politReport spiegelt die Schweizer e-Medien

“Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der häufigst zitierte Politiker im ganzen Land?” So etwa lautet das Motto des neuen politReport zur Schweizer Politik im Internet.

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Präsenz der BundesratskandidatInnen in den Schweizer e-Medien gemäss politreport.

Seit diesem Jahr gibt es auf dem Web eine neue Dienstleistung zu Politik und Medien. Ursprünglich für Deutschland konzipiert, existiert auch in der Schweiz ein Ableger der politReports. Seit Frühling 2009 ist die Kommunikationsagentur Furrer.Hugi&Partner in Bern Partner des Projekts, und jüngst verkündete NZZ-Online, mit politReprot zu kooperieren.

Laufend ausgewertet werden rund 800 Schweizer Online-Medien und politische Blogs. Täglich um 6 Uhr kann man den neuen Parteien-Index abrufen, welcher die e-Präsenz der schweizerischen Parteien und ihrer Präsidenten aufzeigt.

Momentan dreht sich alles um die Ersatzwahl in den Bundesrat. Das entsprechende Kandidaten-Rating belegt den Eindruck, dass es an übergeordneten Trends in der Medienpräsenz noch fehlt. Pascal Broulis, Dominique de Bumann, Fulvio Pelli und Urs Schwaller waren seit den Sommerferien die am meisten diskutierten Kandidaten. Aufgestiegen sind sie in der Zitierung mit der Ankündigung ihrer Kandidatur; doch hat sich danach keiner wirklich ganz oben halten können.

Gerne hätte man neben der Präsenz von PolitikerInnen auch eine quantitative Analyse der Bewertungen in den e-Medien gehabt. Denn das macht solche Instrumente über die eher zweifelhafte PR-Binsenwahrheit hinaus interessant, es egal sei, wie man dargestellt werde; Hauptsache man komme vor. Wie schnell Präsenz ohne eigene Botschaft die Fremdkritik entscheidend wird, musste beispielsweise Fulvio Pelli in den letzten 10 Tagen erfahren.

Claude Longchamp

Erster Wirtschaftsatlas der Schweizer Kantone

BAK Basel veröffentlichte heute ihren neuen Wirtschaftsatlas der Schweiz. Er erlaubt, zentrale volkswirtschaftliche Daten auf kantonaler Basis nachzuschlagen, die es bisher kaum gab.

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Der Kanton Zürich trägt am meisten zum Bruttoinlandprodukt der Schweiz bei. An zweiter Stelle steht der Kanton Bern, gefolgt von der Waadt, von Genf, vom Aargau und von St. Gallen. Am Ende befinden sich Appenzell-Innerrhoden, Obwalden, Uri, Nidwalden und Glarus. Bezogen auf EinwohnerInnen liegen Baselstadt und Zug ganz vorne, und es ist wiederum Appenzell Innerrhoden, diesmal gefolgt von Fribourg ganz hinten.

Der neue Wirtschaftsatlas gibt indessen nicht nur zum Bruttoinlandprodukt der Schweizer Kantone eine Uebersicht. Er enthält auch Angaben zu Erwerbstätigen, zur Verteilung der Wirtschaftsektoren nach Gliedstaaten, und wie sich die alte und neue Oekonomien in ihnen entwickelt.

Aufdatiert ist in der ersten Ausgabe alles bis und mit 2008. Doch sind auch zurückliegende Werte greifbar, sodass Veränderungen vor und während der aktuellen Krise abgeschätzt werden können.

Das führt denn auch zu teilweise überraschenden Schlüssen. So ist im Jahresvergleich die Wirtschaft in den Kanton Jura und Neuenburg am meisten gewaschen, weil sie krisenresistente Branchen wie Uhren und Investitionsgüter haben. Derweil haben Zürich und Genf – die beiden grossen Finanzplätze – am wenigsten dazu beigetragen.

Wer aktuelle Trends und Strukturdaten zu den Regionen in der Schweiz auf kantonaler Basis braucht, wird hier auf dem Web in Vielem erstmals in nützlicher Frist fündig.

Claude Longchamp

Wider die Negierung der Ethik des Marktes

Die öffentliche Kontroverse über Wirtschaftsethik, die von Ulrich Thielemann an der Universität St. Gallen entfacht wurde, geht weiter. Es schaltet sich via Weltwoche auch das Liberale Institut aus Zürich ein und verteidigt die Ethik des freien Marktes.

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Pierre Bessard, Direktor des Zürcher Liberalen Instituts, sieht im freien Markt den besten Garanten für ethisches Handeln.

Mit Verve vertritt Pierre Bessard, neuer Direktor des Liberalen Instituts wortreich die These, der freie Markt sei die umfassendste moralische Institution des Menschen überhaupt. Denn nur der freie Markt respektiere die individuelle Eigentumsrechten, weil hier in jeder nur mit seinem Wissen, seinem Geld, kurz: mit seinen Produktionsfaktoren handeln könne.

Die unversale Ethik des Marktes setze sich, fährt Bessard fort, immer und überall durch, – selbst wenn sie unterdrückt werde. Deshalb entstünden mit dem freien Markt überall Werte wie Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Friedfertigkeit, Gerechtigkeit – und Effizienz.

Bessard hält den Markt für die grösst möglich denkbare menschliche Gemeinschaft überhaupt, verbunden durch das Netzwerk des Tasuches. Die Wahlfreiheit der Konsumenten sei es, welche den Anbieter diszipliniere. Wer unehrlich oder rücksichtslos tausche, setze sein Vermögen aufs Spiel.

Mit der Ausbreitung des Marktes, folgert der liberale Vordenker, zivilisiere auch die Welt. Der Wettbewerb löse den Kampf ab. Deshalb bringe der freie Handel auch Frieden, im Binnenmarkt, wie auch international.

“Gäbe es einen Freidensnobelpreis für Ordnungen und Institutionen, keine hätte ihn so sehr verdient wie der freie Markt”, empfiehlt sich Pierre Bessard als Verkünder der Wahrheit selber. Denn er unterlässt es nicht, gegen die Universitäten zu polemisieren, denen nicht nur ein fundiertes Verständnis des freien Marktes abhanden gehe. Man sei an Schweizer Hochschilen auch versucht, sich gerade mit Wirtschaftethik dem grössten Produzenten von Ethik, dem Markt an sich, zu entziehen.

Ohne Zweifel, klare Worte, mit klaren Absichten, die nicht nur gehört, sondern auch kommentiert werden dürften.

Claude Longchamp

Diagnosen für die Welt nach dem amerikanischen Zeitalter

Wie entwickelt sich die Welt? Ueber die Wirtschaftskrise hinaus, stellt sich die Frage, welche Rolle die USA inskünftig einnehmen werden. Denn allgemein rechnet man mit dem wirtschaftlichen und politischen Aufstieg Asiens. Weniger eindeutig sind die Haltungen dagegen, wenn es um die Frage geht, wie sich die führende, aber angeschlagene Weltmacht hierzu stellen wird. Zwei typische Beispiele hierzu.

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“Der Aufstieg der Andern. Das postamerikanische Zeitalter” heisst der Bestseller von Fareed Zakarias, der im Sommer 2008 in den Staaten, anfang 2009 auch in der deutschen Uebersetzung von Thorsten Schmidt erschien, und seither so etwas die Basis der Analyse in einer multipolaren Welt gilt.

»Goodbye, America«, lautet der etwas bittere Refrain von Fareed Zakaria, dem in indischen Bombay geborenen Politikwissenschafter der Harvad University. Dennoch bleibt der Chefredaktor von Newsweek International und regelmässige Kommentator auf CNN zuversichtlich.

Für ihn ist zwar klar, dass eine epochalen Machtverschiebung stattfindet. Nach dem Siegeszug der westlichen Rationalität zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert und dem kometenhaften Aufstieg Amerikas im 19. und 20. Jahrhundert durchläuft die Welt gerade eine dritte Phase. Sie erlebt das Ende der amerikanischen Vorherrschaft und den »rise of the rest«, den Aufstieg der übrigen Mächte.

“The Post-American World” heisst das Buch im Amerikanischen, das bewusst das Wort vom Niedergang vermeidet, denn es will dem offensichtlichen Machtverlust der USA eine Pointe abgewinnen: »Globalisierung der Welt – das war die amerikanische Vision«, und davon hhaben andere Länder profitiert und den Anschluss geschafft, vor allem China und Indien.

Fareed Zakaria hat offensichtlich Sympathien für die Demokraten von Barack Obama. Er ist überzeugt, Amerika werde seine Krise meistern, sobald es die Spaltung der Gesellschaft überwunden habe. Aussenpolitisch gibt er Obama den Rat, sich um die »Einbeziehung der aufsteigenden Länder« kümmern und die neuen Großmächte China und Indien so weit integrieren, bis diese aus eigenem Interesse die globale Ordnung tatkräftig unterstützten.

Härter mit den Amerikanern ins Gericht geht Parag Khanna, ebenfalls aus Indien stammend und Politikwissenschafter in den USA und Grossbritannien. In seinem Buch “Der Kampf um die Zweite Welt” tritt Amerika nämlich als gerupfter Riese auf, von einem entfesselten Kapitalismus verunsicherte, im Irakkrieg blamierte Supermacht, die ihren Machtverlust noch gar nicht begriffen hat. Selbst wenn das Land unverändert die konkurrenzfähigste Volkswirtschaft der Welt habe, schreibt Khanna, sei die politische Macht längst neu verteilt worden: Asien wird – mit oder ohne Amerika – das 21. Jahrhundert gestalten.

Folgt man Khanna, wird die Welt künftig von drei Imperien beherrscht werden, von den Vereinigten Staaten, von China und von der Europäischen Union, während Russland keine entscheidende Rolle spiele, weil dessen Volkswirtschaft nichts Nennenswertes zustande bringe. Auf Khannas Landkarte gehört Russland deshalb zur Zweiten Welt, genauso wie der Nahe Osten, Lateinamerika und Afrika. Hier, in der Zweiten Welt, tobt nach Khanna der Kampf um Einflusszonen, und hier entscheide sich, wie viel Macht die geopolitischen Machtsphären in die Waagschale werfen können.

Die beiden Thesen sind hilfreich, das aktuelle Verhalten der Grossmächte zu analysieren. Nützlich sind hierfür auch die beiden Bücher, welche die generelle Sichtweise ausführen. Ihre Lektüre sei empfohlen, nicht zuletzt auch, um den Wandel der politikwissenschaftlichen Perspektiven, die unter der Bush-Administration und dem Schlagwort des Kampfes der Kulturen galten, zu realisieren.

Claude Longchamp

Fareed Zakaria: Der Aufstieg der Anderen. Das postamerikanische Zeitalter, München 2009
Parag Khanna: Der Kampf um die zweite Welt. Imperien und Einfluss in der neuen Weltordnung, Berlin 2008

youtube statt Aepfel

Meinungsbildung ist das Eine, Mobilisierung das Andere. Denn nur eine abgegebene Stimme kann eine gute Stimme sein. Diesmal verteilen die BefürworterInnen der Personenfreizügigkeit keine Aepfel an Stadtmenschen, um zu gewinnen. Sie setzen dem Zeitgeist folgend auf youtube, um mit Ironie die Bankgesellen von ihrem Bildschirm an die Urne zu bewegen.

Das sagt sich die Schweizerische Bankiervereinigung. Sie liess einen Clip produzieren und ins Netz stellen, der sich wie auch andere Aktiviten von Bankersvote ganz besonders an die Banker richtet. Leider sei ihm beim Ausfüllen des Stimmzettels die Tinte ausgegangen, und seine Kollegen hätten momentan auch nichts Flüssiges, lamentiert ein Bankangestellter auf der Züricher Bahnhofstrasse. Der Clip kontert die Ausrede: Man müsse schon bessere Gründe haben, um sich an der Volksabstimmung vom 8. Februar 2009 nicht zu beteiligen.

Das Video auf www.youtube.com nimmt einen in Umfragen gut bekannten Sachverhalt auf. Mehr Menschen, die befragt wurden, habe in der Sache eine Meinung, als effektiv Stimmen gehen. Trotz erleichterter Stimmabgabe via Post. Sie sollen mobilisiert werden!

Produziert wurde das Video von der Agentur von Campaigner Peter Metzinger. Schon 2005 erhielt er von der befürwortenden Seite der Personenfreizügigkeit den Auftrag, etwas zur Ausschöpfung der Stimmberechtigten zu unternehmen. Damals stimmten wir in dieser Sache im September ab; die Aepfel an den Bäumen standen in voller Blüte und wurden Zentnerweise unter die urbanen Leute verteilt, um sinnlich für die Personenfreizügigkeit zu werben. Diesmal ist es deutlich kälter in der Schweiz, die am 8. Februar 2009 über das gleiche Thema entscheidet. Das dürfte die Kampagnenaktionisten dazu geführt haben, via Internet zu mobilisieren.

Claude Longchamp

Börsianer und Personenfreizügigkeit

Abstimmungsbörsen auf Internet geben nicht nur die Erwartungen der Händler zum wahrscheinlichsten Abstimmungsausgang wieder. Sie folgen den Ergebnissen veröffentlichter Umfragen, ob diese real oder fiktiv sind. Das mindert den Wert von Wahlbörsen als unabhängige Abstimmungsprognosen erheblich.


Quelle: Wahlfieber zur Personenfreizügigkeit

Seit längerem gibt es auf Internet auch zu politischen Themen der Schweiz die Rubrik “Wahlfieber”. Die Chancen von Bundesräten gewählt zu werden oder von Abstimmungsvorlagen durchzukommen, werden dabei wie an Aktienmärkten gehandelt. Sie entstehen zwischenzeitlich weltweit Prognosen dazur, was die Erwartungshaltung der anonymen Händler sind.

Gestern abend 17 Uhr erschien die erster der beiden SRG-Umfragen zur Volkabstimmung vom 8. Februar 2009 zur Personenfreizügigkeit. Das Hauptergebnis lautete: 49 Prozent sind bestimmt oder eher dafür, 40 Prozent bestimmt oder eher dagegen. 11 Prozent der beteiligungswilligen BürgerInnen sind unentschieden.

Die Veröffentlichung des Ergebnisses brachte Bewegung in die Abstimmungsbörse “Wahlfieber”. Der Marktwert der Ja-Aktien stieg postbewendend von 50 auf 54. Jener verringerte sich leicht, von gut 50 auf knapp 50.

In den Tagen zuvor war fast nichts gegangen in der Abstimmungsbörse zur Personenfreizügigkeit. Der Wert der Nein-Aktie lag meist leicht über dem des Ja-Papiers. Die letzte wirkliche Bewegung hatte es an Weihnachten gegeben. Damals schnellt der die Nein-Aktie auf über 53, ihrem bisher höchste Wert, während die Ja-Aktien vorübergehen einen Wert von 48 notiert. Vorausgegangen war damals die Publikation einer Umfrage durch den “Blick”. Die Werte, die genannt wurden (40 dafür 50 dagegen, 10 unentschieden), erwiesen sich nachträglich als erfunden.

Was lernt man daraus? Abstimmungsbörsen wurden eingeführt, weil man annimmt, dass eine genügend grosse Zahl von Händlern, die auf den Ja- resp. Nein-Anteil wetten, den Einfluss individueller Präferenzen auf den erwarteten Abstimmungsausgang verringern. Das ist möglicherweise auch der Fall. Doch die Händler an der Politbörse lassen sich insgesamt durch die gleichen Ereignisse beeinflussen. In erster Linie durch Umfragen in Massenmedien, und zwar unabhängig davon, ob die Veröffentlichungen auf realen oder fiktiven Erhebungen basieren.

Das relativiert den Wert von Wahlbörsen als unabhängige Prognose-Instrumente doppelt!

Claude Longchamp

swissvotes – die neue Datenbank zu Schweizer Volksabstimmungen

Gerade rechtzeitig fertig geworden, um am Kongress der Schweizer Politologen präsentiert werden können, ist die neue Abstimmungsdatenbank www.swissvotes.ch.

Entstanden ist die neue Datenquelle am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern als Frucht mehrerer Forschungsprojekte unter der Leitung von Wolf Linder. Christian Bolliger, ein junger Schweizer Politikwissenschafter, der eine vorzügliche Dissertation zu politischen Parteien und Volksabstimmungen verfasst hat, zeichnet für den Aufbau der Datenbank verantwortlich; Yvan
Rielle und Dominik Wyss halfen bei der Entstehung der neuen Fundgrube zu Volksabstimmungen. Denn sie enthält erstmals zu allen eigenössischen Volksabstimmungen seit 1848 in der Schweiz …

… Eckdaten zum Typ der Vorlage und dem Thema, zur Urheberschaft und der Anzahl der gesammelten Unterschriften,
… Meilensteine des politischen Entscheidungsprozess und die dazugehörigen Quellen,
… Abstimmungsempfehlungen von Bundesrat und Parlament sowie von Parteien und Verbänden,
… Abstimmungsergebnisse der Gemeinden, Bezirke und Kantone als Tabellen oder Karten zum Herunterladen,
… Originalquellen und Verweise auf die Protokolle des Parlaments, die Botschaften des Bundesrates und weiterführende Literatur,
… Beschriebe aller Abstimmungen seit 1966 des Jahrbuchs Schweizerische Politik (Année Politique Suisse) und
… Grundlageninformationen zur Geschichte der Volksrechte oder zur Entwicklung der Parteien und der Verbände.

Fündig wird hier nicht nur, wenn Informationen sucht, sondern auch Daten beziehen will. Der gesamte Datensatz, welche der Datenbank zugrunde liegt, steht für die Forschung zur freien Verfügung. Das Ganze ist handlich, und wird sich hoffenlich schnell in der Forschung durchsetzen.

Nur eines vermisse ich auch hier: eine Dokumentation zu Abstimmungskämpfen, die es ähnlich wie ballotpedia in den USA erlauben würde, eine Geschichte der politischen Abstimmungskommunikation zu entwerfen.

Schade auch, dass diese Innovastion am Kongress nur auf der Leinwand beim Kaffee präsentiert wurde, und niemand der Wert dieser neuen Quelle für historische und politologische Forschung in einer Session in Evidenz brachte!

Claude Longchamp

www.ballotpedia.org: beispielhafte Abstimmungsdokumentation 2.0

Knapp 1500 Freiwillige machen in den USA vor, wie Abstimmungsdokumentation 2.0 aussieht. In weniger als zwei Jahren haben sie mit ballotpedia das Referenzprojekt für die lokale direkte Demokratie geschaffen, dem man ein schweizerisches Pendant wünschen würde.

Das amerikanische Vorbild
In der Selbstdarstellung ist “ballotpedia” eine freie online Enzyklopädie, die auf kooperativer Mitarbeit beruht. Sie umfasst im Wesentlichen Volksabstimmungen auf der Ebene von Bundesstaaten, die Ergebnisse, die Akteure, die Kampagnen und das Recht, das die Entscheidungen regelt.

Kooperieren kann jedermann und -frau, der oder die sich registriert. Knapp 1500 Personen haben sich dieser einfachen Prozedur unterzogen. Sie arbeiten, wie man das von wikipedia her kennt, wenn auch nach klareren Vorgaben via Checklisten, was man mitteilen soll und was nicht. Und es gibt eine harte Einschränkung: Wer Vandalismus betreibt, wird für immer gesperrt.

Begonnen hat das Projekt im Mai 2007. Der innert kürzester Zeit erreichte Stand lässt sich sehen: Mehr als 16’000 Artikel sind seither zu Themen wie Bärenjagd in Alaska oder Einwanderungsbestimmungen für Kubaner in Florida entstanden, sofern darüber abgestimmt worden ist. Berichtet wird, wer für, wer gegen eine Vorlage ist, was die Argumente der beiden Seiten sind, wie die Kampagnen verliefen, welche Medien wie berichten, wer vielfiel Geld aufgewendet hat und was die Umfragen sagen. Bei zurückliegenden Abstimmungen wird selbstredend das Resultate berichtet, allenfalls auch auf Nachanalysen verwiesen. Ergänzt wird das ganze mit Links auf websiten zum Thema, die als Belege und weiterführende Informationen dienen.

Und die Schweiz?
Der Schweiz würde ihr eigenes “ballotpedia” gut anstehen: Die Dokumentationen der Bundeskanzlei beschränkt sich auf eidgenössische Abstimmungen und umfasst das Kampagnengeschehen nicht. Das gilt auch für www.ch.ch, der e-government-Plattform von Bund und Kantonen. Die Dokumentation von “c2d” bezieht sich auf Abstimmungen in der ganzen Welt, doch sind die Informationen dazu ausgesprochen knapp gehalten, denn das zentrale Interesse gilt der Institutionenanalyse in der direkten Demokratie.

Gerade für die Analyse von Prozessen der Meinungsbildung – insbesondere von der Politik- und Kommunikationswissenschaft als zentrale Erklärungsgrössen für Volksentscheidungen bezeichnet – fehlt es in der Schweiz eine geeigneten Dokumentation, die aktuell und rückwärtig materialgestützte Untersuchungen zulassen würde.

Wer macht den Anfang, die Lücke im Mutterland der direkten Demokratie zu beheben?

Claude Longchamp

Project syndicate: Quelle der Weltanalyse

2008 hat unter anderem gezeigt, wie interdependent die Welt von heute ist. Genau das stellt die Frage, ob auch unsere Bewusstsein mit dieser Vernetzung mithält. Eine interessante Möglichkeit, das zu versuchen, ist die Auseinandersetzung mit dem “project syndicate”.

Die Finanzkrise in den Vereinigten Staaten, aber auch die US-amerikanischen Wahlen haben das Weltbewusstsein befördert. Globale Rezession, multipolare Weltordnung sind zu neuen Schlagworten geworden, welche die weltweite Diskussion über Wirtschaft, Politik und Gesellschaft neu lanciert haben.

Wer die Debatten verfolgen will, die in den Zentren der Wissenschaft und der Publizistik rund um den Erdball geführt werden, dem sei das “project syndicate” empfohlen. Das Prager Netzwerk, das seit 1995 besteht und sich gegenwärtig an 400 Zeitungen in 150 Staaten, die gemeinsame eine Auflage von 50 Millionen Ausgaben haben, wendet, veröffentlicht seine Analysen und Kommentare seit längerem auch auf Internet. Zu Wort kommen Fachleute und Nobelpreisträger, Staatsmänner und Aktivistinnen, aber auch Philosophen und Geschäftsleute mit internationaler Ausrichtung. Finanziert wird sie von Georges Soros’ “Open Society Foundation” und zahlreichen weitere Stiftungen namentlich aus Europa.

Die Internet-Publikation wird wöchentlich (The World in Words) aufdatiert. Rund 20 führende DenkerInnen, unter ihnen Chris Patten (vormals EU Kommissar), Joshka Fischer (vormals deutscher Aussenminister), Joseph Stiglitz (Nobelpreisträger für Oekonomie), Joseph Nye (US-Politologe) oder Naomi Wolf (feministische Aktivistin) kommen mit einer monatlichen Rubrik zu Wort. Uebergeordnete Themen sind der Klimawandel, Wirtschaftswachstum und politische Ordnung, die Menschenrechte und der Islam und die Welt der Islam. Der medinzinische und der technologische Fortschritt werden mit seinen Auswirkungen auf Gesellschaft und Mensch separat thematisiert.

Für mich besonders interessant ist schliesslich die Rubrik “Worldly Philosophers“, die in Kooperation mit dem Wiener Institut für die Wissenschaften vom Menschen betrieben wird, und sich fächerübergreifend, grossen Themen der sozialwissenschaftlichen Analyse widmet.

In der Schweiz sind der L’Agefi, Le Temps und der Tagesanzeiger Mitglieder des Projekts. Dennoch ist es hierzulande zuunrecht unbekannt geblieben. Die Internetausgabe könnte da Abhilfe schaffen, denn man kann die updates bequem via RSS abonnieren. Zu den grossen Vorteilen dieser Publikation zählt, dass die Beiträge meist gleichzeitig auf Englisch, Arabisch, Chinesisch, Tschechisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Russisch erscheinen.

Die Beiträge sind meist persönlich gehaltene Analyse und Kommentare. Sie verbergen ihre Standpunkte kaum. Als Ganzen lässt die Plattform keine eindeutige politische Ausrichtung erkennen, sie ist pluralistisch ausgerichtet. Wer mit seiner Allgemeinbildung zur Welt mit eben deren Entwicklung mithalten will, sei die Lektüre wärmstens an Herz gelegt!

Claude Longchamp

Statistik über alles

Statistik ist überall, und doch nirgends. Sie bestimmt und verschwindet. Das soll sich ändern. statistia dokumentiert das Denken und Handeln der Deutschen umfassend. Und ist dafür als Innovation des Jahres 2008 auf dem www ausgezeichnet worden.

Schauen Sie Fernsehen? Schlagen Sie ein Zeitung auf? Surfen Sie auf Internet? Ueberall begegnen Sie Grafiken und Prozentwerten, die auf Statistiken basieren. Gehe es um die Belastungen der Haushaltskasse, die beliebtesten Vornamen für Knaben und Mädchen oder um die Zeit für den eigenen Medienkonsum, überall will man Ranglisten haben, Verteilungen kennen, Zielgruppen unterscheiden können. Doch wär behält das die Uebersicht? Wer vergisst nicht gleich alles? Wer hilft einem Bleibendes von Momentanem zu treffen?

Die Antwortet lautet: statista. Tim Kröger und Friedrich Schwandt haben die Idee 2007 geboren, und sie gingen im Mai 2008 damit ins Netz. Binnen kürzester Zeit haben Sie ihre Website als zuverlässige Auskunftsquelle etablieren können. Ende des vergangenen Jahres erhielten sie dafür den deutschen startup-Preis, den ein Jury aus Fachleute, Medienschaffenden und Investoren für die besten neue Website des Jahres vergibt.

Aufgeteilt in 18 Rubriken sind mehrere Millionen Statistiken kostenlos für Jedermann abrufbar. Die Daten stammen allesamt von namhaften und seriösen Instituten wie dem Institut für Demoskopie Allensbach, dem Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung sowie dem Statistisches Bundesamt und erfüllen somit alle wissenschaftlichen Standards. Gleichzeitig schafften es die Gründer, Kopperationen mit den größten Medienplayern in Deutschland zu schließen – darunter Spiegel Online und bild.de. Die Partner stellen Statista ihre Daten gegen eine kleine Gebühr zu Verfügung. Die angelieferten Datenpakete werden mit neuesten Präsentationmitteln aufbereitet und den Nutzern der Plattform kostenlos zur Verfügung gestellt. Zur Zielgruppe von Statista zählen professionelle Nutzer aus Wirtschaft, Medien und Wissenschaft. Bislang finanziert sich Statista weitgehend über Werbung.

Ich habe mich eine gute Weile umgesehen auf statista. Nachdem ich jahrlang voluminöse Statistikbände gewälzt habe, um dann doch nicht das zu finden, was ich brauche, spricht mit die Hamburger Website besonders an. Natürlich gibt es auch hier eine Ueberfülle an Informationen. Doch die Elektronik erleichtert die schnelle Suche, das Grafiktool gibt einen raschen Ueberblick, und die die Filterungsmöglichkeiten lassen vertiefende Abklärungen zu. In meinem Fachgebiet weiss ich das Meiste auch, doch schon ein wenig darüber hinaus, habe ich so binnen Kurzem viel Interessantes erfahren, sodass man sich wünschen würde, dass die Macher die Beschränkung auf deutsche Statistiken zugunsten einer besseren Uebersicht, wenigstens über den ganzen deutschsprachigen Raum aufgegeben würden.

Claude Longchamp