Eine Woche Abstimmungsberichterstattung

Die eidg. Volksabstimmungen vom 23. September 2012 stehen an. Entschieden wird über den Verfassungszusatz zur Jugendmusikförderung, über die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter» und die zum «Schutz vor Passivrauchen». Diese Woche bereitet unser Institut die Auswertung der ersten Repräsentativ-Befragung vor, realisiert für die SRG-Medien. Eine Uebersicht über mein Programm.


Wie gross ist das Ja oder Nein und was an Ueberzeugungen steckt dahinter? – Das ist die Frage der Voranalysen zu Volksabstimmungen.

Montag
Die Daten der Befragung während der vergangenen Woche treffen ein. Wenn, wie normal, alles plausibel ist, beginnt sofort die Verarbeitung: die statistische Datenanalyse einerseits, die Visualisierung der Hauptergebnisse anderseits. Martina Imfeld, Stephan Tschöpe und Sarah Deller leisten diese Vorarbeit gemeinsam. Meinerseits kümmere ich mich um eine erste schriftliche Kurzfassung der Ergebnisse, und ich überprüfe meine Arbeitshypothesen zum anfänglichen Stand der Meinungsbildung und zum erwarteten Abstimmungsausgang. Daraus entsteht die Einleitung zum Bericht, verbunden mit einem Anhang zur Theorie und zu den Daten, die der Studie zu Grunde liegen. Im Wesentlichen ist das noch Routine.

Dienstag
Das ist der eigentliche Tag der Berichterstattung. Martina schreibt diesmal die Kapitel zur Beteiligung(sabsicht) und zum Stand der Meinungsbildung beim Schutz vor Passivrauchen. Ich kümmere mich um die beiden anderen Vorlagen. Wir fragen uns jeweils: Wer ist (vorerst) dafür, wer (vorerst) dagegen? Wie gut kommen die Argumente der Kampagnen an? Wenn immer möglich, schauen wir uns auch Vergleichsabstimmungen in der Vergangenheit an, und was da die Analyse ergaben. Beim Eigenmietwert ist das am ehesten möglich; bei Passivrauchen kaum, den gesamtschweizerisch haben wir noch nie darüber entscheiden können. Wenn es reicht, bereiten wir am Abend noch die Präsentationfassung in Grafikform vor. Gestört werden will ich an diesem spannendsten Tag von niemandem!

Mittwoch
Der Morgen beginnt mit Lektüre. Martina und ich lesen die Kapitelentwürfe übers Kreuz; eine kurze kollegiale Rückmeldung wird erwartet. Danach schreibe ich die Synthese; alles Wichtige soll in verdichteter Form nochmals aufgelistet werden. Aufgezeigt werden soll, was noch unsicher ist, und es wird bewertet, was gesichert erscheint. Denn zum Schluss der Analyse geht es darum aufzuzeigen, was man von der kommenden Meinungsbildung im Abstimmungskampf erwarten kann. Martina kümmert sich parallel dazu um das Lektorat und Layout des Medienberichts. Dieser geht am Nachmittag an die SRG-Zentrale, welche allfällige Nachfragen aus journalistischer Sicht stellt. Am Mittwoch Abend löst sich bei uns meist einiges der Arbeitsanspannung in solchen Wochen.

Donnerstag
Das ist der Tag der internen Praesentation. Erwartet werden die JournalistInnen der beteiligten SRG-Unternehmenseinheiten. Am Morgen bin ich meist kurz beim Coiffeur, dann im Büro, um mich einzustimmen. Die Präsentation von MedienvertreterInnen mache ich gemeinsam mit Martina. Diesmal wird sie über den Schutz des Passivrauchens berichten – die Vorlage, welche die Oeffentlichkeit wohl am meisten interessiert. Ich nehme mich der beiden anderen Themen an. Danach gibt es Interviews und Statements, in Deutsch, Französisch und Englisch. Bis am Mittag sollten alle alles im Kasten haben, um an der journalistischen Umsetzung der Studienergebnisse zu arbeiten. Bei uns im Büro werden Medienmitteilung gegengelesen, Blogs aufgesetzt und die Information via Internet vorbereitet. Meist ist am frühen Nachmittag Schluss – Zeit sich all dem zu widmen, was die ganze Woche liegen geblieben ist.

Freitag
Nach Aussen ist der Freitag der entscheidende Tag; nach Innen hoffen wir auf Ruhe. Meist bereiten wir das, was kommt, am Morgen ein wenig via Twitter vor. Mehr ist da nicht! Das wird auch diesmal so sein, denn ich bin den ganzen Tag ausser Haus. Die Spannung steigt nachmittags um 4 Uhr, denn dann verbreitet die sda die Ergebnisse bei ihren Abonnenten. Um 17 Uhr läuft die Sperrfrist aus, und es beginnt die Publikation via Online-Plattformen. Um 18 Uhr sind die ersten Radiosendungen, und um 1930 berichten die Tagesschauen der SRG-Medien. Der Rest hängt von der Brisanz der Ergebnisse ab. Das gilt im Wesentlichen auch für den Samstag, dem Tag, an dem die wichtigsten Ergebnisse auch in den Tageszeitungen nachzulesen sind.

Meine Arbeitshypothesen lauten übrigens: Die Meinungsbildung zur Jugendmusikförderung ist noch kaum erfolgt; dafür fehlt es auch an einer frühen Aufmerksamkeit; mit einer Problematisierung von rechts ist aber noch zu rechnen. Konkreter wird das Ganze voraussichtlich bei den beiden Volksinitiativen sein: Zwar laufen die Kampagnen auch hier erst an; doch ist namentlich das “Raucher”-Thema bei vielen Menschen im Alltag ein Diskussionsgegenstand, was zur frühen (wenn auch nicht abschliessenden) Meinungsbildung beitägt. Eingeschränkt auf Hausbesitzer im mittleren und höeren Alter gilt dies auch für die Vorlage zum Eigenmietwert. In welche Richtung sich das auswirkt, werden wir ja noch sehen!

Claude Longchamp

Meine Vorträge

Ich bin, von meinen neuen Twitter-Gefolgsleuten, diese Woche gefragt worden, ob ich auch Vorträge halte. Die Antwort lautet: selbstverständlich.

Um etwas präzisere zu sein: zu meinen Angeboten gehören öffentliche, in Gesellschaften, an Tagungen und für Seminarien. Hinzu kommen selbstverständlich die Präsentationen von Projekten, die wir am Forschungsinstitut gfs.bern für Mandaten oder die Allgemeinheit realisieren (worüber hier berichtet wird) sowie meine Lehrveranstaltungen an den Universitäten St. Gallen, Zürich, Bern und Kurse an den Universitäten Freiburg, Lausanne sowie an der Fachhochschule Winterthur und am Medienausbildungszentrum.

Oeffentliche Vorträge sind für jedermann zugänglich. Gesellschaftliche finden in einer Club-Umgebung statt; geladen sind die Mitglieder, gelegentlich auch die Medien. Bei Seminarien oder Tagungen gibt es meist einen themenzenrierte Einladungsliste; an Tagung können meist Interessierte teilnehmen, bei Seminarien in der Regel nicht.

Nachstehend eine Uebersicht, was für Vorträge ich in den kommenden Monaten (teil)öffentlich halte; am häufigsten geht es um Wahlen, Parteien, Abstimmungen und Volksrechte, aber auch Umfrageforschung und Politikwissenschaft generell sind nachgefragte Themen.

18.4.2012 Zofingia Basel
Das Parteiensystem der Schweiz im Umbruch – warum und wohin?

24.4.2012 Rotary Club Muttenz
Wahlanalyse 2011 und ein Blick darüber hinaus

3.5.2012 Swiss-American Society Zürich
Meinungsbildung in der direkten Demokratie – Erfahrungen aus der Schweiz

15.5.2012 ecopolitics Bern
Erfolgsfaktoren von Volksinitiativen

25.5.2012 Diplomlehrgang für GemeindepolitikerInnen Kanton Bern
Politische Theorie für die Praxis

Interessenten, die mich einladen möchten, melden sich am besten per mail bei mir direkt. So können wir Termine, Themen und Konditionen direkt besprechen. Es lohnt sich, sich frühzeitig zu melden. Denn ich bin regelmässig 3 bis 6 Monate im Voraus ausgebucht.

Ach ja, darüber hinaus mache ich, vor allem in Bern Stadtwanderungen. Sie dauern zwischen 1,5 Stunden und einem ganzen Tag. Die Führungen sind immer zu einem Thema, meist historisch-polit-kultureller Natur. Es geht um die Raumgeschichte Berns, aber auch um Themen wie Demokratisierung der Oeffentlichkeit oder Wirkungen von Volksrechten. Diese “Vorträge” mache ich nur für Gruppe, zum Beispiel für ausländische Delegationen, Regierungen, Parlamentarische Gruppen, Kommission, Bundeshausredaktionen und Stadtberner Vereine. Mehr dazu hier.

Claude Longchamp

Ist direkte Demokratie ein Exportprodukt der Schweiz?

Regelmässig werden PolitolgInnen eingeladen, über die direkte Demokratie der Schweiz im Ausland oder vor ausländischen PolitikerInnen zu referieren. Das Interesse ist steigend, namentlich in Deutschland, wo “Stuttgart 21” das Nachdenken über Volksentscheidungen befördert hat. Meine sieben Statements in dieser Sache im Ueberblick.

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Eines ist klar: Nirgends auf der Welt wird so viel abgestimmt wie in der Schweiz. Immer deutlicher wird aber auch, dass das Ausland aufholt. Heute gibt es in einem Durchschnittsjahr bereits mehr Volksentscheidungen im Ausland als in der Schweiz. Und so stellt sich die Frage: Ist direkte Demokratie d a s politischen Exportprodukt aus der Schweiz?

In meinen Ausführungen hierzu merke ich zunehmend, dass politische System nicht einfach übertragen werden können. Auch wenn wir PolitologInnen sie abstrakt-theoretisch nachzeichnen, sie sind gewachsen, aus den gesellschaftlichen Kräften, den zurückliegenden Konflikten und den Lösungen, die sich exemplarisch daraus ergeben haben. Strukturen des Staates, ja selber der Entscheidungsprozesse und der Politikprogramme haben ihre Entsprechungen in den Kulturen.

GegnerInnen der direkten Demokratie gebrauchen diesen Hinweis gerne, um die Nicht-Uebertragbarkeit politischer Institutionen zu betonen. Entweder folgt man dem klassisch parlamentarischen oder bekannten präsidentiellen System, oder aber man entscheidet sich für das direktdemokratische.

Das Argument greift meines Erachtens zu kurz. Denn auch die Schweiz war nicht von Beginn weg ein direktdemokratisches System, sondern hat sich vom parlamentarischen hierzu gewandelt. Aus diesem Prozess des Wandels kann man einiges aus den Schweizer Erfahrungen lernen, ohne fixfertige Antworten zu kriegen.

Erstens, Experimente mit Volksentscheidungen in parlamentarischen Systemen sind in kleinen politischen Einheiten einfacher als in grossen. Daraus folgt, dass direkte Demokratie lokal und in Gliedstaaten eingeführt und erprobt werden sollte, bevor es auf nationalstaatlicher oder gar supranationaler Ebene zur Anwendung kommt.

Zweitens, Volksentscheidungen sind nicht da, um Probleme zu lösen, bei denen der parlamentarische Prozess versagt hat. Sie sind da, um BürgerInnen-Partizipation in der Sache zu fördern. Das ist der Kern einer vorausschauenden Institutionenpolitik, die nicht zur Reparaturwerkstätte verkommen darf. Sonst misst man direkte Demokratie an übertriebenen Einzelerwartungen.

Drittens, namentliche Parteien müssen lernen, mit direkter Demokratie umzugehen. Denn die ausschliessende Macht der Fraktionen wird mit Volksentscheidungen klar relativiert, während der Umgang der Parteien mit BürgerInnen-Anliegen auch ausserhalb von Wahlen gestärkt wird. Das muss parteiintern in eine Balance gebracht werden, was den Oppositionsparteien einfacher fällt als Regierungsparteien.

Viertens, auch Medien müssen für die direkte Demokratie gewonnen werden. Denn ohne ihre anspöruchsvolle Informationsarbeit sind BürgerInnen-Entscheidungen nicht möglich. Medien können davon auch profitieren, enn sie bei Volksabstimmungen in einen direkten Dialog mit ihrer Kundschaft treten. Diese empfängt nicht nur, sondern auch sendet auch, spätestens mit dem Entscheid selber.

Fünftens, in einem grösseren Zusammenhang geklärt werden muss, welche Instrumente der direkten Demokratie unter gegebenen Bedingungen Sinn machen. Der Referendumstyp ist ein Bremse, die je nach Ausgestaltung mehr oder minder stark sein kann, aber immer als Korrektiv zum Parlamentsentscheid wirkt. Der Initiativtyp ist ein Gaspedal, mit dem die Bürgerschaft Ideen im Entscheidungsprozess initiieren oder auch einbringen kann. Eine Kombination von beidem erhöht die Akzeptanz in verschiedenen politischen Lagern.

Sechstens, festgelegt werden müssen die Spielregeln: Ob Bürgerbewegungen, die Volksentscheidungen verlangen, ideell, finanziell und infrastrukturell unterstützt werden sollen oder nicht, muss klar geregelt sein. Denn damit definiert man auch, ob Parteien weitgehend alleine, oder auch Interessenverbände und Bewegungen als TrägerInnen von Volksrechten werden sollen.

Und siebtens, direkte Demokratie kann, einmal eingeführt, kaum mehr zurückgenommen werden. Sie wird zu einem dauerhaften Element in der Entscheidfindung, und sie verändert diese auch – denn keine Regierung, kein Parlament verliert gerne in Volksabstimmungen, weshalb sie mit Volksrechten “responsiver”, aufmerksamer werden, für das was ausserhalb von Parlamenten geschieht.

Oder anders gesagt: Volksrechte kann man nicht einfach verpflanzen. Ihre Instrumente sind keine Exportprodukte. Sie sind aber eine Expertidee. Man kann die Bestrebungen dazu aber befördern, auch mit den guten und weniger guten Erfahrungen, welche die Schweiz hierzu gemacht hat – um Fehler zu vermeiden und schneller zu brauchbaren Lösungen zu kommen.

Claude Longchamp

Die “beste Armee der Welt” im Taschenformat

Der Bundesrat will eine kleinere und günstigere Armee. Der Bestand soll zukünftig noch 80’000 Mann betragen. Kosten darf die Armee höchstens 4,4 Milliarden Franken im Jahr. Die internationale Vernetzung soll bleiben. Das sind die Vorgaben, die der unterlegene SVP-Bundesrat und VBS-Chef Ueli Maurer vor dem Parlament vertreten und dann auch umsetzen muss.

Tagesschau vom 03.10.2010
Meine Kurzanalyse für die SF-Tagesschau von heute abend, aufgenommen im Schlosshof von Murten

Seit geraumer Zeit wird in armeefreundlichen Kreisen wie der “Gruppe Giardino” darüber spekuliert, eine Volksinitiative Pro-Armee zu lancieren. Der Zeitpunkt ist günstig. Der neue Armeebericht hat nicht wenige von ihnen aufgeschreckt. Er wird in der Wintersession erstmals im Parlament behandelt werden, und die Debatte wird sich zweifelsohne ins Wahljahr 2011 hineinziehen. Mit der Unterschriftensammlung zu einer Volksinitiative könnte die Auseinandersetzung durchaus popularisiert werden.

Dass eine Volksinitiative für eine starke Armee in einer Volksabstimmung automatisch Erfolg haben würde, ist indessen nicht gesichert. Das kennt man namentlich aus der Gesundheitspolitik, wo der Konsens gering ist und Volksbegrehen von wo auch immer sie kommen, in der Regel scheitern. Mindestens zwei Faktoren beeinflussen aber den Initiativerfolg unabhängig vom Thema:

. der Initiativtext selber, der eine möglichst einfache und klare Forderung hat, ohne in der Konsequenz angreifbar zu sein; er ist noch gar nicht geboren.
. das Initiativkomitee, das in Kampagnen möglichst erfahren sein soll, ohne parteipolitisch zu polarisieren; es rekrutiert sich vorerst namentlich aus dem SVP- und Auns-Umfeld, was halb von Vor-, halb von Nachteil ist.

Beide potenzielle Angriffsflächen können dazu führen, dass die Gegnerschaft im Abstimmungskampf mit einer Problematisierung der Initiative Polarisierungen und Verunsicherungen auslösen, welche die Erfolgschancen schmälern.

Anders als bei linken Vorstössen zur Armeeabschaffung oder zu ihrer Verringerung kommt die jüngste Abbauvorlage vom Bundesrat selber; sie wird im wesentlichen von der Allianz der Mitte, als FDP, CVP und BDP getragen, die eine modernisierte, vernetzte und gleichzeitig verkleinerte Armee anstrebt. Sie nimmt mit der Verschiebung des Flugzeugkaufs und der Plafonierung der Kosten jene Forderung auf, die im ganzen bürgerlichen Lager angesichts der Anstrengungen um Haushaltskonsolidierungen und Schuldenabbau, um die Steuern tief halten oder senken zu können, breit unterstützt wird. Mit der verminderten Armeebestand wird zudem eine Hauptforderung der linken ArmeekritikerInnen berücksichtigt, während die Reduktion der WKs angesichts beruflicher Belastungen und mangelnder Abkömmlichkeit gerade bei jüngere Menschen auf Zustimmung stossen dürfte.

Selbstredend ist die jüngste Armeereform im nationalkonservativen Wählerspektrum eine Provokation. Sie verstösst vor allem gegen das gepflegte Selbstbild der unabhängigen und wehrhaften Schweiz, die sich im Notfall selber zu verteidigen weiss. Dieses BürgerInnen dürften für eine Armee-Initiative mobilisierbar sein, umso mehr als sie in den letzten Wochen Stück für Stück erleben mussten, dass “ihr” Verteidigungsminister Ueli Maurer mit seinen Botschaften zum Nachholbedarf bei den Armeeinvestitionen nicht durchdrang und neuerdings sogar zum Befehlsempfänger der Bundesratsmehrheit degradiert wurde. Unterstützung werden sich auch unter den Traditionalisten unter den Armeexperten und hohen Offizieren finden, welche die Armeereformen der letzten 15 Jahre nicht oder nur widerwillig mitgetragen haben, um zum Kampf gerüstet sind. Schlimmstenfalls, um die beste Armee der Welt im Taschenformat wenigstens nach eigenen Vorstellungen realisieren zu können.

Claude Longchamp

Hochrechnung vom Abstimmungssonntag

Am Abstimmungssonntag findet, wie gewohnt, eine Hochrechnung von gfs.bern zur eidgenössischen Abstimmung statt. Sie bezieht sich auf den einzigen Gegenstand der Volksentscheidung, auf die 4. AVIG-Revision. Publiziert wird sie in allen SRG-Medien.

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Abstimmungsplakat zur Volksabstimmung über die Arbeitslosenversicherungsrevision im Berner Hauptbahnhof

Am Sonntag um 12 Uhr schliessen die Abstimmungslokale. Eine Stunde später liegt eine erste nationale Hochrechung mit einer Genauigkeit von +/- 3 Prozentpunkten vor. Bis 14 Uhr steht das hochgerechnete Abstimmungsergebnis verbindlich auf nationaler und kantonaler Ebene fest, bis 15 Uhr gilt das auch die Stimmbeteiligung.

Damit wird die Hochrechnung zum Analyseinstrument. Geprüft werden erste Zusammenhänge zwischen dem Kontext und Abstimmungsentscheidungen, wie etwa der Auswirkung der kantonalen Arbeitslosenquote auf die Volksentscheidung.

Am Ende des Abstimmungssonntags folgt ein Bilanz zum Abstimmungstag mit Rück- und Ausblick.

Nachstehend die wichtigsten Sendetermine:

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Trendmeldungen

SF1 1300 / DRS1 1315
Hochrechnung Abstimmungsergebnis gesamtschweizerisch und nach Sprachregionen

SF1 1400 / DRS1 1345
Hochrechnung Abstimmungsergebnis, Vergleich mit ähnlichen Volksabstimmungen 1997 und 2002

SF1 1500
Hochrechnung Stimmbeteiligung, Sockel- und Zusatzmobilisierung, Rückblick Abstimmungskampf

SF1 1600
Erstanalyse 1: kantonale Arbeitslosigkeit und Abstimmungsergebnisse

SF1 1700
Erstanalyse 2: kantonale Parteistärken und Abstimmungsergebnisse

SF1 1830
Würdigung: Rück- und Ausblick auf Volksabstimmungen am Beispiel der AVIG-Revision

Ueber den Verlauf von Trend-, Hochrechnungen und Erstanalysen informiert sie auch die neue Website von gfs.bern. Mit fünf Minuten Verzögerung finden sich da auch alle Informationen.

Volles Haus, voller Erfolg

Gestern staunte ich nicht schlecht, als ich als Referent an dere Seniorenuniversität Schaffhausen (SUS) in der Vortragssaal trat. Gestuhlt war für 250 Personen, und bis eine Handvoll Plätze in der hintersten Reihe waren bei Veranstaltungsbeginn alle besetzt.

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Foto: Monique Menk

Gerechnet habe ich mit 30, vielleicht 50 Interessierten. Gekommen sind dann fast 250, und dies trotz 15 CHF Einzeleintritt und Alterslimite von 60+. Ich begriff schnell, von einer Veranstaltung mit direktem Sichtkontakt zu allen musste ich zum Referat vom Rednerpult aus umstellen. Die Thesen behielt ich bei, die Form änderte ich spontan.

In den 45 Minuten zum Thema “Aus dem Alltag eines Politikwissenschafters in der Praxis” ging es mir um Beispiele aus meiner Tätigkeit, die das Spektrum aufzeigen sollten. Vor allem sollten sie sich nicht bloss auf Abstimmungen beziehen, denn unserer Institut leistet in de Gebieten Politik und Kommunikation Einiges mehr. Und so ging es darum, Politikwissenschaft in der Praxis verständlich zu machen:

… als Disziplin, die sich mit politischen Entscheidungen, ihren Formen, Ursachen und Folgen beschäftigt.
… als Theorien zu Entscheidungen, wie sie in der Wahlforschung am entwickeltsten sind,
… als Empirie von Entscheidungen, wie sie in der Umfrageforschung ermittelt wird,
… als Umfeldanalyse von Entscheidungen, die mit Monitoring-Projekten geleistet werden,
… als Teil der political science, wie sie sich im Gefolge der amerikanischen Politikwissenschaft seit den 70er Jahren auch in der Schweiz ausbreitete und
… als Teil der praxisorientierten Sozial-, Politik- und Kommunikationsforschung, wie sie am gfs.bern betrieben wird.

Das Interesse war gross. An der anschliessenden Diskussion beteiligten sich gegen 100 Personen, die dann spezifischen Fragen stellten, beispielsweise wie eine Hochrechnung funktioniert, was der Stand der Dinge bei den SRG-Umfragen ist, wie ich den gegenwärtigen Bundesrat beurteile, und welches meine Prognosen für die Abstimmungen vom 7. März 2010 seien. Auf alles gab ich bereitwillig Auskunft, – bis auf Letzteres. Da resultiert ein kurzes: “No comment!”

Trotzdem war man sich beim Veranstalter und Medienberichterstatter rasch einig: Volles Haus und ein voller Erfolg für die SUS!

PS: Das Referat selber wird am Donnerstag aufgeschaltet werden. Hier ist er.

Mein Dank an die Analysten-Konkurrenz

Noch schwankt “20 Minuten“, wenn es um Umfragen aus dem gfs.bern geht. Sohat die Redaktion nachgehakt. Bei der KollegeInnen-Konkurrenz. Was dabei herauskam, überrascht auch mich!

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Quelle: St. Galler Tagblatt

“Wer die Schweizer Politologieprofessoren nach der Glaubwürdigkeit von Claude Longchamp und seinen Studien fragt, kommt schnell zum Schluss: Claude Longchamp ist zwar keineswegs unumstritten. Die Fehler bei der Minarettabstimmung aber, so der Tenor der Experten, liege weniger an Longchamps Fähigkeiten, als dass es die Grenzen solcher Demoskopie-Prognosen aufzeige.

Michael Hermann, Sozialgeograf an der Uni Zürich, sagt: «Es ist einfach sehr schwierig, das Verhalten von Menschen vorauszusagen.» Georg Lutz, Professor für Poltikwissenschaft an der Uni Bern, meint: «Ich sage nicht, dass jemand besser Prognosen machen kann. Ich sage aber, dass man sich der Grenzen solcher Umfragen besser bewusst sein muss.»

Deshalb nehmen die Politikwissenschaftler auch die Medien in die Verantwortung. Besonders das Schweizer Fernsehen, welche die Untersuchungen bei Longchamp jeweils bestellt, muss Kritik einstecken. «Die SRG verkauft Longchamps Umfragen, die nur Bestandesaufnahmen sind, als Prognose», sagt die Politologin Regula Stämpfli.

Dies sei eine zeitlang gut gegangen, weil die Umfragen den Abstimmungsergebnissen mehr oder weniger entsprachen. «Jetzt rächt es sich, dass beim Fernsehen der Unterschied zwischen Umfrage und Prognose nie zum Thema gemacht wurde», meint Stämpfli.

Der Genfer Politologieprofessor Simon Hug vermutet, dass auch Longchamp damit nicht immer glücklich ist: «Ich habe das Gefühl, dass er oft gedrängt wird, mehr zu sagen, als er eigentlich kann.» Auch Hermann nimmt Longchamp in Schutz: «Er hat vor der Minarettabstimmung gewarnt, dass gerade diese Kampagne einen ungewöhnliche Dynamik habe.»

Die Medien hätten diesen Einwand aber kaum beachtet und lediglich die nackten Zahlen weitergegeben. Und weil Longchamp der einzige sei, der Prognosen abgebe, sei er auch der einzige, der Prügel beziehe, wenn sie daneben gingen.

Wirklichen Anlass zur Kritik gibt bei Claude Longchamp nur eine Sache: Die mangelnde Transparenz darüber, wie seine Umfrageergebnisse zustande kommen. Besonders dezidiert kommt die Kritik von den Universitätsprofessoren Simon Hug. Er meint: «Es ist fragwürdig, dass Longchamp seine Datenbasis und seine Methodik nicht veröffentlichen muss, obwohl die Umfragen von der SRG und damit mit öffentlichen Geldern finanziert werden.» In den USA und Frankreich würden Umfragedaten deshalb öffentlich gemacht.

Wenn die Daten offen lägen, würde man Longchamps Methodik nachvollziehen können, so Hug. «Es würde eine Debatte unter Politologen entstehen, dank der Fehler beseitigt und das System verbessert werden könnte.» Kann man der heute veröffentlichten Nachanalyse also trauen? «Ja», meint Regula Stämpfli: «Claude Longchamp bleibt ein solider Berufskollege, da man von ihm weiss, dass er aus Fehlern nicht nur viel lernt, sondern dann auch wirklich qualitativ Besseres herausbringt.»

Hierzu habe ich zwei Wünsche:

1. Eine Umfrage per se ist keine Prognose. Denn nur unter der Annahme, dass alle eine Meinung haben und diese nicht mehr ändern, wäre die Umfrage dem Ergebnis gleich. Doch stimmt die Annahme für keine einzigen der 53 untersuchten Abstimmungen für die SRG.
2. Abstimmungsumfragen sind nicht der letzte Stand der Dinge, weil die letzte vor eine Abstimmung 16-18 Tage vor dem letzten Abstimmungssonntag gemacht werden muss, um spätestens am 11. Tag vor der Abstimmung veröffentlich zu sein.

Zurecht wird im 20 min Artikel erwähnt, man stelle nur auf Zahlen ab, nicht auf Analysen und Interpretationen. Deshalb lege ich meine publizierten Untersuchungen immer offen. Sie steht just in time auf Internet abrufbar. In meinem letzten Blog bin ich bewusst auf solche Probleme eingegangen. Ansätze, Methoden und Vorgehenswesen sind in jedem Bericht beschrieben. Ich freue mich, wenn man sie inskünftig genauer liesst, kommentiert und mit Verbesserungen versieht.

Und noch etwas: Am meisten würde mich freuen, wen Journalisten aufhöhren würden, aus allem und jedem eine “todsichere Prognose” zu machen. Auch hierzu lohnt es sich, in meinem Bericht zur Minarett-Initiative nachzuschlagen.

Zur Zukunft des Regierungssystems der Schweiz.

Der Aargauische Jugendparlament, Juvenat genannt, lud mich ein, eine Auslegeordnung über die Zukunft des Regierungssystems der Schweiz zu machen.

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Das Referat hatte drei Teile: Eine Herleitung der Konstanten im Regierungssystem der Schweiz, ein summarischer Ueberblick über die aktuelle Kritik, und eine Auslegordnung von Reformvorschlägen für den Bundesrat.

Bei den Vorbereitungen hierzu wurde mir wieder einmal klar, wie deutlich die Schweiz den Weg einer bürgerlichen geprägten Republik gegangen ist, dass diese früh und weitergehend als andere demokratisiert worden ist und dass das in hohem Masse zum heutigen Konkordanzsystem geführt hat.

Von Konsensdemokratie mag ich nicht mehr sprechen. Denn die Polarisierung der Schweizer Politik, namentlich unter dem Eindruck der europa- und aussenpolitischen Oeffnung verträgt sich nicht mehr mit dieser Kennzeichnung. Dennoch sprechen die plurikulturelle Zusammensetzung des Landes und der Referendumsdruck unverändert dafür, das Regierungssystem auch inskünftig nach den Spielregeln der Konkordanz auszugestalten.

Das sehe ich allerdings nur als äusseren Rahmen. Der innere Rahmen sollte durch die aktuellen Herausforderungen bestimmt sein. Und diese leitenden sich aus dem Handlungsbedarf der dauerhaften Interessenvertretung in einer interdependenten Welt ab.

Die aktuellen Reformvorschläge habe ich neutral vorgestellt, sie aber in diese Rahmungen gestellt; konkret habe ich behandelt:

. Veränderungen in der Führung des Bundesrates (gestärktes Präsidium, Einführung einer zweiten Ministerebene für Sachgeschäfte, Erhöhung des Zahl des Bundesrates)
. Veränderungen in der Wahl des Bundesrates (Listenwahl, Volkswahl)
. Veränderungen in der parteipolitischen Zusammensetzung des Bundesrates (Proportionalisierung, kleine Konkordanz).

Klar wurde mir dabei, dass die Focussierung der Reformvorschläge auf arithemtische Konkordanzregeln nicht genügen. Es braucht eine umfassendere Betrachtungsweise und den Einbezug von inhaltlichen Ueberlegungen, wie der Bundesrat strukturiert, konstituiert und bestückt wird.

Die Diskussion mit den VertreterInnen des Jugendrates war ganz anregend. Sie zeigte mit, dass die öffentliche Diskussion gerade bei den Interessierten der kommenden Generationen den Eindruck geweckt hat, dass etwas gehen muss. Bis eine konsolidierte Stossrichtung vorliegt, braucht es aber auch in diesem Bevölkerungsteil noch viele Diskussionen.

Claude Longchamp

FDP: zurück zu den Wurzeln!

Kürzlich hielt die FDP des Kantons Bern ihr Kick-off Meeting für alle Kandidierenden bei den Regierungs- und Grossratswahlen 2010 ab. Die Wahlkampfvorbereitung trafen sie ohne mich, doch hatte die Parteileitung mich geladen, den Kadern der Partei zum Abschluss dieses Prozess den Spiegel von Aussen vorzuhalten. Die Ausführungen stiessen auf reges Interesse und überwiegenden Zuspruch.

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Die power ambition um die policy ambition erweitern – meine Empfehlung an die FDP des Kantons Bern – über die kommenden Wahlen hinaus!

Hier die zentralen Thesen, und hier die schriftliche Referatsfassung.

1. Der Freisinn von 1848 umfasste 70 Prozent der Volksvertreter. Als breite Volksbewegung der Staatsgründergeneration integrierte er zahlreiche Strömungen bürgerlicher und bäuerlicher Schichten, hatte Platz für Unternehmer, Staatsmänner, Techniker und Philosophen. Nur beim eigentlichen politischen Gegner, den Katholisch-Konvervativen, konnte der Freisinn von damals nicht punkten.

2. Ausgerechnet die FDP, die Partei, die den Freisinn von 1848 am direktesten repräsentiert, wandte sich in den 1980er Jahre dem angelsächsische Vorbild folgend vom Staat, den man selber geschaffen hatte, und in dem man ununterbrochen in der Mehrheitsallianz war, ab. Für diesen Wechsel hat die FDP bei den Wahlen seit 1983 gebüsst. Sie hat sie mehrheitlich verloren.

3. Die FDP schaut in der Regel tatenlos zu, wie neue politische Kräfte auf dem Hu­mus des Freisinns spriesen. Sie lässt die Zweige der neuen Pflanzen links und rechts an ihr vorbei wachsen – und beklagt danach die Polarisierung. Das ist die fal­sche Analyse, die in der Abgrenzung vorgenommen wird, statt integrative Ansätze zu entwickeln.

4. Bei der FDP realisiert man die power ambition bestens. Das ist gut für eine Partei, denn ihre Aufgabe ist es, auf demokratischem Weg an die politische Macht zu gelangen. Doch vermisst man die policy ambition – das Engagement für das eigene Programm. Die FDP ist heute eine Regierungspartei, die zu ausschliesslich von der Fraktion geführt wird. Sie ist zu wenig eine Volkspartei, in sich die Teile des Volks, welche FDP wählen, wohl fühlen und ausdrücken können.

5. Von der FDP heute unzweifelhaft sichtbar ist ihr Programm als Steuerpartei. Beschränkt nimmt man sie auch als engagierte Wirtschaftspartei wahr. Nur punktuell profiliert ist die Partei dagegen in Fragen der Gesellschaftspolitik. Das muss ausgeglichen werden. Gerade in Bildungs- und Gesundheitsfragen haben die Kantonalparteien viel Spielraum.

6. Den Kanton Bern voranbringen zu wollen, heisst auch, die Lage der städtischen Zentren im Kanton, die Position des Kantons im Bund, und die Verankerung des Bundes im politischen Umfeld kritisch zu hinter fragen. Die Ambitionen der Freisinnigen sollte auch heute noch so stark sein, dass sie wie 1848 vorne bei der Entwicklung von starker Wirtschaft und guter Politik, von breiten Mittelschichten und bürgernaher Demokratie sind.

7. Einmal an die Macht gekommen, zerfiel die breite Volksbewegung recht rasch, wurde zur wirtschaftlichen und politischen Elite, die man nur eine Generation nach der Staatsgründung als Bundesbarone bekämpfte. Die demokratische Bewegung entstand und sie ist für Sie ebenso wichtig. Vergessen Sie nicht, dass Sie in Ihrem Parteinamen genauso wie ein „F“ auch ein „D“ haben. Die Erneuerung der FDP muss beiden Pfeilern ihres Parteiselbstverständnisses Rechnung tragen.

Claude Longchamp

Nun beginnt das Rechnen!

Die Fraktionen in der Schweizerischen Bundesversammlungen haben sich festgelegt, wie sie bei der Bundesrtatswahl von morgen stimmen wollen. Wenigstens anfänglich, denn danach bleiben gewisse der Szenarien aktuell. Massgeblich ist der dritte Umgang.

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Die Ausgangslage in den Fraktionen
59 Mitglieder der SVP-Fraktion wollen für den FDP-Kandidaten Christian Lüscher stimmen. 2 sind für Didier Burkhalter. Von 4 VertreterInnen weiss man nichts.

Bei der CVP ist die Sache klar. Fraktionschef Urs Schwaller wurde einstimmig nominiert. Gibt es keine Abtrünnigen unter GLP und EVP, hat er 52 Stimmen auf sicher.

Bei der SP-Fraktion sind 25 Mitglieder für den CVP-Kandidaten Urs Schwaller, und 15 für den FDPler Didier Burkhalter. Von 10 Personen weiss man nichts, und 1 Sitz ist vakant. Generell hat man sich ausgesprochen, offizielle Kandidaten zu unterstützen.

Nicht eindeutig ist das Verhalten der FDP-Fraktion. Didier Burkhalter ist der Favorit der Fraktion. Christian Lüscher ist der Aussenseiter. Doch beide sind sie KandidatInnen. Damit können die FDP-Mitglieder von Beginn weg ihre individuellen Präferenzen ausdrücken oder auch taktisch stimmen. Und genau darauf kommt es an!

Die Grünen haben die Stimmenverhältnisse in der Fraktion nicht bekannt gegeben. Eine Mehrheit will aber den CVP-Vertreter Urs Schwaller unterstützen. Minderheiten sind für Didier Burkhalter resp. für Dicky Marty. Damit hat Schwaller wohl ein gutes Dutzend grüne Stimmen auf sicher, Burkhalter und Marty wohl ungefähr 5.

Die BDP gab ebenfalls nicht bekannt, wie sich die Stimmen verteilen. Doch ist eine Mehrheit für Burkhalter, eine Minderheit fü Schwaller. Das tönt nach 4:2.

Die Rechnungen
Damit kann man mit rechnen beginnen. Im ersten Wahlgang dürfte Urs Schwaller vorne liegen. Er kann auf 90 bis 100 Stimmen zählen. Wer an zweiter Stelle ist, hängt allein vom Entscheid der FDP-ParlamentarierInnen ab. Setzen alle auf Burkhalter kommt er auf rund 75 Stimmen, und Lüscher macht rund 60. Teilen sich die Stimmen auf, kann Lüscher mit rund 80 Stimmen rechnen, Burkhalter mit 55. Marty dürfte deutlich dahinter liegen. 5, maximal 15 Stimmen sind denkbar. In den ersten beiden Runden ist gut möglich, dass Lüscher vor Burkhalter liegt, um die Karten nicht ganz aufzudecken.

Unter dieser Voraussetzung ist ein Vorschlag von Jean-François Rime aus den Reihen der SVP wenig wahrscheinlich. Denn damit ist nur zu rechnen, sollte es aus dem rotgrünen Lager viele Stimmen für Marty geben, sodass die FDP gezwungen werden könnte, umzuschwenken.

Der dritte Wahlgang ist entscheidend. Es können keine neuen Namen ins Spiel gebracht werden, und es beginnt ein Ausscheidugnsrennen nach hinten. Das ist der grosse Moment für die FDP: Wenn sie geschlossen auf Burkhalter setzt, ist er der Favorit für den Schlussgang, wenn nicht, steht Lüscher im Finale. Die FDP hat es also in der Hand, mit einer Stallorder den Blinker zu stellen.

Die einzige Möglichkeit, das zu unterlaufen: Einige Schwaller-Wählende leihen in diesem Moment Lüscher vorübergehend die Stimme, damit er vor Burkhalter liegt. Dann wenden sie sich aber von Lüscher weider ab.


Die verbleibenden Szenarien

Lüscher dürfte keine Stimme aus den Reihen von CVP, SP und Grünen erhalten. Steht er Schwaller gegenüber, dürfte der gewählt sein, denn bräuchte erhebliche Stimmenhaltungen bei Grünen und SP, dass Lüscher mit seinen Stimmen vorne liegen würde.

Ist dagegen Burkhalter im Schlussgang, kostet das Schwaller möglicherweise 20 Stimmen. Genau die, die es ausmachen, wer Bundesrat wird. Ausser etwa soviele in Reihen wissen nicht, wie man Burkhalter schreibt und legen leer ein …

Claude Longchamp