Ein Vierteljahrhundert im Geschäft

Heute habe ich mein 25jährigen Dienstjubiläum bei GfS. Ein kleiner Rückblick auf eine Vierteljahrhundert als Sozialforscher.

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Dass Kommunikation gelingt, ist unwahrscheinlich: Meine Zeit als Sozialforscher – mit den üblichen medialen Missverständnissen: die Konkordanzregierungen will ich nicht abschaffen.

Dass Alphons Egli am 1. Januar 1986 neuer Bundespräsident wurde, musste ich in den Annalen der Bundesratsgeschichte nachschlagen. Erinnern kann ich mich aber an den 3. Januar, einen Freitag, an dem ich erstmals als Projektleiter bei GfS nach Zürich arbeiten ging.

Nur wenige Tage danach ging die US-Raumfähre beim Start förmlich “in die Luft”. Schlagartig war ich sicher, zurecht kein Astronaut geworden zu sein, wie ich als Bub noch wollte. Dafür explodierte im April der Atomreaktor im ukrainischen Tschernobyl und machte uns allen klar, was es hiess, in der “Risikogesellschaft” zu leben.

Kurz darauf waren Wahlen im Kanton Bern, und die traditionelle bürgerliche Mehrheit kippte zugunsten von Rotgrün. Der Anlass war spannend, sodass ich mit anderen erstmals auch eine Hochrechnung fürs Radio wagte. Das hat uns geprägt, denn in der Folge wurden wir immer wieder eingeladen, uns öffentliche Gedanken über das, was ist, zu machen. Die vertiefte Analyse der damaligen Veränderungen fand ich im Buch von Erich Gruner und Hanspeter Hertig über den “Stimmbürger und die neue Politik“. Für die Schweiz erstmals analysiert wurden darin der Wertwandel durch Generationen, die den Krieg nicht mehr erlebt hatten, und durch Geld, das in politische Kampagnen floss.

Beide Themen waren der Analyse des politologischen Bestsellers von damals, der “Silent Revolution” von Ronald Inglehart, nachempfunden worden. Wie kein anderes Buch hat dieses mein Wirken als Forscher geprägt, auch wenn der sanfte Postmaterialismus längst durch einen virulenten Nationalkonservatismus abgelöst worden ist. Im Zusammenhang mit den Nationalratswahlen 1999 habe ich diesen Begriff erstmals verwendet, um die Neuformierung des schweizerischen Parteiensystems wertemässig erklären und prognostieren zu können. Das war durch sinnvoll, denn bis heute sind wir damit beschäftigt, die Umgestaltung des hiesigen Parteiensystems in seiner Rasanz zu verstehen.

Das Geld in der Politik ist uns als Kontroverse bis heute erhalten geblieben; mein letztes Interview für das Schweizer Fernsehen vor dem Dienstjubiläum war sinnigerweise genau diesem Thema gewidmet. Interessiert hat mich jedoch noch mehr, wie die amateurhaften Kampagnen professionalisiert worden sind. Der Bundesrat hat das Parlament abgelöst, die Verbände sind an die Stelle der Parteien getreten, die Medien haben ihren Diskurs verselbständigt, und die BürgerInnen suchen ihre Wege, sich via Internet selber mitzuteilen. Der Stil ist in einer Form konkurrenziv, ja aggresiv geworden, so, wie ich es mir eigentlich nicht gewünscht habe.

Aus der Schweizerischen Gesellschaft für praktische Sozialforschung von damals ist zuerst ein Forschungsinstitut als AG entstanden. Daraus haben sich in Zürich und Bern je ein Institut verselbständig, wobei ich Letzteres von Beginn an leite, seit zwei Jahren als Verwaltungsratspräsident. Es ist eine tägliche Herausforderung, die eher seltene Verbindung als Wissenschafter, Geschäftsmann und Kommunikator im Gleichgewicht zu halten. Wenn’s gelingt, freut es mich; wenn’s Kritik gibt, suche ich nach neuen Wegen.

Unterstützt werde ich am gfs.bern von einem starken Team, denn neben mir arbeiten heute je zwei Senior-Projektleiter, ProjektleiterInnen und wissenschaftlichen Mitarbeiter im gfs.bern. Sie alle sind ausgebildete PolitikwissenschafterInnen der Universität Bern. Zudem haben wir einen Stab für Administration, Buchhaltung und IT, der das Forschungsteam tatkräfig verstärkt. Rund 60 Projekte realisieren wir so jedes Jahr, die einem Umsatz von rund 3 Millionen Franken entsprechen. Für Schweizer Verhältnisse ist der Betrieb ziemlich unüblich, und auch eine kleine Kaderschmiede für Karrieren in Politik, Wirtschaft und Kommunikation.

Besonders freut mich, dass sich das gfs.bern zwischenzeitlich bei Kunden und in der Oeffentlichkeit so gut etabliert hat, dass ich seit einiger Zeit am Freitag wieder ostwärts fahren kann, nehme ich doch in St. Gallen und Zürich Lehraufträge in der empirischen Sozialforschung wahr. Und wenn alles klappt, kehre ich diesen Herbst wieder an die Uni Bern zurück, wo alles seinen Anfang nahm.

Ein gutes neues Jahr wünscht

Claude Longchamp

Top-Nutzungen auf Zoonpoliticon 2010

2010 ist aus dem Experiment, gelegentlich zu politikwissenschaftlichen Themen zu bloggen, ein immer mehr genutzter Politblog geworden.

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Das auslaufende Jahr brachte meinem Fachblog “zoonpoliticon” einen grossen Aufschwung. Der Einsatz der Plattform bei den Berner Wahlen liess die Nutzungszahlen rasch ansteigen – und was mich besonders freut, eine erhöhte “Stamm-” wie auch eine erweiterte “Laufkundschaft” entstehen. Der Zoonpoliticon-Blog ist heute besser vernetzt denn je, sei es auf google oder anderen Blogs. Und er wird klar mehr verwendet als in den ersten zwei Jahren seines Bestehens (2008: 46000 Besuche, 2009: 225000 Besuche, 2010: gegewärtig 460000 Besuche).

Zoonpoliticon hat sich in fünf Kategorien durchgesetzt: der Politikwissenschaft, der politischen Kommunikation, in Fragen der Volkswahl des Schweizer Bundesrates, zu Berner Wahlen und mit der Rubrik “in eigener Sache”. Hier die Liste der Kategorien mit den meisten Aufrufen:

6358 Aufrufe In eigener Sache
5706 Aufrufe Volkswahl des Bundesrates
3118 Aufrufe Politische Kommunikationsforschung
1583 Aufrufe Politikwissenschaft
1557 Aufrufe Berner Wahlen

Bei den einzelnen Beiträgen gibt es zwischenzeitlich einige, die dauerhaft aufgerufen werden. 2008 oder 2009 verfasst, werden sie immer wieder abgefragt. Ungestürm an die Spitze arbeitete sich die Ankündigung vor, bei den Berner Regierungsratswahlen erstmals den Blog zur Resultatevermittlung einzusetzen. Die Verwendung der Plattform bei den jüngsten Bundesratswahlen zeigte ähnliche Effekte. Mit anderen Worten: Von wichtigen politischen Ereignissen kann man als Blogger enorm viel profitieren. Selber Themen zu setzen, ist aufwendiger, gelingt aber gelegentlich auch!

2211 Aufrufe Hochrechnung zu den Berner Regierungsratswahlen 2010 (2010)
2101 Aufrufe Bundesratswahlen: Wer wählt(e) wen? (2010)
2081 Aufrufe Samuel Schmid im Tief oder Keine Volkswahl des Bundesrates? (2008)
1897 Aufrufe Eskalationsmonitoring (2008)
1856 Aufrufe Meine Top-Ten-Bücherliste zur politischen Kommunikation (2009)
1600 Aufrufe Die Prognose zur Berner Regierungsratswahlen (2010)l
1307 Aufrufe Sind wir Menschen alle ein rreemm? (2009)
1047 Aufrufe Die Schweiz tritt als 25. Land dem Schengener-Abkommen bei (2009)
1030 Aufrufe 13 Gründe warum Barack Obama Präsident wird (2008)
1017 Aufrufe Der Bundesrat im Härtetest (2009)
1001 Aufrufe Drei Thesen zum angekündigten Rücktritt von Moritz Leuenberger (2010)

Claude Longchamp

Der Dozent kann sehr gut reden …

Heute ist Prüfungstag. Für meine Bachelor-StudentInnen an der Uni Zürich. “Wahlforschung in Theorie und Praxis” war mein Vorlesungsthema im Herbstsemester. 13 zweistündige Veranstaltungen liegen hinter uns. Die nun wurden von den Studierenden evaluiert. Eine Art Prüfung für den Dzenten.

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Quelle

Das Schlechte gleich vorweg: Die einzige (knapp) Ungenügende (3,9 auf einer 6er Skala) habe ich bei der Frage bekommen, es sei klar, was man lernen müsse, um den Leistungsnachweis zu erhalten. Wenn das nicht ganz so klar war, macht das aus meiner Sicht wenig. Denn dann hat man nicht nur das auswendig gelernt, was bekanntlich geprüft wird. Sondern auch anderes büffeln müssen. In diesem Zusammenhang sehe ich auch die Kritik, zu viel zur Vorlesungsvorbereitung lesen zu müssen. Da sind wohl Generationen zwischen dem Dozenten (54 Jahre alt) und der Studierenden (20-25 Jahre).

Und nun das Gute: Die 5 Tops, die ich erhalten habe, freuen mich ganz besonders:

Der Dozent …

5.9 … vermag mich für den Stoff zu interessieren.
5.8 … gestaltet die Veranstaltung lebendig und engagiert.
5.8 … ist im Umgang mit Studierenden respektvoll.
5.7 … erläutert den Stoff anhand von Beispielen.
5.6 … stellt einen Bezug zwischen Theorie und Praxis her.

Besonders gefreut hat mich die Bemerkung: “Man merkt, dass der Dozent nicht aus dem engen Rahmen der Ui kommt, sondern eine etwas weitere Perspektive hat. Er kann sehr gut und frei reden …”

Auch wenn man es nicht glaubt: Positive und negative Kritien spornen mich nach fast 20 Jahren Lehrtätigkeit an Universitäten immer noch an, nach Neuem Ausschau zu halten!

Für die Prüfung heute Nachmittag alles Gute. In der Ruhe liegt die Stärke, ist wie immer mein Motto!

Claude Longchamp

Zum Hinschied von Werner Ebersold

Es mag sein, dass Werner Ebersold der jüngeren Generation SozialforscherInnen nichts mehr sagt. Den Mitgliedern der Schweizerischen Gesellschaft für praktische Sozialforschung schon, denn er gehört zu den Prionieren der Umfrageforschung in der Schweiz.

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Werner Ebersold ist am Dienstag dieser Woche nach einer längeren Demenzkrankheit fast 86jährig verstorben. 1959 gründete er die Schweizerischen Vereinigung für praktische Sozialforschung, die vor Jahresfrist in Zürich, leider ohne ihn, ihr 50jähriges Bestehen feierte.

Ziel der Gesellschaft war und ist es, parallel zur Marktforschung in der Schweiz auch die Sozialforschung bekannt zu machen. Deshalb trennten sich die GfS von der GfM, urspürnglich vereint, schon früh.

Mehr als 10 Jahre führte man Kurse zu den Methoden der emprischen Sozialforschung durch, wie die Umfrageforschung im gesellschaftlichen Bereich damals noch genannt wurde. Danach ging man 1971 dazu über, dem Gesellschftssekretariat kleinere und grössere Forschungsaufträge aus dem Kreis der Mitglieder zu übergeben. Realisiert wurden sie stets von Werner Ebersold, einem promovierten Oekonomen der Universität Bern.

Zu den ersten Projekten der GfS gehörte die Abklärung der Entstehung von Fremdenfeindlichkeit. Ein zentrales Ergebnis war, dass SchweierInnen mit Kontakten zu ItalienerInnen ein besseres Bild der Einwanderer hatten, als solche, die keine Kontakte pflegten. Bis heute ist dieses Ergebnis x-fach bestätigt, aber kaum je widerlegt worden.

Eine der wichtigen Auftraggeber der Untersuchungen war die damalige Wirtschaftsförderung, heute Economiesuisse, die an einer liberalen Gesellschaft mit Offenheit für ausländische Arbeitskräfte interessiert war. Sie war es denn auch, die als erste mit der Umfrageforschung zur Meinungsbildung bei Volksabstimmung experimentierte. Wieder wurde Werner Ebersold dafür ausgewählt, die Volksentscheidung über den IWF-Beitritt der Schweiz zu untersuchen.

Ein Jahr später, 1977, entstanden aus der Zusammenarbeit von Theorie und Praxis die Vox-Analysen eidgenössischer Urnengänge, die es heute zu den renomiertesten Beispielen der Umfrageforschung in der Schweiz avanciert sind. Realisiert wurden sie anfänglich von der GfS und dem Forschungszentrum für schweizerische Politik an der Universität Bern. Später kamen die Unis in Zürich und Genf dazu, und der Bund finanzierte eine Teil des Unterfangens.

Neun Jahre danach wurde ich von Dr. Werner Ebersold angestellt, als Projektleiter bei der GfS den Ausbau der Vox-Analysen namentlich gegenüber Medien voranzutreiben. Mit Vorliebe nannte Werner Ebersold die VOX eine Analyse der Taktik in einer konketen Entscheidung, während sein neues Projekt Uni(versal)Vox die langfristigen Veränderungen untersuchen sollte, damit sich die politsichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Akteure strategisch positionieren konnten. Die finanzielle Dimension dieses Unterfangens verlangte es, GfS-Gesellschaft und GfS-Forschungsinstitut zu trennen, das eine als gemeinnützigen Verein mit Vertretern der Arbeitgeber, Arbeitnehmer, der Wissenschaft und des Staates, das andere als betriebswirtschaftliches Unternehmen zu führen.

Zwischen 1990 und 1993 übergab Werner Ebersold angesichts rasanter Veränderungen die Leitung des Forschungsinstitut Schritt für Schritt der nachfolgenden Generation. Peter Spichiger und ich wurden alternierend Vorsitzende der Geschäftsleitung. Wir stellten uns gemeinsam der Herausforderungen, Umfrageforschung im sozialen politischen und kommunikativen Bereich zu kommerzialisieren, denn die Beiträge der Universitäten und der Gönner erlaubten es die Führung eines funkitionierenden Befragungsinstituts nicht mehr. Weiters war es unser Ziel, die Arbeit zu professionalisieren, weshalb wir zielstrebig ausgebildete SozialwissenschafterInnen zu beschäftigen begannen. Bis 2004 existierte das GfS-Forschungsinstitut als Einheit, und seither wirken gfs-Zürich und gfs.bern als selbständige Forschungsstellen und führen gemeinsam den gfs-befragungsdienst als Tochtergesellschaft.

Ich habe Werner Ebersold als liberal denkenden Menschen mit starker Bindung an die Schweiz kennen und schätzen gelernt. Er hatte mir früh beigebracht, was ich an der Universität nicht gelernt habe: dass Umfrageforschung nicht nur eine Methode der Sozialwissenschaften ist, um Daten zur Testung wissenschaftlicher Theorien zu gewinnen, sondern auch ein Instrument ist, um der gesellschaftlichen Praxis Entscheidungsgrundlagen für Akteure zu beschaffen. Gelernt habe ich in seinem kleine Laboratorium in Zürich auch, dass die Visualisierung ein wichtige Form der Kommunikation von Wissenschaft ist, auch wenn sie ihrerseits Gefahren der Vereinfachung in sich birgt.

Der Sozialforscher der ersten Stunde stand meiner Neigung, Sozialforschung mit elektronischer Medienkommunikation zu popularisieren, eher skeptisch gegenüber. Als ich einmal bei ihm zu Hause zum Mittagessen eingeladen war, änderte er seine Meinung, holte seine drei Kinder und vier Kindeskinder zu sich, um mir mit grosser Erfüllung zu erklären, immer wenn ich etwas aus gfs-Forschungen im TV erzähle, rufe er alle seine anwesenden Nachfahren vor den Bildschirm. Es war das einzige Mal in unserer Begegnung, in der er mich auch duzte.

Ich verdanke Werner Ebersold viel: Den Blick fürs Praktische. Die Sicht auf die Gesellschaft als Ganzes. Den Hang zur Geschichte, um die Gegenwart zu verstehen. Nur seine Leidenschaft für türkische Teppiche teilte ich nicht im gleichen Masse. Ich mochte es nie, durch die Lüfte zu fliegen, wanderte lieber auf dem festen Boden der Städte. So freut es mich, das Werner Ebersold noch kurz vor seiner Erkrankung, mit seiner lieben Frau Henriette wenigstens einen Teil einer meiner Stadtwanderungen in Bern mitmachen konnte.

Claude Longchamp

Sechs Umfragen zur Ausschaffungsinitiative im Vergleich

Die Ausschaffungsinitiative interessierte im Vorfeld der Entscheidung wie schon lange kein anderes Thema mehr. Entsprechend zahlreich waren die im Voraus publizierten Umfragen. Eine gute Gelegenheit, sie auf ihre Brauchbarkeit hin zu testen.

Uebersicht über Ergebnisse und Kennwerte der 6 Vorbefragungen zur Volksabstimmung über die Ausschaffungsinitiative
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Die SVP veröffentlichte im Abstimmungskampf ihre eigene “Volksbefragung“. Demnach sind 67 Prozent für die Ausschaffung krimineller AusländerInnen. Auf einen ähnlichen Wert kam “20 Minuten“, nämlich auf 66 Prozent BefürworterInnen (und 34 Prozent GegnerInnen) der Initiative. Die Sonntagszeitung veröffentliche eine Befragung von Isopublic mit 62 Prozent Zustimmung (und 30 Prozent Ablehnung). Die Medien der SRG publizierten zwei vergleichbare Erhebungen von gfs.bern mit zuerst 58 (und 37 % Nein), dann 54 Prozent im Ja-Anteil (und 43 im Nein-Anteilo). Die Weltwoche wiederum machte eine Untersuchung von Swiss Opinion mit 44 Prozent Ja (und 45 Prozent Nein) publik, während der Tages-Anzeiger-Online auf 38 Prozent Zustimmung (und 62 Prozent Ablehnung) kam (nicht mehr auf dem Web).

Der Streubereich der Abweichungen ist beträchtlich. Von massiver Zustimmung bis massiver Ablehnung gibt es alles. Die grösste Abweichung zum effektiven Ergebnis hatte die TA-Umfrage. An zweitletzter Stelle folgte die SVP-Volksbefragung, praktisch gleich auf mit der 20 Minuten-Erhebung. Interessant ist, dass die Zahl der Befragten kaum einen Einfluss hatte. Bei der SVP-Erhebung machten rund 70’000 Personen mit, bei 20 Minuten zirka 15’000 mit Stimmrechte. Ganz anders verhält es sich bei der TA-Umfrage, die sich auf weniger als 1000 AuskunftgeberInnen stützte.

Das Gemeinsame an allen Befragungen mit grosser Abweichung ist ihre Nicht-Repräsentativität, die durch das freie, und damit unkontrollierbare Mitmachen auf Internet entsteht. Bei SVP-Initiative kam ein Postkartenversand hinzu, aber nur bei Parteimitgliedern, was die Sache verschlechterte, nicht verbesserte.

Die formalen Kriterien der Repräsentativität erfüllen nur die drei anderen Umfragen. Sie lagen alle besser. Zwei davon, die von Isopublic resp. gfs.bern wurden nach der klassischen Methode der computer-unterstützten Telefoninterivews mit BefragerInnen gemacht, derweil die Erhebung von Swiss Opinion auf reinen Computer-Interviews basiert. In allen drei Fällen wurde eine eigentliche Stichprobenbildung nach dem at random Verfahren gewählt, was das einzige Kriterium ist, das Repräsentativität sichert.

Wenn die drei Erhebungen dennoch Unterschiede zeigen, hat dies zunächst mit dem Zeitpunkt der Erhebung zu tun. Isopublic war zuerst, dann kamen die beiden Wellen von gfs.bern. Man kann sie fast in eine Reihe stellen und sieht, wie der Ja-Anteil von Woche zu Woche leicht abnahm (und dies auch bis zum Abstimmungstag tat), während sich das Nein sukzessive aufbaute.

Es bleibt die Differenz zwischen der 2. Erhebung von gfs.bern und der von SwissOpinion, die gleichzeitig gemacht wurden. Sie haben einen vergleichbaren Nein-Anteil, aber einen klar unterschiedlichen Ja-Wert. Was auch immer für Gründe man hierfür herausfinden wird, eines ist klar: Die Behauptung der Vertreter der Interactive-Voice-Response Methode, dank reinen ComputerInterviews keine Beeinflussung aufgrund von InterviewerInnen in heiklen Themen zu kennen, ist gründlich widerlegt. Zuerst die die Zahl der Unschlüssigen bei der IVR Erhebung höher, sodann ist ausgerechnet der Ja-Anteil tiefer.

Unter dem Strich bleibt: CATI-Erhebung mittels repräsentativer Stichprobenbildung sind und bleiben die zuverlässigsten Umfragen bei Abstimmungen. Die so ermittelten Ergebnisse sind aber nicht zeitpunktunabhängig, weil die Meinungsbildung selber dynamisch ist. Deshalb können nur Trenduntersuchungen abschätzen, was am Abstimmungstag geschieht. Interessant ist auch, dass die zuverlässigsten Umfragen von Instituten des Branchenverbandes gemacht wurden, für die Qualitätsauflagen gelten. Am krassesten dagegen verstiess die Online Umfrage des Tagesanzeiger, 3 Tage vor der Abstimmung gemacht, am Abstimmungssamstag publiziert und am Tag darauf widerlegt. Eigentlich hätte sie gar nie erscheinen dürfen!

Claude Longchamp

Wie links und rechts den Ausgang der Ausschaffungsabstimmungen beeinflussen können.

Die Initiative hat die grösseren Chancen angenommen zu werden als der Gegenvorschlag. Das ist die Bilanz 18 Tage vor der Abstimmung. Was effektiv geschieht, hängt von weiteren Faktoren ab, die man heute noch nicht kennt.

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Zunächst, die Mobilisierung hat eben erst begonnen. Die Beteiligung ist bei Abstimmungen bei weitem kein sicherer Wert mehr. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Mobilisierung gerade bei der Ausschaffunginitiative nicht neutral ist. Jene, die sich eher, aber nicht sicher beteiligen wollen, sind klarer als die bestimmt Teilnahmewilligen für die Initiative und wider den Gegenvorschlag. Jede Beteiligung über 45 Prozent dürfte damit zu einer vermehrten Zustimmung zur Initiative und zu einer verstärkten Ablehnung des Gegenvorschlags führen.

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Sodann, der Gegenvorschlag schwächelt, weil er von rechts klar, immer mehr aber auch von links bekämpft wird. Eine Regierungsvorlage mit doppelter politischer Opposition hat es in der Regel schwer. Die Umfrage zeigt auch hier, dass rund die Hälfte der SP- resp. Grün-Wählenden von der offiziellen Parteiparole abweicht, und den Gegenvorschlag nicht erst bei der Stichfrage, sondern schon bei der Hauptfrage unterstützen will. Würde dieser Anteil klar ansteigen, könnte das ein Zeichen zur Sammlung für den Gegenentwurf sein, und im ganzen Befürworterlager für die nötigen Prozent sorgen, damit die Zustimmungsschwelle von 50 Prozent erreicht und die Stichfrage überhaupt erst zum Zug kommen würde.

Mobilisierung auf der rechten Seite, Taktik mitte/links kann die Ausgänge zu den beiden Volksabstimmungen über die Ausschaffung krimineller AusländerInnen noch massgeblich beeinflussen, – und zwar in die eine wie auch die andere Richtung.

Doch damit nicht genug: Selbst der demokratiepolitische worst case ist gegenwärtig nicht ganz auszuschliessen: Dass nämlich keine der Vorlagen, Volks- und Ständemehr schafft und beide ganz knapp schneitern. Dann hätte der Souverän entschieden, und niemand wüsste was!

Weil letztlich niemand die genaue Interaktion der finalen Meinungsbildung bei Volksabstimmung mit Initiative und Gegenvorschlag kennt, erschwert das jede Festlegung auf ein einziges Szenario zum Abstimmungsausgang.

Den ganzen Forschungsbericht nachschlagen.

Claude Longchamp

Wohin sich politische Blogs in der Schweiz entwickeln könnten

Die Bloggerszene der Schweiz ist nicht gross. Die politische ist noch kleiner. Dabei dominiert der Typ des kommunikativen Lokalpolitikers, der attackiert, kommentiert oder kontempliert (wie diesen). Darüber hinaus gibt es einige politische Fachblogs (wie diesen). Bisher selten sind aber spezialisierte Reports, die gezielt die politische Berichterstattung bedienen, um auf sie Einfluss zu nehmen (wie ansatzweise diesen).

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Differenzierung hin zu spezifischen Dienstleistungen statt Sammelsurrium zu allem und jedem ist der Trend in den US-amerikanischen Politblogs

Die US-amerikanischen Wahlen 2010 machten es deutlich. Hochspezialisierte politische Reports, die wöchentlich oder täglich aktualisiert werden, sind – nebst Parteien, KandidatInnen und Medien – zu eigenständigen Treibern der Wahlberichterstattung geworden.

Betrieben werden sie von politischen Analysten, die nicht warten, bis Medien sie anfragen, sondern ihre eigene Agenda verfolgen. Sie verarbeiten meist eigene und fremde Datenquellen, beschreiben Zustände, analysieren Trends, und sie erstellen Prognosen, was man alles als Newsletter auch abonnieren kann. Parteien stellen auf sie ab, aber auch Massenmedien konsultieren sie, und in der politischen Blogosphäre sind sie eigentliche Gurus.

Charles E. Cook gehört zu ihnen. Er gehört seit 12 Jahren zum Netzwerk “National Journal Group”, berät NBC News, hat verschiedene Kolumnen und ist Zuträger zu Think Tanks. Die New York Times kennzeichnet seine Dienste als “…a newsletter that both parties regard as authoritative”, während die Washington Post Cook “perhaps the best non-partisan tracker of Congressional races”.

Weitere Grössen im Geschäft sind beispielsweise die Politikwissenschafter Larry J. Sabato, Stuart Rothenberg. Dazu zählen auch der Demoskopie-Kenner Nate Silver, der für die New York Times analysiert, und der anonyme Votemaster, der die Seite electoral vote betreibt, die sich darauf spezialisiert hat, alle Umfragen in den einzelnen Bundesstaaten der USA zu dokumentieren und zu bewerten. Seine Dienste werden während amerikanischen Wahlkämpfen bis zu einer Million mal täglich abgerufen. Sie dienten beispielsweise auch der Schweizer Presse als wichtigste Referenz bei der Präsidentschaftswahl 2008.

Sie alle zeichnet aus, dass sie nicht in erster Linie nach dem Motto bloggen, “ich bin ein politisch denkender Menschen, und so bringe ich mich hier ein”. Sie sind professionelle Dienstleistungen von absoluten Spezialisten, die das Medium Blog verwenden, um aktuell, rasch und einflussreich politisch Interessierte zu bedienen.

Man kann gespannt sein, ob die Schweizer Wahlen in einem Jahr einen solchen Typ von Blog und Bloggern auch bei uns hervorbringen wird.

Claude Longchamp

Die “beste Armee der Welt” im Taschenformat

Der Bundesrat will eine kleinere und günstigere Armee. Der Bestand soll zukünftig noch 80’000 Mann betragen. Kosten darf die Armee höchstens 4,4 Milliarden Franken im Jahr. Die internationale Vernetzung soll bleiben. Das sind die Vorgaben, die der unterlegene SVP-Bundesrat und VBS-Chef Ueli Maurer vor dem Parlament vertreten und dann auch umsetzen muss.

Tagesschau vom 03.10.2010
Meine Kurzanalyse für die SF-Tagesschau von heute abend, aufgenommen im Schlosshof von Murten

Seit geraumer Zeit wird in armeefreundlichen Kreisen wie der “Gruppe Giardino” darüber spekuliert, eine Volksinitiative Pro-Armee zu lancieren. Der Zeitpunkt ist günstig. Der neue Armeebericht hat nicht wenige von ihnen aufgeschreckt. Er wird in der Wintersession erstmals im Parlament behandelt werden, und die Debatte wird sich zweifelsohne ins Wahljahr 2011 hineinziehen. Mit der Unterschriftensammlung zu einer Volksinitiative könnte die Auseinandersetzung durchaus popularisiert werden.

Dass eine Volksinitiative für eine starke Armee in einer Volksabstimmung automatisch Erfolg haben würde, ist indessen nicht gesichert. Das kennt man namentlich aus der Gesundheitspolitik, wo der Konsens gering ist und Volksbegrehen von wo auch immer sie kommen, in der Regel scheitern. Mindestens zwei Faktoren beeinflussen aber den Initiativerfolg unabhängig vom Thema:

. der Initiativtext selber, der eine möglichst einfache und klare Forderung hat, ohne in der Konsequenz angreifbar zu sein; er ist noch gar nicht geboren.
. das Initiativkomitee, das in Kampagnen möglichst erfahren sein soll, ohne parteipolitisch zu polarisieren; es rekrutiert sich vorerst namentlich aus dem SVP- und Auns-Umfeld, was halb von Vor-, halb von Nachteil ist.

Beide potenzielle Angriffsflächen können dazu führen, dass die Gegnerschaft im Abstimmungskampf mit einer Problematisierung der Initiative Polarisierungen und Verunsicherungen auslösen, welche die Erfolgschancen schmälern.

Anders als bei linken Vorstössen zur Armeeabschaffung oder zu ihrer Verringerung kommt die jüngste Abbauvorlage vom Bundesrat selber; sie wird im wesentlichen von der Allianz der Mitte, als FDP, CVP und BDP getragen, die eine modernisierte, vernetzte und gleichzeitig verkleinerte Armee anstrebt. Sie nimmt mit der Verschiebung des Flugzeugkaufs und der Plafonierung der Kosten jene Forderung auf, die im ganzen bürgerlichen Lager angesichts der Anstrengungen um Haushaltskonsolidierungen und Schuldenabbau, um die Steuern tief halten oder senken zu können, breit unterstützt wird. Mit der verminderten Armeebestand wird zudem eine Hauptforderung der linken ArmeekritikerInnen berücksichtigt, während die Reduktion der WKs angesichts beruflicher Belastungen und mangelnder Abkömmlichkeit gerade bei jüngere Menschen auf Zustimmung stossen dürfte.

Selbstredend ist die jüngste Armeereform im nationalkonservativen Wählerspektrum eine Provokation. Sie verstösst vor allem gegen das gepflegte Selbstbild der unabhängigen und wehrhaften Schweiz, die sich im Notfall selber zu verteidigen weiss. Dieses BürgerInnen dürften für eine Armee-Initiative mobilisierbar sein, umso mehr als sie in den letzten Wochen Stück für Stück erleben mussten, dass “ihr” Verteidigungsminister Ueli Maurer mit seinen Botschaften zum Nachholbedarf bei den Armeeinvestitionen nicht durchdrang und neuerdings sogar zum Befehlsempfänger der Bundesratsmehrheit degradiert wurde. Unterstützung werden sich auch unter den Traditionalisten unter den Armeexperten und hohen Offizieren finden, welche die Armeereformen der letzten 15 Jahre nicht oder nur widerwillig mitgetragen haben, um zum Kampf gerüstet sind. Schlimmstenfalls, um die beste Armee der Welt im Taschenformat wenigstens nach eigenen Vorstellungen realisieren zu können.

Claude Longchamp

Nützliche Links zu Abstimmungen und Wahlen in der Schweiz

Letzte Woche unterrichtete ich an der Zürcher Hochschule in Winterthur im Rahmen des CAS “Politische Kommunikation”. Es ging um BürgerInnen und Demoskopie im weitesten Sinne, also um Fragen, wie aus BürgerInnen-Meinungen politische Entscheidungen werden und wie die Ergebnisse auf kollektiver Ebene auf die individuelle herunter gebrochen werden können.

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Mehrfach wurde ich danach gefragt, nebst den Literaturangaben eine Linksliste abzugeben. In der Tat hatte ich das in den Unterlagen nicht gemacht, weshalb ich das auf diesem Weg nachhole.

Amtliche Informationen:
Offizielle Informationen Wahlen und Abstimmungen Schweiz
Amtliche Wahlergebnisse Schweiz
Amtliche Volksabstimmungsergebnisse Schweiz

Abstimmungsforschung Schweiz:
Abstimmungsforschung (Schweiz)
Historisches Datenarchiv Volksabstimmungen Schweiz
VOX-Analysen eidgenössischer Abstimmungen
Vimentis: Ueberparteiliche Abstimmungsinformationen
Parlamentsmonitoring
SF Abstimmungen Archiv
Dispositionsansatz zur Analyse der Meinungsbildung bei Volksabstimmungen
SRG-Trendbefragungen zu Volksabstimmungen/Hochrechnungen/Erstanalysen
Ballotpedia (Archiv Volksabstimmungen in den US-Gliedstaaten)
Direkte Demokratie in Europa

Wahlforschung Schweiz:
Wahlforschung (international)
Prognosemodelle für Wahlen (vorwiegend für die USA)
Wahlatlas Schweiz
Selects – Schweizer Wahlstudien
Smartvote Wahlhilfe
Schweizer Parlamentswahlen 2007
Schweizerische Bundesversammlung
SF Wahlen 07
Grafik Datenbank Wahlbarometer 2007
Kommentierte Literaturliste politische Kommunikation (vorwiegend Wahlen)

Aktuelles findet sich jeweils auch in der Kategorien Wahlforschung, Abstimmungsforschung und Politische Kommunikationsforschung auf diesem Blog.

So, ich hoffe damit, diese Bringschuld eingelöst zu haben.

Claude Longchamp

Neue Polit(o)-Blogs

Die Bloggerszene wächst nicht mehr. Nach dem anfänglichen Boom, der im März 2007 seinen Höhepunkt mit 1243 aktiven Blogs erreichte, sterben in der Schweiz heute mehr Blogs als eröffnet werden. Das heisst nicht, dass sich nichts tut, im Gegenteil: Vier neuere Blogs unter den rund aktiven 694, die blogug aktuell verzeichnet, haben meine Aufmerksamkeit gefunden.

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Mokka-Cafe
Die grösste Ueberraschung für mich ist “Mokka-Café“. “Schnell das Wichtigste wissen”, lautet das Motto. Das Blog macht sich die Informationsflut zu Nutze. Denn die Basis sind die Schweizer Tagespresse und die Posts wichtiger Schweizer Blogs. Angesichts der Zeitnot vieler Interessierter bietet das Blog einen genialen Service an: Kommentare der JournalistInnen und der BloggerInnen werden übersichtlich und handlich zusammengefasst. Der Wochenrückblick reichert das mit Hintergrundsinformationen an. Alles ist verlinkt, sodass man sich bei Bedarf schnell und gezielt durch die Informationsmenge durcharbeiten kann. Bundesratswahlen, Wirtschaft, EU, Demokratie und Islam sind in der Themenwolke momentan führend. 10 Minuten brauche man, eine verpasste Woche zu überblicken, schreibt Autor Troubadix. Wenn er selber Zeit findet, verweist verweist er auch Bücher oder singt ein Lied. Entstanden sei die Idee, für die der Journalist Gian Signorell aus Zürich verantwortlich zeichnet, in Hanoi, dem Bistro Moca Café an der Pho Nha Tho 14. Die Adresse kenne ich nicht – die des hochprofessionellen Blog empfehle ich aber ausdrücklich weiter.

Direkte Demokratie
Um Bürgerjournalismus geht es im Blog “Direkte Demokratie … weil wir Gesetzgeber sind“. Dabei handelt es sich um eine produktive Verarbeitung der Minarett-Abstimmung aus dem vergangenen Jahr. Ronnie Grob, einer der beiden Blog-Initianten, nervte sich über die Kommentare im Ausland nach dem Ja, die seiner Meinung nach von Unverständnis über Sinn und Unsinn der Volksrechte zeugten. So verband sich der freie Journalist mit dem Zürcher Anwalt Martin Steiger, um ein Gegenprojekt zu lancieren. Der Titel des neuen Blogs ist Programm, direkte Demokratie wird klar befürwortet, und sie soll überall gefördert werden. Die Kategorien verweisen fast auf die ganze Welt, die Beiträge beziehen dagegen weitgehend auf die Debatten in Deutschland und in der Schweiz. Beliebteste Themen sind die Initiative für eine Todesstrafe, die Volksbefragung der SVP und die immerwährenden Einwände der Deutschen gegen Volksrechte. In den Kommentaren macht sich gelegentlich das kleinräumige Denken einiger Direktdemokraten bemerkbar, insbesondere wenn es um die EU geht. Das Prinzip des Blog empfehle ich ohne Kommentar weiter: Wer Wahlen organisieren kann, kann auch Volksabstimmungen durchführen!

Polithink
Polithink.ch wurde von vier engagierten StudentInnen der Politik- und Rechtswissenschaft an der Uni Zürich initiiert worden, die so will mir scheinen, auf dem Weg von der Uni über ein Praktikum ins Berufsleben sind oder sich ein Doktorat überlegen. Aufgegriffen werden meist Themen, die den Medien entnommen sind, von den Thinkers jedoch mit weitführenden Reflexionen oder Informationen angereichert werden. Das ergibt denn auch den Mehrwert für die Leserschaft. Momentan dreht sich Vieles um Volksabstimmungen, Verfassungsgebungen, Nationalismus und Einbürgerungsfragen. Das spiegelt sich auch in den meist zitierten Kategorien seit Blogstart: Es sind dies neue wissenschaftliche Literatur, Wahlen und Abstimmungen, Kulturkonflikte und internationales Recht- meist mit Schweizer Bezug. Die vertretenen Standpunkte sind meist weltoffen, gelegentlich links. Einige Outerthinkers machen als Gastautoren bei dem Projekt mit. Mehr KommentatorInnen aus der Leserschaft wären sicherlich erwünscht.

PolSci
Noch nicht wirklich warm geworden bin ich mit dem PolSciZurich-Blog, der von etlichen führenden PolitikwissenschafterInnen am Center for Comparative and International Studies (CIS) an der ETH Zürich betrieben wird. Wirklich belegt sind nach der Startphase die Kategorien “Profession” und “Research”. Anders als etwa die “Oekonomenstimme” wollen die Zürcher Politologen mit ihren Beiträgen man nicht ihre externe Reputation steigern, sondern die fachinterne. Entsprechend wird konsequent englisch kommuniziert. Doch bleiben Reaktionen weitgehend aus. Die 12 AutorInnen haben auch noch keine gemeinsame Botschaft entwickelt. So stehen nützliche Linkhinweise neben Forschungsnotizen ohne grösseren Zusammenhang. Den originellsten Beitrag hat bisher Fabrizio Gilardi geliefert, als er den Zusammenhang zwischen eingeschriebenen Mitgliedern in der amerikanischen Politologenvereinigung nach Staaten mit ihrem Erfolg bei der Fussballweltmeisterschaft verglich, und durchaus Systematiken fand, aus denen er Empfehlungen für die Schweizer Fussballtrainer ableitete …

So, nun bleibt mit nur eine Frage: Was ist Ihre Neuentdeckungen unter den gegenwärtigen Polit(o)-Blogs?

Claude Longchamp