UBS oder Bundesrat? – Stand der Dinge

Welches Bild auch immer gebraucht wird: In der heutigen Sonntagspresse kommt klar zum Ausdruck, die Krise, welche mit dem GPK-Bericht diskutiert werde, sei von der UBS, nicht vom Bundesrat verursacht worden. Entsprechend erwartet man weitere Schritte gegen die UBS. Beim Bundesrat gehen die Meinungen über Massnahmen auseinander.

Die Kritik und ihre Reaktionen
Bundespräsidentin Doris Leuthard reagierte schon am Freitag auf den GPK-Bericht. Im ersten Teil des Rapports – der UBS-Krise gewidmet – falle die Kritik moderat aus und treffe vor allem Kollege Merz. Im zweiten Teil über den Staatsvertrag, sei die Kritik am Gesamtbundesrat stark übertrieben. Ueberrascht zeigte sich die GPK, welche Konsequenzen, nicht Kommentare vom Bundesrat erwarte. Dieser hielt damit in der Sonntagspresse nicht zurück.

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Peter Siegenthaler, Ex-Chef der Finanzverwaltung: Der Focus alleine auf den Bundesrat zu legen, zäumt das Pferd am Schwanz auf. Nötig ist es, die Zügel anzuziehen. Das heisst, gegen die UBS Klage zu erheben.


Stellungnahmen aus Regierungskreisen

Zufrieden mit dem Bericht ist namentlich Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Nach der Herzattacke, die Merz mitten in der UBS-Krise erlitten hatte, übernahm sie das Dossier. Eine eigentliche Uebergabe nach der Rückkehr des Finanzministers habe nicht stattgefunden, erläutert sie der NZZ am Sonntag. Das dürfte die beiden FinanzspeizialistInnen im Bundesrat nicht näher gebracht und die Leseweise der GPK beeinflusst haben.

In diese Phase fällt auch der Entscheid des damaligen Bundespräsidenten Couchepin, aus Angst vor Indiskretionen die Verhandlungen in der UBS-Frage nicht zu protokollieren. Das hielt die BK jedoch nicht davon ab, Notizen zu erstellen, man im Februar 2009 auf Nachfrage von Neu-Bundesrat Maurer der Gesamtregierung überreicht habe.

Bundesrat Moritz Leuenberger wehrt sich aktiv gegen den Vorwurf, passiv reagiert zu haben. Als der Bundesrat im September 2008 mündlich informiert worden sei, habe man rasch reagiert. Vom GPK-Bericht nicht verarbeitet worden sei beispielsweise sein Mitbericht, mit dem er vor den Folgen der Herausgabe von UBS-Kundendaten via Finma gewarnt und eine rechtlich einwandfreie Vorgehensweise skizziert habe. Gleiches gilt für einen Mitbericht von Bundesrätin Calmy-Rey.

Leuenberger bestreitet, dass der Bundesrat sei ein Kuschelclub sei; vielmehr werde regelmässig kontrovers und in handlungsalternativen diskutiert. Der “Sonntag” glaubt aber wissen, dass der GPK-Bericht in der Schlussphase politisch austariert worden sei. Dabei sei die Hauptverantwortung für die Probleme sei von Bundesrat Merz auf das ganze Gremium verlagert worden.

Klare Worte findet Peter Siegenthaler – gelegentlich auch Retter der UBS genannt – wenn es um die Aufklärungsarbeit der UBS geht. Generell lobt er die gute Zusammenabreit auf der Fachebene: Verwaltung, Finma und SNB hätten gut kooperiert. Sie hätten der UBS signalisiert, in einen finanziellen Eng zu geraten – nicht umgekehrt. Politisch ist sein Urteil durchzogener: Nachdem das Problem klar gewesen sei, hätte er sich eine breite Abstützung in der Regierung gewünscht. Vorher sei wegen Auswirkungen auf die Existenz der UBS Diskretion angezeigt gewesen.

Die Finanzkrise sei jedoch nur das eine, die kriminellen Machenschaften des UBS-Kaders in den USA das andere. Die Verantwortung hierfür müsse noch geklärt werden. Das Beste wäre es, wenn die UBS gegen die alte Führung klagen würde. Die jetzige UBS-Spitze scheint den wachsenden Druck zu erkennen, scheint aber ein andere Vorgehen zu bevorzugen. Gesprochen wird vor allem in CVP-Kreisen darüber, eine Kommission aus Fachleuten mit einer unabhängigen Persönlichkeit an der Spitze müsse nun die internen Vorgänge untersuchen, was indirekt der Finma kein gutes Zeugnis ausstellt.

Regierungsreform: ja oder nein
Doris Leuthard sieht die laufende Diskussion über den GPK-Bericht im Sonntag für einen Steilpass für die bundesrätliche Regierungsreform. Sie will die Verlagerung der Bundesratsarbeit vom Krimskrams hin zu strategischen Fragen untersützten. Damit reagiert sie in diesem Punkt offensiv auf die geäusserte Kritik.

Skeptischer ist hier Moritz Leuenberger die Regierungsreform im jetzigen Umfeld. “Der Schlüssel”, sagt Leuenberger dem Sobli, “liegt bei dem Personen, nicht beim System”. Als Beispiel nennt er die Indiskretionen. Ohne Ex-Bundesräte kritisieren zu wollen, hält er fest, mit dem jüngsten Wechsel im Gremium habe sich die Situation deutlich verbessert. Der Hinweise auf Couchepin ist unmissverständlich.

Siegenthaler ist auch da am klarsten: Er schlägt vor, dass der Bundesrat inskünftig Themen festlegen müsse, die er alleine behandle, ohne die Stäbe und die Verwaltung. Und zu den Protokollen der Bundesratssitzungen konnte man heute lesen: Machen müsse man sie auf jeden Fall, wer sie erhalte, sei eine andere Frage.

Historischer Moment für die Weltwirtschaft – und für die Schweiz?

Gastgeber, Grossbritanniens Ministerpräsident Gordon Brown, sprach am G-20-Gipfel vom Durchbruch zur neuen Weltordnung. Die meisten Kommentatoren waren sich einig, einen historischen Moment erlebt zu haben, selbst wenn in einzelnen Ländern wie der Schweiz die Ernüchterung überwiegt. Was wird unser Land für Schlüsse daraus ziehen?

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Botschaft aus London an die Schweiz: Aus der Isolation herausfinden, in die das Land mit dem Bankgeheimnis geraten ist. (Quelle: Chapatte/LeTemps)

Vier Massnahmen beschloss der mit Spannung erwartete Gipfel der mächtigsten Staaten und Organisationen in London, welche die neue Weltordnung begründen sollen: ein gigantisches finanzielles Stützungsprogramm in der Höhe von 1,1 Billionen Franken, das Ende des Bankgeheimnisses, Auflagen für Bonuszahlungen in Banken und Versicherungen und strengere Kontrolle für Hedge-Fonds und Rating-Agenturen.

Stabilität, Wachstum und Arbeit verspricht man sich durch die Massnahmen. Erwartet wird, dass man damit die globale Wirtschaftskrise mildern kann, vor allem aber, dass man eine Wiederholung der Ursachen für die aktuelle Weltwirtschaftskrise inskünftig verhindert kann.

Allgemein wurde der Gipfel als Erfolg gewertet. Die zentralen Industrienationen und Schwellenländer zeigten einen ausgleichenden Handlungswillen, der den Protest auf der Strasse beschränkte. Denn mit der neuen Weltordnung soll die Entwicklung der Weltwirtschaft in berechenbare Bahnen gelenkt werden. Nach den Erfahrungen der letzten Monate ist das letztlich zum Wohle aller, wenn auch im Einzelfall mit Nachteilen verbunden.

Entsprechend fällt die Bewertung in der Schweiz aus. Ihr gelang es nicht, sich unter die Mitglieder der G-20 einzureihen und die Themen resp. Inhalte mitzuentscheiden. Vielmehr fand sie sich wegen ihrer Steuerpolitik in der Isolation. Die Schwarze Liste der Steueroasen konnte zwar abgewendet werden, weil die Schweiz die bisherigen Vorbehalte gegen die OECD-Richtlinien zum Bankgeheimnis aufgab. Dennoch bleibt der Druck, symbolisch mit der Präsenz auf der grauen Liste, bestehen, da man nicht rechtzeitig 12 Doppelbesteuerungsabkommen vorweisen konnte, die den Tatwillen zur Umsetzung belegen. Daran wird die nationale Politik rasch arbeiten müssen, um aus der Defensive heraus zu kommen, in der die Schweiz mit dem G-20-Gipfel geraten ist.

Claude Longchamp

Nettere Nachbarschaft wieder gefragt

Ein Händeschütteln hat höchst Symbolisches an sich. Handfläche gegen Handfläche bedeutet, dass man einander zu spüren gibt, nichts mehr versteckt zu haben. Das bekräftigt nicht nur die Friedenshaltung, es ermöglicht auch einen Schlussstrich unter die Irritiationen der letzten Wochen.

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quelle: der spiegel

Steinmeier begrüsste an der deutsch-schweizerischen Medienkonferenz in Berlin, dass die Schweiz nach internationalem Druck nun bereit ist, bei Steuerauskünften die Standards der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa (OECD) einzuhalten. Calmy-Rey versicherte, die Schweiz werde die Zusagen umsetzen. “Wenn wir etwas sagen, dann machen wir es auch.” Das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen mit der Bundesrepublik solle “baldmöglichst” geändert werden. Wichtig ist der Schweiz, dass strenge Richtlinien nicht nur für die Schweiz, sondern auch von anderen Finanzplätzen umgesetzt würden.

“Wir sind nette Nachbarn”, meinte die Schweizer Aussenministerin, “und mit einem netten Nachbarn geht man nicht so um. Das hat uns sehr getroffen.” Der Deutsche wiederum sagte: “Wir wollen diese Irritationen hinter uns lassen”. Der deutsche Aussenminister mochte sich für die Aussagen des Finanzministers nicht entschuldigen, wies aber den Wege der gepflegten Nachbarschaft.

Wie eng diese ist, zeigen folgende Zahlen: 44.000 deutsche Grenzgänger arbeiten gegenwärtig in der Schweiz, 230.000 Deutsche wohnen auch in der Schweiz. Der deutsche Aussenhandelsüberschuss beträgt 23 Milliarden Franken. Nach amtlichen Schweizer Angaben belief sich das Schweizer Investitionsvolumen in Deutschland 2007 auf 27 Milliarden Euro. Damit sei die Schweiz der sechstgrösste Investor in Deutschland. Deutschland sei mit einem Investitionsvolumen von 21 Milliarden Euro der neuntgrösste Investor in der Schweiz.

Nehmen wir es so, wie es ist: Eine Annäherung hat stattgefunden. Die Interessen bleiben unterschiedlich, doch der Umgangston ist wieder wie unter Nachbarn!

Claude Longchamp

Deutschland – Schweiz: zurück auf Feld eins.

Die aktuelle Debatte zwischen Deutschland und der Schweiz ist rüde. Sie bewegt sich auf einem Nebenschauplatz, der medial konstruiert wird. Gründe, sie in dieser Form beidseitig sofort zu beenden.

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Internationale Beziehungen zwischen Realismus und Konstruktivismus
Der Realismus war in der Nachkriegszeit lange die vorherschende politikwissenschaftliche Theorie zur Erklärung internationaler Beziehungen. Innenpolitische Betrachtungen der Aussenpolitik waren dabei unerheblich. Denn Staaten wurden gemäss dieser Auffassung untereinander durch Regierungen vertreten, die ihre Aussenpolitik auf Machtsicherung und Interessenvertretung ausrichten. Interessenbündelung galt denn auch als wichtigste Form der Wahrung von Sicherheit zwischen Staaten resp. der Mobilisierung von Vorteilen aus der Kooperationen.

Mit dem Ende des Kalten Kriegs verlor diese Analyse der internationalen Beziehungen an Bedeutungen. Unter den neuen Interpretationsansätzen ragt zwischenzeitlich der Konstruktivismus hervor. Er bestreitet übergeordneten Kategorien des aussenpolitischen Handelns, bindet dieses vielmehr an subjektive Prioritäten an, die sich aus den innenpolitischen Bedingungen ergeben. Die Verteidigung von Interessen wird dabei durch die Konstruktion von Verhältnissen ersetzt, die sich aus den jeweiligen sozialen Gegebenheiten ergeben.

Die aktuelle Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der Schweiz

Die aktuelle Debatte zwischen Deutschland und der Schweiz illustriert den Nutzen beider Konzepte. Was interessiert dabei? – Peer Steinbrück versteht das Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz als Kampf unterschiedlicher Auffassungen gerechter Steuerregelungen. Dabei geht es zwar auch um Geld, vor allem aber um Bilder. Das Herr/Knech-Verhältnis schimmerte durch, als er die Schweiz “mit Zuckerbrot und Peitsche” anhielt, ihre Politik des Bankgeheimnisses zu ändern.

Als die Schweiz das tat, irritierte ein Interview mit Steinbrück, da er die Absicht der OECD, Steueroasen auszutrocknen mit dem Ausritt der “Kavallerie” verglich, die, ohne jemanden anzugreifen, Wirkung zeige.

Diese Machtdemonstration kam gerade in Kleinstaaten mit schwachem politischem Selbstbewusstsein wie der Schweiz, aber auch bei vergleichbaren Problemen wie in Oesterreich oder Luxemburg schlecht an. Im schweizerischen Parlament erwachten bisher wenig profilierte Politiker wie der Rorschacher Stadtpräsident Thomas Müller von der St. Galler CVP. Er meinte, Peer Steinbrück erinnere ihn an “Deutsche mit Ledermantel, Stiefel und Armbinde”. Der Nazi-Vergleich wiederum bewog die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, sich hinter ihren Finanzminister zu stellen, weil es richtig sei, “Ross und Reiter” zu benennen. Und um in der sich selber rechtfertigenden Logik zu bleiben: Es dauert wohl nicht mehr lange, bis in der Schweiz der Ruf ertönt, die Reiter hoch zu Ross mit dem ungebändigtem Kampfwillen der alten Eidgenossen mit Hellebarden zu bekämpfen.

Was ist zu tun?
Was kann man daraus lernen? – In Zeiten erhöhter wirtschaftlicher Konflikte, aber auch unter dem Druck von Wahlkämpfen und parteipolitischen Mobilisierungen kann Aussenpolitik schon mal verbal eskalieren. Alles beginnt mit der Deklassierung des Gegners, etwa der Gleichsetzung von Staaten mit Steueroasen. Darauf aufbauend kommt es zu Diskreditierungen. Dabei werden am liebsten Bilder verwendet, die auf geschichtliche Stereotype verweisen und deshalb gut kommunizierbar sind. Verlassen wir damit jedoch das Feld der diplomatischen Gepflogenheiten mit personaler Kommunikation. Statt diplomatische Konferenzen werden so boulevardisierte Massenmedien zu den relevanten Plattformen des zwischenstaatlichen Schlagabtausches, der seinerseits BürgerInnen-Reaktionen generiert, was das Ganze zum Magneten für weitere Kommentare selbst von Experten macht.

Die Eskalation ist perfekt, ohne dass auch nur eine Frage, die am Anfang stand, geklärt worden wäre. Vielmehr werden so Fronten emotional verhärtet.

Zu den generellen Annahmen des Konstruktivismus zählt, dass Strukturen und Akteure der Internationalen Beziehungen sozial konstruiert werden, und zwar so, dass soziale Identitäten geschaffen werden, die eigene Handlungschancen erhöhen, jene des Gegners verringern. Dabei treten Realitäten notgedrungener in den Hintergrund, weil sie durch nicht nachkontrollierbare, medialen Konstruktionen überlagert werden. Der rückwärtsgewandten Identitäfsfindung mag das behilflich sein. Probleme der Zukunft werden so jedoch nicht gelöst.

An diesem Verständnis der Betrachtung von internationalen Beziehungen ist häufig kritisiert worden, rein deskriptive Analysen zu erzeugen. Denen kommt jedoch kein prognostischer Wert zu, womit sie auch nicht aufzeigen, was zu tun sei, um aus der Spirale medialer Erniedrigungen herauszukommen. Entsprechend wird empfohlen, vornehmlich konstruktivistische Blasen der postmodernen Verirrung im zwischenstaatlichen Umgang sofort zu bremsen, um wieder in der Regelung von Interessen als Kerngeschäft der internationalen Beziehungen anzukommen.

Claude Longchamp

PS:
In der Form schon mal richtig ist der heute angekündigte Schritt von Bundespräsident Hans-Rudolf Merz, ohne Polemik das direkte Gespräch seinem deutschen Gegenüber zu suchen!

Die neue Unübersichtlichkeit beim Bankgeheimnis

Wo steht die Schweiz im internationalen Prozess zur Vermeidung von Steuerhinterziehung? Was hat sich verändert, und wie wird das alles aufgenommen? Die Unübersichtlichkeit ist seit Freitag gewachsen. Ein Versuch, in kürzester Form den Ueberblick zurückzugewinne.

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Der ominöse Entwurf einer Schwarzen Liste der OECD, wie er soeben vom newsnetz.ch verbreitet worden ist.

Die Schweiz hat sich am letzten Freitag entschieden, die Differenzierung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung gegenüber dem Ausland aufzugeben. Sie ist bereit, die Standards der OECD zu akzeptieren und neue Doppelbesteuerungsabkommen auszuhandeln. Sie reiht sich damit ins wachsende Glied jener Staaten ein, die hierzu bis jetzt abweichende Standpunkte vertreten haben, dieser Tage jedoch Verhandlungsbereitschaft signalisiert haben.


G-20

Verwirrung stiftete die Versammlung der Finanzminister übers Wochenende. Denn nach Angela Merkel ist ist eine Schwarze Liste für Steueroasen angekündigt und provisorisch verfasst worden; gemäss ihrem Finanzminister Peer Steinbrück soll es ein solches Dokument indessen gar nicht gegeben haben.

In der Schweiz ist das nicht unerheblich, denn die Enscheidung des Bundesrates basiert auf der Möglichkeit einer Ausgrenzung, über die die Bundesregierung seit dem 5. März 2009 dokumentiert war. Dieses ist seit heute mittag online einsehbar.

Klar geworden ist, wie schlecht die Schweiz in die Meinungsbildung innerhalb der OECD inteegriert worden ist, obwohl seit langem Mitglied und selbst im Vizepräsidium des Ministerrates vertreten. Der Handlungsbedarf ist hier am grössten, um das Funktionieren geregelter Wirtschaftsbeziehungen zu gewährleisten.


EU/USA

Mit seiner Entscheidung vom Freitag hat sich der Bundesrat aus der Defensive befreit, in die er nach dem Entscheid der Finma, UBS-Kundeninformationen an die USA auszuliefern, geraten ist. Dem Druck, der namentlich aus dem Kreis starker EU-Staaten erwartet worden ist, konnte einen Monat widerstehen.

Mit Blick auf die Problematik in Oesterreich und Luxemburg wird man den Schluss ziehen können, dass die Nicht-Mitgliedschaft in der EU hier unerheblich war. Demgegenüber bleibt die Beantwortung der Frage offen, ob eine EU-Mitgliedschaft in der Positionierung gegenüber der USA von Vorteil gewesen wäre. Ziel des Bundesrates muss es auch hier sein, seine internationale Vernetzung gerade in dieser Frage zu verbessern, sprich, die Mitgliedschaft in der G-20 so schnell wie möglich zu verhandeln.

Schweiz
Innenpolitisch scheint die Entscheidung des Bundesrates mehrheitlich unterstützt zu werden, wenn auch mit Bedenken. Grüne und SP steht hinter dem Schritt; sie fordern eine Ausweitung auch für Steuerhinterziehung durch Schweizer Kunden.

CVP und FDP decken das Vorgehen der Bundesregierung, wollen aber als Parteien weder nach aussen noch nach innen weiter Konzessionen machen. Die CVP wirkt dabei etwas kohärenter, die FDP etwas verwirrter.

Die SVP wiederum befindet sich seit Tagen im Wirtschaftskrieg. Sie widerspricht dem Bundesrat diamentral, denn wer einmal nachgegeben habe, müsse auch weitere Male zurückweichen. Vielmehr befürwortet man an der Spitze der grössten Schweizer Partei, beim Flugzeugkauf für die Schweizer Armee die Unstimmigkeiten mit Deutschland und Frankreich mitzuberücksichtigen und das Gold der Nationalbank aus den USA zurückzuziehen. Zudem kündigt man vorsorglich eine Referendumsbereitschaft gegen neue Doppelbesteuerungsabkommen an.

Wirtschaft
Für die etwas unübersichtlich gewordene Situation der Schweiz in Sachen Bankgeheimnispolitik spricht, dass die Schweizer Nationalbank einerseits, die Schweizerische Bankiervereinigung anderseits mit unterschiedlichen Zahlen zu den ausländischen Vermögen in der Schweiz operieren. Während die SNB von 1 Billion Franken ausgeht, rechnet die SBVg mit 1,85 bis 2,15 Billionen Franken Vermögen von Privatpersonen in der Schweiz. Die Differenz rührt daher, dass die BVG auch Stiftungsgelder miteinbezieht, weil diese in der Regel aus Privatvermögen stammen. In beiden Fällen ist aber unbekannt, wieviel davon aufgrund der Steuerhinterziehungsmöglichkeit in der Schweiz ist.

In dieses Bild passt, dass kaum jemand eine allgemein verbindliche Schätzung der Auswirkungen der gemachten Entscheidung machen kann. Die diesbezüglichen Schätzungen zum BIP und zu Arbeitsplätzen gehen erheblich auseinander. Ein Teil erklärt sich wohl auch damit, dass der Prozess unabhängig von den politischen Entscheidungen jetzt schon läuft.

Und die Stimmung im Lande?
Wenn ich mich ein wenig umhöre, wie die nicht offiziellen Kommentare lauten, stelle ich folgendes fest:

Erstens, die Mehrheit findet die Entscheidung des Bundesrates, eine Diskriminierung der Schweiz auf einer Schwarzen Liste zu verhindern, absolut richtig.
Zweitens, bezüglich der Kohärenz des Vorgehens bestehen vielerorts Bedenken. Es besteht noch erheblicher Erklärungsbedarf.
Drittens, je nach Interessenlage beim Bankgeheimnis fallen die Bewertung etwas different aus. Letztlich ist die öffentlichen Aufregung in der Schweiz aber beschränkt.
Viertens, die Emöprung über den deutschen Finanzminister wächst von Stunde zu Stunde. Seine Sprache ist der Diplomatie zwischen Staaten unwürdig.
Fünftens, ein Teil selbst politisch interessierter Beobachter hat für sich entschieden, angesichts der Komplexität und Schnelligkeit des Vorgehens eine indivudelle Auszeit zu nehmen und hat sich abgekoppelt.

Claude Longchamp

Die OECD stellt sich ein – die Schweiz ist nicht bereit

Schneller als in der Schweiz erwartet, bereitet sich die OECD auf den G-20-Gipfel in London vor. Die Schweiz scheint nicht bereit zu sein. Es droht den Bevölkerungsteilen, die nicht vom Bankgeheimnis profitieren, Geiselhaft.

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Am vergangenen Sonntag trafen sich die Finanzminister der Schweiz, Österreichs und Luxemburgs, um über eine gemeinsame Strategien mit Blick auf die drohende Nennung auf einer Schwarzen Liste zu beraten. Die drei Länder, die alle ein Bankgeheimnis kennen, beschwerten sich über das Vorgehen, signalisierten aber zugleich Dialogbereitschaft über den Ausbau der Zusammenarbeit bei Steuerdelikten.

Nun ist heute Mittwoch in Paris eine Faktensammlung der OECD überreicht worden, welche die Entscheidung des G-20-Gipfels vom 2. April 2009 vorbereitet. Neben der Schweiz, Österreich und Luxemburg würden auch Hongkong, Singapur und Liechtenstein als Staaten genannt, die nur bei Steuerbetrug, nicht aber bei Steuerhinterziehung Amtshilfe leisten würden.

Hongkong und Singapur haben unterdessen ihre Bereitschaft zur Übernahme des OECD-Standards bei der internationalen Zusammenarbeit signalisiert. Das Fürstentum Liechtenstein könnte am Donnerstag einen ähnlichen Schritt bekannt geben.

Frankreich und Deutschland verlangen verstärkte Aufsicht für Banken, die in den genannten Ländern Geschäfte machen. Italien wiederum plädiert für einen mehrstufigen Prozess – von “Naming and Shaming” bis hin zu Sanktionen. Deutschland erhöhte heute den Druck. Im eigenen Land will man kommende Woche ein neues Gesetz gegen das Bankgeheimnis beschliessen, das für Staaten auf der Schwarzen Listen Konsequenzen haben werde.

Im Schweizer Fernsehen machte der deutsche Finanzminister gestern klar, wie die Schweiz die Schwarze Liste vermeiden könne. Dazu müsse sie die OECD Richtlinien bei der Amthilfe akzeptieren.

Mit der Indiskretion, welche die französische Wirtschaftszeitung “LaTribune” heute abend als erstes verbreitete, kommt der Zeitplan der eilends einberufenen Expertengruppe, die den Bundesrat beim Bankgeheimnis beraten soll, durcheinander. Diese hatte damit gerechnet, bis Ende Monat Vorcshläge unterbreiten zu können. Diese Frist dürfte nun deutlich verkürzt worden sein.

Immer mehr schimmert durch, dass der Teil der Bevölkerung, der nicht vom Bankgeheimnis profitiert, von der OECD in Geiselhaft genommen werden soll.

Claude Longchamp

Genese einer neuen Politik gegenüber dem Bankgeheimnis

Die Diskussion zum Bankgeheimnis ist in der Schweiz in Gang gekommen. Erfolg haben wird in Verhandlungen nur, was innenpolitisch mehrheitsfähig ist, und aussenpolitischen auf Interesse stösst. Die Dreiteilung der Positionen in der Schweiz, die ersichtlich wird, dürfte da noch nicht zum Ziel führen.

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Bild: Tages-Anzeiger

Die Anfänge einer neuen Politik
Vor zwei Wochen schien noch alles klar: “Das Bankgeheimnis ist nicht verhandelbar!”, repetierten Bundesrat und Parlamentsmehrheit. Mit dieser Position wussten die wichtigsten Interessen des Finanzplatzes Schweiz hinter sich.

Seit die UBS, Finanzmarktaufsicht und der Bundesrat die Herausgabe von UBS-Kundendaten aus Steuerbetrugsfällen gebilligt und vollzogen haben, ist Bewegung in diese klare Frontstellung gekommen. Die EU fordert Vergleichbares wie man den USA gewährt habe.

Unmittelbarer Handlungsdruck geht vom G20-Gipfel aus, der am 2. April in London stattfindet, und am 19./20. März vorbereitet wird. Mit Blick auf die Entscheidungen, die dannzumal von Steueroasen zu erwarten sind, hat Bundespräsident Hans-Rudolf Merz gestern angekündigt, man sei in gewissen Fragen verhandlungsbereit; Aussenministerin Micheline Calmy-Rey ihrerseits doppelte in der heutigen Sonntagspresse nach. Die Schweiz solle sich so verhalten, dass sie auf keine Schwarze Liste mit Sanktionen komme.

Die vorläufigen Positionen

Vereinfacht gesprochen gibt es in der Schweiz in diesen Fragen gegenwärtig drei Positionen: jene der SVP, jene von Bundesrat und Mehrheit von FDP und CVP und die der SP.

Status Quo verteidigen: Die SVP ist beim Bankgeheimnis für eine harte Linie. Sie lehnt Erpressungsversuche des Auslandes kategorisch ab. Der Status Quo soll so schnell wie möglich bestätigt werden; die Lega will hierfür gar eine Volksinitiative lancieren, die das Bankgeheimnis in der Bundesverfassung festschreiben soll. Im Ausland findet sich hierfür kein Widerhall, was der rechtskonservativen Rechten egal ist. Mit Imageschäden kann man hier leben.

Zinsbesteuerung erweitern: Der Bundesrat steht unter dem Druck, in Verhandlungen etwas anbieten zu müssen. Er setzt auf eine Erweitertung des Zinsbesteuerungsabkommens, das man mit der EU abgeschlossen hat. Es soll auch anderen Staaten wie den USA angeboten werden. Diese Politik tangiert das Bankgeheimnis nicht, und sie rüttelt auch nicht an der Privatsphäre der Bankkunden. Denkbar sind dabei Ausweitungen der Quellensteuer. FDP und CVP stützen in ihrer Mehrheit diese Position, womit sie innenpolitisch recht breit abgestützt ist. Aussenpolitisch ist sie aber wenig realistisch, denn sie keine der zentralen Forderungen, mit denen sich die Schweiz konfrontiert sieht, auf. In der EU gilt dieses Vorgehen als zeitlich begrenzt realisierbar, wahrscheinlich bis 2013.

Amtshilfe bei Steuerhinterziehung: Von diesen geht explizit nur die SP-Position aus. Sie will das Bankgeheimnis für Schweizer Kunden belassen, die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung indessen aufheben. Bei Verdacht auf Steuerflucht in die Schweiz, soll gegenüber dem Ausland Amtshilfe gewährt werden. Damit rückt man auf der linken Seite nahe an die Positionen der OECD, der EU und der USA. Innenpolitisch wird die SP aber nur von den Grünen unterstützt. Immerhin, diese Woche sind einige gewichtige Stimmen wie jene der Bankiervereinigung, des neues CEOs der UBS und vereinzelter Parlamentarier aus den bürgerlichen Parteien, die für einen Meinungswandel sprechen.

Politik der Verringerung von Interessengegensätzen
Letztlich wird die kardinale Forderung, die etwas Gordon Brown zur Austrockung der Steueroasen aufgestellt hat, in der Schweiz nirgends vertreten. Denn sie geht von einem automatischen Informationsaustausch über Kundenkonten zu Ausländern in einem Drittstaat aus. Daraus kann man schliessen, dass der Druck auf Steueroasen generell und damit auch auf die Schweiz hoch bleiben wird, selbst wenn die Akzente, die Nicolas Sarkozy, Angela Merkel und Silvio Berlusconi im Moment setzen, etwas unterschiedlich tönen.

Die Diskussionen in den nächsten Tagen wird zeigen, ob hierzulande eine konkrete Bewegung aufkommt, die den Druck auf die Schweiz, dem sie in den nächsten Wochen ausgesetzt sein wird, vermindern kann. Nötig hierfür ist eine Annäherung an die Position, die Amtshilfe nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei Steuerhinterziehung zulässt. Denn solange individuelle Steuerhinterziehung durch das Bankgeheimnis gedeckt wird, dürfte Letzteres Gegenstand von konfliktreichen Verhandlungen bleiben.

Claude Longchamp

Grosse Börsenchrashs im Vergleich

Das Blog “dshort.com” erstellt regelmässig Uebersichten über die Entwicklung der Aktienmärkte während Wirtschaftskrisen. Das gibt zwar noch keine Prognosen, wie sich die jetzige entwickeln wird, doch kann man ihren bisherigen Verlauf in die zyklischen Einbrüche der jüngeren Börsengeschichte einordnen.

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Unverändert war der Börsencrash von 1929 mit der nachfolgenden Grossen Depression als der einschneidendste Moment in der Wirtschaftsgeschichte. Die Krise dauerte mit 34 Monaten bis zum Umschwung fast drei Jahre, und der Dow Jones Index verringerte sich in dieser Zeit um fast 89 Prozent. Der zweitgrösste Einbruch war im Jahre 2000, als die Dotcom-Blase platzte. Es braucht 30 Monate bis sich die Aktienwerte, welche um 49 Prozent gesunken waren, wieder zu erholen begannen. Die Erdölkrise 1973 wirkte sich fast so stark aus (48 % Rückgang), kannte aber mit 21 Monaten bis zur Wende eine vergleichsweise kurze Zeit des Rückgangs.

Die jetzige Krise auf den amerikanische Aktienmärkten, sichtbar seit September 2008, geht genau genommen schon in den 17. Monat des Abschwungs an der Börse. Das Ausmass der Verluste übertrifft gemäss “dshort” mit 53 Prozent jetzt schon jenes der Erdöl- oder Dotcom-Krise bis zu deren Wende.

Wie nachhaltig der gegenwärtige Einbruch ist, könne noch nicht beurteilt werden, meint Doug Short, der Autor des Blogs, in den 80er Jahren Porfessor für Computerwissenschaft an der University of North Carolina war danach Berater von IBM wirkte. Immrhin zählt er ihn zu den vier grossen der Wirtschaftsgeschichte der letzten 140 Jahre, die er mit seinem Blog statistisch analysiert und grafisch präsentiert.

Claude Longchamp

Der finale Angriff auf das Bankgeheimnis der Schweiz

Sympathischer Kleinstaat oder wirtschaftliche Grossmacht? – Beide Selbstbilder der Schweiz sind in der aktuellen internationalen Debatte über das schweizerische Bankgeheimnis obsolet geworden. Denn die Grossmacht ist angeschlagen, und der Kleinstaat wird gemieden.


Die heutigen Vorbereitungen zum Weltfinanzgipfel der G-20-Staaten finden ohne die Schweiz statt, deren Bankgeheimnis Gegenstand der Debatte ist.

“Brown tragets Switzerland in global tax haven crackdown”, schrieb jüngst der britische “Guardian”, und brachte damit auf den Punkt, was, unter anderem, am Weltfinanzgipfel vom 2. April 2009 bei der Zusaemmnkunft der erweiterten G-20-Mitglieder besprochen werden soll.

Der Moment scheint günstig, haben doch die amerikanischen Behörden der UBS betrügerische Verhalten nachgewiesen, hat die schweizerische Aufsichtsbehörde der Auslieferung von Daten aus Fällen mit Steuerbetrug zugestimmt und hat der Bundesrat dazu seinen Segen gegeben.

Im Ausland hat man das fast unisono so gelesen, dass das schweizerische Bankgeheimnis angeknackt sei, was den finalen Schlag, wie es das Tax Justice Network nennt, in den kommenden Wochen erwarten lässt. Sei der Fall UBS einmal gelöst, zitiert die heutige “NZZ am Sonntag” den britischen Premier, sei es möglich, “ein internationales Abkommen für den Informationsaustausch auszuhandeln”.

Plattformen hierfür gibt ausserhalb des erwähnten Weltfinanzgipfels vom 2. April 2009 in London noch zwei: Zum Beispiel die Berliner-Konferenz wichtiger OECD-Mitglieder wie Deutschland, Frankreich, Italien und Grossbritannien, die sich noch vor dem Sommer mit dem Thema “Austrocknung von Steueroasen” beschäftigen wird. Dabei soll ein Musterabkommen für weltweit verbindlich erklärt werden, wonach kein Land sich auf Bankgeheimnisse berufen darf, um eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Steuerfragen abzulehnen. Angela Merkel meinte vor der heutigen Vorbereitungssitzung, es dürfte keine weissen Flecken auf der Karte der Bekämpfung von Steuerflucht geben.

Schneller noch droht insbesondere der UBS in den USA weitere Kritik. In einem Hearing vom 4. März 2009, geleitet von Senator Carl Levin, einem Vertrauten der US-Präsident Barack Obama, sollen nicht nur die 52’000 Dossiers der UBS untersucht werden, die Gegenstand der neuesten, zivilrechtlichen Klage gegen die Grossbank sind. Diskutiert werden soll auch, die Unternehmensbesteuerung so zu ändern, dass es sich für US-Firmen nicht mehr lohnt, ihren Sitz in die Schweiz zu verlegen.

In London wird die Schweiz beim Weltfinanzgipfel nicht dabei sein. Sie wurde demonstrativ nicht eingeladen, nicht einmal als Beobachter, wie man sich im Finanzdepartement erhofft hatte. In Washington wiederum will sich die Schweiz aus Verärgerung über die von amerikanischer Seite eingestellte Amtshilfe gar nicht erst zeigen. Der Schweizer Botschaft in Washington, Urs Ziswiler, wird an diesem Tag in seinem Büro bleiben.

Man kann es eigentlich nur noch so deuten: Die Schlinge um das Bankgeheimnis der Schweiz zieht sich zusammen. Und es macht den Eindruck, dass im rasch anschwelenden Konflikt das Schweizer Bankgeheimnis ohne die Präsenz der Schweiz gekapt wird. Oder noch deutlicher: Weder die wirtschaftlichen Grossmacht noch der sympathische Kleinstaat bleiben der Schweiz erhalten.

Claude Longchamp

Ein Mehrfrontenkrieg zum Bankgeheimnis steht an

Beat Bernet, Professor für Bankwirtschaft, leitet an der Universität St. Gallen das Schweizerische Institut für Banken und Finanzen. In der heutigen “Sonntagszeitung” nimmt der Präsident der Zuger Kantonalbank zur Zukunft des Bankgeheimnisses in der Schweiz Stellung. Dabei warnt er vor sinnlosen Rückzugsgefechten und empfiehlt, das Bankgeheimnis zu belassen, aber den Schutz der Privatsphäre von Bankkunden neu zu definieren.

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Beat Bernet: “Die Stossrichtung hat Präsident Barack Obama bereits lange vor seiner Kandidatur klargemacht. Sie wird mit der seiner Administration eigenen Dynamik umgesetzt.”

Die Schweiz sei erpressbar geworden, sagt der Experte, “weil wir es versäumt haben, rechtzeitig unsere Strategie zur Positionierung des Finanzplatzes in einem fundamental veränderten politischen Umfeld anzupassen. Stattdessen haben wir Wolkenschlösser gebaut, die spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise Makulatur geworden sind.” Die Schweiz habe mit dem Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU letztmals einen guten Deal erzielt, doch habe man seither keine griffigen Massnahmen mehr entwickelt. Spätestens seit dem Abschluss den neuen Bankenabkommens zwischen der USA und Liechtenstein im Dezember 2008 sei aber klar gewesen, dass der Druck auch auf die Schweiz steigen werde.

Nach vorne blickend empfiehlt der Bankenfachmann der Schweiz ein dreistufiges Vorgehen:

Erstens müssen Banken und Politik anerkennen, dass die Welt sich verändert hat. Deshalb müssen die bisherigen Positionen hinterfragt werden.
Zweitens müsse nicht das Bankgeheimnis, jedoch de Privatsphärenschutz neu definiert werden. Die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug trage in der bisherigen Form nicht mehr.
Drittens müsse die Schweiz ihre Position gegenüber den USA und der EU so verankern, dass Zugeständnisse möglich würden, nicht aber ein uneingeschränkter Informationsaustausch.

Bernet erwartet, dass die EU nun die eigenen Dissidenten wie Oesterreich, Belgien und Luxemburg disziplinieren werde. Anschliessend seien die anderen Finanzplätze an der Reihe. Die Schweiz müsse sich deshalb auf einen Mehrfrontenkrieg gegenüber den USA und der EU, tatkräftig orchestriert durch die OEDC, einstellen.

Für das Banking sei es zentral, sagt Bernet, dass man das rasch kommuniziere, Verhandlungsbereitschaft signalisiere und eine realistische Rückzugslinie, hinter die man nicht gehen werde, aufzeige. Ein Rückzugsfecht sei angesichts der jetzigen Positionen nicht sinnvoll. Den beiden Grossbanken empfiehlt er, sich vom bisherigen Offshore-Geschäft zu verabschieden und von den bisherigen Kunden eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu verlangen, um nicht mit den Steuerbehörden anderer Staaten fortwährend in Konflikt zu geraten. Sogar einen gänzlichen Rückzug der UBS aus den USA schliesst er nicht aus.

Der Schluss des Interviews mit dem Schweizer Bankenfachmann klingt schon fast zynisch: “Jetzt hat uns die UBS unter Zugzwang gesetzt, und wir haben keine Zeit mehr. Wenigstens die sollten wir nutzen.”

Claude Longchamp