FDP und CVP: das Schicksal des LdU vermeiden

Anton Schaller war mal Chefredaktor des Schweizer Fernsehens. Doch dann zog es ihn in die Politik. Die erhofften Wahlerfolge für sich und für seine Partei blieben indessen aus. So war er der letzte Parteipräsident des Landesrings der Unabhängigen – vor dessen Auflösung im Jahre 2000. Seither wirkt es als Kommunikationsberater, und als solcher greift er, eingeladen von der NZZ, in die Debatte über die Neuformierung der politischen Mitte ein.

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Anton Schaller: keine Fusion, aber eine gemeinsame Fraktion auf FDP und CVP

Vielleicht dramatisiert er aus seinem eigenen Trauma heraus. Seine Aussage ist dafür umso klarer: “Noch nie waren die Chancen so gross, noch nie lag so brach, was jetzt beackert werden könnte: die politische Mitte. Er steht offen, der dritte Weg. Der Weg zwischen dem rechten und dem linken Lager, der Weg der Vernunft.” Mit diesen Worten eröffnet Schaller seine Analyse der Parteienlandschaft, die es im politischen System der Schweiz braucht, die er aber nicht mehr findet. Statt wie der LdU vor 10 Jahren zu enden, empfiehlt er der geschwächten FDP und CVP sich zusammen zu raufen.

“Der Ausweg liegt im Zusammenschluss der aufrechten liberalen Kräfte in den beiden Parteien FDP und CVP. Im Bündnis der modernen, weltoffenen Geister, die mehr wollen als nur sich selber genügen.” Damit ruft er ZentrumspolitikerInnen auf, die weder im Isolationismus noch im Sozialromantismus erstarren wollen auf, sich zusammen zu tun. Ganz im Sinne des “sozialen Kapitals” empfiehlt er ein Wirtschaftsordnung, die den wilden Kapitalismus der Banker im Zaun hält, und dem immer wieder auflebenden Sozialismus die Realitäten vorrechnet. Verbindend soll sein, die humanitäre Tradition der Schweiz in der globalen Welt nicht aufs Spiel zu setzen.

Die neue Mitte muss aus den bestehenden Parteien hervorgehen, postuliert Schaller. Vor Fusionen warnt er aber. Vielmehr empfiehlt er eine gemeinsame Fraktion in der Bundesversammlung, welche offensiv politisiert, und nicht wartet, bis sie verzweifelt zum letzten Zug ansetzen darf.

Provokationen, die sitzen

Die Provokation: Am Sonntag wurden Planspiele ruchbar, wonach sich die Parteispitzen von FDP, CVP und BDP absprechen, minimal für Themen, maximal für die Wahlen in den Bundesrat. Ziel sei es, die vier Sitze der drei Partei in der Bundesregierung zu wahren, allenfalls untereinander zu tauschen.

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Blocher, Hayek und Levrat im gemeinsamen Auftritt: Szene, welche die bürgerliche Mitte irritierte und Anlass bot, eine liberale Allianz zu lancieren, auf die widerum SVP und SP aufgeschreckt reagieren.

Die Reaktionen: Die Antworten der so herausgeforderten Polparteien blieben heute nicht aus. Für SVP-Parteipräsident Toni Brunner ist es klar, die Sitze im Bundesrat müssen nach der Parteistärke verteilt werden, und die SVP hat als wählerstärke Gruppe im Bundeshaus Anspruch auf 2 Sitze. Deshalb werde man bei jedem Rücktritt eigene Kandidaten stellen. Im Vordergrund steht Caspar Baader, der Fraktionschef, der sowohl bei einer FDP- wie auch bei einer SP-Vakanz antreten werde. Das dabei die Konkordanz-Verteilung gestört werden könnte, kümmert den St. Gallen Nationalrat kaum. Vor allem die SP habe sich mehrfach nicht an die Regeln der einvernehmlichen Sitzverteilung nach Parteistärken gehalten; sie könnte dafür büssen müssen.

Für Christian Levrat, den SP-Präsidenten, stellt sich die Frage noch deutlicher. Er droht den anderen Regierungsparteien mit dem Rückzug seiner Partei aus dem Bundesrat, sollte Evelyne Widmer-Schlumpf zu Lasten der SP wiedergewählt werden. Weder von der Parteienstärke sei das gerechtfertigt, noch sie die Justizministerin eine Linke. Wer das übersehe, soll klar stellen, dass der die Konkordanz abschaffen und zugunsten eines Mehrheitssystems umfunktionieren wolle.

Nichts zu verlieren haben die Grünen. Sie schwiegen denn heute zum Vorhaben der Mitte-Parteien. Diese wiederum halten sich zurück. Fulvio Pelli von der FDP und Hans Grunder von der BDP äusserten sich öffentlich gar nicht, und Christophe Darbellay reduzierte die Ansprüche der Allianz auf thematische Absprachen, um unheiligen Allianz vorzubeugen. Ins gleiche Horn stiess auch FDP-Generalsekretär Stephan Brupbacher, der den Ball möglichst tief halten wollte.

Meine Bilanz von heute: Die Provokation sitzt. Wäre an der Geschichte nichts dran, wäre sie wohl auch sofort gestorben. Dass sie diskutiert wird, zeigt, dass der eingeschlagene Nagel getroffen hat. Die Verwunderung darüber ist eigentlich erstaunlich. Die SVP fordert schon länger, die SP im Bundesrat zu schwächen. Grünen ihrerseits wollen eine Konkordanz ohne SVP. Und das liberale Zentrum will eine Mitte und Bundesrat, die stärker ist als ihr Wähleranteil.

Interessant, dass bisher kaum jemand nachgerechnet hat: Das sich neuformierende Zentrum kommt in der Bundesversammlung auf 105 Sitze. Ohne die EVP und glp sind es 99. Das gilt letztlich auch für die SVP, die auf 65 Sitze kommt, während es für rot-grün für maximal 76 Sitze reicht. Bei einer Dreiteiligung der Stimmen in die genannten Blöcke hat niemand wirklich gesicherte Mehrheiten, um den eigenen Willen gegen den der anderen durchzusetzen. Oder anderes gesagt: Wenn SVP, SP und Grüne nicht wollen, dass Evelyne Widmer-Schlumpf Bundesrätin bleibt, kann die Zentrums-Allianz sie nicht halten.

Einen Ausweg anderer Art verkündete heute das Tessiner Parlament. Um ihre Sprachminderheit im Bundesrat besser vertreten zu können, regt sie im Rahmen der laufenden Regierungsreform an, die Sitzzahl des Bundesrates von 7 auf 9 zu erhöhen. Womit wieder alles anders wäre!

FDP, CVP und BDP auf dem Weg zu einer Wahlallianz 2011

Via Sonntagspresse künden FDP, CVP und BDP an, für die Wahlen 2011 eine gemeinsame Wahlallianz anzustreben. Was könnte die Gründe, was die Aussichten des Projekts sein?

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Lange war alles klar in der Schweizer Politik: FDP, CVP, SP und SVP bildeten im Konkordanzsystem gemeinsam die Regierung. Mit den Wahlen 1995 begannen sich die Parteistärken jedoch dramatisch zu ändern. Die Regierungszusammensetzung änderte sich, ohne dass sich dabei ein neues Gleichgewicht eingestellt hätte. Vielmehr besteht der siebenköpfige Bundesrat heute aus 5 Parteien, und drei Fraktionen erheben den Anspruch neu oder verstärkt vertreten zu sein.

Vom Auslaufen der scharfen Bi-Polarisierung des Parteiensystem war auf diesem Blog schon mehrfach die Rede. Geortet wird seit 2007 eine elektoral wiedererstarkte Mitte. Denn nicht nur CVP mit EVP und Grünliberalen, vermehrt auch die FDP und die BDP drängen (wieder) ins Zentrum. Im Bundesrat hat man zusammen eine numerische Mehrheit, im Ständerat auch. Doch im Nationalrat können die Polparteien Projekte gezielt auflaufen lassen, wenn sie ihre Stimmkraft auspielen. Und da im Zentrum keine Partei den Lead für sich beanspruchen kann, wird man so nicht selten hin- und hergerissen und politisiert man gegen- statt miteinander.

Will man bei jetzigen Regierungssystem bleiben, braucht es vermehrt Zusammenarbeit, selbst wenn es unverändert personelle und elektorale Hindernisse gibt. Denn die direkte Demokratie gibt gelegentlich den Opponenten recht, ohne dass daraus ein Regierungsprogramm entsteht. Und der Föderalismus mässigt Positionen, die sich in einer klar rechten oder linken Regierung realisieren liessen.

Genau das könnte die Spitzen der FDP, CVP und BDP bewogen zu haben, nach einem Ausweg zu suchen. Wie in der heutigen Sonntagszmedien bekannt wurde, trafen sich Fulvio Pelli, Christophe Darbellay und Hans Grunder verstärkt durch Wirtschaftsvertreter ihrer Parteien mehrfach, um dem Vernehmen nach folgenden Plan vorzubereiten:

Erstens, gemeinsame Gremien sollen die politische Kooperation der drei Parteien vorbereiten in den zentralen Politikfeldern vorbereiten.
Zweitens, im Wahlkampf 2011 soll man sich nicht gegenseitig bekämpfen, vielmehr Listenverbindungen eingehen.
Drittens, im Bundesrat soll die Mehrheit mit vier von sieben Sitzen über 2011 hinaus gewahrt bleiben.

Dafür würden Bundesrat Hans-Rudolf Merz noch vor den Parlamentswahlen zurücktreten. Evelyne Widmer-Schlumpf könnte ins Finanzdepartement wechseln und Karin Keller-Sutter als neue FDP-Bundsrätin kandidieren und Justizministerin werden. Die SVP, die angekündigt hat, der FDP den 2 Sitz in der Landesregierung streitig zu machen, würde so wohl ins Leere laufen. Die BDP würde 2011 mit der Wiederwahl von Widmer-Schlumpf bedient, und die CVP könnte die BDP beerben, wenn Widmer-Schlumpf zurücktritt.

Das tönt alles nach “Vorteil FDP”, was nicht nur gut sein muss. Denn die zahlreichen bisherigen Versuche der Koordination im Zentrum scheiterten, wenn sie eine Partei über den Tisch gezogen fühlte. Der Kern dürfte die thematische Zusammenarbeit sein, und darüber hinaus eine Allianz, welche bei Wahlen spielt, um sich das Geschehen weder von rechts noch links diktieren zu lassen.

Gerade deshalb ist die Koordination im erweiterten Zentrum nötig: Die SVP tritt homogen auf, und die rotgrünen Parteien kennen solche Absprachen schon länger. Und: Ohne einen gemeinsamen Leistungsausweis droht der FDP eine folgenreiche Wahlniederlage, könnte die BDP Wahlsiegerin werden und trotzdem aus der Regierung fliegen, und die Zentrumsfraktion aus CVP, EVP und glp an der inneren Konkurrenz ganz scheitern.

Mit einer ordentliche Arbeit in der Sache könnte die Kooperationsbereitschaft unter den schweizerischen Parteien, die regieren wollen, wieder steigen. Zuerst im Zentrum selber, dann aber auch an den Polen, die gezwungen würden, Farbe zu bekennen, ob sie nur Trittbrettfahrer des Konkordanzssystems oder Teile der Bundesregierung ohne Wenn und Aber sind.