Wahlbörse: Erste Erwartungen zum Ausgang der Ständeratswahlen

Ginge es nach den Börsianer, wäre der nächste Ständerat etwas polarisierter zusammengesetzt und leicht linker als der bisherige. Mal schauen!

wahlmarktstw
Grafik anclicken, um sie zu vergrössern.

Uebersichten zum Ausgang der Ständeratswahlen 2011 fehlen weitgehend. Deshalb bleibt die Unsicherheit gross, wie die Fraktionsstärken mit Blick auf die Bundesratswahlen sein könnten.

Ein Versuch, den wesentlichen Mangel der Wahlprognostik zu beheben, stellen die Wahlbörsen dar. Bei Nationalratswahlen werden sie durch die Wählerbefragungen konkurrenziert. Bei den Ständeratswahlen stehen sie weitgehend alleine.

2007 gab es hierzu noch keine Wahlbörsen. Deshalb kann man die Treffergenauigkeit des Instruments bisher auch nicht evaluieren.

Immerhin, die Wahlbörse von SRF klärt seit einigen Tagen die Erwartungshaltungen zu den Wahlen 2011 ab, zur Gesamtzusammensetzung des kommenden Ständerats, und zur den Ausgängen in den Kantonen Bern, Aargau und St.Gallen.

Was die Uebersicht betrifft, gehen die Börsianer von je zwei Verlusten für CVP und FDP aus, zwei Gewinne werden der SP vorausgesagt, je einen der SVP und die GPS. Stabil würden die GLP und BDP bleiben.

Von der anfangs Jahr durch die SVP angekündigte Machtübernahme in der “Dunkelkammer” der Nation hält die Wettgemeinschaft demnach nicht viel. Eher noch gilt, dass es zu einer “nachholenden Polarisierung” im Ständerat kommt, verbunden mit einem leichten Linksrutsch.

Machtpolitisch würde sich nicht viel ändern: CVP und FDP hätten gemeinsam unverändert eine Mehrheit, wenn auch nur noch eine ganz knappe. Dafür bekäme Mitte/Links die Möglichkeit, in Allianz die Abstimmungsgänge in der kleinen Kammer zu bestimmen.

Ob bewusst oder nicht, die Börsianer verlängern damit ziemlich genau den Trend bei den jüngsten Ständeratswahlen.

wa-statistiken-diagramme-parteipolitische-zusammensetzung-des-sr-nach-den-wahlen-diagramm

Nicht ausschliessen kann man zudem, dass in den gehandelten Erwartungen eine leichte Linkstendenz steckt. Bei den Nationalratswahlen jedenfalls ist die SRF-Wahbörse das Tool mit der linkesten Vorschau.

So bleibt als gegenwärtig wahrscheinlichste Annahme aufgrund der Börse: Stabilität mit bescheidenen Veränderungen, leicht polarisierte Zusammensetzung mit möglicherweise gestärkter rotgrüner Vertretung.

Oder jemand rechnet alle Ausgangslage nach dem Züricher Modell einmal durch!

Claude Longchamp

Ein neues Modell für die Analyse von Ständeratswahlen

Einmal mehr, Peter Moser, der Leiter des Statistischen Amtes des Kanton Zürich, erweist sich als der kreativste amtliche Statistiker der Schweiz. Nach zahlreichen Innovationen zur Typisierung von Gemeinden, Analysen von Regierungsratswahlen und ähnlichem legt er nun eine Analysemodell für Ständeratswahlen vor.

strwzh

Moser weiss, wo von er spricht. Im Arbeitspapier auf Internet charakterisiert er seinen Versuch, Ergebnisse von Ständeratswahlen abzuschätzen wie folgt: “Die folgenden Szenarien für das Resultat beruhen auf Erfahrungswerten aus vergangenen Majorzwahlen und den Eckpunkten der diesjährigen Ausgangslage, soweit derzeit bekannt. Gebündelt werden diese Informationen einem einfachen, den freien Flug der Fantasie etwas disziplinierenden mathematischen Modell. Es zeigt sich, unter welchen Voraussetzungen welches Resultat in den Ständeratswahlen zu erwarten ist.”

Und das sind die drei idealisierten Ausgänge für die Zürcher Ständeratswahlen:

Szenario 1 “Jede Partei ist sich selber am nächsten”:
Niemand schafft im ersten Wahlgang das absolute Mehr, Blocher (SVP) liegt an der Spitze, gefolgt von Hardegger (SP), weil ihre Parteien die wählerInnen-stärksten sind. Das spüren vor allem die beiden Bisherigen, Diener (glp) und Gutzwiller (FDP), welche die Plätze 3 und 4 belegen.. Der zweite Wahlgang entscheidet über alles.

Szenario 2 “Bürgerlicher Schulterschluss”:
Die Kandidaten von SVP und FDP liegen an der Spitze, verfehlen das absolute aber ebenfalls. Alle anderen liegen zurück, insbesondere die Bisherige Diener. Erneut entscheidet der zweite Wahlgang über alles.

Szenario 3 “Business as usual”:
Die beiden Bisherigen schwingen oben aus. Bei schaffen knapp das absolute Mehr und sind wieder gewählt. SVP und SP scheitern trotz Hausmacht. Ein zweiter Wahlgang ist nicht mehr nötig.

Natürlich: Jedes Szenario basiert auf Annahmen, die auch anders getroffen werden können. Wie in allen Modellrechnungen basiert das Ergebnis auf der Parameterwahl.

An Mosers Vorschlag überzeugt mich folgendes:

Erstens, er ersetzt die impliziten Annahmen durch expliziete Annahmen. Intuition ist gut, könnte man sagen, Reflexion ist besser.
Zweitens, seine Modelle orientieren sich an durchaus plausiblen Hypothesen: dem Bisherigen Bonus, der politischen Allianzbildung und dem Parteienkalkül, formalisiert sie aber.
Drittens, macht der Statistiker das, was er am besten kann: Rechnen!

Wahrscheinlich, könnte man sagen, ist man damit noch nicht am Ende der Analysen. Aber weiter, als die üblichen Einschätzungen der Politikstrategen und Medienschaffenden, die nicht selten von Absichten, Hoffnungen und Taktiken geleitet sind!

Ein Prognose des Wahlausgangs hat man deshalb noch nicht. Aber vernünftigen Annahmen was geschieht. Die Szenarien können nämlich als Idealtyp für die Analyse dienen, was die Politik und die Medien tun. Zum Beispiel die NZZ, welche die Wahl von Gutzwiller und Blocher empfiehlt. Oder die FDP, die davon nichts will, und alleine in den Wahlkampf zieht. Mehr noch, wenn das Ergebnis einmal vorliegt, wird man es mit den drei Folien, die hier entwickelt wurden, schnell einschätzen können – auch hinsichtlich der Wirkungskräfte, die dazu geführt haben.

Schon mal ein ganz grosses Merci, Peter Moser. Der Kommentator am Wahltag windet ihnen jetzt schon ein Kränzchen. Und wünscht sich Nachahmer unter den Statistikern der anderen Kanton – oder findige Studierende, die das Zürcher Modell auf die Ständeratswahlen in den anderen Kantonen adaptieren.

Claude Longchamp

Ausschaffungs- und Masseneinwanderungs-Initiative als Wahlkampf-Vehikel

1. August: Die SVP nutzt die Aufmerksamkeit für den Bundesfeiertag, um ihren nationalen Wahlkampf für den Wahlherbst zu lancieren. Ein Thema wird gesetzt, das anderntags mit Initiativbögen im Briefkast aufgenommen wird. Die Plakatierung der ganzen Schweiz beginnt. 2007 genauso wie 2011. Eine Kurzanalyse der Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

svp-schafe-1masseneinwanderung_01_03917a176e

Eines sei gleich vorneweg gesagt: Ich gehe davon aus, dass die neue Volksinitiative der SVP in Sachen Personenfreizügigkeit durchaus eine Grundstimmung der Jetzt-Zeit trifft. Es gibt eine vermehrte Kritik an der unkontrollierten Einwandeurng. Betroffen ist nicht nur der Arbeitsmarkt, auch der Wohnungsmarkt ist ein Thema, für Unter- und Mittelschichten. Allerdings, soweit ich sehe, reicht das nicht, um notfalls alle Errungenschften der Bilateralen mit der Kettensäge aufs Spiel zu setzen.

Sieben Unterschiede zwischen den Ausschaffungsinitiative 2007 und der Masseneinwanderungsinitiative 2011 sind augenfällig:

Erstens, das Thema:
2007 nahm die SVP ein Gesellschaftsthema in den Kampagnenfocus. 2011 geht es um eine Wirtschaftsfrage. Ersteres brachte ihr einen breiten Applaus, denn Initiative zur Ausländerkriminalität erlöste zahlreiche Akteure – gerade im bürgerichen Lager. Letzteres ist demgegenüber umstritten, denn es trifft vitale ökonomische Interessen.

Zweitens, die Signifikanz der Initiativen:

2007 funktionierte die Arumentation, es werde ein verdrängtes Thema aufgenommen. Das erinnerte an die Asylthematik, mit der die Partei und ihr Justizminister 2006 erfolgreich Mehrheiten hinter sich scharte. 2011 lag der Focus anders: mit der Neupositionierung der Personenfreizügigkeit nimmt die Partei eine Kündigung des Abkommens und damit der Bilateralen in Kauf. Das polarisiert – gerade auch unter EU-Gegnern.

Drittens, die Reaktionen der Wirtschaft:

2007 enthielten sich die Wirtschaftsverbände der Stimme, als es um die Ausschaffung ging. 2011 wandten sie sich sofort gegen die neue Initiative, economiesuisse als erste Organisation der Wirtschaft, der Gewerbverband als zweite. Im Gefolge distanzierten sich gewichtige Vertreter des SVP-Wirtschaftsflügels von der eigene4n Initiative – mindestens hinsichtlicher ihrer Ausformlierung und Präsentierung.

Viertens, die Positionierung der Parteien:

Spätestens seit den angenommenen Initiativen zum Minarettverbot und zur Ausschaffung haben FDP und CVP reagiert. Sie wissen um die Stimmen in ihrer Basis, die sachpolitisch der SVP nahestehen können. In der Wahlkampfvorbereitung 2011 haben sie deshalb die Swissness-Frage nicht mehr einfach der Konkurrenz überlassen. Vielmehr stehen sie ausdrücklich dazu, schweizerische Interessen zu verteidigen.

Fünftens, das Umfeld:

Ueberhaupt, das Umfeld 2007 und 2011 könnten anders nicht sein. Damals herrschte Optimismus vor. Finanzmarktkrise, Staatsbankrotte und Euro-Sanierungsprogramme kannte man nicht einmal dem Namen nach. Heute sind sie allgemeinwärtig, entsprechend ist dominiert vorsichtige Zuversicht, oder ist man gleich skeptisch. Da schaut man genauer hin, wer mit welchem Mittel welche Vorteile der Schweiz gegenüber dem Ausland verteidigt oder aufs Spiel setzt.

Sechstens, die Gradlinigkeit:
2007 hatte die SVP die Konsquenz auf ihrer Seite. Ihre Politik galt als unbeirrt, egal wie Bundesrat und Parlament denken. Gradlinigkeit ist der Partei gerade in der Personenfreizügigkeitsfrage indessen abhanden gekommen, denn sie spekuliert aut eine Position zwischen Wirtschaftspartei und Tea-Party-Orientierung. Das ging, wie der Kurswechsel in Sachen Nationalbank deutlich machte, diesmal schief. Da politisierte das bürgerliche Zentrum gradliniger.

Siebstens, das Ueberraschungsmoment:
2007 hatte die SVP im Wahlkampf das Ueberraschungsmoment auf ihrer Seite. Sie setzte die Themen, mit denen sie zwischen sich und den anderen polarisieren konnte. Damit trieb sie auch die Medien an und dominierte sie die Bevölkerungsdiskussionen. Das ist 2011 so eindeutig nicht mehr der Fall. Das Strickmuster der SVP-Wahlkampagne ist zwischenzeitlich bekannt. Es ist immer noch cleveres Handwerk. Aber es fehlt die Surprise, die eine gute Kampagne zur Superkampagne macht.

Noch steht uns der heisse Wahlkampf bevor. Vor allem der der KandiatInnen. Das ist für die Mobilisierung der BürgerInnen vor der Wahl gerade auf dem Land uind in den kleinerer Kantonen von eminenter Bedeutung. Mit voreiligen Schlüssen aus dem Wahlkampfgeschehen auf das Resultat vom 23. Oktober 2007 halte man sich also zurück.

Sicher ist vorerst nur: Die Kampagne der SVP ist die intensivste und auffälligste. Doch zieht sie nicht mehr mit der gleichen magnetischen Wirkung die Kampagnenakteure in ihren Bann.

Es wird Zeit, dass auch ich mich mit den Wahlkampagnen der anderen Parteien (kritisch) beschäftige.

Claude Longchamp

Wie sich der Wahlkampf 2007 entwickelte

Man erinnert sich: 2007 stand der Wahlkampf zu den Parlamentswahlen ganz im Zeichen der SVP-Kampagne. Ein kleiner Rückblick und Ausblick zu den Gemeinsamheiten und Unterschieden mit dem Wahlkampf 2011.

Am 27. August 2007 schrieb Bettina Mutter im Tagesanzeiger: “Die SVP sagt, Linke und Grüne schmiedeten ein Komplott, um Christoph Blocher aus dem Bundesrat zu drängen. Andere Parteien meinen, das sei billiger Wahlkampf.” Nachträglich weiss man es. Die SVP fürchtete sich zurecht, wenn auch im falschen Moment.

Parteipräsiden Ueli Maurer brachte die Befindlichkeit der Partei an der Medienkonferenz desselben Tages auf den Punkt. Wenn Blocher abgewählt wird, zerstört Links-Grün das bewährtes Konkordanzsystem. Die SVP muss dann den Bundesrat verlassen und aus der Opposition heraus politisieren. Um das zu verhindern, kündigte er eine eigentliche Kampagnenoffensive an.

zetungen2007

Wie Medienanalysen des FOeG an der Uni Zürich zeigten, löste die Kontroverse eine riesige Medienressonanz aus. Während Tagen war die SVP mit Abstand die am meisten behandelte Partei in den Medien. Gefordert war vor allem die CVP, beschuldigt mit Rotgrün zu paktieren. In die Bedrängnis geriet auch die FDP, deren Bundesrat Couchepin am meinte, kein Land brauche einen Douce – womit klar war, wen er gemeint hatte.

Erst nach Wochen flaute die Geschichte etwa ab. Noch einmal befeuert wurde sie durch die Sondersession der eidgenössischen Räte anfangs Oktober 2007, die sich dem Geheimplan beschäftigte. Für den Samstag danach hatte zudem die SVP für den 6. Oktober zu ihrer Manifestation in Bern aufgerufen – dem geplanten Höhepunkt ihres Wahlkampagne, der mit der Eskalation auf Berns Strassen zum Tiefpunkt des Wahlkampfes wurde. Medial hatte auch das der Partei genützt. Ihre Medienpräsenz erreicht in den drei letzten Wochen nochmals Höchstwerte, von denen die anderen Parteien nur träumen konnten.

“Ereignisorientierter Wahlkampf” analysierte ich dieses Vorgehen im Nachhinein.. Dabei ist nicht einmal entscheidend, wer was auslöst. Wichtiger ist, wer wie damit umgehen kann. Das spin doctoring findet in den Schweiz nicht in obskuren PR-Büros statt, wie man das oft behauptet, sondern in den Parteien selber, die jeden Tage beurteilen, was ihnen nützen und schaden kann. Wer mit seinen Kampagnen schnell reagieren kann, der wird so zum Treiber, der den Takt vorgibt und sie die anderen Akteure dominiert und die Medienberichterstattung auf dieser Art und Weise steuert.

Dazu gehört auch der Lead im gekauften Raum. Auch hier dominierte die SVP praktisch unbestritten. Sie begann als Erstes mit der Wahlwerbung, sie intensivierte sie vor allem anderen, und sie investierte auch das grösste Geldvolumen in Plakate, Inserate und Druckschriften.

werbung2007
Der Vergleich der beiden Indikatoren für Wahlkampfaktivitäten mit den Trends im Wahlbarometer legten folgende Zusammenhänge nahe: Profitiert haben dürften SVP und FDP von ihren Investitionen im gekauften Raum. Der SVP dürfte zudem die Medienpräsenz genützt haben, weil sie so den Wahlkampf dominierte. Die SP wurde zusehends verdrängt, und galt in der Schlussphase als mitverantwortlich für die Krawalle in Bern, was ihr geschadet haben dürfte.

Und heute? Einen “6. Oktober” wird es dieses Mal wohl nicht mehr geben, ist doch die Hauptstadt für Manifestationen der Parteien kurz vor der Wahl gesperrt worden. Dennoch zeigt sich, dass die SVP versucht ist, eine vergleichbare Kampagne mit vorbereiteter Volksinitiative, Plakatwerbung und Zupsitzung mit Inseraten zu fahren. Klar wurde auch, dass die Dramatisierung bisher nicht wirklich gelingt, weil die beabsichtigte Focussierung der Wahlen 11 auf die Ständeratswahlen und da auf das Treffen im Kanton Zürich nicht wie erwartet funktioniert. Deshalb polarisiert die SVP auch weniger. Die Bundesratswahlen wurden als Wahlziel 2011 gestrichen. Inoffiziell will man einen zweiten Sitz, wenn es nicht reichen sollte, werde man 2015 mit drei Bundesräten zurück kehren.

Allerdings, auch das wird momentan immer deutlicher: Keine der anderen Parteien kann in die Lücke, die so im Wahlkampf 2011 entstanden ist, wirklich nützen, um sich besser als die anderen zu profilieren. Entweder sind die Verhältnisse durch die globalen Ereignisse so unübersichtlich geworden, oder der Wahlkampf 2011 steht uns noch bevor!

Claude Longchamp

10 Trends in Schweizer Wahlkämpfen des letzten Vierteljahrhunderts

Sie sind jung, und sie wollen ein Interview von mir. Für eine Gruppe GymnasistInnen aus Wettingen soll ich die Wahlkämpfe der letzten 25 Jahre ausleuchten. Hier meine 10 Thesen.

SCHWEIZ SVP PARTEI
Prägten zahlreiche Veränderungen in Schweizer Wahlkämpfen: die SVP des Kantons Zürich, hier im Jahre 1987 (Quelle: 20 min)

Eines vorneweg: Ich erhalte viele Anfragen für Interviews im Rahmen von Matura-Arbeiten. Wenn ich den Eindruck habe, das liegt eigentlich schon gut aufgearbeitet vor, sage ich ab. Das mache ich auch, wenn ich mich für nicht kompetent halte.

Diese Woche habe ich eine mail aus dem Wettinger Gymnasium gekriegt, mit der Bitte, mich zu Veränderungen in Wahlkämpfen zu äussern. Konkret geht es um den Wandel der politischen Kommunikation im letzten Vierteljahrhundert. Ich habe ausnahmsweise zugesagt, weil es durchaus eines “meiner” Themen ist, es dazu aber nichts Kompaktes dazu zu lesen gibt.

Erstens: Seit 1983 ist die Parteienlandschaft in Bewegung: Neue Parteien sind entstanden, vor allem grüne, aber auch Antipoden hierzu. Von Bedeutung sind auch die Veränderungen in den Parteistärken. Die SVP setzte nach 190091 zum Höhenflug an und die deutlich grösste Partei geworden, die SP hielt bis vor rund 5 Jahren mit, und auch die GPS legte mehrheitlich zu. Seit 2007 gilt dies auch für die neu entstandene GLP, und 2011 haben sie und die BDP die besten Aussichten, sich in der Parteienlandschaft auszubreiten. Rückläufig sind die Anteile im bürgerlichen Zentrum. Parallel dazu ist die Wahlbeteiligung wieder gestiegen.

Zweitens: Der grösste Einschnitt in der politischen Kommunikation der Schweiz ist die EWR-Entscheidung von 1992. Damals entwickelten sich Medien zur Avantgarde und polarisierten Parteien die Konsenskultur. Auf Wahlkämpfe färbte sich das ab, inden namentlich links und rechts die Binnenorientierung, fokussiert auf die Stammwählerschaft, zugunsten von Angriffswahlkämpfen aufgegeben wurde, mit der WechselwählerInnen und bisherige Nichtwählende anvisiert wurden. Damit hat die Dynamik von Wahlkämpfen zugenommen.

Drittens: Verändert wurde auch die vorwiegend kleinräumig ausgerichtete Kampagnenkommunikation der Parteien, indem Auftritt, Form und Inhalt zentralisiert und aufgrund von Erkenntnissen des politischen Marketings ausgerichtet wurde. Parallel dazu entwickelte sich das Themensetzen der Parteien mit Kampagnen als gesamtschweizerische oder sprachregionale, jedenfalls überkantonale Aufgabe, deren Ziele es nicht mehr ist, die politische Debatte zu fördern, sondern den Mix an relevanten Informationen und Stimmungen zu seinem eigenen Vorteil zu optimieren.

Viertens: Geöffent haben sich die Parteien ausgehend vom bürgerlichen Zentrum für Kampagnen der immer zahlreicher werdenden KandidatInnen, die im bessern Fall auf die Parteikampagnen abgestimmt sind, im schlechteren weitgehend unabhängig davon funktionieren. Vorbild hierfür waren die Ständeratswahlkämpfe, die jedoch auf die Nationalratswahlen abfärbten.

Fünftens: Die Medien haben ihre Wahlkampfberichterstattung ausgebaut. Dabei haben sie ihre Rollen als Partei- oder Forumszeitung zusehends verlassen. Sie sind heute kaum mehr nur Transporteure, sondern Akteure in Kampagnen, die sich mit Eigenleistungen profilieren wollen, aber auch mit Kontroversen und Skandalen die Wahlen beeinflussen wollen. Zugenommen haben die Bedeutung der mediale Inszenierungen und der kommerzialisierten Politbewerbung, mit der die Grenzen zwischen Berichterstattung und Propaganda zunehmend auch verwischt wird. Nicht zuletzt die neuen Medien haben diese Veränderungen in jüngster Zeit noch beschleunigt.

Sechstens: Mit der Visualisierung des Journalismus geht eine Trend zur Personalisierung der Wahlen einher. Entstanden sind neue Rollen für ParteipräsidentInnen, aber auch charismatische Leaderfiguren, die dem Wahlkampf das tägliche Tempo geben. Die BundesrätInnen als die häufig bekanntesten ParteivertreterInnen werden in die zunehmend umfassende und dauerhaft betriebene, kampagnenartige Politiberichterstattung einbezogen, sodass die Unterscheidung von Wahlen ins Parlament und Regierung verwischt werden.

Siebtens: Entstand ist auch eine Expertenkultur in Kampagnen, welche deren Gesetzmässigkeiten und Auswirkungen medial analysieren, allenfalls auch Parteien und KandidatInnen kritisieren oder unterstützen. Häufiger geworden ist auch der Einsatz wissenschaftlicher Beobachtungs- und Analyseinstrumente zu Wahkämpfen in der Schweiz, mit der auch kritische Fragen zur Kommenzialisierung von Wahlkämpfe häufiger gestellt werden. Beschränkit mischen sich neuerdings auch WahlbeobachterInnen und ausländische Institutionen in Schweizer Wahlkämpfe ein.

Achtens: Uebers ganze gesehen ist hat die Involvierung der Bürgerschaft in Wahlkämpfe national klar zugenommen. Entsprechend ist die gesamtschweizerischen Wahlbeteiligung steigend, und differenziert sich diese immer deutlicher von der klar tieferliegenden Beteiligung an kantonalen Wahlen.

Neuntens: Die meisten der hier geschilderten Trends sind in der deutschsprachigen Schweiz deutlicher beobachtbar, in der französisch- und italienischen Sprachregionen wenig ausgeprägt. Zudem gehen die medialen Entwicklungen in der Regel von den urbanen Zentren aus, diffundieren von da aus aber auch aufs Land. Neu werden Schweizer Wahlkämpfe auch durch globale Ereignisse und Trends bestimmt.

Zehntens: Zahlreiche Trends könnten 2007 ihren Höhepunkt erreicht haben. Im aktuellen Wahlkampf besteht der Eindruck, dass sich einige der Entwicklungen nicht nochmals akzentuiert haben. Das gilt namentlich für die Polarisierung der Parteienlandschaft, die auf hohem Niveau möglicherweise an ihr Ende gekommen ist. Es könnte aber auch auf die Mobilisierung der Bürgeschaft durch Wahlen zutreffen.

Ich werde über die Erfahrungen im Interview mit den GymnasistInnen berichten. Selbstverständlich auch über die Konfrontation dieser Thesen mit dem Wahlkampf 2011.

Claude Longchamp

Personen, die in Migrationsfragen ankommen resp. polarisieren

Letzten Sonntag verkündete der Sonntagsblick: “Schweizer schieben Blocher ab!” Zum neuen Shooting-Star der hiesigen Ausländerpolitik wurde Karin Keller-Sutter stilisiert. Ein Kommentar.

komp

Ich habe mir die Daten der dahinterliegenden Befragung von Demoscope genauer angesehen und komme zu folgendem Schluss: Gemessen wurde mit der Datenerhebung zweierlei – zuerst die Bekanntheit der Personen, dann der Polarisierungsgrad der ExponentInnen in Migrationsfragen.

Von den 16 geprüften Personen haben 12 kein wirklich sachpolitisches Profil, wenn es um Ausländerfragen geht. Was die Umfrage als Themenprofil ergibt, wird grösstenteils durch die Bekanntheit bestimmt. Personen wie Philipp Müller, Bastien Girod, Daniel Vischer, Hans-Ueli Grunder und Daniel Jositsch sind in der Bevölkerung der ganzen Schweiz schlicht zu wenig bekannt, um in der breiten Masse ein Themenprofil zu haben. Das gilt für PolitikerInnen wie Ueli Leuenberger, Adrian Amstutz, Ursula Wyss, Urs Schwaller, Fulvio Pelli und Chriphe Darbelley nicht im gleichen Masse. Denn sie sind durch ihre Rollen und Auftritte in der Schweizer Politik eindeutige bekannter. Ein wirkliches Sachprofil haben aber auch sie nicht, jedenfalls nicht in Migrationsfragen.

Anders beurteile ich die letzten vier der überprüften PolitikerInnen: Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter, als Bundesrat Chrsitoph Blocher und SVP-Präsident Toni Brunner. Bei ihnen gilt: Sie sind sehr bekannt. Man weiss, wofür sie stehen. Breite Teile der Bevölkerung akzeptieren ihre Positionen oder reagieren stark gespalten darauf. Letzteres gilt vor allem für die beiden Top-Exponenten der SVP, nicht aber für die beiden PolitikerInnen, die in der Migrationspolitik etwas zu sagen haben.

Die obenstehende Grafik belegt das. Sie gibt die Positionierung des politischen Personals auf zwei Dimensionen wieder: hinischtlich der Bekanntheit und der Glaubwürdigkeit in Ausländerfragen. Alle PolitikerInnen, die nahe bei eingezeichneten Strich positioniert sind, haben für die Wahlberechtigten kein wirklich migrationspolitisches Profil. Denn ihre diesbezüglichen Werte werden weitgehend durch ihre Werte für die (Un)Bekanntheit bestimmt.

Blocher und Brunner sind klar unter dem Strich, was nicht anderes heisst, als dass ihre Akzeptanz in diesem Themenbereich geringer ist als ihre Bekanntheit es vermuten liessen. Das ist bei Keller-Sutter einerseits, Sommaruga andersseits genau umgekehrt. Sie sind akzeptierter als man das aufgrund ihrer Bekanntheit erwarten könnte. Die Top-Relation zwischen beiden Indikatoren hat die St. Galler Regierungsrätin.

Haben damit auch die SP und die FDP die Themenführung in der Migrationsfrage übernommen? Ich zweifle stark. Denn unseer Bild von Parteien in Sachfragen wird vor allem durch ihre Politik bestimmt, weniger durch die Position von ExponnentInnen. Oder anders gesagt. Was Bundesrätin Sommargua sagt oder Regierungsrätin Keller meint, spricht zuerst für (oder gegen) sie. Der Imagetransfer auf die Parteien bleibt beschränkt.

Und so gilt: Wenn es um Migrationsfragen geht, mobilisiert die SVP die Meinungen der klagenden ThemenwählerInnen immer noch am besten. Nur fehlt es ihnen gegenwärtig als unbestritten Kommunikatoren. Das sollte sich auch die Blick-Redaktion merken, die Personenimages befragen liess, auf der Frontseite Parteienbashing betrieb.

Claude Longchamp

Zwischen Momentaufnahmen und Prognosen

Die kantonalen Wahlen dieser Legislatur liegen hinter uns. Die Wählerbefragungen zu den Nationalratswahlen sind in der ganzen Breite lanciert. Und die Wahlbörsen zum Ausgang der Parlamentswahlen haben eingesetzt. Es ist Zeit, die Instrument untereinander zu vergleichen, hinsichtlich ihrer Aussagen, ihre Möglichkeiten und Grenzen. Ich mache es klar: Man hat keine treffsicheren Prognosen, aber auch nicht nur punktuelle Momentaufnahmen.

vergleichtotal
Grafik anclicken, um sie zu vergrössern

Die Bilanzen zu den kantonalen Wahlen haben einen grossen Vorteil: Sie bewerten reale Wahlen. Dem steht indess ein gewichtiger Nachteil gegenüber: Sie sind am Wahltag zwischen einem halben und dreieinhalb Jahre alt. Vor allem berücksichtigen sie alles, was im nationalen Wahlkampf passiert und kantonal kein Pendant hatte nicht.
WählerInnen-Befragungen wiederum sind nur simulierte Wahlen. Momentane Stimmungen fliessen in sie ein, die es wenig vorher nicht gab und die sich wenig später nicht bestätigen müssen. Umfrageserien des gleichen Instituts mindern diese Schwäche; Vergleiche zwischen Umfragen verringern auch Zufälligkeiten, bedingt durch die Stichproben. Ihr Problem bleibt, dass es, in der Schweiz wenigstens, kurz vor Wahlen nicht erlaubt ist, sie zu veröffentlichen.
Wahlbörsen schliesslich sind das spielerische Element vor Wahlen. Sie befriedigen das Wettfieber der Interessierten, zeigen dabei erstaunliche Ergebnisse. Ihr Vorteil: Sie dürfen bis zum Wahltag gemacht werden. Es gibt keine Gewähr, dass die ermittelten Kurse der Parteien zusammen 100 Prozent ergeben.

In der Wahlforschung hat sich ein Grundsatz durchgesetzt: Alle Instrumente haben viele Vorteile und einige Nachteile, weshalb keines perfekt ist. Die Unzulänglichkeiten lassen sich verringern, wenn man auf die gemeinsamen Aussagen der Instrumente setzt, und die Besonderheiten relativiert.
Eine Evaluierung dieser Art für die Wahlen 2007 zeigte: Die quantitativen Abweichung aller Instrument blieb recht gering. Der Vergleich der Benchmarks für kantonalen Analysen, WählerInnen-Befragung und Wahlbörsen verwies die Umfragen auf den ersten Platz, während die beiden anderen tools wegen qualitativ falschen Aussagen zum Wahlausgang nur nachfolgten.

Ich habe die Nachevaulierung, soweit möglich, auf die sechs Analyse-Instrumente 2011 angewandt. Und ich komme zu folgenden Schlüssen.

Erstens, BDP und GLP legen gegenüber 2007 überall zu. Bei der BDP ist das selbstredend der Fall, denn sie existierten bei der letzten Nationalratswahl noch gar nicht. Bei der GLP sind die prognostizierten Veränderungen, das gemessene Wachstum und die Wahlbilanzen so eindeutig, dass die Aussagen mit sehr sehr hoher Wahrscheinlichkeit gemacht werden kann,.

Zweitens, praktisch stabil ist die GPS; allenfalls kann sie etwas zulegen.

Drittens, eher zu den VerliererInnen zählen die CVP und die FDP. Wenn es hoch kommt, können sie sich halten. Das belegen kantonale Wahlen und Wahlbörsen, während Umfragen je nach Zeitpunkt ein kleines Plus für die eine oder andere der bürgerlichen Parteien sieht.

Viertens, widersprüchlich sind die Aussagen zu den Polparteien SVP und SP. Kantonal gab es einen Rutsch Richtung SVP. Der verflachte jedoch während der Legislatur. Nach der Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative schwappte er nochmals hoch. Mit dem Unfall in Fukushima wurde auch das neutralisiert, sodass heute selbst die Parteileitung hochtrabende Erwartungen zurück buchstabiert. In den WählerInnen-Befragungen und in den Wahlbörsen bleibt das nicht ohne Auswirkungen. Die SP wiederum verlor in der ersten Legislaturhälfte viel, konnte den Rückgang aber verlangsamen. Der Programmparteitag 2010 stoppte die Aufholarbeit. Seither dominiert die Feststellung, die SP werde beschränkt verlieren; nur OptimistInnen in Wahlbörsen rechnen mit dem Gegenteil.

Fünftens, mit einer Bi-Polarisierung rechnet man kaum mehr. Festgehalten wird, dass das Zentrum gestärkt aus den Wahlen hervorgehen könnte, gleichzeitig aber parteipolitisch auch fragmentierter den je wäre. Denn es dürften GLP und BDP wachsen, damit die kleinen zulegen, während die CVP sich im besten Fall dazwischen behaupten kann. Nicht wirklich etablieren konnte sich die Mitte/Rechts-Position, wie sie von der FDP mit der Fusion mit den Liberalen gesucht wurde. Jedenfalls ist daraus nicht automatisch eine Erfolgsformel geworden. Wenn bei den Polparteien die Unsicherheiten am grössten sind, hat das einen Grund: Ihr Ergebnis hängt von der Mobilisierung ab. Diese ist, bei knapp 50 Prozent Beteiligung, erheblich von polarisierenden Figuren und Themen abhängig, von intensiver medialer Aufmerksamkeit hierfür und von der Hoffnung, die Wahl entsprechender Parteien könne die Politik in der Schweiz neu ausrichten. Das alles ist im Moment unsicher.

Was also weiss man 60 Tage vor der Wahl? – Mehr als die von den PolitikerInnen gerne zitierte “reine Momentaufnahme”, aber auch weniger als eine “gesicherte Prognose”, wie es von einigen JournalistInnen regelmässig inszeniert wird.

Claude Longchamp

Aktuelle Wahlbörsen im Vergleich

Wettbegeisterte können auf Parteistärken setzen und gewinnen oder verlieren. Mit ihrem Kalkül helfen sie, Erwartungen zum Wahlausgang sichtbar zu machen. Doch die Methode hat auch Nachteile: Es gibt keine Gewähr, dass die Einschätzungen nicht ins Kraut schiessen und alle Parteien nicht geschönt beurteilt werden.

wboevgl

Zwei Wählbörsen zu den Nationalratswahlen 2011 gibt es (vorerst): neu diejenige des Schweizer Fernsehens und seit längerem diejenige von Wahlfieber.

Erwartete Wahlsiegerinnen sind die BDP und die GLP. Gemäss Börsianern können sie mit je 4 Prozentpunkten Zuwachs rechnen.

Mögliche Gewinner- oder Verliererinnen sind die beiden grossen rotgrünen Parteien. Gemäss SF-Börse würden SP und GPS zulegen, nicht aber gemäss Wettkonkurrent “Wahlfieber”.

Verluste würde es vor allem für die FDP, aber auch für die CVP und allenfalls auch SVP absetzen.

Das Hauptproblem der aktuellen Wahlbörsen ist, dass die addierten Kurswerte nicht auf 100 Prozent aufgehen. Erheblich ist das Problem bei der SF-Wahlbörse, wo die ausgewiesenen Parteistärken zusammen rund 106 Prozent ergeben. Bei Wahlfieber liegt man bei zirka 103 Prozent.

Das haben findige Börsianer zwischenzeitlich selber entdeckt, und sie rätseln fieberhaft, wie man der Schwäche beikommen solle.

Denn sie wissen: Ohne dieser Korrektur werden alle Prozentangaben relativiert, da sie automatisch in Bezug auf die Wählendenanteile bei den letzten Wahlen gesetzt werden. Doch gerade das täuscht, wenn das BfS auf 100 prozentuiert, die Wahlbörsen aber nicht.

Die beiden Wahlbörsen zeigen eine weitere Schwäche. Das Umfeld der Wette bestimmt die Teilnahme: Auf der populären Website von SF wetten 669 Personen, beim Aussenseiter Wahlfieber sind gerade mal 38. Das bestimmt die Einflussmöglichkeiten eines Traders, der taktisch vorgehen will. Seine Möglichkeiten sind bei der SF Wahlbörse deutlich geringer.

Keine Aussagen machen die Börsianer im übrigen zur Wahlbeteiligung. Dafür lanciert die SF-Wahlbörse heute abend einen neuen Markt für die Sitzzahlen der Parteien im Ständerat. Gegenüber Wahlbefragungen gibt das einen echten Mehrwert.

Claude Longchamp

Aktuellste Wahlbefragungen im Vergleich

Nun haben die drei Marktleader in Sachen Wahlumfragen, Isopublic, Demoscope und gfs.bern, ihre Wahlbefragungen auf den Tisch. Sie arbeiten für die Tamedia (Sonntagszeitung), Ringier (Sonntagsblick/Blick) und die SRG SSR (alle Unternehmenseinheiten).

vergleichneu

Befragt haben alle mit der CATI-Methode (computerunterstützte Telefoninterviews). gfs.bern macht die Interviews in der ganzen Schweiz, Demoscope und Isopublic verzichten darauf, die italienischsprachigen Wahlberechtigten zu befragen. Gebildet wurden alle Stichproben nach dem at-random-Verfahren.

Interviewt wurde eine unterschiedliche Zahl von BürgerInnen: Bei gfs.bern sind es 2005, bei Demoscope genau die Hälfte davon (1002); Isopublic stützte sich auf eine mittlere Zahl von 1255.

Unterschiedlich sind die Zeitpunkte der Befragung. Die Befragung von Demoscope ist die jüngste, die von gfs.bern die zweitjüngste, während die von Isopublic am ältesten ist. Es ist denkbar, dass die Unterschiede in den Parteistärken daraus resultieren; genau beurteilen kann man das indessen nicht, denn die Basen der Befragung sind dafür vor allem hinsichtlich des Befragungsgebietes zu unterschiedlich. Ich warne deshalb vor Zeitvergleichen über Erhebungen verschiedener Institute hinweg.

Vergleicht man die Ergebnisse strukturell, ergeben sich zuerst Gemeinsamkeiten.

. Die drei beigezogenen Messungen sprechen für Wahlgewinne der GLP, der BDP, möglicherweise auch der GPS.
. Sie gehen für die CVP, FDP und SVP von Verlusten oder von einem Halten aus.
. Und die SVP hat in allen drei Befragungen ein Minus. Das gilt auch für die übrigen Parteien.

Indes: Nur bei der GPS, der BDP und der SP sind die Befragungswerte annähernd identisch. Grösser sind die Differenzen bereits bei der CVP, die bei gfs.bern leicht zulegt, in den beiden anderen Befragungen einiges verliert. Das gilt namentlich auch für die FDP. Sie hat bei Demoscope ein kleines Plus, während sie in den Erhebungen der anderen Institute ein Minus hat.

Selbst bei der SVP variieren die Minuswerte: Mit 4.1 Prozent sind sie bei Demoscope krass, während sie bei Isopublic mit 0.2 Prozent kaum nennenswert sind.

Eine Eigenheit hat die Demoscope-Umfrage: Sie macht als einzige zur Beteiligung keine Angabe, derweil gfs.bern und Isopublic mit Werten von 45 resp. 47 Prozent von einem leichten Minus gegenüber 2007 ausgehen.

Der Vergleich 2007 zwischen den Vorwahlbefragungen und dem Wahlergebnis legte nahe, von drei Qualitätskriterien auszugehen: der Stichprobenbildung (ganze Schweiz besser als nur in Teilen), der Befragtenzahl (je mehr desto besser( und des Befragungszeitpunkts (je näher bei Zeitpunkt, aber nicht nur an 1-3 Tagen durchgeführt).

Claude Longchamp

Mein Beitrag zur Analyse der Wahlen 2011.

Wer wählt wen warum mit welcher Wirkung. Das ist das wwwww der Wahlforschung. Was ich dazu in den nächsten 6 Monaten sagen werde.

Immer mehr Menschen fragen mich, wie die Wahlen ausgehen, was der Wahlkampf bringt und welches die Folgen für den neuen Bundesrat sind.
Mit punktgenauen Prognosen antworte ich da nie. Nicht, weil ich das nicht wollte. Indes, weil Prognosen so weit im Voraus nicht eindeutig möglich sind.
Genau deshalb werde ich mich stufenweise dem kommenden Geschehen beschäftigen. Das Wahlbarometer für die SRG ist die eine Seite hierzu. Die andere sind Vorträge, Kurse und Vorlesungen, welche sich den Wahlen 2011 annehmen.


Mein neuestes Video, zu meinen Veranstaltungen an Universitäten, für Kunden und das interessierte Publikum

Hier eine Uebersich:

12. September, Bern: Münstergass-Buchhandlung: Streitgespräch mit Michael Hermann zu seinen neuen Buch
“Konkordanz in der Krise”

16./17. September, Winterthur: Kurs am HWZh zu:
“Bürger und Demoskopie – Analyse von Wahl- und Abstimmungskämpfen”

22. September, Zürich: Bilanz Business-Talk zu:
“Was erwartet die Wirtschaft von den Wahlen?”

ab 23. September jeweils am Freitag, Bern: Forschungsseminar an der Universität Bern:
“Analyse von Ständeratswahlen in der Schweiz”

27. September, Zürich: Abendverstaltung der International Advertising Association zu
Wahlkampf – Wahlkrampf?

3. Oktober, Bern: Stadtwanderung mit Oesterreichischen JournalistInnen zu
“Wahlkampf 2011”

6. Oktober, Zug: Kantonsschule Zug: Vortrag zu:
“Die Schweiz vor den Parlamentswahlen 2011”.

12. November, Bern: Veranstaltung der Verbindung Kyburger:
“Analyse der National- und Ständeratswahlen 2011”

15. November, Bern: Abendveranstaltung der Neuen Helvetischen Gesellschaft:
“Was folgt aus den Parlamentswahlen für die Bundesratswahlen 2011?”

25. November, Luzern: Veranstaltung des Unternehmerclubs Luzern:
“Analyse der Parlamentswahlen – Aussicht auf die Bundesratswahlen 2011”

ab Februar 2012: Vorlesung an der Universität Zürich:
Wahlforschung in der Praxis: Analyse der Wahlen 2011

Vielleicht sind Sie, meine sehr verehrte LeserInnen, das eine oder andere Mal dabei!

Claude Longchamp