Erstes Wahlbarometer 2011: Wie stark ist die SVP?

Wie stark wird die SVP 2011 sein? Diese Frage beschäftigt die politische Oeffentlichkeit im In- und Ausland bereits seit längerem. Denn die SVP ist grösste nationalkonservative Partei Europas, die in der Regierung ist. Und sie erreichte 2007 nicht nur das beste Ergebnis für sich, es war auch Schweizer Rekord für eine Partei, seit der Nationalrat nach dem Proporz bestellt wird. Wir sich das wiederholen?

Was sagt das Wahlbarometer der SRG SSR, erstellt von gfs.bern, das heute veröffentlicht wird? 26.1 Prozent der teilnahmewilligen BürgerInnen mit einer Parteiwahlabsicht würden sie heute unterstützen. Das ist eine Momentaufnahme, keine Unterstützung.

Ziehen wir Bilanz: Die SVP hat 10 der 17 kantonalen Wahlen seit 2007 gewonnen. Der Schwung war 2008 grösser als 2010. Addiert man die Sitze in den Kantonen, gewichtet nach Parlaments- und Kantonsgrösse, kommt die SVP heute auf 23 Prozent.

Mit anderen Worten: Sie ist seit ihren elektoralen Höhenflügen, die im Jahre 1999 begannen, national stärker immer stärker gewesen als kantonal. Das hat mit veränderten Rahmenbedingungen der Wahlen zu tun, vor allem mit der Möglichkeit, national oder wenigstens sprachregional werberisch Themen zu setzen, Medienaufmerksamkeit zu erringen und mobilisierend zu wirken. Keine andere Partei beherrscht das so gut wie die SVP, sodass sie vor allem national zugelegt hat. Die Diskrepanz zwischen nationaler und kantonaler Stärke ist sogar gewachsen. Selbst die Zunahme ist national grösser als kantonal.

Die SVP erreichte 2007 mit 28,9 Prozent ihr Rekordergebnis vor allem durch ihre Mobilisierungsfähigkeit. Sie profitierte am meisten von der erhöhten Wahlbeteiligung, und sie sog WählerInnen von existierenden oder früheren Parteien in ihrem Umfeld förmlich auf.

Das ist aktuell nicht im gleichen Masse der Fall. Die SVP hat in Graubünden ein Kantonalpartei an die Adresse der BDP verloren. Das Wichtigste aber ist, dass die SVP – gegenwärtig – eine abgeschwächte Ausstrahlungskraft auf die WählerInnen ganz am rechten Rand hat.

Summiert man das auf, kann man sagen: Sie ist heute, national schwächer als 2007 am Ende des Wahlkampfes. Dieser wird entscheiden, wo sie am 23. Oktober 2011 sein wird. Da ist bekanntlich vieles möglich. Ihre grösse Profilierungschance hat die SVP im Konflikt zwischen Oeffnung und Abkapselung. Das ist sie die einzige Partei, die klar gegen den mainstream ist.

Claude Longchamp

Die Wahlanalyse der anderen Art

Wiens WählerInnen haben gesprochen. Die PolitikerInnen der Parteien müssen sich raufen. Und die WahlanalytikerInnen helfen ihnen dabei. Jede(r) auf seine/ihre Art. Gerne füge ich mein Vexierspiel aus Zahlen und Bildern bei.

Andrea Maria Dusl ist ausgebildete Medizinerin. Das hilft ihr, die menschliche Physiognomie zu studieren. Zudem ist sie erfolgreiche Filmemacherin. Das schärft ihr Auge für das Gesellschaftliche im Individuum. Mit diesem Hintergrund betätigte sie sich im Wiener Wahlkampf als Zeichnerin für den Standard und erfand eine eigene WählerInnen-Typologie von links bis rechts, die in so herrlichem Kontrast zu den Parteiprofilen des Sozialforschers Christoph Hofinger steht.

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Auch bei dieser Wahl waren Wiens Kommunisten nicht wirklich erfolgreich. Im ganz tiefen einstelligen Prozentbereich blieben sie hängen. SORA sagt, selbst 98 Prozent der von der Wirtschaftskrise Betroffenen hätten sie nicht gewählt. Dusl weiss Rat: Gewählt werden die K. nur noch von alternden Männern, die ihr Kapital nicht investieren, dafür gelesen haben und sich gerne dahinter verstecken. – Die Sozis wiederum, bis dem Ende der Monarchie in der österreichischen Hauptstadt alleine regierend, müssen sich neu ausrichten: Könnten nur die Arbeiter im Gemeindebau, die MigrantInnen oder die Frauen wählen, hätten sie unverändert die Absolute. Diese ist ihnen aber bei den Männern deutlich abhanden gekommen – und bei den Jungen ganz besonders. Den roten Kübel für die kleinen Sorgen der WienerInnen hinstellen, macht keinen Staat mehr, sagt die Andrea, insbesondere nicht, wenn man die Faust im Sack behält, statt mit ihr zu kämpfen!

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Ist mannfrau jung, studiert und in einer Nische selbstständig, hat man höchstwahrscheinlich grünes Blut, wissen die Wahlforscher. Die Karikaturistin sieht das wie erwartet anders: Den grünen Daumen hat fraumann, wenn das Haar brennnesselgespühlt silbern ist und die Kleider ihre Dritt- und Viertverwertung erleben. Grüne Erfolge in der Politik bleiben indessen schwierig, denn der Spaltpilz sprengt jeden Blumentopf im politischen Vorgarten. – “Ueberall ein wenig, nirgends viel”, das sagt die Statistik zur Soziologie der OeVP-Wählenden. Und das trotz markigem Law&Order-Wahlkampf der Parteiobern. Dr. Dusl diagnostiziert die gleiche Schwäche: Das erzbischöflich apporbierte Innenstadt-Decolleté der Schwarz-Wählerinnen schreit nach einem raschen Redesign, bevor es von der Jury auch nur eine Stimme kriegt.

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Endlich wissen wir, was den Siegertyp ausmacht: “Dreibier und Freibier”, ist der win/win-Slogan der FPOe. Am rechten Arm trägt ihre Wähler wie HC, ihr neues Vorbild, ein Bandl und am Gurt ein Bärli. Sonst ist alles konform. Am häufigsten findet man ihn bei den Arbeitern, bei den Pensionisten, überhaupt bei den Männern, die nie zur Kirche gehen, aber überzeugt gegen den Islam sind. – Damit stand der Normalo seinem kleinen Bruder von der BZOe vor dem Zugang zur Strasse des Erfolgs. Frau Dusl vermutet hinter der Kaum-Mehr-Partei am rechten Rand elegant-legär gekleidete Typen, die stets ihren Esowellenempfänger bei sich haben, um mit Jörg Haider in Kontakt zu bleiben. Da schüttelt es die SORA-Wahlforscher kräftig, denn gefunden haben sie den Finanzplatz-Macho nicht, ausser bei 6 Prozent der Menschen, die nichterwerbstätig sind und zu Hause hocken.

So bleibt Wien Wien. Oder wie es mein Mentor Erich Gruner zu sagen pflegte: Die Lage ist ernst, aber nicht aussichtslos, denken die Politiker, während die Wähler wissen, dass sie aussichtslos, aber nicht wirklich ernst ist …

Claude Longchamp

Von der Initiativskepsis zum Initiativoptimismus

Lange glaubte man nicht mehr an den durchschlagenden Erfolg von Volksinitiativen. Zwischenzeitlich ist das wieder anders, sodass auch die Zahl der Volksinitiativen sprunghaft zunimmt. Und das nicht nur wegen des kommenden Wahljahres.

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Die Zustimmung zur UNO-Beitrittsinitiative leitete den Wandel in der Einschätzung des Mobilisierungspotenzials von Volksinitiativen ein.

Seit den Nationalratswahlen 2007 nimmt die Zahl der vorbereiteten Volksinitiativen sprunghaft zu. Allein seit diesem Jahr gibt es 25 neue Projekte. 16 waren es im Vorjahr, 13 im Vorvorjahr. Das alles sind Rekordzahlen.

Die Hoffnung des Verfassungsgebers, der die geltende Bundesverfassung ausarbeitete, haben sich damit nicht bestätigt. Die formale Neugestaltung des schweizerischen Grundgesetzes bewirkte nicht, dass die Zahl angestrebter Teilreformen zurückgegangen wäre.

Volksinitiativen sind zunächst Ausdruck ungelöster Konflikte, die so auf die Politagenda gesetzt werden. Die Minaretts-Initiative steht vorbildlich hierfür. Dann können Initiativen auch Ausdruck der Interessen von Akteuren sein, die sich im Parlament untervertreten sehen, in der Bevölkerung aber getragen fühlen. Gewerkschaftliche Initiative gegen die Postliberalisierungen oder die Bausparinitiative der Hauseigentümer kann man hierbei erwähnen. Schliesslich stehen Initiativen für ein neues Phänomen: Politischer Unternehmer, die sich einmischen wollen, lancieren sie wie ein Geschäft. Die Minder-Initiative ist wohl das beste Beispiel dafür. Erwähnt sei aber auch die Raser-Initiative, die gleich vom Blick übernommen wurde.

Dass immer mehr gut organisierte Gruppen von der Möglichkeit des Volksrechts Gebrauch machen, hängt auch mit dem neuerlichen Erfolg von Volksinitiativen zusammen. Zwar werden auf nationaler Ebene auf die Dauer 9 von 10 Volksbegehren abgelehnt. Doch nahm die absolute Zahl der Initiativen zu, die es schafften. Die UNO-Abstimmung machte den Anfang im Jahre 2002. Es folgten die Verwahrungsinitiative, die gentechfreie Landwirtschaft, der Anti-Pronografie-Artikel – und die Minarettsinitiative. Diese Zustimmungen haben die politischen Akteure beflügelt, zu diesem Instrument zu greifen, um einzugreifen, sich zu profilieren oder auch Dampf abzulassen.

Dies hat die Initiativskepsis, die lange vorgeherrscht hatte, aufgeweicht. Heute spricht man nicht mehr nur von indirekten Wirkungen des Volksrechts auf die Gesetzgebung. Man strebt vielmehr direkt die Mehrheit in Volk und Ständen an – und hält sie bei geeignetem Projekt nicht mehr für aussichtslos.

Selbst Organisationen, die keine politisch-institutionelle Erfahrungen haben, lancieren wieder Volksinitiativen: Anita Chaaban machte mit der Verwahrungsinitiative den Anfang – der zum Ziel führte. Das Projekt, die Todesstrafe wieder einzuführen, kann in der gleichen Logik gesehen werden, auch wenn sich diese Initianten der Konsequenzen einer Lancierung nicht hinreichend bewusst waren.

Claude Longchamp

Wien: SPOe verlierte absolute Mehrheit – FPOe gewinnt dank Migrationsfrage

In Wien verliert die SPOe bei den heutigen Wahlen die absolute Mehrheit, bliebt aber stärkste Partei. Wahlsiegerin ist die FPOe, die neu die zweitstärkste Partei ist, gefolgt von der OeVP und den Grünen, die beide Anteile einbüssen.

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“Blaues Wunder für die SPOe”: Wahlsieger Heinz-Christian Strache (rechts) bedrängt Bürgermeister Michael Häupl (SPOe). Bild: Der Standard

Hier das vorläufige Endergebnis gemäss Standard online: SPÖ: 44,2 Prozent, FPÖ: 27,0, ÖVP: 13,3, Grüne: 12,2, BZÖ: 1,4, KPÖ: 1,2. Bei der Sitzverteilung rechnet man mit 49 Sitzen für die SPOe, 6 weniger als zuvor und 2 unter der absoluten Mehrheit, die sie historisch inne gehabt hat. Mandate verlieren auch die OeVP (-5) und die Grünen (-4), derweil die FPOe auf 28 Sitzen kommen dürfte, 15 mehr als bisher. Vordergründig sank die Wahlbeteiligung, doch sind die WahlkarterwählerInnen noch nicht erfasst. Man rechnet damit, dass die Wahlbeteiligung schlussendlich höher liegen wird als vier Jahre zuvor.

In einer ersten Stellungnahme kündigte Bürgermeister Michael Häupl an, mit allen Parteien Gesprächen zu führen. Eine Koalition mit der siegreichen FPOe schlug er aber aus, solange er im Amt sei.

Die Wählerstromanalyse von SORA erhellt die Zusammenhänge der Verändeurngen. Die generelle Polarisierung fand demnach zwischen FPOe und Grünen statt, was ihre jeweilige Attraktivität für Neuwählende und frühere Nichtwählende erhöhte. SPOe und OeVP konnten davon nicht profitieren, sie verloren unzufriedene WählerInnen an die FPOe. Die Grünen wiederum kennen eine negative Bilanz zur SPOe, sodass auch sie letztlich verloren.

Aufgrund der Wahltagsbefragung haben Mehrheiten der FPOe diese Partei wegen ihrer Themenarbeit gewählt, insbesondere in der Migrationspolitik. Hinzu kommt, dass man hier stark motiviert war, die Mehrheit der SPOe zu brechen. Deren WählerInnen wollten ihren Bürgermeister Häupl stützen, die Mehrheit bewahren, denn sie waren mit der geleisteten Arbeit zufrieden. Die OeVP Wahl wird mit Interessenvertretung begründet, namentlich in der Wirtschaftspolitik. Bei den Grünen ist dies die Umweltpolitiik, ergänzt durch die breit getragene Abgrenzung gegenüber der FPOe. Die SPOe ist am stärksten bei den Gemeindeangestellten, die FPOe bei den Arbeitern, die OeVP bei den Selbständigen und die Grünen bei Menschen in Ausbildung.

Die WählerInnen jeder Partei möchten nun in die Regierung eingebunden werden. Bei der SPOe optiert eine relative Mehrheit für die Grünen, in der Wählerschaft insgesamt gibt man einer rot-schwarzen Regierung knapp den Vorzug. So oder so: Die FPOe hat mit der Migrationsfrage gepunktet, rote und schwarze Unzufriedene angezogen und mit ihrem Wahlkampf mobilisiert, sodass sie nun gestärkt im Stadtparlament antreten kann – ohne wirkliche Aussichten zu haben, in Wiens Stadtregierung mitregieren zu können.

Claude Longchamp

Laissez-faire in der Integrationspolitik fördert Unsicherheit, nicht Toleranz

Vor 20 Jahren witzelte er über die “zufriedene Nation”. Vor zehn Jahren polemisierte er gegen das “multikulturelle Drama” in den urbanen Zentren. Heute nennt er das laissez-faire-Prinzip in der Integrationspolitik einen Fehler. Den Applaus von rechts mag Paul Scheffer nicht, die Ignoranz auf der linken Seite auch nicht, denn der Amsterdamer Grossstadtsoziologe ist ein scharfer Kritiker der herrschenden Zustände ohne die Zuversicht in die Zukunft der Niederlande verloren zu haben.

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Paul Scheffer, führender Soziologe der Integration in den Niederlanden

Auf newsnetz erklärt Paul Scheffer, wie es zur Wende kam, welche Geert Wilders den grossen Aufstieg brachte. Man habe sich im Selbstbild der liberalen Gesellschaft gefallen, Homo-Ehe akzeptiert, Euthanasie zugelassen und die Repression aus der Drogenpolitik gestrichen. Trotzdem blieb die Niederlande eine stark organisierte Gesellschaft, ähnlich wie die Schweiz, Oesterreich oder Belgien, in denen der Wunsch nach Konsens dominiert und dessen Nichterfüllung die Politik verändert.

Mit der Globalisierung seien liebgewordene Sicherheiten in Frage gestellt worden, diagnostiziert Scheffer. Die wirtschaftliche Entwicklung gehe nicht mehr linear nach oben. Die traditionellen Parteiströmungen – die Sozialdemokratie, der Liberalismus und die Christdemokratie – steckten in einer tiefen Identitätskrise, denn Lösungen nach dem Links/Rechts-Schema versagten in EU-Fragen, in der Klimapolitik und bei Migrationsproblemen.

Deren Defizite seien schon vor 10 Jahren sichtbar gewesen. Jetzt würde alles Ungelöste an die Oberfläche gespült, lasse den Eindruck des totalen Politikversagens aufkommen und begünstige Einthemen- und Einmannparteien wie die PVV von Geert Wilders. Der Politik sei dies nicht dienlich, sie müsse sich deshalb darauf einstellen, vorerst mit instabilen Verhältnissen leben zu müssen.

Es sei falsch, die WählerInnen der PVV der Irrationalität zu bezichtigen. Gegen Heimatverlust zu stimmen, folge einer Logik, welche die etablierten Kräfte in der niederländischen Gesellschaft begreifen lernen müssten. Ausgangspunkt der Probleme sei die Unsicherheit im öffentlichen Raum. Ohne die gäbe es nur misstrauische BürgerInnen. Deshalb plädiere er für die Null-Toleranz gegenüber Uebergriffen auf Strassen, in Eisenbahnen und Schulen – zum Schutz der Toleranz in der Gesellschaft.

Einwanderungsgesellschaften wie den Niederlanden empfiehlt der Soziologe einen neuen Gesellschaftsvertrag. “Bisher haben wir nur über Freiheiten gesprochen, aber nicht über Pflichten”. Wer beispielsweise das Recht auf Religionsfreiheit einfordere, müsse auch die Pflicht akzeptieren, die Freiheit für andere zu verteidigen, diktierte er den Journalisten des Tages-Anzeigers ins Notizbuch.

Denn ohne Rechte mit Pflichten zu verknüpfen, komme es zu einer Radikalisierung, die zum Zerfall der politischen Mitte und zur demokratiebedrohlichen Polarisierung führen könne. Das aus den Zukunftsszenarien auszuschliessen, hält Scheffer für naiv. Selber gibt es sich zuversichtlich. Keine Integration sei bisher konfliktfrei verlaufen. Die Auseinandersetzung wie sie in den Niederlanden beobachtet werden können, zeige vielmehr, dass Integration stattfinde, wohl aber erst begonnen habe und nicht schon abgeschlossen sei: “Ich sehe uns in einer Übergangszeit, wo wir uns selber neu definieren, die Gesellschaft ihre Institutionen und den Umgang mit den Freiheiten neu überdenkt.”

Die Analyse könnte man in Vielem auch für die Schweiz machen. Die Befunde zur Ausgangslage sind ähnlich. Denn auch hier hat die Globalisierung bisherige Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt, am Fundament der Liberalen, der Christ- und Sozialdemokraten gerüttelt, und die Forderungen nach einer Neudefinition von menschlichem und kulturellem Zusammenleben geschärft. Nur neue Einthemen- und Einmannparteien haben wir nicht bekommen, dafür eine neudefinierte SVP, welche die Probleme der Migration artikuliert, ohne dass wir schon gesellschaftlich und politisch akzeptierte Lösungen haben.

Claude Longchamp

Vermessene Kantonalparteien – vermessene Nationalratswahlen?

Martin Senti gibt in der heutigen NZZ eine Uebersicht über die Parteistärken in der Schweiz auf kantonaler Ebene. Die wichtigste Frage, ob das auch auf die nationale übertragbar ist, bleibt aber offen.

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Daniel Bochsler, Schweizer Politikwissenschafter in Budapest, hat die Vermessung der Parteien neu definiert. Er berücksichtigt die kantonalen Wahlsitzverhältnisse, modifiziert sie aber in zweierlei Hinsicht, um daraus nationale Schätzungen zu machen: Zuerst standardisiert er sie aufgrund der Sitzgrösse der kantonalen Parlament, dann auch aufgrund der Bevölkerungszahl der Kantone. Das sind ohne Zweifel eine Verbesserung am Vorgehen, wie es etwa die sda seit Jahren macht, wo man ganz einfach Sitzzahlen aufaddiert.

Nach Bochsler ist die SVP die stärkste Partei auf kantonaler Ebene. Sie repräsentiert (standardisiert) etwa 23 Prozent der Parlamentsmitglieder. Die Verluste, die 2008 durch die Abspaltung der BDP eingetreten waren, sind weitgehend kompensiert worden. Die FDP rangiert an zweiter Stelle, kommt sie doch auf rund 21 Prozent; sie hat sich durch die Fusion mit der LP verbessert. Als dritte Partei folgt die SP mit rund 19 Prozent, gefolgt von der CVP mit etwa 16 Prozent. Beide haben in der laufenden Legislatur an Stärke eingebüsst. Die Grünen bringen es unverändert auf zirka 9 Prozent, die BDP auf 3, die glp auf 2 Prozent der Gewählten.

Ist das nun eine Vorschau auf die nationalen Wahlen 2011? Martin Senti, der Parteienspezialist in der NZZ-Redaktion, scheint davon einigermassen überzeugt zu sein. Für ihn dürfte die SVP ihr Niveau 2011 “mindestens halten können”. Ausländer- und sicherheitspolitische Themen dürften ihr den Zulauf bescheren, der die Abgänge an die BDP kompensieren werde. Bei rotgrün ortet er “erneut einen Abbau”. Die SP serble, die Grünen stagnierten, was links ein Minus ergebe. Absturzgefährdet sieht Senti auch FDP und CVP. Eine Aenderung der Rangfolge erwartet er dank der Fusion von FDP und LP nicht, mit einer weiteren Pluralisierung der zahlenmässig wachsenden Mitte hin zur BDP und glp rechnet er hingegen schon.

Mich beschäftigt eine Feststellung in diesen Analogien. Seit einigen Jahren laufenden die kantonalen und nationalen Parteistärken trotz immer mehr auseinander. SVP und Grüne sind national stärker als kantonal, bei SP, FDP und CVP ist das genau umgekehrt. Bei der SVP ist die Differenz eklatant: den knapp 23 Prozent in den Kantonsparlamenten 2007 standen fast 29 Prozent bei den Nationalratswahlen gegenüber.

Aus meiner Sicht unterschätzt die Vermessung von Parteien wie sie Bochsler macht und Senti verallgemeinert die Effekte neuartiger nationaler Kampagnen, in denen der Medienautritt der Parteien eine viel höhere Rolle spielen, führende Köpfe als Treiber von Kampagnen entscheidend sind, polarisierende Themen mindestens der Vorwahlkampf beherrschen, und Machfragen, insbesondere im Bundesrat zu einem der zentralen Wahlkampfsujets aufgestiegen sind.

Eine Partei, die sich so nicht profiliert, mobilisiert nicht nach den Gesetzmässigkeiten der Mediengesellschaft und gewinnt bei nationalen Wahlen nie, auch wenn sie kantonal den Platzhirsch spielen kann.

Claude Longchamp

Partij voor de Vrijheid als Partei neuen Typs

Die hier bereits einmal aufgeworfene Frage, ob mit islamfeindlichen Positionen eine neue Konfliktlinie in den europäischen Parteiensystemen entsteht, war Gegenstand einer Diskussion in meiner heutigen Vorlesung zur Wahlforschung. In den gegebenen Antworten überwog die Skepsis, wenn auch die niederländische PVV als Partei neuen Typs verstanden werden kann.

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Positionierung der PVV 2010 gemäss dem niederländischen Politikwissenschafter André Krouwel, für den die PVV 2010 konservativ ist. Der jüngste Berichte zu den Entwicklungen des niederländischen Parteiensystems bezeichnet die PVV etwas komplexer als neue radikale Rechte mit einer nationaldemokratischen Ideologie, aber ohne rechtsextreme Wurzeln.

Es war eine Woche, in der sich Vieles um Geert Wilders drehte: Zuerst sprach er vor Getreuen in Berlin. Dann gaben die niederländischen Konservativen grünes Licht für eine Minderheitsregierung mit den Rechtsliberalen, die sich nur mit Duldung Wilders Partei für die Freiheit an der Macht halten kann. Schliesslich musste sich Wilders wegen mutmasslicher Hetze gegen den Islam vor Gericht verantworten, ohne dass schon ein Urteil gefällt worden wäre.

Um sinnvollerweise von einer (neuen) Konfliktlinie im Parteiensystem eines Landes sprechen zu können, definierte der Florenzer Politikwissenschafter Stefano Bartolini drei Kriterien:

. Es braucht eine tiefgreifende Spaltung in der Gesellschaft.
. Auf dieser aufbauend müssen neue kollektive Identitäten entstehen.
. Diese müssen durch neue parteiähnliche Organisationen verfestigt werden.

Erstes ist gegenwärtig offensichtlich vielerorts vorhanden. Namentlich die Globalisierung hat soziologisch bestimmbare Gewinner und Verlierer hervorgebracht, die seit einiger Zeit gesellschaftliche Spannungen hervorbringen. Zu den zentralen Punkten des BürgerInnen-Alltag gehört insbesondere die Migration und die Durchmischung von Kulturen. Dazu gehört an verschiedenen Orten eine Anwachsen der Islamfeindlichkeit. Ob daraus auch verbreitet neue kollektive Identitäten entstehen, kann indessen beizweifelt werden. Damit verringert sich die Chance, dass politische Organisationen diese zur Basis einer Partei machen könnten.

Es ist aber auch möglich, die PVV ganz anders, nämlich als eine Partei neuen Typs zu analysieren. Sie hat nun ein Mitglied, ihren Gründer Geert Wilders. Alle anderen Aktivisten sind Supporter. Deshalb versucht man auch, die Partei im Sinne des politischen Entrepreneurships zu interpretieren. Sie begann als parlamentarische Gruppe, die rechtskonservativ politisierte, wird unverändert als rechtspopulistisch, positionsmässig neuerdings aber als konservativ eingestuft. Sie konzentriert sich auf die Islamfrage, hat hierzu eine offene Basis, lebt von der Behandlung in den Medien und hat kaum Parteistrukturen, die einen demokratischen Willensbildungsprozess strukturieren würden, entwickelt. Eine Herleitung aufgrund sozialstruktureller Bedingungen versagt damit weitgehend.

So kann man auch folgende Hypothese wagen: Die PVV nimmt gerade deshalb erfolgreich an Wahlen teil, weil sie konsequent auf die Kommunikation eines Themas mittels eines Kommunikators setzt, der sich wie ein Politunternehmer verhält. Das ist für die Politik in der Mediengesellschaft wohl typisch.

Claude Longchamp

Problematische Kommunikationskonstellation

Am 28. November 2010 stimmt die Schweiz über die Ausschaffungsinitiative der SVP für kriminelle AusländerInnen, den behördlichen Gegenvorschlag hierzu und die SP-Steuergerechtigkeitsinitiative ab. Zuständig sind das EJPD und das EFD. Beide erhalten Mitten im Abstimmungskampf neue ChefInnen – und damit neue KommunikatorInnen, welche den Standpunkt von Bundesrat und Parlament in der Sache zu vertreten haben.

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Konkret sieht das wie folgt aus: Eveline Widmer-Schlumpf, Chefin des EJPD, eröffnete vorgestern die Kampagne gegen die SVP-Initiative und für den Gegenvorschlag hierzu. Hans-Rudolf Merz machte das Gleiche heute in Sachen SP-Steuerinitiative. Ende Monate scheidet er aus dem Amt aus, seine Nachfolge tritt Eveline Widmer-Schlumpf an, die ihrerseits durch Simonetta Sommaruga ersetzt wird.

Widmer-Schlumpf wird die Hauptphase des Abstimmungskampfes zum Ausschaffungsthema wohl nicht mehr bestreiten. Die Sache wurde zwar von ihr mit dem Bundesrat und dem Parlament vorbereitet, und auch die Kampagne der Behörden, die längst geplant ist, fand noch unter ihren Vorgaben statt. Kommunizieren wird sie aber kaum mehr. Das ist problematisch, denn es schadet der Glaubwürdigkeit. Von Glück ist es für die Behörden, dass die moderate Sozialdemokratin im Parlament genauso wie die Mehrheit gestimmt hatte: für den Gegenvorschlag, gegen die Initiative.

Problematisch wäre es allerdings auch, würde Widmer-Schlumpf als Superministerin auf Zeit auftreten und beide Kampagnen der Bundes öffentlich vertreten. Denn im Finanzdepartement besteht ein vergleichbares Problem: Alles wurde unter Merz vorbereitet, richten wird er es aber nicht mehr. Immerhin, Widmer-Schlumpf wäre gut vorbereitet, ist sie doch stellvertretenden Departementschefin bei den Finanzen, und hatte sie die Dossiers auch während der krankheitsbedingten Abwesenheit des Chefs geführt. Doch wäre mit der Doppelverantwortung Widmer-Schlumpf doppelt gefordert, und das in einem Moment, indem sie für SVP und SP nicht mehr glaubwürdig ist.

Das Ganze wäre halb so schlimm, wären BundesrätInnen zwischenzeitlich nicht die wesentlichste Stütze der behördlichen Kommunikation vor Abstimmungen. Das Parlament ist längst nicht mehr in der Lage, Ueberzeugungsarbeit zu leisten, dafür agieren seit mehr als 10 Jahren fast lückenlos Bundes- und RegierungsrätInnen. Sie haben den Vorteil, dossierfest und genügend bekannt zu sein, um in der kurzen Zeit, die bei Abstimmungskämpfen normalerweise zur Verfügung steht, sinnvoll intervenieren und so die Entscheidungen in Regierung und Parlament zu begründen.

Und in diesem Fall ist das besonders wichtig: SVP, aber auch SP kündigen kraftvolle Kampagnen zugunsten ihrer Initiativen an – und damit gegen die Beschlüsse in National- und Ständerat. Sie betrachten sie auch als Vorlauf für die Kampagnen zu den Parlamentswahlen 2011, denn sie sollen beide Parteien in einem ihrer Kernthemen profilieren. Zudem sind beide mit dem Ergebnis der Bundesratswahlen teilweise unzufrieden, damit auch motiviert, ohne Rücksicht auf nichts für sich zu mobilisieren.

Es zeichnet sich eine problematische Kommunikation des Behördenstandpunktes in einer problematische Konstellation ab.

Claude Longchamp

Neidharts KollegInnenschelte

Von allen guten Geistern verlassen seien die Kommentatoren der jüngsten Bundesratswahl und der nachfolgenden Departementsverteilung gewesen, schimpfte Politologe Leonhard Neidhart in der jüngsten NZZamSonntag und rügte einfältige Journalisten, altlinke Historiker und oberclevere Politikwissenschafter in einem schriftlichen Rundumschlag. Eine Entgegnung.

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Spätwerk von Neidhart zur polity der Schweiz – von alt Bundesrat Kaspar Villiger beispielsweise hoch geschätzt

Unsere Verfassungsväter hätten keine Superregierungsmitglieder gewünscht, dafür einen Rat an der Spitze des Staates eingerichtet, der Mann für Mann gewählt worden sei. Um das Kollegium vor Ansprüchen zu schützen, habe man die Verteilung der Departemente dem Bundesrat überlassen. Vielleicht, so schliesst der 75jährige Politologe, sei das politische System der Schweiz nicht stringent aufgebaut, dafür lasse es flexible Lösungen zu. Denn die “lose Koppelung der Elemente” garantiere seit Jahrzehnten Stabilität.

Nun sind die Verdienste des emeritierten Konstanzer Professors gerade hinsichtlich der Analyse des politischen Systems der Schweiz unbestritten. Denn er hat als Erster die inneren Zusammenhängen plurikultureller Gesellschaften, der direkten Demokratie und des Interessenausgleichs in der Konkordanz herausgearbeitet.

Das war allerdings vor 40 Jahren. In seinem Spätwerk ist der Schaffhauser immer abstrakter geworden, denn er hat sich, theoretisch festgelegt, zusehends von den neuen Realitäten abgewendet. Diese werfen zumindest die Frage auf, ob es nicht gerade die lose Koppelung der Elemente ist, welche in der Schweiz zu Blockaden zwischen den Bestandteilen zum Schaden des Ganzen verursachen.

Ein Blick in die letzte Sessionswoche müsste einem zu denken geben. Die Allianz der Mitte setzt sich bei der Departementsverteilung im Bundesrat durch. FDP, CVP und BDP besetzen seither die vier am begehrtesten Departemente, und sie haben im Bundesrat die Mehrheit, wenn sie abgesprochen auftreten. Diese geht ihnen aber im Parlament, namentlich im Nationalarat ab, und in Volksabstimmungen ist ihre Bilanz auch nicht mehr makellos.

Letzte Woche wurden gleich 4 wichtige Projekte der bürgerlichen ZentrumspolitikerInnen gestoppt: die Postmarktliberalisierung, indem die CVP mit der Linken stimmte, die Milchmarktliberalisierung, indem die Linke der SVP half, die 11. AHV-Revision und das Sparpaket im Gesundheitswesen, bei der die gleiche Konstellation mit Mehrheitsentscheid den Bundesratsprojekten ein Ende setzte. Genauso wie der Minarettsentscheid und die vermasselte BVG-Revision ist das mit dem Ideal der viel besungene Stabilität der Schweizer Regierung, die auf der Basis von akzeptablen Kompromissen berechenbare Entscheidungen treffe, nicht dienlich.

Politikwissenschaft muss sich vermehrt auch mit den Schwächen des schweizerischen Politbetriebes kümmern, um ein zukunftstaugliche Vision zu entwickeln, halte ich hier fest.

Altmeister Leonhard Neidhart hat nicht ganz unrecht, dass die heutigen PolitexpertInnen im Hier&Jetzt gefangen seien und zu Taktik-Analytiker verkommen könnten. Er selber muss sich aber den Vorwurf gefallen lassen, zwischenzeitlich soweit im Prinzipiellen der Vergangenheit angelangt zu sein, dass daraus kaum mehr zutreffende Einschätzungen über den den Wandel in der Gegenwart abgeleitet werden können.

Sollten die einen die guten Geister des schweizerischen Politsystem nicht mehr kennen, könnte andere den Fehler begehen, die schlechten Realitäten der Gegenwart schlicht zu ignorieren. Der Zukunft der Schweiz wäre beides nicht zuträglich.

Claude Longchamp

Die “beste Armee der Welt” im Taschenformat

Der Bundesrat will eine kleinere und günstigere Armee. Der Bestand soll zukünftig noch 80’000 Mann betragen. Kosten darf die Armee höchstens 4,4 Milliarden Franken im Jahr. Die internationale Vernetzung soll bleiben. Das sind die Vorgaben, die der unterlegene SVP-Bundesrat und VBS-Chef Ueli Maurer vor dem Parlament vertreten und dann auch umsetzen muss.

Tagesschau vom 03.10.2010
Meine Kurzanalyse für die SF-Tagesschau von heute abend, aufgenommen im Schlosshof von Murten

Seit geraumer Zeit wird in armeefreundlichen Kreisen wie der “Gruppe Giardino” darüber spekuliert, eine Volksinitiative Pro-Armee zu lancieren. Der Zeitpunkt ist günstig. Der neue Armeebericht hat nicht wenige von ihnen aufgeschreckt. Er wird in der Wintersession erstmals im Parlament behandelt werden, und die Debatte wird sich zweifelsohne ins Wahljahr 2011 hineinziehen. Mit der Unterschriftensammlung zu einer Volksinitiative könnte die Auseinandersetzung durchaus popularisiert werden.

Dass eine Volksinitiative für eine starke Armee in einer Volksabstimmung automatisch Erfolg haben würde, ist indessen nicht gesichert. Das kennt man namentlich aus der Gesundheitspolitik, wo der Konsens gering ist und Volksbegrehen von wo auch immer sie kommen, in der Regel scheitern. Mindestens zwei Faktoren beeinflussen aber den Initiativerfolg unabhängig vom Thema:

. der Initiativtext selber, der eine möglichst einfache und klare Forderung hat, ohne in der Konsequenz angreifbar zu sein; er ist noch gar nicht geboren.
. das Initiativkomitee, das in Kampagnen möglichst erfahren sein soll, ohne parteipolitisch zu polarisieren; es rekrutiert sich vorerst namentlich aus dem SVP- und Auns-Umfeld, was halb von Vor-, halb von Nachteil ist.

Beide potenzielle Angriffsflächen können dazu führen, dass die Gegnerschaft im Abstimmungskampf mit einer Problematisierung der Initiative Polarisierungen und Verunsicherungen auslösen, welche die Erfolgschancen schmälern.

Anders als bei linken Vorstössen zur Armeeabschaffung oder zu ihrer Verringerung kommt die jüngste Abbauvorlage vom Bundesrat selber; sie wird im wesentlichen von der Allianz der Mitte, als FDP, CVP und BDP getragen, die eine modernisierte, vernetzte und gleichzeitig verkleinerte Armee anstrebt. Sie nimmt mit der Verschiebung des Flugzeugkaufs und der Plafonierung der Kosten jene Forderung auf, die im ganzen bürgerlichen Lager angesichts der Anstrengungen um Haushaltskonsolidierungen und Schuldenabbau, um die Steuern tief halten oder senken zu können, breit unterstützt wird. Mit der verminderten Armeebestand wird zudem eine Hauptforderung der linken ArmeekritikerInnen berücksichtigt, während die Reduktion der WKs angesichts beruflicher Belastungen und mangelnder Abkömmlichkeit gerade bei jüngere Menschen auf Zustimmung stossen dürfte.

Selbstredend ist die jüngste Armeereform im nationalkonservativen Wählerspektrum eine Provokation. Sie verstösst vor allem gegen das gepflegte Selbstbild der unabhängigen und wehrhaften Schweiz, die sich im Notfall selber zu verteidigen weiss. Dieses BürgerInnen dürften für eine Armee-Initiative mobilisierbar sein, umso mehr als sie in den letzten Wochen Stück für Stück erleben mussten, dass “ihr” Verteidigungsminister Ueli Maurer mit seinen Botschaften zum Nachholbedarf bei den Armeeinvestitionen nicht durchdrang und neuerdings sogar zum Befehlsempfänger der Bundesratsmehrheit degradiert wurde. Unterstützung werden sich auch unter den Traditionalisten unter den Armeexperten und hohen Offizieren finden, welche die Armeereformen der letzten 15 Jahre nicht oder nur widerwillig mitgetragen haben, um zum Kampf gerüstet sind. Schlimmstenfalls, um die beste Armee der Welt im Taschenformat wenigstens nach eigenen Vorstellungen realisieren zu können.

Claude Longchamp