Würde Sarah Palin gegen Barack Obama gewählt?

Wer würde gewinnen, käme es bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2012 zur Gegenüberstellung von Barack Obama und Sarah Palin? “Obama” sagen Scott Amstrong und Andreas Graefe, die ein neuartiges Prognose-Tool zu amerikanischen Präsidentschaftswahlen entwickelt haben – und legen damit Pail ein Ei ins Nest ihrer Buchvernissage.

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“Palin vs. Obama” bei den Präsidentschaftswahlen 2012: 40,5 % zu 59,5% sagen die Prognostiker jetzt schon.

Die Spekulationen
Die Spekulationen schiessen bereits ins Kraut: Barack Obama’s Demokraten verloren am Jahrestag der Präsidentschaftswahl zwei Gouverneure. Wirtschaftskrise und sinkende Popularität hätten dem Präsidenten jetzt schon zugesetzt, argumentieren die Skeptiker; lokale Probleme und Fehler der Kandidaten, erwidern die Optimisten.

Gleichzeitig stürmt Sarah Palin die Hitparaden der angekündigten Bücher. Ihre noch unveröffentlichte Biografie ist nachgefragter als alles andere. Und mit spektakulären Auftritt im Ausland will sie ihre mangelnde Erfahrung ausserhalb Alaska und den USA wettmachen, um zu der Herausfordererin der Republikaner für Präsident Obama zu werden.

Die Rechnerei

Gar nicht nach Spekulation zu Mute ist Scott Amstrong von der Pennsylvania University und Andreas Graefe vom Karlsruher Institut für Technologie. Denn sie haben ein neuartiges Verfahren entwickelt, um Ausgänge der amerikanischen Präsidentschaftswahlen vorauszusagen. Hierfür prüften sie die zahlreichen Hinweise in Tageszeitungen und Fachzeitschriften, welche Eigenschaften die Wahl ins amerikanische Präsidentschaftsamt förderten.

Insgesamt haben die beiden Forscher 49 denkbare Einflussfaktoren identifiziert. Der Kriterienraster umfasst Indikatoren zu den persönlichen Eigenschaften, familären Verhältnissen, zur Ausbildung und politischen Karriere.

Soweit möglich, habe gut sie geprüft, ob wie sie die amerikanischen Präsidentschaftswahlen seit 1900 prognostiziert hätten. Ihr Ergebnis ist verblüffend: 25 der 28 zurückliegenden Wahlen konnten mit dem aufgestellten Mix richtig nachhergesagt werden. Nur in drei Fällen hätte man sich geirrt.

Stärken und Schwächen des Verfahrens
Man mag einwenden, das sei alles nur Spielerei und arge Reduktion politischer Entscheidungen. Das erklärt wahrscheinlich auch die drei Fehlprognosen. Aber das Verfahren systematisiert die sonst fast schon beliebigen Behauptungen, welche noch so kleine Differenz zwischen BewerberInnen eine Wahl entscheiden würde, und überprüft ihre behauptete Trifftigkeit empirisch. Das macht das Instrument interessant!

Die Prognose
Auf die Paarung “Obama vs. Palin” angewendet, schneidet Präsident Obama klar besser als Sarah Palin. 20:11 lautet der Punktestand, was laut Amstrong/Graefe die Prognose ergibt: “Given the model’s historical performance, this translates to a predicted two-party voteshare of 59.5% for Obama, with a 95% prediction interval of +/- 6.2%.”

Claude Longchamp

Dank Lernprozessen lebensfähig bleiben.

Die Kritik an und in der Schweiz ist beträchtlich. Die Steuerpolitik ist umstritten, Institutionen wie Miliz- und Konkordanzsystem zeigen Erosionserscheinungen. Da weckte Wolf Linders Abschiedsvorlesung an der Uni Bern hohe Erwartungen. Denn sie war dem “Zustand der Republik” gewidmet. Und hielt nur streckenweise, was sie versprach.

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Dank soliden Institutionen blieb die Schweiz bis heute lebenfähig. Fraglich ist aber, ob sie auch in Zukunft eigene Wege gehen kann. (Bildquelle)

Seinen letzten Auftritt als Politologie-Professor in Bern begann Wolf Linder vor einer vollen Aula der Berner Alma mater mit einer Kritik am Zeitgeist-Surfen. Dieses überzeichne in der Regel, sei es wegen der Staatsgläubigkeit der Linken, die jeden Interventionismus gut finde, oder wegen der Staatsdistanz der Rechten, welche jede Privatisierung befürworte. Lange habe ersters überwogen, jetzt dominiere zweiteres.

Gesicherte Befunde!
Die politologische Analyse kommt nach Linder zu deutlich weniger aufgeregten, dafür gesicherten Befunden. Mit schöner Regelmässigkeit hat der Professor für Schweizer Politik diese auch in die Oeffentlichkeit getragen.

Die zentralen Institutionen der schweizerischen Innenpolitik sind nach Linder in der Bevölkerung unverändert gut verankert. Zu direkter Demokratie, Föderalismus, Milizssystem und Konkordanz zeichne sich in der Schweiz keine Alternative ab. Unterschätzt werde aber das Mass an politischer Institutionalisierung der Schweiz, welche im letzten Vierteljahrhundert stattgefunden habe. Das internationale Recht wachse schneller als das Binnenrecht, was einen Anpassungsdruck erzeuge, der Exekutivstaat nehme rasant zu und lasse die politische Entfremdung anwachsen.

Nutzniesser sei ausgerechnet die SVP, welche die Prozesse am wenigsten kontruktiv mitentwickle. Denn sie gewinne mit Abschottungsparolen Wahlen. Doch können sie diese politische Macht nicht umsetzen. In Parlament und Regierung würde unverändert die Kooperationen der Mitte den Ausschlag geben. FDP und CVP setzten mehrheitlich ihre Politik durch, ergänzt durch Mitte/Rechts und Mitte/Links-Allianzen.

Den Wechsel der Mehrheiten hält Politologe Wolf Linder für einen Segen in der Konkordanz. Denn fixe Mehrheitsbildungen, wie sie bis in die 80er Jahre durch die bürgerlichen Parteien gebildet worden seien, schränkten die Lernfähigkeit des politischen Systems ein. Doch gerade diese sei entscheidend, weil kontinuierliche personelle und materielle Erneuerungen der Politik zwingend seien, wenn man nicht auf Machtwechsel setze.

Gesicherte Folgerungen?

So treffend sachlich Linders Beobachtungen zum Zustand der Republik waren, seine Folgerungen für ihre Zukunft blieben vage. Denn die reichhaltige Empirie, die in den zwei Jahrzehnten, während denen Linder die Professur für Schweizer Politik inne hatte, entstand, fand in dieser Zeit keine Krönung in einer erhellenden Theorie der Konkordanz, die politikwissenschaftlich anerkannt Interessierten Möglichkeiten und Grenzen des Staatshandelns à la suisse aufzeigen würde.

So bleibt das Credo Linders, die Schweiz überlebe, wenn sie lernfähig bleibe, letztlich ohne tiefere Gewissheit die Folgerung aus seinem Wirken.

Claude Longchamp

Wo sich Qualifizierung in Politikwissenschaft lohnt.

Die Universitäten von Uppsala, Helsinki und Aarhus schneiden im neueste Excellence Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung bezüglich für vertiefende Studien in Politikwissenschaft am besten ab. Bern, Lausanne und Zürich rangieren gemeinsam auf dem 20. Rang.

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Universität Uppsala, beherbergt das besten Angebote, um sich in Politikwissenschaft qualifizieren zu können.

Erstmals veröffentlicht wurde das Universitätsranking für qualifizierende Lehrgänge 2007. Damals beschränkte es sich auf die naturwissenschaftlichen Fächer. Mit der eben publizierten Ausgabe 2009 sind auch die sozialwissenschaftlichen Disziplinen intergriert worden. Vergeben wurden Sterne für relevante Buchpublikationen, Zitierungen von Artikeln aus Forschungsprojekten, Mobilität von Studierenden resp. Dozierenden, die Vernetzung in den Erasmus-Programmen und zitierte Fachbücher.

Politikwissenschaftliche Exzellenz in Europa

Die schwedische Universität Uppsala erhielt fünf der sechs Empfehlungen im Fach Politikwissenschaft. Auf vier Sterne bringen es die Hochschulen von Helskini in Finnland und Aarhus in Dänemark. Damit sind alle drei Top-Universitäten für Qualifizierungslehrgänge in Politikwissenschaften im hohen Norden.

16 weitere Lehrgänge in Politikwissenschaft rangieren gemeinsam auf dem 4. Platz. 7 davon sind in Grossbritannien (LSE, Cardiff, Mnachester, Strathclyde, Warwick, York, Belfast), 3 in Deutschland (FU Berlin, Jena, Potsdam), 2 in Belgien (Louvain, Loewen), je ein Lehrgang befindet sich in Italien (EUI in Florenz), Polen (Warschau), Norwegen (Oslo) und Tschechien (Prag).

Drei schweizerische Universitäten empfohlen
Aus europäischer Sicht werden von den schweizerischen Studiengängen für einen politikwissenschaftlichen Master oder Doktor diejenigen in Bern, Lausanne und Zürich empfohlen. Sie alle befinden sich auf Platz 20 von 51 aufgenommenen Kursen. Aus schweizerischer Sicht überraschend ist Genf nicht dabei.

Das Profil der Ausgezeichneten ist ähnlich: Positiv beurteilt werden jeweils die Zitierungshäufigkeit von Artikeln aus Forschungsprojekte und die Mobilität der Studierenden in Bern und Zürich resp. der Dozierenden in Lausanne. Keine Punkte sammeln die Politikwissenschaften in der Schweiz bei der Vernetzung mit Erasmus-Studiengängen und bei Buchpublikationen aus der Lehre, die andernorts zitiert werden oder Verwendung finden.

Fazit
Insgesamt liegt die Schweiz in Europa an 8. Stelle, wenn es um qualifizierende universitäre Lehrgänge geht. Beschränkt man sich auf die Politikwissenschaft, schneidet die Schweiz noch etwas besser an. Sie rangiert hinter Grossbritannien, Deutschland und Schweden auf dem guten vierten Platz.

Die hiesige politikwissenschaftliche Forschung kann sich demnach europäisch durchaus sehen lassen. Bei der Mobilität ist der Anschluss parziell geschafft, bei der Vernetzung mit Erasmus-Projekten indessen nicht. Schwachpunkt sind politkwissenschaftliche Bücher, die in der Schweiz geschrieben werden. Sie bräuchten klar mehr Support, um auf europäischem Top-Niveau mithalten zu können.

Claude Longchamp

Burka-Verbot diskutieren.

Sie hoffe, die Islamophobie verschwinde nach der Abstimmung wieder, sagte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Darin stimme ich ihr zu, auch wenn ich es nie so nennen würde.

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Teile der Initianten der Minarett-Initiative provozierten diese Woche mit dem mutierten Bundesratsbild, das die weiblichen Mitglieder der Bundesregierung in der Burka zeigt heftig. Der Bundesrat stellte sich gegen das Bild, nimmt jetzt aber das Thema im Vorfeld der MInarett-Abstimmung auf.

2007 war es CVP-Präsident Christophe Darbelley, der das Thema mit einer Interpellation aufgriff. Der Bundesrat, vertreten durch Justizminister Christoph Blocher erteilte ihm eine Absage. Blochers Nachfolgerin als Justizministerin, Eveline Widmer-Schlumpf, meinte gestern im Interview mit dem “Tele D”, sie könne sich vorstellen, «dass man sagen würde, in der Schweiz wollen wir das nicht». Die Burka «passt nicht zu unserer offenen und gleichberechtigten Kultur». Für sie als Frau biete das Kleidungsstück einen «diskriminierenden Anblick». Christophe Darbellay reagierte promt: «Die Dinge kommen in Bewegung», stellt er gestern noch fest. Er werde nun prüfen, erneut einen parlamentarischen Vorstoss für ein Burka-Verbot einzureichen.

Eine Repräsentativ-Befragung von Isopublic, die der Tages-Anzeiger zu Beginn des Abstimmungskampfes veröffentlichte, zeigte, dass 68 Prozent der Stimmberechtigten ein solches Verbot begrüssen würden., 29 Prozent halten es in der Schweiz für unnötig. Anders als es die Initiantinnen des Anti-Minarett-Initiative empfehlen, wollen sie aber nur rund zur Hälfte am 29. November für das Volksbegehren stimmen.

Nun nimmt Widmer-Schlumpf die Stimmung bei der anderen Hälfte auf: Lebensweisen, die bei uns mehrheitlich als diskriminerend empfunden werden, sollten nicht zugelassen sein, Diskriminierung von religiösen Minderheiten aber ebenso untersagt bleiben. Die Integration fördern, die zu integrierende Bevölkerung aber auch fordern ist das Motto, das beispielsweise auch Nicolas Sarkozy in Frankreich propagiert.

Georg Kreis, Präsident der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, ärgert sich über die Debatte: «Da wird versucht, einen Generalverdacht gegenüber den Muslimen an einer faktisch in der Schweiz nicht existierenden Extremvariante festzumachen. Diese Diskussion ist das grössere Problem als die Burka selber.» Brigitte Hauser-Süess, die Sprecherin von Bundesrätin Widmer-Schlumpf präzisiert die Position ihrer Chefin heute. Wenn die Burka in der Schweiz gehäuft vorkommen sollte, werde man am Verbot arbeiten.

Claude Longchamp

Der Superwahlkampf der SVP.

Die SVP gewann die Nationalratswahlen 2007 mit dem historisch besten Ergebnis einer schweizerischen Partei seit Einführung des Proporzverfahrens für die Bestellung der Volksvertretung. Eine Analyse der Wirkungsfaktoren im Wahlkampf-Benchmark präsentierte ich während meiner achten Vorlesung zur Wahlforschung an der Uni Zürich.

28,9 Prozent der Stimmen entfielen bei den Nationalratswahlen 2007 auf die SVP. Damit etablierte sich die Partei in einer Liga, in der nur noch sie figuriert. Einzigartig war auch ihr viel bestaunter und viel kritisierter Wahlkampf

Ergebnisse der dynamischen Wirkungsanalyse
Eine Wirkungsanalyse anhand der Wahlbarometer-Umfragen zeigt in einer für die Schweiz erstmals untersuchten dynamischen Betrachtungsweise, was und wann davon mobilisierend und identifizierend war:

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Für grösseres Bild auf Grafik klicken.

Demnach waren für die WählerInnen konstant wichtig, dass sich die Partei klar rechts positionierte. Förderlich wirkte sich die hohen Identifikationsangebote insbesondere mit dem Parteipräsidenten Ueli Maurer aus. Und auch der allgemeine Eindruck, den besten Wahlkampf zu führen, überzeugte die WählerInnen.

Doch das erklärt nicht, warum sich die Kampagne der SVP in Fahrt kam. Das Geheimnis erhellen kann man erst aus der Konstellation der variablen Erklärungsansätze.

Zwei Themen zeigten vor allem im Sommer 2007 Effekte: die Debatte über die kriminelle Ausländer der Einsatz für Sicherheit in der schweizerischen Gesellschaft stärkten im August die Vorstellung der SVP als themaktivste Partei. Das verschaffte ihr nicht nur ein Profil, wie es bis am Schluss keine andere Partei kannte. Es definierte auch das Klima, in dem der mediale Wahlkampf schliesslich stattfand.

Dieser focussierte erst mit dem Geheimplan für die Abwahl von Christoph Blocher wirklich auf die SVP, weil die Ereignishaftigkeit des Dramas der Medienlogik entgegen kam. Im gleichen Zeitfenster intensivierte die SVP das kommerzielle Politmarketing weit über das Mass aller anderen Parteien hinaus.

Die Ausrichtung der Kampagne auf die Wiederwahl Blochers, die für die weltanschaulich geprägten WählerInnen bereits genügend zu erhalten hatte, brachte schliesslich die Oeffnung zu Wählenden, für weniger Themen, mehr aber Personen wichtig sind.

Kritisch war die Lage nur während der Manifestation in Bern, die eskalierte und dardurch die Medienaufmerksam nochmals einengte. Doch sicherte gerade die mediale Verarbeitung dieses Ereignisses die Verbindung der emotionalisierten Wählerschaft mit der Partei.

Vorläufige Bilanz
Drei der in der Mediengesellschaft massgeblichen Kriterien des Wahlerfolgs wurden fast ausschliesslich durch die Kampagne der SVP bestimmt: die Themenführung und die Personenorientierung lagen klar bei ihr, und das Meinungsklima weitgehend durch sie bestimmt.

Die Befindlichkeit der Wählenden war so emotional produktiv angespannt, was die Mobilisierung beförderte. Gebtrieben war die Dynamik des Wahlkampfes durch die Medien, welche die SVP nicht eindeutig favorisierten, ihr aber mehr Raum als allen anderen einräumten. Geformt wurde der Prozess zudem durch die intensivsten Aufwand während der Kampagne.

Insgesamt stiess diese für schweizerische Verhältnisse in neue Dimensionen vor, weshalb man sie auch als “Superwahlkampf” bezeichnen kann.

Claude Longchamp

Arbeitsmarkt-Rating für universitäre Studiengänge.

In seiner heutigen BZ-Kolumne kritisiert Rudolf Strahm, Ex-Preisüberwacher der Schweiz, SP-Nationalrat aus den Kanton Bern und seit Jahren erfolgreicher Sachbuchautor die Hochschulautonomie. Als Korrektiv der vorherrschenden Selbstreferenz schlägt er unter anderem ein Arbeitsmarkt-Rating für universitäre Studiengänge vor.

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Rudolf Strahm will nicht die einzelnen Besetzungen von Professuren beeinflussen, die Kriterien der Professorenwahlen Richtung Praxistauglichkeit erweitern.

Anlass der Kritik ist der Berner Universitätsgesetz, das 2010 beraten und in Kraft gesetzt werden soll, um den Autonomiegrad der Universität zu erhöhen.

Rudolf Strahm, Chemiker und Volkswirtschafter, Dozent an verschiedensten Hochschulen, weiss, dass gerade seine Generation, die 68er, die Hochschulautonomie hochgehalten hatte. Denn die obersten Bildungsanstalten sollten Orte der Ideenentwicklungen sein, um gesellschaftliche Innovationen auszulösen. Heute werde Autonomie jedoch anders verstanden, schreibt Strahm: als Selbstreferenz des Bildungswesens, um Universitätskarrieren zu erleichtern.

Das müsse mit dem Universitätsgesetz korrigiert werden, fordert Strahm mit Hinweis auf die 280 Mio. Franken Steuergelder, welche der Kanton jährlich an die hiesige Uni leiste. Konkret verlangt er, Praxiserfahrung, Lehrbefähigung und Organisationskompetenz zusätzlich zum wissenschaftlichen Ausweis als Kritierien für die Wahl auf eine Professur aufzunehmen.

Zudem schlägt er ein Rating vor, dass die Arbeitsmarktfähigkeit von Fakultäten und Studiengängen aufzeigt. Dieses soll der Oeffentlichkeit klar machen, wie viele StudienabgängerInnen eine Anstellung gefunden haben, die ihrem Studienabschluss entspricht.

Eine Diskussion hierzu ist sicher zu begrüssen: einmal, weil das Bildungssystem den Doppelcharakter der Wissenproduktion an sich, aber auch der Ausbildung von SpezialistInnen ausserhalb des Hochschulsystems hat; sodann auch, weil die lokalen Entwicklungen nachhaltig von der globalen und regionalen Ausstrahlung einer Uni abhängen.

Ein Gespräch, das ich diese Woche mit einem Kollegen einer süddeutschen Uni bestätigt mich darin. Denn die Schaffung des neuesten Lehrstuhls für Politologie sei direkt an den Nachweis geknüpft worden, das man die Brauchbarkeit des Wissens für den Arbeitsmarkt beweise.

Claude Longchamp

Wahlforschung international.

Wahlforschung gehört zu den international am weitest verbreitetsten Teilgebieten der Politikwissenschaft, die aus dem Vergleich über Wahlsysteme hinaus besondere Erkenntnisse zum Beispiel über die Wahlbeteiligung gewinnt.

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Der Berliner Politikwissenschafter Bernhard Wessels, eine der führenden Netzwerker unter den Wahlforschern auf der ganzen Welt

Die Wahlforschung gehört traditionell zum Kernbereich der Politikwissenschaft. Seit der bekannten Columbia Studie die Paul Felix Lazarsfeld in den 40er Jahren in den USA durchführte, haben sich dabei Meinungsumfragen als zentralen methodisches Instrument zur Bestimmung von Wahlmotiven, Wahlabsichten und Wahlenscheidungen erwiesen. Viele national fokussierte Studien sind seither erstellt worden. Seit den 90ern konzentrieren sich PolitologInnen auf eine international koordinierte und gemeinsam entwickelte Wahlforschung. Sie soll es ermöglicht, vergleichende Schlüsse zu ziehen.

Bernhard Wessels, Privatdozent am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, ist Mitglied im Planungskomitee für vergleichende Studien in verschiedenartigen Wahlsystemen (CSES) und Ko-Leiter der deutschen Langzeit Wahlstudie (German Longitudinal Electoral Studies GLES). Er ist eine der treibenden Kräfte, die Geld für die deutsche akademische Wahlforschung nach amerikanischem und nordischem Vorbild beschaffen und erstklassige Wissenschaftlern rekrutieren. Sich selber bezeichnete er in einem Vortrag am Liechtenstein Institut als “Lastesel der deutschen Wahlforschung”.

1994 initiierte Wessels mit andern Wahlforschern eine Initiative, international vergleichende Wahlforschung zu betreiben, der sich zwischenzeitlich 53 Länder freiwillig angeschlossen haben. Zu den vorrangigen Fragestellungen zählt, was BürgerInnen dazu bewegt, von der Möglichkeit, ihre Stimme abzugeben, Gebrauch machen. Zu den zentralen Ergebnissen zählt, dass sie am bereitwilligsten teilnehmen, wenn die Wahlen bedeutungsvoll sind, eine echte Wahlmöglichkeit besteht, und sich Wahlergebnisse für die nachfolgende Politik auwirken. Oder anders gesagt: Wenn das Resultat zu effektiver Regierungsarbeit führt.

Die Schweiz ist übrigen ein gutes Beispiel dafür: Die mittlere Wahlbeteiligung liegt knapp unter 50 Prozent. Sie ist erst in jünster Zeit wieder angestiegen. Lange Zeit hatten Schweizer Parlamentswahlen keine Auswirkungen auf die Regierungszusammensetzung, und die Sachpolitik wird bis heute nicht via Wahlen global, sondern über Volksabstimmung im Einzelnen festgelegt. Die bekannteste Ausnahme sind die USA mit ihrer ebenfalls tiefen Wahlbeteiligung, obwohl der Präsident (indirekt) gewählt wird. Immerhin stieg die Teilnahme 2008 wieder an, als ein Regierungswechsel möglich erschien. Der Zusatzmobilisierung verdanke Barack Obama unter anderem auch seinen Wahlsieg.

Claude Longchamp

Warum Muslime gegen die Minarett-Initiative sind.

Im Abstimmungskampf über die Minarett-Initiative äussern sich die betroffenen Muslime nur selten. Und das mit Absicht.

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Es versteht sich von selbst, dass die Muslime in der Schweiz es nicht befürworten, dass der Bau von Minaretten per Verfassung in der Schweiz verboten wird, halten verschiedene muslimische Organisation in einem Argumentarium gemeinsam fest.

Da sie darauf vertrauen, dass die Schweizer StimmbürgerInnen keine religionsspezifischen, diskriminierenden Sonderregelungen für Muslime erlassen werden, hält es der in der Schweiz lebende persische Soziologe Farhad Afshar für richtig, dass auf eine Kampagne gegen diese Initiative von Seiten der Muslime verzichtet wird.

An diese Abmachung halten sich verschiedene muslimische Orgnisationen wie die Gesellschaft Schweiz – Islamische Welt und die Koordination Islamischer Organisationen Schweiz, wie sie auf der Plattform www.islam.ch mitteilen.

Sie halten fest, die Muslime in der Schweiz würden fest hinter der Schweizer Verfassung und ihren Gesetzen stehen. Natürlich würden sich das Baugesetz beachten.

Auf die Provokation der konservativ-religiösen Kreise hinter der Initiative treten man nicht spezifisch ein. Denn zur Debatte stehe die Religionsfreiheit an sich und deshalb seien alle Religionsgemeinschaften gleichermassen angesprochen.

Claude Longchamp

Muslime in der Schweiz: wahrscheinlich nur 10 bis 15 Prozent regelmässig in Moschee.

Lebten 1970 rund 16300 Muslime in der Schweiz, hat sich die Zahl inzwischen auf rund 400’000 erhöht. Für sie gibt es 180 Gebetslokale, die von 10 bis 15 Prozent der Muslime in der Schweiz regelmässig besucht werden.

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In den 80er- und vor allem 90er-Jahren begann die heutige Migrationsphase von Menschen muslimischen Glaubens. Damit begann auch das Bedürfnis der Muslime, sich hier in Vereinen zu organisieren und ihre Religion in entsprechenden Räumen zu praktizieren. Dies waren am Anfang vor allem Gewerbe- oder Industriegebäude, in den letzten Jahren sind 180 Gebetslokale dazugekommen. Vier Moscheen haben ein Minarett.

Die muslimischen Gemeinden in der Schweiz sind sehr heterogen. “Den” Muslim als solchen gibt es nicht: 56 Prozent stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien (Kosovo-Albaner und Bosnier), 20 Prozent stammen aus der Türkei, und 15 Prozent sind aus Schwarzafrika. In ihren Vereinen sind die Muslime meist nach Nationalitäten organisiert. In der deutschsprachigen Schweiz gilt das insbesondere für die bosnischen und albanischen Muslime.

Das Religionswissenschaftliche Seminar der Uni Luzern geht davon aus, dass lediglich 10 bis 15 Prozent regelmässig eine Moschee besuchen. Der Rest ist unterschiedlich stark laizistsich geprägt.

Claude Longchamp

Wahlen in der Mediengesellschaft: gerade in der Schweiz ein Forschungsthema wert.

Die siebte Zürcher Vorlesung zur Wahlforschung, die ich an der Universität Zürich hielt, beschäftigte sich mit dem Forschungsfeld “Wählen und Wahlen in der Mediendemokratie”. Gerade hier zeigte sich, sie wie gross die Forschungslücken hierzulande sind.

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Medialisierte Impressionen aus dem Wahlkampf 2007

Noch ist es umstritten, ob wir in einer Mediendemokratie leben. Otfried Jarren, der führende Medienwissenschafter der Uni Zürich, scheint das zu bejahen, denn er schreibt bereits Lehrbücher zur politischen Kommunikation in der Mediendemokratie. Und Benjamin Weinmann die Professionalisierung, Emotionalisierung und Personalisierung der politischen Kommunikation bei Schweizer Wahlen für ein Fakt, sodass man von einer erheblichen Modernisierung der Wahlkampfkommunikation sprechen könne.

Meine Beurteilung ist differenziert: Ich bin der Auffassung, dass sich die Kommunikationskulturen vor allem bei Abstimmungen und Wahlen im Sinne eines mediengesellschaftlichen Trends entwickeln. Doch die Institutionen der Schweizer Wahlen machen diese Entwicklung kaum mit, sodass eine Neutralisierung der Veränderungen stattfindet.

Das sieht man etwa beim Werbeaufwand der Parteien, bei ihren Medienkampagnen, bei der Wahlberichterstattung der Massenmedien: Parteien werden auf SpitzenkandidatInnen reduziert, Information durch Emotionsmanagement abgelöst und die Milizler in Wahlkampagnen werden mehr und mehr durch Profis ersetzt. Und dennoch: Es finden keine Bundesratswahlen statt, die Wahlkreise sind unverändert die Kantone und die politische Werbung in Fernsehen und Radio der SRG bleiben untersagt. Das alles spricht für ein “stop an go” der mediengesellschaftlichen Trends in der Schweiz.

Die Wahlforschung scheint aber selbst die Mischung von traditionellen und modernen Elementen der Wahlkampfkommunikation auszublenden. Werden Analyse auf der Mikro-Ebene durch solche der Meso- oder Makro-Ebene ergänzt, konzentriert man sich vorwiegend auf die Kampagnen von Parteien und KandidatInnen. Medienkampagnen wurde noch fast nirgends untersuch oder nicht in den Zusammenhang mit den Wahlergebnissen gestellt.

Schade, denn es gibt offensichtlich interessante Fragestellungen, die noch weitgehend unbeackert sind. Drei erwähne ich hier:

. Die Wahkampfausgaben 2007, soweit sie sich Dingfest machen lassen, variieren fast linear im Links/Rechts-Spektrum. Am meisten gab der Wahlsieger, die SVP, aus
. Der Vergleich der Parteistärken bei nationalen und kantonalen Wahlen spricht dafür, dass die SVP klar verschieden gut abschneidet. National kommt sie auf annähernd 29 Prozent, kantonal im Schnitt auf 22 Prozent.
. Der Wahlkampf der SVP 2009 entspricht dem, was meinen Superwahlkampf nennen könnte. Er setzte wie der keiner anderen Partei auf Themen, Emotionen und Personen. Und erreichte ein eindeutige Propaganda-Dominanz.

Ich will hier kein Plädoyer für einfache und einseitige Zusammenhänge halten. Denn ich weiss, dass die Grünen finanziell keinen aufwendigen Wahlkampf führten und dennoch bei den Parlamentswahlen 2007 zulegen konnten. Ich werbe aber dafür, 2011 klar mehr Energie und Mittel in die Erforschug der Zusammenhänge zwischen Medienarbeit einerseits und Wahlergebnissen anderseits zu investieren – auch seitens der Wissenschaft. um empirisch gehaltvolle Fallstudien zu bekommen, welche die Diskussion der übergeordneten Fragestellungen erlauben.

Claude Longchamp