ist das grundlegende Buch von Politikwissenschafterin Norris zum neuen Forschungsfeld sowie der Ende 2014 erstellte Länderbericht zu den aktuellsten Wahlen weltweit.
Effektiv Teilnehmende werden mit der Lehrveranstaltung in den Ansatz des Projektes eingeführt, müssen sich aktiv mit dem bisherigen Wissenstand auseinander setzen und empirisches Material zu den Indikatoren für die Schweiz rückwirkend und aktualitätsbezogen sammeln. Bis Ende Januar 2016 müssen sie einzeln oder in Gruppen einen Bericht zu (mindestens) einer der denkbaren Dimension erstellen. Das Ranking für die Schweizer Wahlen erstellen wir danach in einem abschliessenden Workshop gemeinsam.

Claude Longchamp