Bisherige und neue Allianzen im Kanton Glarus.

Erneut hat die BDP mit den Wahl ins Glarner Parlament eine kantonale Wahl für sich entscheiden können. 10 von 60 Sitzen hat sie nun, und ihr WählerInnen-Anteil liegt bei rund 16 Prozent. Was heisst das für die Allianzbildung in der Glarner und der Schweizer Politik?

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Die Formel “bisherige ParlamentarierInnen der SVP, kombiniert mit neuen WählerInnen im bürgerlichen Lager” setzte sich nach dem Kanton Bern auch im Kanton Glarus durch. Woher die Stimmen der neuen BDP kommen, wird man in Glarus wohl nie wissen. Verkleinerter Landrat und veränderte Wahlkreise machen jede Wahlanalyse zur Spekulation. In Analogie zu anderen Kantonen wird man aber annehmen können, dass es Wählende der FDP, wohl auch aus der CVP, beschränkt der SVP sind, die gewonnen werden konnten. Wohl sind auch bisherige Nicht-WählerInnen darunter.

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National gesehen wird sich diese BDP-Entwicklung kaum im gleichen Masse wiederholen. Denn die BDP kann nur in den Kantonen Bern, Glarus und Graubünden auf LokalpolitikerInnen zählen, die be- und anerkannt sind. In allen anderen Kantone mag es einzelne davon geben, als Gruppe werden sie aber kaum auf dem politischen Parkett agieren können. Das macht die BDP in anderen Kantonen weniger attraktiv.

Gesamtschweizerisch dürfte die BDP heute etwa 5 Prozent stark sein. Die imaginären Hürde, selber einen Bundesrat stellen zu können, bleibt die Partei unverändert sehr hoch. Aus eigener Kraft wird sie die 10 Prozent-Marke im Nationalrat wohl kaum schaffen.

Deshalb organisiert sich die BDP national im Verbund gemeinsam mit der CVP, zu der sie nur beschränkt in elektoraler Konkurrenz steht, in der neuen Allianz der Mitte. Zu der bekennt sich auch die schweizerische FDP. Es wird interessant sein zu sehen, was daraus im Kanton Glarus wird: Die Zeichen, das sich das im kleinen Alpenkanton wiederholt, stehen nicht schlecht.

Inhaltlich vertreten FDP und BDP häufig ähnliche Positionen. In den Berner Städten ist die neue BDP meist ein wenig links der FDP, auf dem Land eher rechts davon. Wenn die personelle Chemie stimmt, heisst das auch, dass man sich untereinander absprechen kann. Daran müsste in Glarus auch die FDP interessiert sein. Denn im neuen Landrat hat sie mit der SVP keine Mehrheit. Sollte sie sich dennoch an primär an die SVP anlehnen¨wollen, wäre sie der Juniorpartner im Gespann.

Organisieren sich FDP und BDP als neues bürgerlichen Zentrum der Glarner Politik, haben sie zwei Spielmöglichkeiten, im Kantonsparlament eine Mehrheit zu finden: Entweder mit der SVP, oder mit CVP und einer der rotgrünen Parteien.

Die SVP ist bei den jüngsten Wahlen in Glarus zwar zur grössten Partei geworden. Dies aber kaum, weil sie elektoral stärker geworden wäre, vor allem weil die traditionellen Mitte-Parteien eingebrochen sind. Das wird auch ihre Position im Landrat relativieren. Letztlich kann sie nur mit der FDP und der BDP die Mehrheit bilden, während diese beiden Parteien darauf nicht so exklusiv angewiesen sind.

PS: Das ganze Gespräch mit der Südostschweiz finden Sie hier.

SP-Wahlanalyse: Lücken Mitte/Links aufarbeiten und selber füllen.

Am Samstag war bei der SP des Kantons Bern Wahlanalyse angesagt. Auf die Wahlen 2010 schaute man mit einem lachenden und weindenden Auge zurück. Die rotgrüne Mehrheit in der Regierung konnte gehalten werden; bei den Parlamentswahlen verloren SP und Grüne gemeinsam.

Irène Marti Anliker, die scheidende Präsidentin der SP im Kanton Bern, trug die Ergebnisse der internen Wahlanalyse vor. Ich übernahm den Part einer Einschätzung von aussen. In einigen Befunden und Interpretationen waren wir uns einig. Die SP hat ihren Wahlkampfauftritt nach 2007 verbessert. Er hat mehr Linie, ist visuell frischer, visiert Zielgruppen an, und macht ihnen ausgewählte programmatische Angebote. Die SP politisiert zudem aktiver auf einigen ihrer Kernthemen.

Darüber hinaus gingen die Einschätzung jedoch auseinander. Die ProtagnistInnen der Partei halten die bisherigen Positionen hoch und setzen internen Resigantionserscheinungen Durchhalteparolen entgegen. Denn angesichts der Krise neoliberaler Rezepte ist es für sie klar: Die Wähler und Wählerinnen werden früher oder später nach links schwenken, und die SP muss sich als führende Avantgarde für den erwartete Linksrutsch anbieten.

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Nicht nach links, sondern nach rechts polarisiert sich das politische Spektrum in den Unter- und Mittelschichten angesichts der Globalisierung, prognostizierte Herbert Kitschelt die politsiche Entwicklung in Europa schon vor langem; jetzt habe ich versucht, das der SP des Kantons Bern klar zu machen und daraus Folgerungen für die Parteientwicklung zu ziehen.

Meine Analyse unterscheidet sich genau in diesem Punkt. Im Gefolge der Untersuchungen des deutsch-amerikanischen Politikwissenschafters Herbert Kitschelt zu den Auswirkungen der Globalisierung auf die europäischen Parteien erwarte ich keine Links-, sondern eine Rechts-Entwicklung, wenn die Sicherheitsbedürftnisse der Unter- und Mittelschichten durch die nationalstaatliche Politik vernachlässt werden und die international ausgerichteten Obersichichten die Klimaerwärmung zuoberst auf ihre Politikagenda setzen. Polarisierungen zwischen linksliberalen und rechtsautoritären Ideologien sind zu erwarten, mit den Konsequenzen, wie wir sie 2007 schon erlebt haben: Es gewinnt die nationalkonservative SVP brschränkt auch die klar ökologisch ausgerichteten Parteien. Der SP gelingt es, anders noch als 2003, nicht mehr, im Wahlkampf eine tragende Rolle zu spielen und mit sozialen Fragen die reformorientierten Interessen gebündelt zum Wahlsieg zu führen.

Bei den Berner Wahlen haben sich die Probleme noch akzentuiert. SP und Grüne wurden durch Demobilisierungen geschwächt und verloren bisherige WählerInnen an die Grünliberalen. Die SP musste zudem herbe Verluste an die neue BDP hinnehmen. Das ist neu. Daraus abgeleitet habe ich versucht, die Grundstimmungen links der Mitte zu identifizieren. Vereinfacht ausgedrückt bin ich auf drei gekommen:

. auf den rotgrünen Mainstream,
. eine sozialliberale Strömung und
. eine sozialkonservative Strömung.

Die Politik der SP, so meine Sichtweise von aussen, konzentriert sich zu stark auf den linken Mainstream, der Wirtschafts-, Gesellschafts- und Umweltpolitik aus einem Guss und mit Mitteln der staatlichen Interventionen angehen will. Zu wenig reflektiert wird in den linken Vorständen, dass man dabei in eine Finanzierungsfalle geraten ist, aus der man sich mit sozialverträglichen Budgetreduktionen retten will, ohne aber so die eigenen Reformprojekte verfolgen zu können. Die sozialliberale Strömung hat hier zwei Lehren daraus gezogen: das Oeko-Projekt ist gegenwärtig wichtiger als das soziale, und es soll nicht nur in und mit dem Staat, sondern vermehrt auch in und mit der Privatwirtschaft realisiert werden. Damit will man den Problemen der leeren Staatskassen ausweichen. Die sozialkonservative Strömung wiederum kritisiert die rosarote Sonnenbrille, mit der Modernisierungen beurteilt werden. Sie erwartet grössere Anstrengungen nicht nur bei wirtschaftlich flankierende Massnahmen zum Oeffnungsprozess, sondern auch beim gesellschaftlichen. Vermehrte Integrationspolitik in einer offenen Gesellschaft wird hier von linker Seite gefordert.

Eingebunden in Mehrparteienregierungen ist die SP heute noch in der Lage, ihre Positionen zu formulieren und Bündnisse aus sozialer Sicht mit liberalen oder konservativen Kräften einzugehen. Wenn es aber um Parlamentsarbeit geht, verharrt die Partei in einer akzentuierten Links-Position, ohne zu sehen, dass sie sich damit gesellschaftlich wie auch politisch immer mehr isoliert. Ihre Bindungsfähigkeit zu WählerInnen links der Mitte, die liberaler oder konservativen als der Mainstream sind, zu erhöhen, sehe ich als wichtigste Herausforderung der künftigen Basisarbeit. In der politischen Arbeit muss die SP zudem ihre Fähigkeit, thematische Allianz mit anderen Parteien bilden zu können verstärken.

Das bedeutet nicht, dass ich die SP inskünftig in der Mitte sehe, aber dass sie die Lücken füllt, die sich zwischen Links und der Mitte auftun. Eine offensive Position der SP hiesse, gar keinen Raum zu bieten, dass solches entstehen kann.

PS: Meine Rede ist am Montag abend hier abrufbar.

Grünes Glücksstreben

Bastien Girod ist ohne Zweifel einer der kreativsten JungparlamentarierInnen bei den Grünen. Rechtzeitig um die programmatische Debatte vor den kommenden Wahlen beeinflussen zu können, legt er unter dem Titel “Green Change” ein Buch zur Zeitdiagnostik vor, dass er keck “Strategien zur Glücksmaximierung” nennt.

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Drei Teile hat das 200seitige Werk des jungen Zürcher Umweltwissenschafters: Der erste ist dem ökologischen Engagement für Veränderungen gewidmet. Es wirkt ein wenig wie ein grünes Handbuch für angehende PolitikerInnen. Der zweite Teil, das eigentliche Herzstück, analysiert die Glückbilanzen welt- und schweizweit. Dabei stützt sich Girod in vielem auf die Glücksforschung des Zürcher Oekonomen Bruno S. Frey. Der dritte Teil widmet sich den Folgerungen grüner Politik, wie sie der Nationalrat schon jetzt vor Augen hat.

Girod grenzt sich von Verständnis ab, wonach wegen eines angenehmen Zufalls man Glück gehabt habe. Ihm geht es um ein “gewolltes glücklich sein resp. werden”, das er aus einer allgemeinen Lebenszufriedenheit einerseits, der spezifischen Befindlichkeit anderseits ableitet. Die Maximierung dieses Glücksbewusstsein rückt er in die Nähe der Nachhaltigkeitsforderungen, wie sie die Oekologen schon lange fordern.

Hierfür behandelt der Autor die wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Faktoren, die glücklich machen, zieht er Bilanz zum “hier und jetzt” in der Schweiz und fragt nach auf anregende Art und Weise der Perspektive für das “morgen” und “anderswo”. Dann outet sich Girod als (gemässigter) Linker, der zur Emanzipation aufruft. Denn die Menschen auch in Staate mit hohem Glückempfinden müssten sich “aus dem Gefängnis des bisherigen Glücks” befreien.

Chancen sieht Girdo darin, dass das Menschbild der Wirtschaft und Politik zu einseitig sei, und ökologische aufgeklärte Menschen nicht nur egostisch, sondern auch anteilnehmend handeln wollen. Das zentrales Potenzial erscheint ihm in grünen Märkten, die neuartiges Wachstum versprechen würden, welche die Grünen in deren dynamischen Phase schnellstmöglich beeinflussen sollten.

Für den so begründeten grünen Wandel benennt er im abschliessenden Teil die Leitlinien, beschreibt er das Leben in der nachhaltigen Gesellschaft, und macht er Vorschläge mit welchen Allianzen, das alles zu bewerkstelligen sei. Vielleicht ist das der umstrittenste Buchteil, sicher aber der praktischste: Denn Girod postuliert, die Grünen dürften sich nicht alleine auf eine grün-soziale Allianz (“Solidarität und Fairness”) bschränkten, sondern müssten auch eine grün-liberale (“Green Economy”) und eine grün-konservative (“Umwelt- und Naturschutz”) suchen. Dabei sind ihm grüne Strömungen in den verschiedensten Parteien als Allianzpartner willkommen.

Der Schluss ist dann ein Appel für Girods grünes Glücksprojekt ohne Berühungsängste: Einspannen will er die zukunftsfähige Wissenschaft, die selbstbewussten Lobbyisten und populäre Sportlerinnen, Musiker und Kulturschaffende. Menschen wie Melanie Winiger, Stress und Co. sollen daran arbeiten, dass jede und jeder seinen Beitrag zum Green Change bewerkstelligen wird – bei den Wahlen 2011 und darüber hinaus.

Das Buch “Green Change” ist ideenreich gemacht, flüssig geschrieben, bisweilen aber salopp in der Herleitung und Begründung der Gedanken. Trotzdem gehört zum Anregendsten, was man gegenwärtig zu neuen grünen Projekten aus Schweizer Sicht lesen kann. Diskussionen hierzu sind erwünscht!

(Un)Denkbar

Natürlich ist fast nichts undenkbar. Doch ist deshalb fast alles denkbar? Gedanken über politische Ideologien bei der Lektüre auf der Heimreise von St. Gallen nach Bern.

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Vorbilder der Fusionisten: Margreth Thatcher und Ronald Reagan, die – in der angelsächsischen Welt – liberalkonservativem Gedankengut in einer Partei zum Druchbruch verhalfen.

Das Semesterende an der Uni St. Gallen naht. Die Gruppenarbeiten sind gemacht, präsentiert und diskutiert. Die Noten sind geschrieben und die Rückblick gehalten. Zeit also, jenseits der Betriebsamkeit in Veranstaltungen wie jener zur “Empirischen Politikforschung in der Praxis” Ausschau zu halten, was sonst noch an der Alma mater auf dem Rosenberg so geht.

Die Zeitschrift “Denkbar“, herausgegeben von der Stiftung Forum Alpium, liegt in vielen Gemeinschaftsräumlichkeiten der HSG auf. Begründet durch Ehemalige des Lyceum in Zuoz, beschäftigt es sich mit Demokratie, Freiheit und Dialog. Man steht klar rechts, gibt sich gerne etwas elitär, und lässt Klaus Stöhlker als Mann fürs Grobe Kolumnen schreiben.

Empfohlen wird von Jasper Graf von Hardenberg ein neuer “fusionism“: Die Amerikaner seien immer entweder fortschritts- oder traditionsverbunden gewesen. Dazwischen gäbe es wenige Liberale; alleine seien sie aussichtslos, zur Mehrheit zu werden. Ihre Zukunft liege deshalb im Zusammengehen mit den Konservativen. Das spricht dafür, sich nicht bei den Demokraten, aber bei den Republikanern zu organisieren.

Dank Ronald Reagan haben die Fusionisten, deren Organ der National Review in New York ist, in der Tat eine Welle der intellektuelle Hegemonie begründet. Doch ist das eine Weile her. Faktisch drückte sich der amerikanische Fusionismus darin aus, dass die verfolgten Ziel konservativ waren, die eingesetzten Mittel aber liberal.

Konkret ist Staatskritik, denn er Staat sei ein bloss ein Steuerstaat, neige zu überbordendener Bürokratie und gantiere angesichts grasierenden Kriminalität keine Sicherheiten mehr. Damit entferne er sich zusehends von den konservativen Hoffnungen und müsse er wie bei den Liberalen zurückgebunden werden. An ihnen sei zu erklären, wie die Konservativen ihre Agenden vorantreiben sollen.

Als Stern am Himmel der neuen Fusionisten in Europa wird der Niederländer Geert Wilders gefeiert. Entstanden sei seine Bewegung aus liberalen Ueberlegungen gegen den Staat. Verbunden habe sich diese mit den Zielen der Nationalisten gegen die EU. Und erfolgreich sei er geworden mit der Polarisierung zwischen christlich-jüdischen und islamischen Werten. Nun eile man unaufhaltsam von Wahlsieg zu Wahlsieg.

“Denkbar” empfiehlt deshalb solche Fusionen als Vorgabe für ganz Europa. Denn “Wahlen gewinnt man mit Werten und Emotionen.”

Klar und deutlich sind die weltanschaulichen Ratschläge, die da geboten werden: Der amerikanische Republikanismus ist das Vorbild, der konservativ gewordene Nationalliberalismus in Europa das Abbild, die konservativen Potenziale das Sucbild. und die ganzen Lehren von rationalen Entscheidungen, wie sie an der HSG für Wirtschaft und Politik hochgehalten werden, das Trugbild.

Eigentlich hielt ich eine solche Empfehlung bis vor Kurzem an einer liberalen Hochschule für undenkbar.

Die Mitte-Politik wird konkreter

Eine Woche beherrschten die angekündigte Allianz der Mitte die mediale Szenerie. Wer glaubt, seither sei nichts mehr geschehen, sollte sich besser die Augen reiben. Denn die ersten Auswirkung der Blockbildung in der Parteienlandschaft auf parlamentarischen Entscheidungen künden sich an.

Wenn alles gut geht, sollen bei den Verhandlungen der Parteipräsidenten, die sich zur Allianz der Mitte bekennen, inskünftig auch die Spitzen von EVP und glp teilnehmen. Damit möchte man gestärkt in die gemeinamen thematischen Beratung über eine Allianz der Mitte eintreten.

UBS-Staatsvertrag

Am klarsten sichtbar wurden die Auswirkungen des veränderten Gravitationsfeldes in der Schweizer Politik beim Staatsvertrag zwischen der Schweiz und der USA in Sachen UBS. Bearbeitet von der Wirtschaft, gab die SVP ihre bisherige Opposition gegen den Vertrag auf, der die Auslieferung von Kundendossiers rechtlich besiegelt, mit 35 zu 17 Fraktionsstimmen auf. Sie stellt aber Forderungen: Eine ist klar gegen die Absicht des Bundesrates gerichtet, eine Boni-Steuer einzuführen. Das trifft die SP, lange in der Veto-Position, nun aber ohne Grundlage für ihr Powerplay. Denn mit den Stimmen der SVP bringt die bürgerliche Mitte den Staatsvertrag auch ohne Koppelung mit einer neuen Unternehmenssteuer durch das Parlament.

Gegenvorschlag zur Minderinitiative
Das zweite Dossier betrifft den Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative für Thomas Minder. Hier ist die SVP für einen indirekten Gegenvorschlag auf Gesetzesebene, mit der Bedingung, die Initiative werde zurückgezogen; damit gäbe es gar keine Volksabstimmung. Die SP weibelt für einen direkten Gegenvorschlag, der überrissene Managerlöhne bekämpfen und gleichzeitig mit der Initiative zur Abstimmung kommen soll. Die CVP neigt zuzr SVP, die FDP zur SVP. Doch scheinen die Fronten in Bewegung geraten zu sein. Die CVP lässt nun verlauten, ob formeller oder informeller Gegenvorschlag sei nicht entscheidend, wichtig sei die Sache. Das eröffnet Spielräume.

Eher Mitte/Rechts- als Mitte/Links-Lösungen

Die Entscheidungen sind in beiden Fragen noch nicht getroffen. Bei der Staatsvertragsfrage schwelt der Konflikt, ob inskünftig das Parlament oder wie bis jetzt der Bundesrat solche abschliessen dürfe. Beim Gegenvorschlag zur Minder-Initiative diskutiert man den Abstimmungsmodus über Boni an Generalversammlungen kontrovers.

Im ersten Beispiel ist klar, dass Allianzwechsel von Mitte/Links zu Mitte/Rechts bevorsteht. Im zweiten Beispiel zeichnet sich ab, dass die Mitte sich neu rauft, was den Nationalratsbeschluss kippen und eine Lösung Mitte/Rechts eröffnen könnte. Setzt sich in beiden Fällen Mitte/Rechts durch, gibt es wohl in beiden Fragen keine Volksentscheidungen mehr.

Die Kehrtwende ging von der SVP aus; sie mag sich freuen, damit die SP ausgestochen zu haben. Doch zeigt sich neuerdings viel klarer, wer das sagen hat. Denn die SVP muss nach weniger Tagen des Drucks ihre Opposition in der Sache aufgeben, obwohl sie noch vor einer Woche drohte, ganz in die Opposition zu gehen, wenn die Mitte den Taktstock übernehmen wolle.

Und ist geschehen, was zu erwarten war: Die neue Mitte ist inhaltlich weniger nah bei der SP als bei der SVP. Wenn diese bockt, bleibt die Allianz mit links oder die Klage über die blockierte Politik. Das scheint zu wirken. Sofern Merz bis zu den Wahlen 2011 im Amt bleibt und so den absehbaren Streit im Mitte/Rechts-Lager aussitzt.

Erhebliche Elite/Basis-Konflikte breit dokumentiert

Lohnexzesse und Bankenrettung polarisieren wie nichts anderes zwischen oben resp. unten und könnten Auswirkungen auf politische Institutionen wie den Bundesrat haben.

Wenige Elite/Basis-Vergleiche in der Schweiz
Umfragen in der Schweiz sind mitunter selber durch die politische Kultur geprägt. Denn sie beziehen sich meist auf alle, sprich die stimm- und wahlberechtigte Bevölkerung. Deren Denken muss bekannt gemacht werden. Das ist im Ausland bei weitem nicht im gleichen Masse der Fall, interessiert man sich doch gleichwertig auch für Einstellungen der Eliten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Die Befragungsserie SOPHIA, welche Marie-Hélène Miauton seit Jahren realisiert, bildet eine Ausnahme. Vielleicht hängt es mit dem Werdegang der Forscherin zusammen, die in Marokko geboren wurde und französisch-schweizerischer Abstammung ist. Die Publikation der Studie in den Medien der Tamedia-Gruppe arbeitet die spezifischen Erkenntnisse, die man aus dem Vergleich von Eliten und Basis herausarbeiten kann, wird textlich nicht spezifisch gewürdigt, datenmässig ist er aber breit möglich.

Die grössten Unterschiede

Die massivsten Differenzen in beiden Befragungen, welche diesen Frühling gemacht wurden, ergeben sich bei Einkommenslimiten für UnternehmenleiterInnen. Eine klare Mehrheit von 78 Prozent der Bevölkerung befürwortet diese; bei den befragten Leadergruppen sind die Meinungen geteilt, befürwortet wird die Forderung von 49 Prozent; 44 sind dagegen.

Damit einher geht eine diametrale Beurteilung der Gewerkschaften. 66 Prozent der Bevölkerung schenkt ihnen volles oder ziemliches Vertrauen. Innerhalb der Leader sind es gerade 30 Prozent. Aehnliches gilt für die KonsumentInnen-Organisationen; immerhin gilt der Befund nur abgeschwächt.

Polarisierend wirken die Banken. Doch sind die Verhältnisse hier genau umgekehrt. Das Vertrauen der Eliten ging mit den aktuellen Ereignissen massiv verloren: 65 Prozent der Leader sehen es bei sich sehr erschüttert; 69 Prozent sind analog mit der Rettung der UBS einverstanden. In der Bevölkerung reicht der starke Vertrauensverlust weniger weit (39%), und man hat mehr Mühe, zum Rettungsplan zu stehen (52%) dagegen.

In einem Punkt gibt es zwar nicht andere Mehrheiten, aber eine symptomatische Differenz. Sie betrifft die Volkswahl des Bundesrates, die von Eliten und Bevölkerung mehrheitlich nicht gewünscht wird. Bei den Leadergruppen sind die Meinungen hierzu eindeutig negativ. 85 Prozent sind hier dagegen. Bei der Bevölkerung sind es nur noch 30 Prozent.

Eine kurze Würdigung
All die Themen, die hier erwähnt wurden, können im gegenwärtigen Krisengefühl zum Spielball zwischen Volk und Taktgebern werden. Mediendemokratie kann da rasch von der Vermittlung zwischen den Pol hin zur Klagemauer gerade zwischen BürgerInnen und Behörden oder Leaderfiguren werden.

Die klarste Polarität resultiert bei der Lohnspirale, die oben und unten verschieden dreht, und genau so gelesen wird. Deshalb will man ob von Gewerkschaften nichts wissen, unten ortientiert man sich immer mehr danach.

Latent kann sich ein solches Klima auch auf die Banken auswirken; ebenso auf den Bundesrat: Denn die Rettung der UBS wird in der Bevölkerung nicht einfach geschluckt, und die Aussenorientierung des Bundesrates kann ihn als Volksferne angekreidet werden. In beiden Fällen halten die Eliten dagegen, und machen hier noch die Mehrheitsmeinung aus.

All jene, denen rationale Lösungen in einem emotional aufgewühlten Krisenumfeld wichtig ist, kann nur geraten werden, sich diesen Fallstricken der Politik genau anzunehmen. Denn die Kluft zwischen oben und unten gehört nicht nur in der Forschung zu den unterschätzten Themen. Auch die Politik beschäftigt sich mit dem Hinweise auf “Populismus” nicht gerne damit.

Vom starren Konsens zum beweglichen Diskurs

In seiner Gegenwartsdiagnose dem (Zu)Stand der Schweiz kommt der Zürcher Politphilosoph Georg Kohler zu einem Schluss, der meinem von gestern zum Zusammenhang von polit-kulturellem Wandel und Mediengesellschaft gleicht.

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Ausgangspunkt der kürzlich erschienen Gegenwartsanalyse ist die spürbar härter gewordene Auseinandersetzung in der helvetischen Politik, die zu einem Bruch mit dem Grundsatz geführt hat, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

Kohler sieht das nicht nur, aber auch als Resultat der “Mediendemokratie” mit der Verlagerung der massgeblichen Auseinandersetzungen von den klassischen Arenen wie Parlament, Meinungspresse und Debattierclubs hin in Räume der Medienindustrie. Diese funktionieren konsequent nach dem Schema der Simplifizierung des Geschehens in Form von Skandalen, was zu einer hysterischen Themenbehandlung führt, um Aufmerksamkeit zu generieren.

Sein Befund: “Den herkömmlichen Regularitäten der schweizerischen politischen Kultur widerspricht dieses System diametral; es bevorzugt die Propagandamächtigen der Entweder/Oder-Programme, die mit Popularisierungen operieren und verdrängt so die vermittelnde Problemlösungsdebatte.”

Doch würde man Kohlers Diagnose nicht gerecht, sähe man die Mediendemokratie nur negativ. Denn er erwähnt auch die positiven Seiten: “Politik, die spannend genug erscheint, um die Leute emotional herauszufordern, ist nicht einfach schlechte Politik; und im Land der (halb-)direkten Demokratie ist die Beteiligung breiter Schichte an den Prozessen der staatlich-politischen Entscheidfindung ohnehin so wesentlich wie bejahenswert.”

Kohler interessiert die Wirkungen auf dem Gemeinsinn, das heisst, die Bereitschaft, die Perspektive des Andern mitzubedenken – die Sicht des politischen Gegners also – mit dem man sich irgendwann einigen muss.

Der Philosoph zieht folgenden Schluss: Nach wie vor braucht es bei allen Beteiligten eine überwölbende Idee und Praxis des vernünftigen common sense, den er in Anlehnung an ein grosses Wort von Jean-Jacques Rousseau den esprit général tauft. Der sei aber nicht mehr im starren Konsens herstellbar, nur noch im beweglichen Diskurs. Und der wiederum müsse verbindlicher bleiben als der reine politische Streit, der nur wegen einem Systemwechsel betrieben werde.

Ob das gelingt oder scheitert, weiss auch Georg Kohler nicht. Fast schon ein wenig zeittypisch bietet er seinen LeserInnen eine Wette an. Der liberale Optimist in ihm neigt dazu, auf Ersteres zu setzen.

Polit-kultureller Wandel in der Mediengesellschaft

Resümee eines Tages unter Managern, Funktionärinnen und Kommunikatoren über Veränderungen im Vetrauen der SchweizerInnen zu ihren politisch-medialen Institutionen.

Ich war gestern an der Retraite eines grossen Verbandes der Schweiz. Ein anderer Referent zitierte aus dem Sorgenbarometer, welches ich mit meinem Team jährlich für die Credit-Suisse erstelle, und bei dem es um kurzfristige Sorgen einerseits geht, um längerfristige Bindungen in Institutionen anderseits.

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Quelle: CS/gfs.bern, Sorgenbaromter 2009

Verschiedene Aspekte des Vertrauens in Institutionen aus der Erhebung von 2009 gaben zu Diskussionen Anlass: So werden Bezahlzeitung durch Gratiszeitungen überholt. Printmedien rangieren einiges hinter elektronischen Medien. Oder der Nationalrat rangiert klar vor dem Ständerat. “Ausgerechnet”, beklagten es die Einen; “typisch” war dies für die Anderen.

Was steckt dahinter? Die genannten Veränderungen begannen sich, eine um die andere, nach 2003 abzeichnen. Die meisten der genannten Entwicklungen sind konstant, das heisst die Veränderungen dauern mehr als über einen Jahresvergleich an.

Die traditionelle politische Kultur der Schweiz, auf konkordante Politik ausgerichtet, an der Zusammenarbeit Aller aufgrund bekannter und berechenbarer Positionen orientiert, ist in vielerlei Hinsicht in Bewegung geraten. Was zunimmt, ist nicht nicht einfach eine Streitkultur, wie man in der Theorie häufig annimmt. Wachsend ist die fallweise Repolitisierung der Bürgerschaft über Ereignisse, Emotionen schüren und Auseinandersetzung provozieren. Sie allen machen Politik zum medialen Marktgeschehen, was Aufmerksamkeit generiert.

Man kann die Schnellebigkeit von Ankündigungen beklagen, die zu einer oberflächlichen Auseinandersetzung des raschen Positionsbezug mit grossen Folgenlosigkeit führt. Man kann auch den Zwang zur Polarisierung und Personalisierung, die damit verbunden sind, schlecht finden. Denn das alles hat zur Entsachlichung der Politik geführt, macht sie spektakulärer, gleichzeitig aber auch virtueller.

Auffällig ist dennoch, dass das genau bei jenen Institutionen das Vertrauen zunimmt, welche sich offensiv den neuen Entwicklungen stellen: den Gratiszeitungen im Medienbereich, dem Nationalrat unter den politischen Organen; demgegenüber stagniert der Ständerat in der Vertrauenszuschreibung, und die Bezahlmedien haben mühe.

Nochmals: nicht wegen ihrer Arbeit als solcher, aber wegen ihrer geringeren Nähe zur Masse.

Am Ende des gestrigen Tages spührte ich zwei Tendenzen im Publikum:

. die einen sehen darin das Ende der Politik, wie sie bei den griechischen Philosophen begründet wurde, in der Aufklärung zugespitzt und in der westlichen Welt als Ausdruck der Vernunft installiert wurde;

. die anderen nimmt alles gelassener, schickt sich in die Trends und ist bestrebt, sich so zu arrangieren, dass sie daraus ihren Mehrwert für sich und ihre Organisationen ziehen können.

Von der Bi- zur Tripolarität der Schweizer Parteienlandschaft

Zwei unterschiedliche Konzepte der politischen Strukturierung haben die Parteien in den letzten Jahr angetrieben: Die breite Zusammenarbeit aller Regierungspartei zerfiel zuerst in eine Blockbildung “Bürgerlichen vs. erstarkte Linke”, dann immer mehr auch in eine “Alle gegen erstarkte SVP”. Beide Bi-Polarisierungen müssen im Politsystem der Schweiz auf die Dauer vermieden werden, wozu ein tripolares Parteiensystem einen Beitrag leistet.

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Mein Kommentar zur laufenden Debatte über die neue “Allianz der Mitte”


Bipolarisierungen in der jüngsten Vergangenheit

Die SVP hat als erste nach ihrem Wahlsieg von 1999 versucht, ihre sachpolitische Isolierung machtpolitisch zu überbrücken. Sie hat der FDP ein Angebot für eine gemeisame Politik von rechts gemacht. 2003 kam es – ganz in diesem Sinne – mit den Stimmen der SVP und FDP zur Doppelwahl von Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz in den Bundesrat, aber auch zu einer Blockade der Gremiums.

Die rechte Bundesratsmehrheit hatte im Parlament keine Entsprechung und erlitt in wichtigen Volksabstimmungen Schiffbruch. Mobilisiert wurde dafür eine rot-grün-schwarze Allianz, die 2007 mit der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat erfolgreich war. Sachpolitisch zu wenig breit abgestützt, misslang es 2009 indessen, daraus eine Allianz zu bilden, welche der CVP zu Lasten der FDP einen zweiten Bundesratssitz gebracht hätte.

Beide Strategien der Bi-Polarisierung der Parteienlandschaft sind zwischenzeitlich gescheitert. Die FDP konnte ihre Serie von Wahlniederlagen nicht aufhalten, unverändert verliert sie, während die SVP gewinnt. Bei der CVP ist nicht auszuschliessen, dass das Zwischenhoch von 2007 schon vorbei ist, und selbst die letzten treuen nationalkonservativen Wählerinnen noch zur SVP wechseln.

Alte und neue Tripolarisierungen
So überrascht es nicht, dass man erneut über die Tripolarisierung der Parteienlandschaft nachdenkt. Erstmals war das Mitte der 90er Jahre der Fall, als das Nein zum EWR die EU-Beitrittsfrage aufs Tapet brachte. Um scharfe Gegensätze vermeiden zu können, entstand die Politik des Bilateralismus: wirtschaftspolitisch offen, staatspolitisch jedoch ohne Mitgliedschaften mit bindendem Charakter auf EU-Ebene.

Die SVP blieb diesem Projekt gegenüber skeptisch, weil sich die ausgelöste Dynamik nicht mehr aufhalten lässt. Die SP sah darin ihre Chance, gesellschaftlichen Modernisierung mit sozialpolitisch flankierenden Massnahmen durchzusetzen. Unübersehbar ist aber, dass diese Projekt als tragende Brücke über innenpolitischen Gegensätzen an seine eigene Grenze geraten ist.

Der neue Versuch hin zur Tripolarität des Parteiensystems braucht zunächst eine oder einigen Zukunftsvorhaben dieser Art. Deshalb ist es zu begrüssen, dass es sachpolitisch aufgegleist wird und Kerndossiers von FDP und CVP mit einer mittelfristigen Perspektive ins Zentrum gerückt werden. Priorität haben dabei die brüchig gewordenen Aussenbeziehungen der Schweiz, verbunden mit einer koordinierten die Wirtschafts-, Gesellschafts- und Staatspolitik.

Der Bundesrat kann jedoch nicht als übergeordnete Instanz der Parteienkoordination dienen. Das muss von den Parteien selber kommen. Mehrheiten für einen Pol sind nicht gut, vor allem nicht, wenn sie im Parlament nicht abgestützt sind. Das spricht gegen 4 Sitze für die Allianz der Mitte im Bundesrat, zumal eine Mehrheit bei den Parlamentswahlen 2011 nicht in Aussicht ist.

Das politische System als Rahmenbedingung nicht übersehen

Die politische nötige Erweiterung einer Allianz der Mitte kann auch zwei Arten geschehen: mit einem Uebergang zu einem Regierungs- und Oppositionssystem, oder mit wechselsenden Allianzen nach links und rechts, die ihre Zentrum aber in der Mitte und nicht an den Polen hat.

Ersteres wirkt attraktiver, hat aber Tücken: Der Föderalismus zwingt politische Projekte in der Regel politisch in der Mitte anzusiedeln. Die direkte Demokratie verstärkt diesen Effekt, indem politisch aktzentuierte Vorlagen in der Volksabstimmung scheitern.

Allianzen auf Regierungsebene, die nur noch fallweise entstehen, lassen demgegenüber Führung vermissen, fördern Personengerangel in der Regierung, und es mangelt ihnen an politischer Kohärenz, was nicht sinnvoll ist.

Gegenüber dem Status Quo braucht es eine Stärkung der Tripolarität des Parteiensystem könnte dem Abhilfe schaffen, indem es das Zentrum thematisch stärkt. Das wird aber nur mit Partner umsetzbar bleiben, und diese sollten ohne feste Ausgrenzungen nach links oder rechts erfolgen.

Denn das hat die allerjüngste Geschichte uns gelehrt: Selbst Parteien, die in die Opposition gehen, werden im Politsystem Schweiz damit rasch unglücklich und streben deshab bald wieder nach einem neuen Arrangement in Bundesrat.

Für eine Holding aus FDP, CVP und BDP

Eine Woche nun diskutiert man in der Schweiz, ob es eine Allianz der Mitte gibt, und was es dafür bracht. Die NZZ am Sonntag verweist auf den nötigen Ueberbau, den es über den Zentrumsparteien bräuchte, um konstant koordinierte Politik zu betreiben.

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Felix Müller, Chefredaktor der NZZaS

“Debattiertklub”, nennt Felix Müller, Chefredaktor der NZZ am Sonntag” die “Allianz der Mitte” in ihrem gegenwärtigen Zustand leicht despektierlich. Der Idee an sich steht er aber deutlich positiver gegenüber. Denn das Zentrum ist die stärkste politische Kraft in der Schweiz. Doch ist sie, so der hauptsächliche Befund, chronisch zersplittert. Parallel zu ihrer Atomisierung nimmt ihr politischer Einfluss nicht zu, sondern ab.

Müller plädiert dafür, die Latte höher zu legen. Für eine Koalition brauche es einen institutionellen Rahmen. Was in der Wirtschaft eine Holding sei, biete biete in der Politik die Fraktionsgemeinschaft. Denn alles andere zerbricht frühestens bei ersten Belastungsprobe und zerberste spätesten bei ultimativen Elch-Test, den Bundesratswahlen.

Statt einer Zweckallianz von Fall zu Fall fordert Müller in seinem Wochenkommentar eine Koalition aus FDP, CVP und BDP, welche diesen Namen verdiene. Damit geht er klar weiter als CVP-Präsident Christophe Darbelley, und ist er auch konkreter als Fulvio Pelli.

So nachvollziehbar dieser Schritt ist, übersieht man gerne die Nachteile, welche die nationalen PolitikerInnen abhalten. Die Beiträge an die Fraktionen sinken so, was die Allgemeinheit freut, sich aber nicht die PolitikerInnen. Und ihe Redeanteile verringern sich ebenfalls, wie Andreas Ladner, Politologie-Professor in Lausanne, diese Woche richtig analysierte.

Immerhin fem. nimmt die dritte der Forderungen, die seit der Publikation der Allianz der Mitte vor einer Woche im Raum steht, zurecht auf, bevor sie in Vergessenheit gerät. Denn sie ist weniger spektakulär als die Sitzzahl im Bundesrat, aber umso wichtiger, wenn man sachorientierte Politik auf dauer betreiben will.