Was jetzt, Herr Bundespräsident?

“Wenn ich hier nicht reüssiere, dann habe ich das Gesicht verloren”, dass sagte der Schweizer Bundespräsident Hans-Rudolf Merz, als er vor 10 Tagen aus Tripolis kommend den Vertrag verteidigte, den er mit dem libyschen Ministerpräsidenten geschlossen hatte. Im Medienkommunique dazu hatte er verlauten lassen, dass die beiden Schweizer Geschäftsleute, die in der Schweizer Botschaft aufgehalten werden, bis Ende August in ihre Heimat zurückkehren könnten. “Ich übernehme die volle Verantwortung, mit allen Konsequenzen”, fügte er bei und setzte sich damit selber unter enormen Druck.
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Da die Frist zwischenzeitlich abgelaufen ist, stellt sich für uns alle die Frage: Was jetzt, Herr Bundespräsident?

Sollen wir ihre Aeusserungen vor laufender Kamera einfach vergessen? Sollen wir Sie weiter stützen und weiter hoffen, ein baldiges Happy End stehe bevor?
Sie machen es uns nicht leicht! Denn man lässt sich nicht leichtfertig von einem ausländischen Staatschef ein Regierungskrise verpassen. In diese Falle stürzt niemand mutwillig.
Doch fragt sich auch, ob Sie mit ihrem mutigen Alleingan nicht zu weit gegangen sind, die Würde des höchsten Regierungsamtes aufs Spiel gesetzt und dabei auch ihre Glaubwürdigkeit riskiert haben.
Sie wollten den gordischen Knoten durchschlagen, der mit der Arrestierung zweier Schweizer Geschäftsleute in Libyen entstanden ist. Jetzt stehen wir vor der Frage, was wir mit dem gordischen Knoten machen, der mit der jetzigen Situation geflochten wurde.

Meinungen aus dem Kreise der BürgerInnen sind gefragter denn je!

Claude Longchamp

Propaganda ohne Grenzen

Wenn es um politische Werbung geht, kennt die SVP keine Grenzen. Weder inhaltliche, noch räumliche. Ihre Agentur GOAL krempelt im Moment für die FPOe im Vorarlberg die Politlandschaft um.

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Alexander Segert, gebürtiger Hamburger, heute 45, Geschäftsführer der Zürcher Agentur GOAL, kennt nur eine Devise: “KISS – Keep it simple and stupid”. Denn sonst ist politische Werbung nicht eingängig, wie er der sonst eher biederen schweizerischen Oeffentlichkeit mit schwarzen Schafen, hinterhältigen Raben, roten Ratten und den gerupften Hühnern seit Jahren mit erheblicher Multiplikatorwirkung vorführt.

Jetzt wendet Segert seine Methode für die FPOe im benachbarten Vorarlberg an. “Schluss mit falscher Toleranz”, lässt er auf Plakaten klagen und zielt auf die wachsende Präsenz von Muslimen im westlichsten Bundesland Oesterreichs: Deutsch sei für Koranlehrer Pflicht, türkische Dolmetscher dürfe es nicht geben, und auf Minarette sei zu verpflichten, sind seine Themen. Die Bildsprache ist allerdings zahmer als in der Schweiz. Nationale Gefühle der OesterreicherInnen sollen mit der Flagge geweckt werden, die am untern Bildrand unterzugehen droht.

“Wer provoziert, gewinnt, wenn schon nicht die Wahlen, so doch die Oeffentlichkeit”, kommentierte dieser Tage der Wiener “Standard“. “Alles tipptopp”, bilanziert Segert im Zürcher Tages-Anzeiger seine Kampagne. Denn die erwartete Wirkung blieb nicht aus: Hanno Loewy, Leiter des jüdischen Museums in Hohenems bat die FPOe um eine Erklärung, wer heute als “nicht heimisch” gelte. Deren Spitzenkandidat, Dieter Egger, gab in einer Rede zurück: “Exil-Juden aus Amerika in hoch subventionierten Museen” sollten sich nicht in inner-österreichische Angelegenheiten einmischen. Womit er sich den ebenso scharfen Antisemitismus-Vorwurf vom bisherigen Koalitionspartner OeVP einhandelte: “Das ist eine Grenzüberschreitung, die wir nicht legitimieren wollen”, meinte ihr Obmann Herbert Sausgruber.

Durch solche Provokationen bekommt der Wahlkampf der FPOe die gewünschte Fahrt. In- und ausländische Medien berichten meist skandalisiert, sodass in der Provinz das Wir-Gefühl jener gestärkt wird, die sich ganz allgemein übergangen fühlen. Genau das ist die tiefere Absicht der Wahlwerbung von GOAL, denn nachweislich mobilisiert dieses Vorgehen vor Wahlen unschlüssige ProtestwählerInnen, während die Botschaften der anderen Parteien medial verblassen.

Eben: Propaganda ohne Grenzen …

Claude Longchamp

Bundesratsthermometer ohne nachvollziehbare Grundlage

“31 Prozent Stimmen für Urs Schwaller”, das ist das Hauptergebnis des “Wahlbarometers” auf dem “Newsnetz”. Der Freiburger Ständerat führt damit das Feld der möglichen Nachfolger von Pascal Couchepin recht klar an. Doch kann er sich darauf irgend etwas einbilden? Nein, füge ich bei und begründe es auch gerne.

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Seit einem Monat läuft auf der Internetplattform der grossen Zeitungsverlage in der Schweiz ein Online-Befragung, wen man am liebsten als Nachfolger von Pascal Couchepin im Bundesrat hätte. Der CVP-Kandidat Urs Schwaller startete gut, wurde in der Folge aber von Fulvio Pelli überholt. So rasant dessen Aufstieg war, so klar wurde er in der Folge auch wieder auf die Plätze verwiesen. Die Gewinner der vierten Woche sind denn Schwaller von der CVP und Broulis von der FDP.

Ganz falsch erscheinen mir die groben Trends dieser Temperaturmessung nicht. Sie spiegeln die dominante Polarität zwischen FDP und CVP in der Nachfolgediskussion, und sie zeigen, dass die verschiedenen Kandidaten aufgrund unterschiedlicher Ausgangslage verschiedene Taktiken verfolgen.

Darüber hinaus kann der Barometer aber kaum Anspurch auf Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse beanspruchen. Sie stehen in erster Linie für die Teilnehmenden an der Online-Umfrage, ohne Anspruch auf Repräsentativität.

Dafür bräuchte es eine Definition der Teilnahmeberechtigten. Diese ist bei offenen Online-Umfragen nie gegeben. Dann wäre auch eine Stichprobenbildung von nöten, die allen Berechtigten die gleiche Chance einräumen würde. Auch bei diesem Kriterium versagen Umfrage auf e-Plattformen kläglich. Schliesslich müsste gewährleistet sein, dass jede Personen je ausgewiesenem Zeitintervall nur ein Mal gewählt würde. Selbst diese einfache Vorgabe ist beim Wahlbarometer auf Newsnetz nicht gewährleistet.

Andere Umfragen dieser Art stellen wenigstens das klar: Sie erheben keinen Anspruch auf Repräsentativität. Die Verwendung des Titels “Wahlbarometer” suggeriert zudem, wie das “Wahlbarometer” der SRG SSR idée suisse vor Nationalratswahlen verallgemeinerungsfähige Aussagen über den (jeweiligen) Stand der Meinungsbildung zu liefern.

Vor Fehlschlüssen wird gewarnt!

Claude Longchamp

politReport spiegelt die Schweizer e-Medien

“Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der häufigst zitierte Politiker im ganzen Land?” So etwa lautet das Motto des neuen politReport zur Schweizer Politik im Internet.

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Präsenz der BundesratskandidatInnen in den Schweizer e-Medien gemäss politreport.

Seit diesem Jahr gibt es auf dem Web eine neue Dienstleistung zu Politik und Medien. Ursprünglich für Deutschland konzipiert, existiert auch in der Schweiz ein Ableger der politReports. Seit Frühling 2009 ist die Kommunikationsagentur Furrer.Hugi&Partner in Bern Partner des Projekts, und jüngst verkündete NZZ-Online, mit politReprot zu kooperieren.

Laufend ausgewertet werden rund 800 Schweizer Online-Medien und politische Blogs. Täglich um 6 Uhr kann man den neuen Parteien-Index abrufen, welcher die e-Präsenz der schweizerischen Parteien und ihrer Präsidenten aufzeigt.

Momentan dreht sich alles um die Ersatzwahl in den Bundesrat. Das entsprechende Kandidaten-Rating belegt den Eindruck, dass es an übergeordneten Trends in der Medienpräsenz noch fehlt. Pascal Broulis, Dominique de Bumann, Fulvio Pelli und Urs Schwaller waren seit den Sommerferien die am meisten diskutierten Kandidaten. Aufgestiegen sind sie in der Zitierung mit der Ankündigung ihrer Kandidatur; doch hat sich danach keiner wirklich ganz oben halten können.

Gerne hätte man neben der Präsenz von PolitikerInnen auch eine quantitative Analyse der Bewertungen in den e-Medien gehabt. Denn das macht solche Instrumente über die eher zweifelhafte PR-Binsenwahrheit hinaus interessant, es egal sei, wie man dargestellt werde; Hauptsache man komme vor. Wie schnell Präsenz ohne eigene Botschaft die Fremdkritik entscheidend wird, musste beispielsweise Fulvio Pelli in den letzten 10 Tagen erfahren.

Claude Longchamp

Fakten zu den thematischen Positionen der BundesratsanwärterInnen

Endlich geht es nicht nur um Taktik der Parteien und Images der KandidatInnen für die Nachfolge von Pascal Couchepin; denn der Tages-Anzeiger veröffentlichte einen Positionensvergleich der FDP- und CVP-BewerberInnen aufgrund ihrer Themenpräferenzen.

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Hauptergebnis der Umfrage von sotomo bei den BundesratskandidatInnen von FDP und CVP, bei der Pascal Broulis nicht mitmachen wollte.

Wer eine restriktivere Ausländerpolitik oder dasselbe bei den öffentlichen Finanzen will, der oder die sollte sich für Christian Luscher als Nachfolger von Pascal Couchepin erwärmen. Falls die Präferenz bei einer aussenpolitischen Oeffnung, verbunden mit mehr Polizei und Armee, liegt, müsste man für Martine Brunschwig Graf optieren. Fulvio Pelli wiederum ist der Bewerber, der am klarsten für Liberalisierung im wirtschaftlichen wie auch im gesellschaftlichen Bereich steht. Dominique de Bumann ist von allem momentanen KandidInnen für einen Bundesratssitz der sozialste, befürwortet er doch einen Ausbau des Sozialstaates, während Urs Schwaller am ehesten für mehr Umweltschutz in der Schweiz steht.

Das sind Ergebnisse aus einer Umfrage der Forschungsgruppe sotomo bei den BewerberInnen für den frei werdenden Bundesratssitz. Didier Burkhalter, von vielen als eigentlicher Favorit für die Nachfolge von Pascal Couchepin gehandelt, erscheint dabei als guter Durchschnitt. Er ist sicher nicht für ökologische Anliegen gewinnbar, dafür auf ökonomische Freiheit ausgerichtet. Doch ist er nirgends top, in fast allem Fragen gut eingemittet. Nicht mitgemacht hat übrigens Pascal Broulis, der waadtländer Regierungsrat, der damit auch seine Unerfahrenheit mit der Bundespolitik kommunizierte.

Alles in allem ist Schwaller der konservativste unter den Bewerbern, Pelli der liberalste. Brunschwig Graf erscheint noch etwas mehr rechts als Luscher, während de Bumann von allen am weitesten links steht. Wer CVP-Kandidaturen unterstützt, stärkt die sozialkonservative Schweiz, wer für eine der Bewerbungen aus den Reihen der FDP.Liberalen ist, mobilisiert die rechtsliberale Schweiz.

Denn ganz so deckungsgleich, wie man in der bisher so themenfreien Kampagne meinen konnte, sind die 7 potenziellen NachfolgerInnen von Pascal Couchepin nicht.

Claude Longchamp

Der horse-race-journalism funktioniert auch ohne Umfragen bestens

Horse-race-Journalismus sei eine Folge demoskopischer Instrumente im Wahlkampf, beklagt die Prestigepresse gerne. Wie die NZZ am Sonntag zu den Bundesratswahlen zeigte, berichtet sie ganz ordentlich in diesem Genre, auch ohne sich auf Umfragen zu stützen.

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Man kennt die Kritik am horse-race-journalism vor Wahlen. Beklagt wird, der zentrale Vorgang in der Demokratie, die Auswahl aus Parteien und KandidatInnen, verkomme zum Pferderennen. Das erzeuge zwar Spannung, weil es darum gehe, wer die Schnauze gerade vorne habe. Es gehe aber nicht mehr um Inhalte für die Zeit nach der Wahl, sondern um die Dynamik vor der Entscheidung. Bewerbungen würden im Pferderennen-Journalismus nur noch relativ bewertet. Es interessiere das Schlechtere im Vergleich.

Zu den wiederkehrenden Vorwürfen gehört auch, dass er durch Wahlumfragen entstehe: Die Umrechnung von WählerInnenstimmen in -anteile erst erlaube den Vergleich, die Rangierung untereinander, die Dramatisierung von Unterschieden. Im zeitlichen Ablauf gesehen, verliert nicht,wer keine Stimmen mache, sondern solche einbüsse.

Gerade in Prestigemedien wird seit vielen Jahren in der weicheren Variante unterstellt, das alles gäbe es nur wegen den Umfragen vor Wahlen; der härtere Vorwurf lautet, es werde bewusst mit geringen Unterschieden gearbeitet, um künstliche Spannung aufzubauen.

Hätte es noch eines Beweises gebraucht, dass das alles nicht stimmt, hätte man ihn spätestens heute in der “NZZ am Sonntag” gefunden. Der innert Wochenfrist entbrannte Kampf um die Nachfolge von Pascal Couchepin im Bundesrat zwischen FDP und CVP wird als Pferderennen aufgemacht. Die “Blauen” werden von Parteipräsident Fulvio Pelli angeführt, knapp vor Pascal Broulis und Didier Burkhalter und Martine Brunschwig Graf, die praktisch gleichauf rennen. Aussenseiter bei der FDP sind Ignazio Cassis und Christian Luscher. Bei den “Orangen” wiederum liegt Urs Schwaller vorne. Mit einigem Abstand folgen Christophe Darbelley, Isabelle Chassot, Luigi Pedrazzini, während Jean-René Fournier und Michel Cina fast schon abghängt das Schlusslicht bilden.

Und dann: Nicht-Kandidat Pelli und Favorit Schwaller liegt haarscharf gleich auf, das skizzierte Ziel, die Bundesratswahl vom 16. September, vor Augen.

Was visuell klar hinüber kommt, braucht textlich nicht ausgefüllt zu werden: “Die Grafik zeigt, wie mögliche Kandidaten im Rennen liegen”, heisst es lapidar. Urs Schwaller sei Topkandidat, weil “alle seine Konkurrenten Handicaps aufweisen”, liesst man. Pelli wieder führe, obwohl er ein Kandidatur ablehne; doch seine Kantonalpartei habe ihn aufgefordert, “ins Rennen zu steigen”.

Meine Folgerung: Der horse-rece-Journalismus funktioniert auch ohne Demoskopie bestens, denn er ist eine gängige journalistische Form der Wahlberichterstattung. Alle kritischen Feststellungen hierzu funktionieren auch ohne demoskopische Untermauerung. Mit ihr könnte man die Bewertungen allerdings nachprüfbar machen und so auch Ursachen klären. Oder anders gesagt: Umfragen ermöglichen Pferderennen-Journalismus nicht erst, machen die journalistische Lieblingsform der Wahlberichterstattung aber transparenter.

Claude Longchamp

Wähle Dein Europa!

Die Gewerkschaften in Oesterreich setzen zur Schlusskampagne im Wahlkampf für das EU-Parlament an, mit einem Mobilisierungsvideo, das dem gleich, mit dem in der Schweiz zugunsten der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit mit der EU geworben wurde.

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Die Wahlen ins EU-Parlament stehen unter keinem guten Stern. Es gibt keinen gesamteuropäischen Anlass. Die Kampangen finden in den Ländern statt, und werden meist mit nur halber Kraft gefahren. Den KandidatInnen geht der Hauch von Engagement ab, und die Streitthemen sind eher rar.

Und am 7. Juni wird das Europäische Parlament neu bestellt.

Nun platzt, beispielsweise in Oesterreich, das Mobilisierungsvideo in die Schlussphase der Entscheidfindung, wie wir es aus der Abstimmung über die verbindliche Personenfreizügigkeit in der Schweiz schon kennen. Eine halbe Million mal, wurde es per Internet weiter gerecht, und es hat den Ausgang der Abstimmung höchstwahrscheinlich zugunsten der EU-BefürworterInnen beeinflusst.

Initiant ist diesmal der Oesterreichische Gewerkschaftsbund. Entsprechend ist die Geschichte aufgebaut. Die Manager einer Firma mit Glas-Stahl-und-Betonbau freuen sich über den Wahlausgang für das Parlament in Brüssel. Zu früh ist ihre Party angesetzt, denn die prognostizierte Wahlbeteiligung steigt wider allen Erwartung rapide an. Ursache ist ein Aufruf, vor allem junger Menschen, die sich bei dieser Wahl ihr Europa nicht nehmen lassen wollen, und mit dem guten Beispiel vorangehen.

Wie das auch im Fall des Schweizer-Videos der Fall war, kann man es via Internet an Freunde oder Bekannte versenden, wobei dann ihr Name in grossen Lettern als Vorbild in der Zeitung erschent.

Als ich vor wenigen Wochen in Oesterreich war, prophezeite Fritz Plasser, Politikprofessor in Innsbruck, die Wahlbeteiligung werde nicht so tief sein, wie in den frühen Umfragen. Denn die grossen Parteien OEV und SPOe würden erst ganz am Schluss ihr Gewicht in die Waagschale der BürgerInnenentscheidungen werfen, und dann auch punkten.

Wähle also dein Europa, wenn Du darfst …

Claude Longchamp

Deutscher Wahlkampfradar

Auf der Website www.wahlradar.de entsteht gegenwärtig ein spannendes Experiment zur Wahlkampfkommunikation. Etabliert wird ein Monitor der relevanten politischen Website,s um die Ausbreitung von Informationen während des Bundestagswahlkampfes im Internet zu studieren.

Die spezielle Website zu den deutschen Bundestagswahlen ist seit Anfang April 2009 aktiv. Letztlich ist sie eine Anpassung eines Projektes von “linkfluence“, die im vergangenen amerikanischen Wahlkampf eingesetzt wurde.

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Die Legende findet sich hier.

Die erste Phase des Projektes ist (weitgehend) abgeschlossen. In einem mehrstufigen Verfahren wurden die 555 wichtigsten politischen Websites in Deutschlang ermittelt. “Wichtig” bemisst sich dabei, wie im Internet so häufig, nach dem Grad dere Verlinkung durch andere Websites.

Dieses Kriterium lässt Segmentierungen in verschiedene politische Lager einerseits, unterschiedliche Funktionen zwischen Information und Parteinahme anderseits zu.

Die Karte, die so entsteht, gleicht einer Wolke: Nahe beieinander sind die Webstites, die stark untereinander agieren. Das ist bei den parteibezogenen Angebote im konservativen, liberalen, sozialdemokratischen, grünen, linken und rechten Spektrum wenig überraschend.

Aufschlussreicher sind die Beziehungen vor allem zu den institutionellen und medienbetriebenen Webstites, jenen der Oeffentlichkeit und der Satire. Letztere beispielsweise sind recht gut mit den Medien verhängt, aber auch mit denen der politischen Extreme, kaum jedoch mit jenen der Regierungsparteien. Insgesamt fällt auf, wie gering die CDU/CSU-nahe Websites mit denen anderer Parteien und Funktionen verlinkt sind.

In der zweiten Stufe des Projektes der Agentur Publicis Consultants sollen Wahlkämpfer erkennen können, wie Debatten verlaufen, wohin sie sich ausbreiten, und wer sie ignoriert. Das soll mit Stichwortsuche auch für KandidatInnen möglich werden. Zu erwarten ist, dass man mit diesem Projekt mehr über die Dynamiken von Sachfragen lernen wird, wie auch dem Umgang der Akteure mit ihnen.

Man wird mit Sicherheit von von dieser Website sprechen.

Claude Longchamp

Vorsicht gegenüber Titeln

Ich schätze wissenschaftliche Berichte mit einem klaren Titel. Klar heisst für mich aber nicht wunsch-, sondern sachgemäss.

Wenn WissenschafterInnen und JournalistInnen über Titel zu einem Report sprechen, ist das nicht immer unproblematisch. Die Kunst der Zuspitzung ist die Sache der Medien; nach ihren ungeschriebenen eigenen Gesetzen dürfen sie dabei auch übers Ziel hinaus schiessen. Der Titel darf suggerieren, das Erhoffte für möglich erscheinen lassen, das Erwartetbare in ein klares Bild bringen.

Viele WissenschafterInnen können damit nichts anfangen. Denn sie sind sich lange, stelzerne, wortlastige Titel gewöhnt. Aritkel in Wissenschaftspublikation tragen die merkwürdigsten Titel. Immerhin haben sie einen Vorteil: Sie sind sachorientiert, geben das Thema verkürzt, aber korrekt wieder, selbst wenn dabei nichts Memorierbares resultiert.

Ich habe da eine Zwischenposition. Fragen in Titeln zu Tatsachen-Berichten an die Oeffentlichkeit sind bei mir verpönt. Ich ziehe positiv formulierte Aussagen, die das Hauptergebnis widerspiegeln, vor. Sie sollen einfach und gut verständlich sein. Aber sie müssen den Inhalt korrekt wiedergeben, kein X für ein Y vormacht. Und: Sie dürfen nicht voreingenommen sein!

Beim letzten Bericht zur SRG-Repräsentativbefragung vor den Eidg. Volksabstimmungen vom 17. Mai 2009 einigten wir uns – nach kurzem hin und her – auf “Neue Biometrische Pässe umstritten – Breite Sympathie vor Komplementärmedizin”. Das war vorsichtig und korrekt.

Der zweite Teile wurde bei den Publikationen in- und ausserhalb der SRG weitgehend übernommen. Klar, gerichtet, erwartbar, dürften die Gründe für den erfolgreiche transport gewesen sein. Beim ersten happerte es mir der Veröffentlichung, denn fast schon zwangshaft scheint der Druck zu sein, eine Aussage in die eine oder andere Richtung zu machen. Der “Bund”, in der Berichterstattung zu den Biometrischen Pässe dafür, etwa schrieb “Ja zu den Biometrischen Pässen”. Die Berner Zeitung, mit einer gewissen Affinität zur SVP, formulierte: “Viele Nein Stimmen zu den neuen Pässen”.

Die Liste liesse sich fast beliebig verlängern. Denn nicht nur politische Optiken beeinflussen die Titelei. Auch die sprachregionalen Kultur sind hier ein Thema.

Obwohl es immer um den gleichen Bericht geht!

Claude Longchamp