Verantwortungsethik statt Eigennutzenmaximierung

Mit einem Satz über das “fehlende Unrechtsbewusstsein” der Schweiz in Sachen Bankgeheimnis hat er die wohl grösste Kontroverse über Wissenschaft und Politik, die in letzter Zeit in der Schweiz stattgefunden hat, ausgelöst. PolitikerInnen, Professorinnen, Rektoren und JournalistInnen handelten den Fall ab. Jetzt äussert sich Ulrich Thielemann, Wirtschaftsethiker an der Universität St. Gallen, über das Grundsätzliche an der Debatte.

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Die Erschaffung der “Göttin DS” wäre nur nach ökonomischen Gesichtspunkte nie geschehen, kritisiert der St. Galler Wirtschaftsethiker Ulrich Thielemann die vorherrschende Sichtweise in den Wirtschaftswissenschaften und der Ausbildung von ManagerInnen.

In einem längeren Interview im “Magazin” definiert sich Thielemann als Aufklärer, der seit längerem Forschung zur Wirtschaftsethik betreibe, sie auch im Praktischen anwende, wei sie nicht l’art pour l’art bleiben solle.

Sinnbildlich dafür ist seine Interpretation der Entstehung der französischen DS, denn als die Firma Citroën daran ging, einen Nachfolger für den Traction Avant zu finden, habe man den Ingenieuren gesagt, ihr habt alle Freiheiten, macht, was ihr wollt. Heraus kam das bekannte, flunderartige Fahrzeug, die Göttin “Deesse”, voll von mehr oder minder nützlichen Innovationen, bei denen sich die Ingenieure austoben konnten. Das Kunstwerk sei nur möglich, weil der ökonomische Gesichtspunkt nicht der Einzige war.

Die Ursache der gegenwärtige Krise, so der Wirtschaftsethiker, sei die Entfesselung der Gier im Namen der Marktgläubigkeit. Entstanden sei sie mit der Gewinnmaximierung zugunsten von Investoren als einzige legitime Anspruchsgruppe. Doch dazu gebe es heute eine Gegenbewegung, die im Theoretischen beginne. Denn was man als Gier bezeichne, habe in der in der Oekonomie lange als rational gegolten. Grund dafür sei, dass die Wirtschaftswissenschaft zur Wissenskirche verkommen, keine Wissenschaft mehr senn. Denn anders als in der Psychologie oder Soziologie, sei der Pluralismus widerstreitender Denkschulen in der Oekonomie weitgehend verschwunden.

Gelernt werden müsse heute wieder, was Integrität heisse, denn das eigene Erfolgsstreben hänge von der Legitimierbarkeit ab. Verantwortung müsse an den Universitäten wieder gelehrt und gelernt werden.

Verantwortungsethik alleine werden jedoch nicht genügen. Wichtiger noch sei die Ordnungsethik, die verantwortungsvolles Handeln stütze. Damit seien in erster Linie die Gesetze des Rechtsstaats gemeint, die als institutionelle Rückenstützen wirken würden. Denn ohne Ordnungsethik sei der Verantwortungsbewusste rasch der Dumme. Das zu verhindern, sei die Aufgabe der Politik.

Thielemann gibt sich ungern prognostisch, glaubt aber, wir seien mit der gegenwärtigen Krise in eine neue Zeit unterwegs. Die Marktgläubigkeit sei als allein selig machendes Paradigma gescheitert. Der Markt brauche auf allen Stufen Begrenzungen. Das sei nur in der Theorie etwas neues. Denn das Menschenbild des Homo œconomicus, der Mensch also, der alles zu seinem Eigennutzen maximiert, sei nicht nur moralisch nicht rechtfertigungsfähig, sondern entspreche auch nicht dem Selbstverständnis eines normal sozialisierten Menschen.

Oder noch deutlicher: Der Kern des Problems ist das entgrenzte Erfolgstreben, doziert Thielemann. Denn das verletze den kategorischen Imperativ. Im «Reich der Zwecke», in der humanen Gesellschaft also, hat alles «entweder einen Preis — oder Würde», formulierte dies Immanuel Kant.

Claude Longchamp

Rassistische Uebergriffe in der EU verbreiteter als angenommen

Die Europäische Agentur für Grundrechte veröffentlichte dieser Tage die Hauptergebnisse der ersten EU-weiten Untersuchung über Erfahrungen ethnischer Minderheiten und MigrantInnen mit Diskriminierungen und rassistischen Uebergriffen. Dabei wird deutlich, dass die Problem everbreiteter sind, als aus den offiziellen Statistik hervor geht.

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55% der 23’500 repräsentativ ausgewählten MigrantInnen resp. MinderheitenvertreterInnen in den EU-Mitgliedstaaten gehen davon aus, dass rassitisch motivierte Uebergriffe in ihren Ländern verbreitet sind. 37 Prozent haben in den letzten 12 Monaten eigene Erfahrungen damit gemacht, und 12 Prozent berichtet, im genannten Zeitraum Opfer von rassistischen Straftaten geworden zu sein. Doch 4 von 5 verzichteten allerdings auf eine Anzeige, die meisten davon, weil sie nicht an Konsequenzen für die TäterInnen glauben.

Am meisten betroffen sind Roma, namentlich in Tschechien, Ungarn, Polen und Griechenland, aber auch AfrikanerInnen, speziell in Malta und Italien.

Die ersten Studienergebnisse sollen bis Ende Jahr vertieft ausgewertet und in Stockholm zum Ende der schwedischen Präsidentschaft in der EU der Oeffentlichkeit vorgestellt werden.

Claude Longchamp

Den Stand der Rassismusbekämpfung beurteilen.

Für die Konferenz der Vereinten Nationen zu Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz, die nächste Woche in Genf stattfindet, liegt ein verbindliches Arbeitsdokument vor. Das gab am gestern Abend die UNO-Menschenrechtsbeauftragte, Navi Pillay, an einer Medienkonferenz bekannt.

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Aufgabe der viertägigen Konferenz ist es, eine Zwischenbilanz zur nationalen, regionalen und lokalen Umsetzungm Programm zu ziehen, das 2001 im südafrikanischen Durban von der UNO lanciert worden war.

Im Schlussdokument von Durban wurden vor 8 Jahren alle Formen von Rassendiskriminierungen und Fremdenfeindlichkeit geächtet. Sklaverei wurde erstmals als Verbrechen gegen die Menschlichkeit qualifiziert. Akzente setzte Durban bei den Rechten der Urvölker. Verlangt wurde auch der Schutz von Opfern wie Ehefrauen von Migranten, die mehrfach benachteiligt werden. Beklagt wurden Diskriminerung von Einwanderern bei Wohnungs- und Stellensuche, in Ausbildung und Gesundheitswesen.

Entwürfe für die Schlusserklärung von Genf lösten im Vorfeld erhebliche Kontroversen aus. Bis am Schluss rang man vor allem darüber, ob die Meinungsfreiheit bei Religionskritik eingeschränkt werden sollte, wie das die Organsiation der islamischen Konferenz verlangt hatte. Zudem sollte die Erinnerung an den Holocaust aus dem Dokument gestrichen werden, was insbesondere den Protest pro-israelischer Gruppen hervorgerufen hatte.

Navi Palli kommentierte den Kompromiss, den Russland eingebracht hatte, als wichtigen Schritt in einem langwierigen Kampf. Wie in allen internationalen Konferenzen hätte auch hier die Staaten mit stark divergierenden Standpunkten begonnen, doch seien sie überwiegend dem Ziel der Rassismusbekämpfung verpflichtet geblieben.


Stand der Massnahmen in der Schweiz

Die Schweiz begründete im Jahr der Konferenz von Durban die Fachstelle für Rassismusbekämpfung. Sie unterstützt seither 760 Programme in Schulen, Polizeikorps und sozialen Institutionen, die verstecktem Rassismus vorbeugen. Das Bundesamt für Migration fördert Programme zur Integration von AusländerInnen mit 14 Mio. Franken, doch weigert sich der Bundesrat die UN-Konvention über Wanderarbeitnehmer und ihre Familien zu unterzeichnen. Die Eidgenössische Kommission für Rassismusfragen forderte im Vorfeld der Konferenz, zusätzliche Anstrengungen unternehmen. Insbesondere fehle in der Schweiz ein allgemeines Diskriminierungsverbot im Zivilrecht.

Die Schweiz wird an der Konferenz teilnehmen. Ihre Beteiligung abgesagt haben Israel, Kanada, die USA und Australien.

Claude Longchamp

Erprobt und entwicklungsfähig, lautet die Bilanz nach 10 Jahren mit der neuen Bundesverfassung

Am 18. April 2009 jährt sich die Entscheidung zur neuen Bundesverfassung der Schweiz zum zehnten Mal. Der Basler Historiker Georg Kreis hat das zum Anlass für eine Standortbestimmung genommen und 8 JuristInnen sowie 2 Sozialwissenschafter zu Bilanzen aufgefordert. Hier die Uebersicht.

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Auslöser für das kleine Büchlein, das es seit einigen Tagen gibt, ist der Stolz, dass es nach jahrelangen Vorarbeiten zu einer eindeutigen Zustimmung in der Volksentscheidung gekommen ist. Der reicht allerdings nicht so weit, um von kritischen Gedanken zum Potenzial der Verfassungsrevision für weitere Reformarbeiten abzulenken.

Die Stimmen der JuristInnen

Magistral eröffnet als Bundesrat Arnold Koller die Uebersicht über die vollbrachten Leistungnen. Die formelle Nachführung des Verfassungsrechts habe mehr als erwartet gebracht, sagt der Vater der Reform. Die neue, übersichtliche Systematik habe die Einfügung weiterer Reformpakete wie die Justizreform, den Finanzausgleich und die Bildungsartikel wesentlich erleichtert. In den Schulen würde die lesbarer gewordene Verfassung vermehrt eingesetzt, und im Ausland habe sie Respekt und Anerkennung gefunden. Heinrich Koller, weiland sein Chefbeamter, doppelt nach: Wenn man bedenke, dass viele der damals am Werk Beteiligten es später in Verwaltung, Gerichten, an Universitäten und im Journalismus zu Ruhm und Ehre gebracht haben, werde deutlich, über welch beeindruckendes Potenzial die Bundesverwaltung während dieses Reformprozesses verfügte (und immer wieder verfüge).

Lob bekommt die Revision der Bundesverfassung Bernhard Ehrenzeller, St. Galler Professor für öffentliches Recht, weil sie die Kantone zu einer starken Vereinheitlichung ihres Verfassungsrechts veranlasst habe. Als Ergebnis der jahrenlangen Reformbemühungen in Bund und Kantonen zeige sich heute das Verfassungsbild eines koordinierten schweizerischen Bundesstaates, der genügend Platz für Experimente in den Kantonen, zwischen ihnen und im Verhältnis zum Bund lasse.

Aehnliches konstatiert auch Thomas Cottier auf dem Gebiet der Integrationspolitik. Deshalb sei die Bundesverfassung kein Hemmschuh, vielmehr die Basis für die Beteiligung der Schweiz am europäischen Grossprojekt. Wenn das nicht auf Anhieb gelinge, sei das eher in der poltischen Kultur der Schweiz begründet als im Verfassungsrecht. Vielleicht, lässt der Berner Europarechtler gelten, habe die neue Bundesverfassung aber zu wenig traditionsorientierten Staatsbildern, politisch motivierte Mythen und Ideologien aufgeräumt.

Damit ist man im Sammelband fast nahtlos an die Schwelle der kritischen Betrachtungen geführt worden. Zuerst fällt einem da die von alt Ständerat Rene Rhinow (und Martin Graf) auf. Die anlässlich der Reform ’99 angekündigte Staatsleitungsreform sei bis heute nicht verwirklicht worden; sie scheitere unverändert am nachhaltigen Widerstand des Bundesrates. Die nachgelagerten Bereichsreformen für direkte Demorktie, Justiz und Finanzen seien nur teilweise erfolgreich gewesen, und der Funke der Verfassungspflege aus der Nachführung sei gar nicht institutionalisiert worden. Schlimmer noch, man habe mit der neuen Bundesverfassung nicht vermeiden können, dass die gegenwärtige politische Landschaft bedenkliche Tendenzen eines verminderten rechtsstaatlichen Bewusstseins zeige.

Kritisch stuft auch der Bundesbeamte Luzius Mader das Verhältnis zwischen Bund und Kantonen ein. Das 2008 geschaffene Haus der Kantone – ein Symbol der gestärkten Bedeutung des Föderalismus – könne nicht darüber hinweg täuschen, dass die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Kantonen unbefriedigend geblieben sei. Höchst umstrittene rechtspolitische Debatten über Massnahmen des Bundes gegen Hooliganismus, gegen gefährliche Hunde oder über Rauchverbote seien beredete Beispiele für den gegenwärtigen Zustand, den man nicht totschweigen könne. Gleiches gelte auch für die Vernachlässigung von Kantonsaufgaben, etwa der inneren Sicherheit, die fast bedenkenlos bisweilen an den Bund, bisweilen an private Schutzorganisationen delegiert werde.

Schliesslich verweist auch die Freiburger Europarechtlerin Astrid Epiney auf ungelöste Probleme im Verhältnis zum Integrationsprozess der Schweiz. Aufzeigen lässt sich das an der Behandlung völkerrechtswidriger Initiativen. Ihr bleibt angesichts verbliebener Lücken vor allem die Hoffnung auf befriedigende Lösungen in der Zukunft, während der vormalige Präsident des Bundesgerichts Giusep Nay konkrete Vorschläge prüft, wie das Rechtsstaatsprinzip unter Achtung der direktdemorkatischen Rechte verwirklicht werden solle.

Die Stimmen der Sozialwissenschafter
Vor diesem spannenden tour d’horizont von Möglichkeiten und Grenzen der Verfassungsreform in der Schweiz übernimmt Georg Kreis die Aufabe, den konkreten Entscheidungsprozess bis 1999 nachzuvollziehen. Kurt Imhof, Soziologe in Zürich, reiht das in die bisherigen Verfassungsrevision auf Bundesebene ein, um die Pfadabhängigkeit der jüngsten Reform im Lichte der Veränderungen von 1848 und 1874, nicht aber von 1935 zu spiegeln.

Die eigentliche Pointe setzt aber der Politologe Leonhard Neidhard im anregenden Band: Dem Palaver über Institutionenreform, wie sie aktuell beim Bundesrat geführt werde, mag er kein weiteres Wort hinzufügen. Viel wichtiger ist ihm, warum es sich ein Land wie die Schweiz leisten könne, Verfassungsrevisionen fast gänzlich ohne das Volk durchzuziehen. Sein Schluss besteht im Hinweis auf eine stabile Metaverfassung, die es in der Schweiz gebe und die auf der kommunalen und kantonalen Ebene auf intensiver Eingrenzung basiere. Sie lasse kleine Veränderungen regelmässig zu und bestimme so das effektive politische Leben. Deshalb würden Reformvorhaben immer mehr versprechen als einhalten.

Die mentale der Verfassung der Schweiz sei in jüngster Zeit auch nicht durch den Nachvollzug des eigenen Verfassungsrechts beeinflusst worden. Vielmehr sei die gut regulierte Willensnation Schweiz zeitgeschichtlich gesehen nur mit der EWR-Entscheidung von 1992 wirklich aufgerüttelt worden. Doch auch da beginne inzwischen jener Bilateralismus zu wirken, der das schweizerische Verhältnis von Kulturräumen und Kantonen zueinander präge. Man sei klein, meist unbedeutend und störe nur selten. Das erlaube es, flexibel mit allen zusammenzuarbeiten. Und so gehöre man faktisch dazu, ohne es zu merken – ganz wie es die Appenzeller in der Eidgenossenschaft schon lang machen würden.

Ein wirklich kunterbuntes Geburtstagsgeschenk, das die Prominenz der Bundesverfassung da gemacht hat!

Claude Longchamp

Georg Kreis (Hg.): Erprobt und entwicklungsfähig. Zehn Jahre neue Bundesverfassung, NZZ-Verlag, Zürich 2009

Europa 2030: Was EuropäerInnen und SchweizerInnen von der Zukunft erwarten

In der Schweiz sind ökologische Hoffnungen top, während unmoralische Manager hierzulande auch in Zukunft floppen dürften. Das zeigt der Zukunftsbericht 2030 zur Schweiz in einem europäischen 9 Ländervergleich.

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Wenn EuropäerInnen ans Jahr 2030 denken, fürchten resp. hoffen sie …

… zu 61 %, dass Alltagsgüter wie Lebensmittel deutlich teurer sein werden,
… zu 60 %, dass die meisten Paaren zusammen leben, ohne verheiratet zu sein,
… zu 57 %, dass die Kluft zwischen Arm und Reich im jeweiligen Land grösser werden wird
… zu 52 %, dass Altersarmut ist ein ungelöstes Problem sein wird und
… zu 50 %, dass der meiste Müll wird wiederverwertet.

Soziale Aengste, gesellschaftliche Individualisierung und ökologische Hoffnungen stehen an der Spitze der Erwartungen, wie sich Europa in der nächsten Generation entwickelt. Das jedenfalls sind die fünf wahrscheinlichsten Entwicklungen, die eine grosse Bevölkerungsbefragung der Stiftung für Zukunftsfragen in 9 europäischen Ländern (unter anderem auch der Schweiz) ergeben hat. Insgesamt haben Mitte 2008 gut 10’000 repräsentativ ausgesuchte Personen zu 80 möglichen Entwicklung Auskunft gegeben.

Die soeben in Buchform veröffentlichte Studie zeigt auch, was die Menschen im alten Kontinent für unwahrscheinlich halten: dass die Stimme von Jungen in Wahl insküftig doppelt zählt, dass sich die Einkommen der Top-Manager bis 2030 verringern werden, dass Regen und Schnee lokal beeinflusst werden kann, dass Arbeitnehmer statt Geld andere Formen der Entlöhnung erhalten und dass dank Gentechnik Hunger in der Welt verschwindet.

Ulrich Reinhardt und Geogres T. Roos, zwei professionelle Zukunftsforscher aus Deutschland und der Schweiz, haben zahlreiche Kommentare zur aktuellen Erwartung des kommenden Wertwandels in einem Sammelband vereinigt, der, wie es in der Zukunftsforschung nicht anders zu erwarten ist, eher locker mit den vermuteten Trends umgeht.

Das gilt auch für den Kommentar zur Schweizer Umfrage, den Andreas Giger verfasst hat. Ihn interessierte weniger, was man in der Schweiz mehr (“Müllverwertung ganz top”) oder weniger (“Managerlöhne ganz flopp”) als anderswo auf sich selber zukommen sieht. Denn er hielt sich mehr daran auf, dass die SchweizerInnen doppelt so häufig wie etwa die Russinen eines der geschildeten Erwartungen für zutreffen einschätzten. In Europa sind sie fast Europameister, wenn es darum geht, zur Zukunft eine Meinung zu haben.

Der Soziologe folgert daraus, dass “in der Schweiz das Ganze in Form der Gemeinschaft so wichtig ist, dass der Gedanke an der Zukunft weitaus mehr Aengste und Hoffnungen prozuiert als bei den meisten anderen EuropäerInnen.” Das habe mit (national) unterschiedlichen Zukunftskulturen zu tun, als im Grad der individuellen Betroffenheit durch das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen.

Dieser Schluss sei nicht unproblematisch, hält Giger fest, denn er bedinge Uebersetzungsleistungen, von Menschen mit ausgeprägtem Bewusstsein für Feinheiten von Wörtern, Bedeutungen, Sprachen und Kulturen geleistet. Die Briten seien hierfür ungeeignet. Die Schweiz, ironisiert Giger, hätte die besten Veraussetzungen hierfür. Nur wisse sie das noch nicht.

Also, liesst das Buch und spricht darüber!

Claude Longchamp

U. Reinhardt, Georges T. Roos (Hg.): Wie die Europäer ihre Zukunft sehen. Antworten aus 9 Ländern, Darmstadt 2009

Wahlforschung in Theorie, Empirie und Praxis.

Ankündigung der Vorlesung von Claude Longchamp im Herbstsemester (18.9.-18.12) 2009 am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich

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Ziele und Vorgehen
Die Vorlesung will die Teilnehmenden in drei Bereiche der Wahlforschung einführen:

. in die Theorien der Wahlforschung,
. in die Empirie der Wahlforschung und
. in die Praxis der Wahlforschung,

Hauptsächliches Anschauungsmaterial sind schweizerische Wahlen auf nationaler Ebene. Gelegentlich werden auch Wahlen auf kantonaler Ebene miteinbezogen resp. kommen auch Wahlen im Ausland, insbesondere in den USA, zur Sprache.

AbsolventInnen der Veranstaltung sollen am Schluss einen Ueberblick über die relevanten Themen in den genannten Bereichen und die Leistungen der Wahlforschung hierzu haben. Das soll nicht nur abstrakt, sondern auch konkret aus der gelebten Wahlforschung heraus vermittelt werden.

Inhalt und Aufbau der Vorlesung
Wahlen gelten als wichtigstes, wenn auch nicht einziges Kriterium von Demokratien, denn sie regeln periodisch die politische Machtverteilung. Die sozialwissenschaftliche Wahlforschung beschäftigt sich dabei mit verschiedensten Fragestellungen. Von diesen greifen wir in der Vorlesung eine heraus: Wie bildet sich der WählerInnen-Wille heraus, der die Wahlergebnisse bestimmt und in Mandate in Parlamenten (beschränkt auch Regierungen) transformiert wird.

Wahlforschung wir bei weitem nicht nur von der Politikwissenschaft alleine betrieben. Die ganzen Sozialwissenschaften beschäftigen sich damit, namentlich die (Sozial)Psychologie, die Oekonomie, die Soziologie, die Kommunikations- und Medienwissenschaft, aber auch Geschichte, Geografie Jurisprudenz und Statistik. Wahlforschung ist deshalb in hohem Masse ein interdisziplinär betriebenes Wissenschaftsfeld, was sich in der Vorlesung spiegeln soll. Wahlforschung wird darüber hinaus nicht nur von der theoretischen Seite aus betrieben; sie entsteht immer wieder von neuem aus der (sozialwissenschaftlich inspirierten) Bedarfsforschung.

Zur Sprache kommen in der Vorlesung nebst der Fachliteratur auch Projekte, welche aus universitären resp. ausseruniversitären Forschung entstanden sind resp. diese befruchten. Namentlich erwähnt seien Selects, fög-Medienanalysen, das SRG-Wahlbarometer, smartvote und die sotomo-Studien. Speziell behandelt wird auch das weltweit führende Prognoseprojekt „PollyVote“.

Damit erweitert sich die übliche, akademische Betrachtungsweise von Wahlen hin zur praktischen. Das soll aufzeigen, zu was theoretisch-empirische Wahlforschung fähig ist, durch was diese aber auch beeinflusst wird, und wie weit sie Wahlen selber beeinflusst.

Inhaltlich hat die Vorlesung 6 etwas ungleiche Teile:

– Die Einführung (2 Stunden)
– Der Ueberblick über die Themen (2 Stunden)
– Die Präsentation ausgewählter Theorien der Wahlforschung (6 Stunden)
– Die Präsentation zentraler empirischer Vorgehensweisen in der Wahlforschung (6 Stunden)
– Die Besprechung von Forschungsprojekte der politikwissenschaftlichen der angewandten Wahlforschung (8 Stunden)
– Der Ausblick zum Stand der Wahlforschung und zu Forschungslücken (in der Schweiz) (2 Stunden)

Hinzu kommt die Prüfung während der letzten Sitzung.

Die Vorlesung versteht sich als Vorbereitung für PolitikwissenschafterInnen, die in die Wahlforschung einsteigen möchten, sei dies in der universitären Grundlagenforschung oder in der ausseruniversitären Anwendungsforschung. Die Vorlesung ist mehr als eine Einführung in die politikwissenschaftliche Betrachtungsweise von Wahlen. Sie ist gleichzeitig auch weniger als ein Forschungsseminar hierzu.

Auswahlbibliografie (empfohlene Lektüre)
Klöti, U. et al. (Hg.): Handbuch der Schweizer Politik, Zürich 2006. (insbesondere: “Die nationalen Wahlen in der Schweiz”, p. 427-457
Rosenberger, S., Seeber, G.: Wählen. Wien 2008.
Bürklin, W., Klein, M.: Wahlen und Wählerverhalten, Opladen 1998 (2. Auflage).
Roth, D.: Empirische Wahlforschung. Urpsrung, Theorie, Instrumente, Methoden, Wiesbaden 2008 (2. aktualisierte Auflage).
Falter, J., Schoen, H.: Handbuch Wahlforschung, Wiesbaden 2005.

Die Zukunft Chimerikas

Er ist der Optimist unter allen Analytikern der USA in der Zeit nach der Finanzkrise: Niall Ferguson, 45, britischer Historiker an der amerikanischen Harvard University. Der begnadeste Geschichtsprofessor seiner Generation, publizistisch vor allem im Fernsehen und mit Artikeln und Büchern dazu aktiv, erfand (mit Moritz Schularik) auch den Begriff “Chimerika”, ein Schachtelwort aus China und Amerika, weil die Oekonomien beider Länder engstens miteinander verhängt seien.

Stellt man sich die Wirtschaft beider Länder als die eines einzigen vor, kommt dieses Chimerika auf 13 Prozent der Landmasse, stellt ein Viertel der Erdbevölkerung, kommt auf etwa ein Drittel des Bruttosozialprodukts und auf circa die Hälfte des globalen Wirtschaftswachstums der letzten sechs Jahre.

Sehr einfach ausgedrückt, besorgte die eine Hälfte, die Westchimeriker, das Sparen und die andere, die Ostchimeriker, das Ausgeben. Die USA erzeugten Wachstum durch Bauen mit Schulden, während die Chinesen mit höher Produktion zu tiefen Löhnen Kredite vergaben. Doch dann enthüllte eine Welle geplatzter Hypotheken an Kreditnehmer mit schlechter Bonität, wie instabil Chimerika war.

“Wie immer bei Blasen”, sagt der Wirtschaftshistoriker, “ging schnelles Geld mit einer laxen Kreditvergabe und glattem Betrug einher.” Der Kollaps am Immobilienmarkt habe deshalb so verheerend gewirkt, weil die Banken die ursprünglichen Kredite gebündelt, in Scheibchen geschnitten und durcheinander gewürfelt und sie an Investoren in aller Welt verkauft hätten. Die Rating-Agenturen ihrerseits hätten die Premium-Etage dieser Produkte als AAA eingestuft: Quintessenz der Finanz-Alchemie. Als sich das vermeintliche Gold erst in Blei und dann in Giftmüll zurückverwandelt habe, waren die Folgen fatal.

Eine unausweichliche Konsequenz der Kreditkrise ist, dass die Vereinigten Staaten in absehbarer Zeit langsamer wachsen werden: eher ein als zwei Prozent pro Jahr statt der drei oder vier Prozent wie bisher. Dagegen kann Chinas Semi-Planwirtschaft, angetrieben von staatlich verordneten Investitionen in die Infrastruktur und wachsender Nachfrage der Konsumenten, auch weiterhin bequem um acht Prozent jährlich wachsen.

Mit einem von Amerika abgekoppelten China scheint das Ende Chimerikas nahe. Und mit dem Ende Chimerikas muss sich das globale Machtgleichgewicht verschieben, prognostiziert der Historiker. China kann andere Sphären globaler Einflussnahme erkunden, zum Beispiel im rohstoffreichen Afrika.

“Jedoch”, bilanziert Ferguson, “die Geschichte hat einen Dreh. Kommentatoren sollten, bevor sie Niedergang und Fall der Vereinigten Staaten prophezeien, immer zögern, sagt der Optimist. Die USA haben schon mehr als eine katastrophale Finanzkrise überlebt und sind jeweils geopolitisch gestärkt aus ihr hervorgegangen, galubt Ferguson aus der Geschichte herauslesen zu können. Der Grund dafür ist, dass solche Krisen, so schlimm sie daheim auch scheinen mögen, Amerikas Rivalen offenbar noch härter treffen.”

Ferguson ist für seine publizistischen Offensiven zugunsten der amerikanischen Finanzwelt ist in Fachkreisen vielfach kritisiert worden. Ein Teil der Kritik betrifft die mediale Präsenz, der andere die Nähe zur Propagnada für den Turbokapitalismus. Der Vorwurf, Halbwahrheiten mit phantasievollen Spekulationen, akademisch gekleidet, aber nur spärlich belegt zu veröffentlichen, hat dem Tausendsassa der gegenwärtig Historikerzunft nicht geschadet. 2010 kehrt er nach Grossbritannien zurück, um an der LSA über die Finanzgeschichte der Welt zu forschen und zu lehren.

Claude Longchamp

Niall Ferguson: The Ascent of Money: A Financial History of the World, Penguin Books 2008 (dt. Der Aufstieg des Geldes. Die Währung der Geschichte, Berlin 2009)

Diagnosen für die Welt nach dem amerikanischen Zeitalter

Wie entwickelt sich die Welt? Ueber die Wirtschaftskrise hinaus, stellt sich die Frage, welche Rolle die USA inskünftig einnehmen werden. Denn allgemein rechnet man mit dem wirtschaftlichen und politischen Aufstieg Asiens. Weniger eindeutig sind die Haltungen dagegen, wenn es um die Frage geht, wie sich die führende, aber angeschlagene Weltmacht hierzu stellen wird. Zwei typische Beispiele hierzu.

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“Der Aufstieg der Andern. Das postamerikanische Zeitalter” heisst der Bestseller von Fareed Zakarias, der im Sommer 2008 in den Staaten, anfang 2009 auch in der deutschen Uebersetzung von Thorsten Schmidt erschien, und seither so etwas die Basis der Analyse in einer multipolaren Welt gilt.

»Goodbye, America«, lautet der etwas bittere Refrain von Fareed Zakaria, dem in indischen Bombay geborenen Politikwissenschafter der Harvad University. Dennoch bleibt der Chefredaktor von Newsweek International und regelmässige Kommentator auf CNN zuversichtlich.

Für ihn ist zwar klar, dass eine epochalen Machtverschiebung stattfindet. Nach dem Siegeszug der westlichen Rationalität zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert und dem kometenhaften Aufstieg Amerikas im 19. und 20. Jahrhundert durchläuft die Welt gerade eine dritte Phase. Sie erlebt das Ende der amerikanischen Vorherrschaft und den »rise of the rest«, den Aufstieg der übrigen Mächte.

“The Post-American World” heisst das Buch im Amerikanischen, das bewusst das Wort vom Niedergang vermeidet, denn es will dem offensichtlichen Machtverlust der USA eine Pointe abgewinnen: »Globalisierung der Welt – das war die amerikanische Vision«, und davon hhaben andere Länder profitiert und den Anschluss geschafft, vor allem China und Indien.

Fareed Zakaria hat offensichtlich Sympathien für die Demokraten von Barack Obama. Er ist überzeugt, Amerika werde seine Krise meistern, sobald es die Spaltung der Gesellschaft überwunden habe. Aussenpolitisch gibt er Obama den Rat, sich um die »Einbeziehung der aufsteigenden Länder« kümmern und die neuen Großmächte China und Indien so weit integrieren, bis diese aus eigenem Interesse die globale Ordnung tatkräftig unterstützten.

Härter mit den Amerikanern ins Gericht geht Parag Khanna, ebenfalls aus Indien stammend und Politikwissenschafter in den USA und Grossbritannien. In seinem Buch “Der Kampf um die Zweite Welt” tritt Amerika nämlich als gerupfter Riese auf, von einem entfesselten Kapitalismus verunsicherte, im Irakkrieg blamierte Supermacht, die ihren Machtverlust noch gar nicht begriffen hat. Selbst wenn das Land unverändert die konkurrenzfähigste Volkswirtschaft der Welt habe, schreibt Khanna, sei die politische Macht längst neu verteilt worden: Asien wird – mit oder ohne Amerika – das 21. Jahrhundert gestalten.

Folgt man Khanna, wird die Welt künftig von drei Imperien beherrscht werden, von den Vereinigten Staaten, von China und von der Europäischen Union, während Russland keine entscheidende Rolle spiele, weil dessen Volkswirtschaft nichts Nennenswertes zustande bringe. Auf Khannas Landkarte gehört Russland deshalb zur Zweiten Welt, genauso wie der Nahe Osten, Lateinamerika und Afrika. Hier, in der Zweiten Welt, tobt nach Khanna der Kampf um Einflusszonen, und hier entscheide sich, wie viel Macht die geopolitischen Machtsphären in die Waagschale werfen können.

Die beiden Thesen sind hilfreich, das aktuelle Verhalten der Grossmächte zu analysieren. Nützlich sind hierfür auch die beiden Bücher, welche die generelle Sichtweise ausführen. Ihre Lektüre sei empfohlen, nicht zuletzt auch, um den Wandel der politikwissenschaftlichen Perspektiven, die unter der Bush-Administration und dem Schlagwort des Kampfes der Kulturen galten, zu realisieren.

Claude Longchamp

Fareed Zakaria: Der Aufstieg der Anderen. Das postamerikanische Zeitalter, München 2009
Parag Khanna: Der Kampf um die zweite Welt. Imperien und Einfluss in der neuen Weltordnung, Berlin 2008

Der Plan B zu den Biometrischen Pässen

Anders als bei der Volksabstimmung über die Personenfreizügigkeit am 8. Februar 2009 lassen EU und Bundesbehörden bei der Volksentscheidung über die Biometrischen Pässe einen Plan B zu.

Man erinnert sich an die Diskussionen zur Personenfreizügigkeit anfangs Jahr. EU und Bundesrat argumentierten damit, bei einem Nein in der Volksabstimmung würden die Bilateralen insgesamt in Frage gestellt; einen Plan B gäbe es nicht. Die Gegner schriehen auf: Von Erpressung des Volkes war lautstark die Rede!

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Biometrische Pässe könnte in der Schweiz auch bei einem Nein zum vorliegenden Ausweisgesetz konform mit dem Abkommen von Schengen eingeführt werden.

Obwohl es einen Zusammenhang zwischen den Bilateralen II, genau genommen den Abkommen von Schengen/Dublin, und den Biometrischen Pässen gibt, argumentiert man diesmal vorsichtiger und vorausschauender. Biometrische Pässe wird man bis a, 1. März 2010 einführen müssen, argumentiert man; in der Organisationsform ist man aber freier. So ist die Zentralisierung der Finagerabrücke – ein wesentlicher Kritikpunkt gemässigter KritikerInnen links und rechts – nicht zwingend. Zudem verpflichtet das Schengen-Recht niemanden zu biometrischen Identitätskarten.

Bern und Brüssel halten sich diese Möglichkeit bei einem Volks-Nein offen. Der Gemischte Schengen-Ausschuss hätte 90 Tage Zeit, eine neue Lösung zu suchen. Bräuchte es mehr Zeit, müssten alle EU-Mitgliedstaaten zustimmen, womit der Druck auf die Schweiz wachsen dürfte.

Der Schweiz stehen so oder so zwei Wege offen:

. Entweder realisiert sie eine verändertes Passgesetz mit Dringlichem Bundesrecht, wobei im Referendumsfalle spätestens ein Jahr nach der Einführung abgestimmt werden und das Dringliche Bundesrecht später in ordentliches Recht übergeführt werden müsste.

. Oder das Parlament verabschiedet in der Herbstsession 2009 eine neue Vorlage und die Schweiz wartet die Referendumsfrist bis Januar 2010 ab. Im Falle eines Referendums beansprucht sie die Verlängerungsfrist und stimmt im Juni 2010 über die neue Vorlage ab. Die Auflagen des Schengen-Abkommens könnten so im Herbst 2010 prinzipiell eingehalten werden.

Damit bewegt sich die Schweiz, könnte man anfügen, in die Richtung, einer institutionellen Regelung, um Konflikte zwischen EU-Recht und direktdemokratischer Entscheidung zu entschärfen.

Claude Longchamp

Vorsicht gegenüber Titeln

Ich schätze wissenschaftliche Berichte mit einem klaren Titel. Klar heisst für mich aber nicht wunsch-, sondern sachgemäss.

Wenn WissenschafterInnen und JournalistInnen über Titel zu einem Report sprechen, ist das nicht immer unproblematisch. Die Kunst der Zuspitzung ist die Sache der Medien; nach ihren ungeschriebenen eigenen Gesetzen dürfen sie dabei auch übers Ziel hinaus schiessen. Der Titel darf suggerieren, das Erhoffte für möglich erscheinen lassen, das Erwartetbare in ein klares Bild bringen.

Viele WissenschafterInnen können damit nichts anfangen. Denn sie sind sich lange, stelzerne, wortlastige Titel gewöhnt. Aritkel in Wissenschaftspublikation tragen die merkwürdigsten Titel. Immerhin haben sie einen Vorteil: Sie sind sachorientiert, geben das Thema verkürzt, aber korrekt wieder, selbst wenn dabei nichts Memorierbares resultiert.

Ich habe da eine Zwischenposition. Fragen in Titeln zu Tatsachen-Berichten an die Oeffentlichkeit sind bei mir verpönt. Ich ziehe positiv formulierte Aussagen, die das Hauptergebnis widerspiegeln, vor. Sie sollen einfach und gut verständlich sein. Aber sie müssen den Inhalt korrekt wiedergeben, kein X für ein Y vormacht. Und: Sie dürfen nicht voreingenommen sein!

Beim letzten Bericht zur SRG-Repräsentativbefragung vor den Eidg. Volksabstimmungen vom 17. Mai 2009 einigten wir uns – nach kurzem hin und her – auf “Neue Biometrische Pässe umstritten – Breite Sympathie vor Komplementärmedizin”. Das war vorsichtig und korrekt.

Der zweite Teile wurde bei den Publikationen in- und ausserhalb der SRG weitgehend übernommen. Klar, gerichtet, erwartbar, dürften die Gründe für den erfolgreiche transport gewesen sein. Beim ersten happerte es mir der Veröffentlichung, denn fast schon zwangshaft scheint der Druck zu sein, eine Aussage in die eine oder andere Richtung zu machen. Der “Bund”, in der Berichterstattung zu den Biometrischen Pässe dafür, etwa schrieb “Ja zu den Biometrischen Pässen”. Die Berner Zeitung, mit einer gewissen Affinität zur SVP, formulierte: “Viele Nein Stimmen zu den neuen Pässen”.

Die Liste liesse sich fast beliebig verlängern. Denn nicht nur politische Optiken beeinflussen die Titelei. Auch die sprachregionalen Kultur sind hier ein Thema.

Obwohl es immer um den gleichen Bericht geht!

Claude Longchamp