Experiment www.bernerwahlen.ch

Es war ein spannendes Experiment, über die Ergebnisse zu den Berner Regierungswahlen in einem eigens hierfür errichteten Blog zu berichten.

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Kurzanalyse der FDP: Splitterbruch würde man in der Medizin sagen, denn die FDP verliert Wählende in alle Richtungen.

www.bernerwahlen.ch ging erst letzte Woche ins Internet. Ziel war es, eine Plattform zu etablieren, für Wahlergebnisse und -analysen zum Kanton Bern. Die Regierungs- und Grossratswahlen bildeten den Auftakt, die Stände- und Nationalratswahlen 2010 geben eine weitere Gelegenheit ab.

Das Mandat für eine Hochrechung zu den gestrigen Wahlen, welches das Institut für Politikwissenschaft und das Forschungsinstitut gfs.bern acquirierten, gab den Anstoss für die Plattform.

Die Nutzung übers Wochenende gab uns recht. 4200 Besuche verzeichneten wir alleine gestern. Rund 1000 waren es in den Tagen davor, fast ebenso viele heute. Die besten Beiträge während der Hochrechnung wurden 500 bis 700 Mal in einer halben Stunde angeclickt. Selbst zoonpoliticon profitierte durch Verlinkung. Am Sonntag wurden 2500 Besuche registiert. Das alles sind Zahlen, die sich sehen lassen können.

Sichtbarstere Verlierer der Grossratswahlen sind die FDP und die SP. Der Neuaufsteiger ist die BDP, gefolgt von der GLP. Dazu haben wir erste Analysen zu Wählerströmen gemacht. Sie zeigen das die BDP von fast allen Parteien WählerInnen aufnahm und von Neumobilisierten profitierte. Schliesslich haben wir untersucht, wie die Blöcke bei den Regierungsratswahlen gespielt haben, und welche Bedeutung die Unterstützung ausserhalb dieser für den Wahlerfolg bei den Exekutivwahlen hatte.

Quintessenz hierzu: Barbara Egger-Jenzer und Beatrice Simon hatten jeweils die geringste Blockunterstützung. Die beiden Frauen in der Berner Regierung markieren also die deutlichsten zur Mitte und ins andere Lager tendierenden PolitikerInnen.

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Wer heute morgen das Berner Rathaus betrifft, sieht schon Zahlen für den Ausgang der Regierungsratswahlen. Doch gibt es keine Namen dazu. Der beste Moment um die Auslegeordnung zu machen.

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Was ist heute möglich? 4 Bisherige aus dem rotgrünen Lager treten gegen 2 Bisherige und 3 Neue von bürgerlicher Seite an. Zudem gibt es noch 7 weitere BewerberInnen, doch werden ihnen kaum Chancen eingeräumt. Vereinfacht ausgedrückt gibt es drei Szenarien, die auch der Analyse der Hochrechungen zugrunde liegen. Hier sind sie:

Szenario 1: 5 Rechte, 2 Linke oder “Totaler Sieg der vereinigten Bürgerlichen”:
Alle 5 KandidatInnen aus SVP, FDP und BDP werden gewählt. Der Jura-Sitz wechselt so automatisch nach rechts. Es scheitert aber auch ein zweiter linker Regierungsrat. Am ehesten wird erwartet, dass es SP-Volkswirtschaftsdirektor Rickenbacher treffen könnte. Weniger wahrscheinlich ist, dass dies der Grüne Pulver oder die SP-Frau Egger wäre.

Szenario 2: 4 Rechts, 3 Linke oder “Sieg der vereinigten Bürgerlichen”:
Ein Bisheriger aus dem linken Lager wird abgewählt. Grundsätzlich gibt es hierfür zwei Varianten: Die erste lautet, dass der Jura-Sitz von SP-Perrenoud an Astier von der FDP geht. Die zweite geht von einer Abwahl einem oder einer der drei linken RegierungsrätInnen aus dem Restkanton ab. Am ehesten dürfte wiederum Rickenbacher betroffen sein. Die drei übrigen aus dem bürgerlichen Lager können sich verschieden zusammensetzen: Rein von der Parteienstärke wären noch 2 SVP und 1 FDP zu erwarten. Nicht auszuschliessen ist aber auch je eine Vertretung aus den drei Parteien des Lagers, wobei es bei der SVP grundsätzlich beiden Bewerbern gelingen kann, gewählt zu sein. Und ebenfalls nicht ganz unmöglich ist, dass die BDP die FDP verdrängt, und nebst der SVP in die Berner Regierung einzieht.

Szenario 3: 4 Linke, 3 Rechte oder “Sieg der vereinigten Linken”:

Alle Bisherigen von rotgrüner Seite werden wieder gewählt, womit die Linke ihre Mehrheit in der Regierung erfolgreich verteidigt. Die bürgerliche Wende bleibt ganz aus. Für ihre drei Gewählten gilt die gleiche Auslegordnung wie in der zweiten Variante des zweiten Szenario.

Szenarien sind keine Wunschprogramme; sie basieren auf Wahrscheinlichkeiten. Szenarien sind keine direkte Prognose. Zwar trifft wohl eine hier skizzierten Varianten heute ein. Welche es ist, weiss man nicht; letztlich kann man nur spekulieren, wie das gegenwärtig im Wahlbistro geschieht. Doch wird man bald mehr wissen.

PS:
Eingetroffen ist das dritte Szenario, bei der Verteilung im bürgerlichen Lager bekam jede Partei einen Sitz. Bei der SVP setzte sich der Bisherige gegen den Neuen durch. Im Wahlbistro hat einzig Harald Jenk richtig getippt. Gratulation!

Mauluege …

Würden Sie ihn wählen? – Ganz sicher bin ich mir jedenfalls nicht …

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John Antonakis, Professor für Leadership, betätigt sich als Wahlprognostiker

“Die sechs Bisherigen und die Simon.” Das ist die Wahlprognose von John Antonakis, Marketingprofessor an der Universität Lausanne. Seit kurzem prognostiziert er Wahlausgänge, vor allem aufgrund der Wahlwerbung.

Seine Begründung: Was wir über Politik wissen, entnehmen wir nicht mehr unserem Alltag, sondern den Medien. Mit der Medialisierung treten Taten und Fähigkeiten jedoch in den Hintergrund, derweil das Imagemanagement wichtiger wird.

Die Bernerzeitung lud John Antonakis ein, eine seiner Wahlprognosen zu erstellen. Denn Antonakis behauptet, das Geheimnis des Wählens entdeckt zu haben. Das Aussehen in der Werbung sei entscheidend, denn im Schnellentscheid wollen wir uns wiedererkennen; korrigiert werde es durch die geleistete politische Arbeit, wenn sie frei von Skandalen sei.

In sieben von zehn Fällen funktioniere das, bilanziert Antonakis. Das heisst auch, dass man sich in 2 von 7 Angaben täuschen kann. Nämlich dann, wenn sich die WählerInnen doch eine Meinung bilden, die mehr als “20 Minuten” in Anspruch nimmt. Wie bei den Neuenburger Regierungsratswahlen, wo der von Antonakis topgesetzte Gesundheitsdirektor trotz der äusserlich gewinnender Merkmale für seine Spitalpolitik abgesetzt wurde.

Mal sehen, wo der Marketing-Professor bei den Berner Wahlen recht und wo er sich irrt, denn ganz so eindeutig ist seine Prognose nicht, wie man beim Schnellesen meinen könnte. Im Test beurteilten 102 StudentInnen die Fotos der RegierungskandidatInnen hinsichtlich Führungskraft, Intelligenz und Kompetenz. Danach machten 236 Studierende mit, die erfuhren, wer bisherig ist und wer für den Jurasitz kandidiert. Das Ergebnis: Für den Jurasitz kürten sie Perrenoud vor Zuber und Astier, des Weiteren wählten sie in dieser Reihenfolge: Pulver, Käser, Simon, Jost, Neuhaus, Egger, Rickenbacher und Rösti.

Ohne die nicht ganz nachvollziehbare Korrektur des grossen Zampanu würde also der bisherige SP-Volkswirtschaftsdirektor Andreas Rickenbacher scheitern, und der neue Sunnyboy EVP-Kandidat Marc Jost in die Regierung einziehen. Das könnte auch ganz einfache Erfahrung und nicht Methode sein.

PS:
Volltreffer! Aber nur in der interpretierenden Uebersicht. Im Experiment lag ja offenbar Jost vorne, wurde aber nicht gewählt. Und Rickenbacher, dem man schlechte Karten nachsagte, erreichte das drittbeste Resultat.

Wetten, dass … die BDP am meisten zulegt!

Wer gerne auf Wahlergebnisse wettet, kann das im Freundeskreis tun. Dann geht es meist um eine Flasche guten Wein oder ein Nachtessen. Oder man kann sich auch auf Wahlfieber im Internet einloggen, Geld frei geben, und mit anderen Interessierten über Sieger und Verlierer von Wahlen spekulieren. Wer dem Ergebnis am genauesten kommt, räumt ab, die anderen zahlen.

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Typischer Verlauf für eine neue Partei im Prognosemarkt: Bis das Gleichgewicht gefunden ist, gibt es starke Ausschläge; danach etablierte ein recht konstanter Wert von 9-10 Prozent für die BDP.

Zu den Berner Parlamentswahlen haben die Wettprofis eindeutige Bewertungen entwickelt:

Erstens, grosser Sieger wird die BDP sein.
Zweitens, die GLP wird als kleiner Gewinner hervorgehen.
Drittens, alle anderen Partei(gruppierungen) werden an die beiden neuen Parteien verlieren.

Die anonyme, virtuelle Wettgemeinschaft hat ihre Bewertungen erst im Verlaufe des Wahlkampfes entwickelt. Einen Tag vor der Wahl sieht sie die BDP bei 9.9 Prozent WählerInnen-Anteil. Die GLP kommt demnach auf 4.0 Prozent. Die grössten Verluste werden mit -3 Prozentpunkten der SVP nachgesagt. Je rund 2 Prozent es bei der SP, den Grünen und der FDP. Gleich hohe Verluste werden bei den drei konfessionellen Parteien insgesamt erwartet.

Damit würden sowohl das bisherige bürgerliche Lager wie auch das gewohnte rotgrüne Lager geschwächt. Die Mitte würde wohl stärker, wenn sich BDP und GLP da einreihen, aber auch pluralistischer. Der BDP könnte auf Anhieb eine Leadrolle zufallen, namentlich dann, wenn sie als einzige Partei aus dem Zentrum in der Regierung vertreten sein sollte. Dazu äusserten sich die Wettbrüder und -schwestern in ihrem Spiel “Wetten, dass …” übrigens nicht.

Die für Berner Wahlen erstmals realisierte Wahlbörse ist bis heute abend noch offen … und kann morgen Abend erstmals auch evaluiert werden!

PS:
Auch hier stimmt das Gerüst der drei Kernaussagen. Die BDP übertraf aber die diesbezüglichen Erwartungen der Wettgemeinschaft klar. Und FDP/SP schnitten klar schlechter als erwartet ab. Den Wählerrückgang enger begrenzen konnte dagegen die SVP.

Terminplan Hochrechnung Berner Regierungsratswahlen 2010

Am Sonntag 28. März 2010 wählt der Kanton Bern seine Behörden neu. Zu den Regierungsratswahlen führen das Institut für Politikwissenschaft und das Forschungsinstitut gfs.bern gemeinsam eine Hochrechnung für Telebärn und Radio Capital FM durch.


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Hier der Terminplan für den Sonntag Nachmittag:

14 00 Beginn der Berichterstattung mit einer ersten Einschätzung des möglichen Wahlausgangs
ab 15 00 (allenfalls schon 1430) Hochrechnung mit halbstündiger Aufdatierung
ca. 18 00 Endergebnis zu den Regierungsratswahlen

Die Hochrechnungsergebnisse werden von Lukas Golder vom gfs.bern auf den Sendern präsentiert und von Prof. Adrian Vatter mit Matthias Lauterburg analysiert. Die Ergebnisse der Hochrechnung werden mit 10 Minuten Verzögerung auf www.bernerwahlen.ch aufgeschaltet. Hier wird Claude Longchamp die vorläufigen Ergebnisse zu den Regierungsratswahlen aus der Hochrechnung auf Internet kommentieren.

Am Montag abend 18 00 wird eine Zusammenfassung der Erstanalyse der Regierungsrats- resp. der Grossratswahlen auf dem gleichen Blog aufgeschaltet.

Wie sich der Bundesrat die Regierungsreform vorstellt.

Nun hat der Bundesrat entschieden, wie er die Regierungsform am liebsten hätte. Er konzentriert sich ganz auf Massnahmen zur Verbesserung der eigenen Arbeitsweise.

Tagesschau vom 25.03.2010
Den Bundesrat modernisieren: Für die Bundesregierung heisst dies nicht, die Zahl seiner Mitglieder zu verändern.

Auf Vorschlag von EJPD-Chefin Eveline Widmer-Schlumpf befürwortet der Bundesrat ein zweijähriges Bundespräsidium ohne Wiederwahlmöglichkeit, das aus der Mitte des Bundesrats bestimmt wird. Er ist für 8 bis 10 Staatssekretariate, die in den Gebieten, wo starker Entwicklungsbedarf vorhanden ist, eingesetzt werden sollen. Und er will mehr Retraiten ausserhalb der ordentlichen Sitzungen machen, um mehr über Grundsatzfragen diskutieren zu können.

Mit dem skizzierten Vorhaben widerspricht der Bundesrat auch einer Reihe von Vorschlägen, die in jüngster Zeit entwickelt worden sind. Am stärkstenist die Ueberstimmung mit dem Modell, das die FDP propagiert und das von CVP und BDP grosso modo Anders als dieses soll aber das Bundespräsidium nicht mit dem Aussendepartement verbunden werden. Grösser ist die Divergenz mit dem Vorschlag der Grünen, sekundiert von der SP, denn nicht die Zahl der BundesrätInnen und Departemente soll erweitert werden, sondern mit den StaatssekretärInnen die zweite Regierungsebene gestärkt werden. Ganz anders als die SVP will die Bundesregierung am Wahlmechanismus für den Bundesrat nichts ändern.

Bald wird sich das Parlament zur Vorhaben des Bundesrat äussern können. Dabei ist mit weiteren Vorschlägen zur Regierungsreform zu rechnen. Solange sie auf der Basis der gültigen Bundesverfassung bleiben, kommt es nicht automatisch zu einer Volksabstimmung. Und selbst wenn die SVP-Initiative zustande kommen und von Volk und Ständen angenommen werden sollte, kann die Regierungsreform in Kraft treten. Denn anders als das Volksbegehren behandelt sich ausschliesslich die Arbeitsweise der Schweizer Regierung.

Die Berner SVP vor der grössten Herausforderung ihrer Geschichte

10 Siege, 3 Niederlagen erlebte die SVP in den kantonalen Wahlen seit der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat. Was sind die Aussichten für die Berner SVP bei den anstehenden den kantonalen Wahlen?

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Mehr Siege, aber auch Niederlagen seit 2007
In Nidwalden kam es am 7. März 2010 zu einem eigentlichen Erdrutschsieg für die SVP. In der Kantonsregierung hat sie jetzt 2 von 7 Sitzen, und im Kantonsparlament steigerte sie sich von 18 auf 32 Prozent. In der Analyse, die Christoph Blocher vor der Bundeshausfraktion hielt, gibt es hierfür einfache Erklärungen. Die Partei rücke die klassischen SVP-Themen ins Zentrum, und sie politisiere gerade auch im Landrat mit einer klaren Linie. Das erscheint dem Vizepräsidenten gerade in Neuenburg nicht der Fall. Gerne grenze man sich zur Mutterpartei ab, und man pflege die Themenvielfalt. Die Kantonsregierung werde nicht angegriffen, sodass man bei den Wahlen ins Kantonsparlament soviel verlor wie sonst nirgends.

Das Schema des (Miss)Erfolgs
Das Schema des (Miss)Erfolgs ist damit einfach; es folgt ganz dem Schwarz/Weiss-Denken eine Polpartei:

Wer programmatisch mit der nationalen SVP politisiert gewinnt, wer sich abgrenzt verliert.
Wer die anderen Parteien angreift, wird belohnt, wer Rücksicht auf die Regierungsmehrheit nimmt, den bestraft der Wähler.
Wer eine klare Linie verfolgt, ist auf der guten Seite, während jene, die eine Vielfalt anbieten, auf der schlechten sind.
Wer den Auftritt pflegt, holt Pluspunkte, wer sich mit sich selber beschäftigt, bekommt einen Malus.

Die Beurteilung der Berner SVP
Mit der Abspaltung der Exponenten, die zur BDP gewechselt haben, ist ihre Orientierung an der Regierungspolitik zurück gegangen. Doch ist die Partei gerade auf Gemeindeebene viel zu stark ein Teil des Staates, um eine wirkliche Opposition zu sein.
Die Attacken auf andere Parteien pflegen namentlich die jungen SVP-Vertreter. Ausser gegenüber der BDP erscheint die Berner SVP indessen nicht als besonders angriffig.
Im Auftritt hat man vor allem beim mediengerechten Positionsbezug hinzu gelernt und das Klotzen aus den nationalen Kampagnen kopiert, kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass man aufgrund der Parteispaltung am Wundenlecken ist.
Und auch in programmatischen bleibt die Bilanz durchzogen: In Steuer- und Ausländerfragen ist man meist auf nationalem Kurs, in der Europapolitik resultierte nicht selten eine moderatere Linie.

Die Charakteristik der kantonalen Parteilandschaften
Vor allem fehlt im Kanton Bern eine CVP, die vormals die führende Partei war, deren national und konservativ gestimmte Wählerschaft das Wechselspiel zwischen rechts und links auf der nationalen Ebene jedoch nicht mehr versteht. Denn das ist die wichtigste Gemeinsamkeit der grossen SVP-Wahlsiege in der Inner- und Ostschweiz.

Da gleicht die Situation eher der im Thurgau, Aargau oder im Schaffhausischen, wo man stark ist oder war, zwischen Zustimmung und Ablehnung der nationalen Parteilinie schwankt, und wo die eigenständige Profilierung der Partei an der Nähe zum Staat erschwert wird. Hinzu kommt, dass man in Bern gleich wie in Graubünden und Glarus von der BDP bedrängt wird, auf dem Land eher Stand halten kann, in den urbaneren Gebieten aber machtlos der Entstehung einer neuen politischen Kraft zusehen muss.

Sieg und Niederlage sind da nahe beieinander. Das erlebte die Berner SVP 2007 als sie bei den Nationalratswahlen erstmals zulegte. Und nur ein Jahr später musste sie die Abspaltung der BDP hinnehmen. Am Sonntag könnte dies alles bei den Regierungsratswahlen gewisse Früchte tragen, bei den Parlamentswahlen aber auch den historischen Tiefststand in der Wählerstärke bringen.

Wer wo steht: Berner RegierungratskandidatInnen im Themenvergleich.

Bern wählt am 28. März 2010 eine neue Regierung. Wer von den Kandidaturen steht wofür? smartvote hilft, sich hier einen raschen Ueberblick zu verschaffen.

Positionierung der Berner Regierungsratskandidaturen nach smartvote
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Die KandidatInnen für die Berner Regierungsratswahlen von links nach rechts: Philippe Perrenoud (SP), Barbara Egger-Jenzer (SP), Bernhard Pulver (Grüne), Andreas Rickenbacher (SP), Maxime Zuber (PSA), Patrick Gsteiger (EVP), Joseph Rothenflue (parteilos), Bruno Moser (parteilos), Marc Jost (EVP), Alexandra Perina-Werz (CVP), Beatrice Simon-Jungi (BDP), Marc Früh (EDU), Hans-Jürg Käser (FDP), Sylvain Astier (FDP), Christoph Neuhaus (SVP) und Albert Rösti (SVP).

Regierungsratswahlen nach dem Mehrheitswahlrecht gelten im Volksmund als Persönlichkeitswahlen. In der Tat wählt man Personen, doch bei der Auswahl spielt die Partei- oder Blockzugehörigkeit die grösste Rolle. Es kommen die Bekanntheit hinzu, wohl auch Regionalaspekte. Dank smartvote weiss man heute besser den je, wer thematisch wo steht.

Das Sozialstaats-Rating polarisiert zwischen dem SP-Regierungsrat Philippe Perrenoud und dem SVP-Kandidaten Albert Rösti. Wenn es um Umweltfragen geht, steht der bisherige Grüne Bernhard Pulver frontal zu Albert Rösti. Am geringsten ist die Polarisierung bei Themen der gesellschaftlichen Liberalisierung. Hier markiert Barbara Egger-Jenzer, die jetzige SP-Regierungsrätin, den liberalen Pol, und der konservative wird durch Christoph Neuhaus, dem gegenwärtig einzigen SVP-Regierungsrat markiert. Handelt es sich um ein Thema der wirtschaftlichen Liberalisierung, geht Hans-Jürg Käser, der FDP-Mann im Regierungsrat voran, und es blockt Barbara Egger-Jenzer. Bei Finanz- und Steuerfragen will Bernhard Pulver am meisten bremsen, während Albert Rösti am heftigsten Gas geben möchte.

Im zweidimensionalen Raum, der bei smartvote normalerweise zur Verortung von KandidatInnen dient, ist Philippe Perrenoud der am klarsten links positionierte Regierungsrat, während Albert Rösti am deutlichsten rechts steht. Er ist gleichzeitig auch der konservativste, während Patrick Gsteiger von der EVP als liberalster erscheint.

smartvote gibt keine Hinweise, wer welche Chancen hat, (wieder)gewählt zu werden. Es macht aber die klare Blockbildung auf linker Seite klar, die höher ist als am rechten Pol. Und es hilft auch, das individuelle Themenprofil der Bisherigen und der Neukandidierenden einiger Massen zuverlässig, vor allem aber übersichtlich zu vermitteln. Das eigentlich sollte die Personenentscheidungen bei den Berner Regierungsratswahlen erleichtern – und damit auch befördern.

Die Stunde der Wahrheit für die BDP.

Eine der zentralen Fragen bei den anstehenden Berner Wahlen betrifft die BDP: Zu was ist die Partei bei ihrem ersten grossen Einsatz bei kantonalen Wahlen fähig, und was kann man daraus für die nationalen Wahlen vom Oktober 2011 ableiten?

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Hoffnungsträgerin der Berner BDP: Beatrice Simon, die Seedorfer Gemeindepräsidentin, die in den Regierungsrat möchte.

Nach dem Ersatz von Christoph Blocher im Bundesrat durch Eveline Widmer-Schlumpf 2007 kam es in der SVP zur Parteispaltung. Die grosse Mehrheit blieb bei der Mutterpartei, eine Minderheit verliess sie und gründete 2008 die BDP. Stark ist sie in Graubünden, Bern und Glarus, wo ganze Teile der SVP übertraten, während sie in den anderen Kantonen fast von Null auf aufgebaut werden muss.

Am kommenden Sonntag kommt es mit den Regierungs- und Grossratswahlen im Kanton Bern zur ersten eigentlichen Nagelprobe für die BDP. In der Regierung hat sie den zurücktretenden Urs Gasche zu ersetzen; sie versucht dies mit der Kantonalpräsidentin Beatrice Simon. Und im Parlament geht es darum, die 16 GrossrätInnen zu bestätigen, was einem Anteil von rund 10 Prozent der Stimmen entsprechen dürfte.

Die kommunalen Wahlen, zu denen die Berner BDP bisher angetreten ist, stimmen die Partei optimistisch. In Rubigen machte die Partei auf Anhieb drei der sieben Sitze in der Exekutive und 45 Prozent der Stimmen. An den meisten Orten, wo sie für den Gemeinderat antrat, hatte sie Erfolg, blieb aber hinter der SVP zurück; einzig in Lyss und Köniz scheiterte sie ganz. In den Parlamentswahlen der Städte schnitt die BDP tendenziell noch besser ab. In Langnau realisierte sie 19 Prozent der Stimmen, in Burgdorf 17, Lyss 16, in Köniz 12 und in der Stadt Bern 8 Prozent.

Was alles kann das am Sonntagabend heissen? Erstens, schafft es die BDP bei ihrer ersten Beteiligung an kantonalen Wahlen den Regierungsratssitz zu halten und 10 Prozent der Stimmen zu machen, wird das die Partei mit Blick auf die eidg. Wahlen wohl positiv lancieren. Verliert sie in dessen den Regierungsratssitz beispielsweise an die SVP, wird die Wirkung umgekehrt sein. Und sollte sie darüberhinaus in einem ihrer Kernkantone unter 10 Prozent der Wählenden repräsentieren, wird man ihr gesamtschweizerisch kaum mehr Kredit gewähren.

Zweitens, kommt es auch auf die Herkunft der Stimmen an. Nimmt die BDP vor allem der SVP Stimmen weg, dürfte sich die Konkurrenzsituation zur grössten Partei der Schweiz verschärfen, und das Klima, das zwischen Parteien ausgesprochen angespannt ist, auch national prägen. Denn dann entsteht die Option, dass die BDP die gemässigte SVP werden könnte, die inhaltlich (ausser in dern Aussenpolitik) ähnlich politisiert, aber einen anderen Stil einbringt. Die Berner SVP hat das bereits erkannt, und spricht von der grössten Herausforderung in der Parteigeschichte.

Legt die BDP dagegen vor allem bei Neuwählenden, ehemaligen FDP- und CVP-WählerInnen zu, könnte national das politische Zentrum verstärken, aber auch die Bemühungen der bürgerlichen Parteien, sich da auszubreiten, vereiteln. Vor den kommenden nationalen Wahlen dürfte das die parteipolitische Konkurrenz in der Mitte erhöhen, was nicht unerheblich wäre für die Wiederwahl von Eveline Widmer-Schlumpf.

Wie auch immer, nachdem die BDP in Glarus den geerbten Regierungsratssitz sichern konnte, sind die Erwartungen an die Partei gestiegen. Das wird auch die Aufmerksamkeit für das Berner – und bald auch das Bündner – Ergebnis verstärken, um eine Vorstellung zu bekommen, was 2011 national geschehen könnte, und zwar im Parlament, wie auch in der Regierung.

Wie sich die FDP den Bundesrat der Zukunft vorstellt.

Nun bringt auch die FDP Schwung in die Reformdiskussion des Bundesrates: mit einem adaptierten Modell für das Bundespräsidium und mit Namen für die Nachfolge von Bundesrat Merz.


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Den Bundesrat modernisieren heisst für die FDP das Bundespräsidium zu stärken.

Nachdem Hans-Rudolf Merz (FDP) letztes Jahr als Bundespräsident ein glücklos war, meldete sich die FDP diese Woche gleich doppelt zur Diskussion über den Bundesrat der Zukunft zu Wort. Zuerst präsentierte die Partei ihre Vorstellungen der Regierungsreform. Kernstück ist die Aufwertung des Bundespräsidiums. Konkret soll dieses Amts nicht mehr für ein Jahr besetzt werden, sondern für 2, mit der Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl. Nominiert werden soll der Bundespräsident nicht mehr aufgrund der Ancienität, sodass alle einmal an der Reihe sind, sondern durch die Parteien, welche den Bundesrat bilden. Neu wäre auch, dass der/die InhaberIn des Amtes ein Weisungsrecht erhielte, wenn auch nicht in inhaltlicher Hinsicht, so doch bei den Terminplänen.

Der Vorschlag der FDP findet am ehesten in den Reihen der CVP Gefallen. Doch stösst man sich hier an der Vorstellung, das Präsidium mit dem Aussendepartement zu verknüpfen. Vielmehr befürwortet man bei der CVP ein eigentliches Präsidialdepartement. Das Argument, der/die BundespräsidentIn könnte so das Networking auf internationaler Ebene absichern, lässt man auch in der SP nicht gelten, sieht man doch einen Handlungsbedarf in der innenpolitischen Vermittlung von Entscheidungen. Zudem verlangt die SP eine parteipolitische Rotation des Präsidiums, um es allseitig abzustützen.

Die FDP hofft, mit ihrem Vorschlag die Führung der Exekutive zu verbessern. Die Reaktionen zeigen, dass eine Aenderung am Räderwerk des Regierungssystems der Schweiz nicht ohne Folgen für andere Diskussionen ist, von denen es derzeit gleich mehrere gibt. So schiebt die SVP mit der Volkswahl des Bundesrates einen ganze anderen Meccano für die Bestimmung des Bundesrates vor, und für die Grünen geht es bei der Regierungsreform auch um die Erhöhung der Zahl BundesrätInnen und Departemente.

Die kontroverse Regierungsreform ist vielleicht auch der Grund, dass die FDP keine Woche nach der Präsentation des Modells erstmals auch antönt, Hans-Rudolf Merz als Bundesrat zurückzuziehen. Die Partei könnte so vielleicht mit zwei neuen Kräften in den Wahlkampf ziehen, und SP und SVP könnten sich mit der Zustimmung hierzu je zwei Sitze sichern. Geprellt würden dadurch die CVP, die BDP und die Grünen.

Favoritin für die Nachfolge von Merz ist gemäss Presse gegenwärtig die St. Galler Regierungsrätin Karin Keller-Sutter. Im Gespräch sind aber auch die Berner NationalrätInnen Johann Schneider-Ammann und Christa Markwalder, der Zürcher Volksvertreter Ruedi Noser sowie die FDP-Fraktionspräsidentin Gabi Huber.