Beeinflussung vielfach vermutet, aber nie belegt.

Für PolitikerInnen ist bisweilen schnell alles klar: Umfragen, vor politischen Entscheidungen veröffentlicht, beeinflussen das Ergebnis. Die Wissenschaft nimmt das als Hypothesen auf und überprüft ihre Trifftigkeit. Dabei kommt sie zu anderen Schlüssen als der politische common sense.

Eine Zusammenstellung der diesbezüglichen Forschungsresultate hat jüngst Alexander Gallus, Politikwissenschafter und Professor an der Universität Rostok, der sich auf Demoskopiewirkungen spezialisiert hat, geliefert und sie zuhanden des Deutschen Bundestages resp. der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht.

Zunächst unterscheidet Gallus mögliche Beeinflussungsfelder; namentlich sind das die Beteiligung und die Entscheidung selber. Dann sichtet er Hypothesen, die hierzu entwickelt wurden. Speziell erwähnt er bei den Auswirkungen auf die Wahlbeteiligung:

. Mobilisierungs-Effekte: Demnach förderten Umfragen, speziell bei unsicherem Ausgang, die Beteiligung an der Entscheidung.
. Defätismus-Effekt: Demnach verringerten Umfragen die Mobilisierung der veraussichtlichen Verlierer.
. Lethargie-Effekt: Demnach verringerten Umfragen die Beteiligung der angenommenen Gewinner.
. Bequemlichkeits-Effekt: Demnach verringerten Umfragen die Beteiligung von Unschlüssigen.

Bezogen auf die Auswirkungen auf die Entscheidfindung selber unterscheidet der Autor zwei Effekte:

. Bandwagon-Effekt: Demnach kommt es zu einem Meinungwandel zugunsten des voraussichtlichen Gewinners.
. Underdog-Effekt: Demnach kommt es zu einem Meinungwandel zugunsten des voraussichtlichen Verlierers.

Die Arbeitshypothesen lassen sich mit den Theorien des rationalen Wählens resp. mit Identifikationstheorien auch begründen. Doch, und das ist nach Ansicht von Gallus massgeblich, hat die bisherige Demoskopie-Forschung keine stichhaltigen Beweise für für die Trifftigkeit der Hypothesen liefern können. “Handfeste Belege für die Richtigkeit dieser Vermutungen konnten bislang freilich nicht erbracht werden”, fast er den Stand der Dinge zusammen. Das gelte, so der Autor, sowohl für die Beteiligung wie auch für die Entscheidungen selber.

In der Schweiz ist das nicht anders. Das bisher grösste Forschungsprojekt, das sich speziell mit Umfragen vor Abstimmungen beschäftigte, das auch mit Mitteln des Schweizerischen Nationalfonds gefördert wurde, kam zu einem Null-Ergebnis. Belegbar sind einseitige Auswirkungen auf die Meinungsbildung nicht.

Oder anders gesagt. Zu jedem Beispiel, das erwähnt nach der jüngsten Abstimmung erwähnt wird, gibt es ein Gegenbeispiel.

Stimmungsbarometer am Vorabend der Volksentscheidungen.

Morgen, 29. November 2009, entscheidet die Schweiz in drei Volksabstimmungen über die Spezialfinanzierung des Luftverkehrs, das Verbot von Kriegsmaterialausfuhr und resp. des Baus von Minaretten. Die österreichische Internetplattform Wahlfieber sagt, was geschieht. Mehr weiss man morgen zwischen 13 und 14 Uhr, wenn die Hochrechnungen vorliegen.

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Trends in den Erwartungshaltungen der Börsianer zur Finanzierung Luftverkehr, Verbot Kriegsmaterialausfuhr und Bauverbot von Minaretten.

“Ja, Nein, Nein”, prognostizieren die Wahlbörsen von Wahlfieber. Gerechnet wir mit einer Zustimmung von 64 Prozent zur Luftverkehrsvorlage der Behörden. Derweil nehmen die Trader an, beide Volksinitiativen scheitern. Bei der Minarett-Initiative gehen sie von 56, bei der Kriegsmaterialausfuhr von 58 Prozent Ablehnung aus.

Aktuelle Umfragen sind nicht verfügbar. Anders als Wahlbörsen unterliegen sie dem Reglement der Schweizer Institute für Markt- und Sozialforschung, das auf Wunsch der Politik vorsieht, die letzten 10 Tage vor einer Volksabstimmung nichts Neues mehr zu veröffentlichen. Damit sind die letzten Umfragen von Abstimmungen in der Schweiz zwischen mindestens zwei Wochen alt, wenn die letzte Abstimmungsurne geschlossen wird.

Die Händler via Internet kümmern solche Selbsteinschränkungen der Umfrageinstitute wenig. Sie setzen ihr Geld auf den erwarteten Ausgang. Sie bekommen ihre Geld vermehrt zurück, wenn sie den richtigen Wert vorhersehen. Anders als bei üblichen wetten, können sie ihre Meinung ändern, falls sie unterwegs einen anderen Ausgang prognostizieren. Wenn sie also die Zustimmung an der Börse unterbewertet finden, können sie Aktien kaufen resp. solche der Ablehnung verkaufen. Damit spiegelt der gemeinsame Aktienwert die aggregierten Erwartungen, die aus den jeweils individuellen Beobachtungen stammen.

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Wer gewinnt bei den Ersatzwahlen in den Zürcher Regierungsrat? – Ernst Stocker, entschieden die Börsianer schon sehr früh und sehr eindeutig.

Sicher ist, dass solche Informationssysteme keine Stimmabsichten messen, aber Erwartungshaltungen wiedergeben. Fehlerfrei ist das nicht. Denn die Ergebnisse hängen von der Intensität des Handels ab, was wiederum durch die Aufmerksamkeit und Ereignisse in der Sache bestimmt wird. Das belegt die Wahlfieber-Kurve zur Ersatzwahl in den Zürcher Regierungsrat. Hierzu gab es bei Wahlfieber nur kurz Spannung, dann entschieden sich die Händler schnell und konstant für Ernst Stocker.

Claude Longchamp

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Sekundärzitierungen von Umfragen sind so eine Sache …

Wer kennt das nicht: 10, 50 oder 100 Menschen stehen in einer Reihe. Der Erste sagt dem Zweiten etwas, sodass es die anderen nicht hören. Dann ist der Zweite gegenüber dem Dritten dran und so fort. Der Letzte berichtet dann dem Ersten, was er über ihn gehört habe. Zum Staunen aller verändert sich die Botschaft durch ihre Weitergabe bis ins Unkenntliche.

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Kommunikationsprobleme sind auch in der Vermittlung von Studienergebnissen häufig, wenn man mehr aus den Resultaten machen will, als möglich ist.

“24 Heures” publizierte letzte Woche eine Umfrage von MIS zum Verhältnis von SchweizerInnen zu Muslimen. Auf einen Nenner gebracht, lautete das Ergebnis: Ein Muslim kann ein guter Schweizer sein. Dem Islam als Ganzes stehen die BewohnerInnen des Landes aber distanziert gegenüber.

“32 – 38 – 24”, so lauten die Zahlen für ein positives, neutrales oder negatives Verhältnis zu Angehörigen des Islams gemäss MIS Befragung. Entsprechend sind die BewohnerInnen der Schweiz in vielen Frage, die den Islam betreffen, gespalten. In der Minarett-Frage sind 46 Prozent dagegen.

Fachmännisch gesprochen sind das alles Einstellungselemente: Bewertungen von Sachfragen, welche den aktuellen Informationsstand und die momentane Gefühlslage reflektieren. Da Entscheidungen auch Informationen und Stimmungen einer Kampagne reflektieren, können Prädispositionen und Entscheidungen identisch sein, müssen aber nicht.

Journalistisch ist das der Knackpunkt. Nicht selten wird alles mit allem gleichgesetzt! Denn besteht ein Zwang in den Medien, aus allen Umfragen vor Abstimmungen eine Prognose zu machen. Egal, ob auf gesicherter oder ungesicherter Basis.

Das konnte man Ende letzter Woche wieder einmal schön feststellen. Die Meinung zu Minaretten, wie sie “24 Heures” richtig wiedergab, wurde in “20 Minuten” zur unvermittelten Stimmabsicht über die anstehende Initiative. Eine Minderheit sei für Minarette, eine relative Mehrheit für die Initiative. “Rund zwei Wochen vor der Abstimmung seien noch 15 Prozent unentschieden”, lautete die Zusammenfassung der Studie.

In der österreichischen “Kleinen Zeitung” kams dann noch dreister: “Die Anti-Minarett-Initiative in der Schweiz hat gute Erfolgsaussichten”, wird der Artikel eingeleitet; übertitelt ist er mit: “Mehrheit für Anti-Minarett-Initiative”!

Quod erat demonstrandum: Mit jeder Weitergabe ändert sich die ursprüngliche Botschaft!

Claude Longchamp

Mehrheit lehnt Minarett-Initiative ab

35 Prozent dafür, 51 Prozent dagegen. Das ist das Hauptergebnis einer Repräsentativ-Befragung von Isopublic für den Tages-Anzeiger, die heute abend in der online-Ausgabe erschienen ist.

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Quelle: newsnetz.ch

Mehrheiten für die Initiative gibt es nur an der Basis der SVP. 52 Prozent sind hier dafür, 37 Prozent dagegen. Ueber dem Mittel ist die Zustimmungsbereitschaft bei den Menschen mit einer anderen Konfession resp. bei konfessionslosen BürgerInnen. Hinzu kommt eine leicht überdurchschnittliche Ja-Tendenz bei den Frauen. Doch überwiegt auch hier das Nein. Am klarsten gegen die Initiative eingestellt sind die SP-WählerInnen, gefolgt von jenen der FDP und den Männern. Bei Katholiken wie Reformierten resultieren Nein-Mehrheiten.

Der “Tages-Anzeiger” wertet das Ganze in der online-Ausgabe als “knapp”. Man kann das auch anders sehen, denn bei Initiativen ist es zwar nicht ausgeschlossen, aber wenig wahrscheinlich, dass eine Nein-Mehrheit ins Gegenteil kippt. In der Regel sind Unschlüssige zu Beginn eines Abstimmungskampfes eher spätere GegnerInnen. Ob eine Ausnahme vorliegt, wissen wir nicht mit Sicherheit. Dagegen spricht, dass das bereits die zweite Befragung von Isopublic ist, welche eine Nein-Mehrheit ausweist. Eine erste, für die reformierte Kirche, zeigte noch 37 Prozent auf der Ja-Seite und erst 49 Prozent im Nein-Lager. Trotz der leicht höheren Zustimmung titelten die Medien damals: Mehrheit dagegen.

Claude Longchamp

Volkswahl des Bundesrates: vermehrte Blockbildungen zu erwarten

“Volkswahl des Bundesrates” tönt gut. Denn so drückt sich der Volkswille bei der Bestellung der Schweizer Regierung unvermittelt aus. Denkt man jedenfalls. Doch die Erfahrung lehrt: Es kommt auf das Kleingedruckte an.

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Die angekündigte Volksinitiative zur “Volkswahl des Bundesrates” ist für die Politologen eine reizvolle Denkaufgabe. Institutionalisten sind herausgefordert, über die Wirkungen der Neuerung nachzudenken.

Das Berner Modell
Das Modell, das die SVP am Samstag für ihre Initiative zugunsten einer Volkswahl des Bundesrates gewählt hat, lehnt sich eng an das bestehende im Kanton Bern an. Gewählt wird nach dem (gemässigten) Majorzverfahren, mit einer Sitzgarantie für die Sprachminderheiten. Die Berner Erfahrungen legen nahe, dass die Wahlchancen von Parteien und KandidatInnen je nach Ausgestaltung unterschiedlich ausfallen. Im Wesentlichen kommt es auf zwei Faktoren an:

Erstens, sind vorgedruckte Wahlzettel erlaubt oder nicht? Und:
Zweitens, gehen die Parteien Allianzen ein oder nicht?

Kombiniert kann man drei Szenarien unterscheiden, deren Auswirkungen hier kurz besprochen seien:

Szenario 1: Vorgedruckte Wahlzettel, gemeinsamer Vorschlag der Regierungsparteien
Voraussetzung hierfür ist, dass sich die Regierungsparteien einig sind, wer dazu gehört und wer auf wieviele Sitze Anspruch hat. Als Masstab hierzu könnte der WählerInnen-Anteil bei der jüngsten Nationalratswahlen dienen oder die Sitzzahl unter der Bundeskuppel. Können sich die Regeirungsparteien darüber hinaus auch auf die geeignetsten KandidatInnen einigen, unterbreiten sie den WählerInnen einen gemeinsamen Siebnervorschlag. Nicht auszuschliessen ist, dass sich auch Aussenseiter bewerben, ohne aber grosse Wahlchancen zu haben. Formell kommt es damit zwar zur Volkswahl des Bundesrates, doch ist es im Wesentlichen eine Bestätigung des stillschweigend eingegangene Proporzes. Gegenüber dem Status quo ändert sich nicht viel. Wahrscheinlich ist ein solches Szenario bei parteipolitischer Polarisierung nicht.

Szenario 2: Vorgedruckte Wahlzettel, mit mindestens zwei Blöcken

Vor allem dann, wenn es keine allgemein anerkannten Regeln gibt, auf welche Parteien und in welchem Masse die sieben Sitze zu verteilen sind, ist bei einer Volkswahl mit einer beschränkten Konkurrenzsituation zu rechnen. Zu erwarten ist ein linker Block, voraussichtlich aus SP und Grünen bestehend, ein rechter, der SVP und FDP umfassen dürfte, sowie ein Zentrumsblock mit CVP und kleinen Parteien. Jeder Block stellt Ansprüche, die über den eigenen Wähleranteile hinausgehen. Gegenwärtig könnten das vier oder fünf rechte Kandidaturen sein, zwei oder drei aus der Mitte und zwei oder drei von links. Damit kommt es zum Parteien- und KandidatInnen-Wettbewerb.Dieses Szenario ist in der gegenwärtigen Situation am wahrscheinlichsten, garantiert aber keine parteipolitische Stabilität, wie die Wahlen in kantonale Regierungen zeigen. Tendenziell bevorteilt es den stärksten Block, voraussichtlich die SVP mit der FDP.

Szenario 3: Keine vorgedruckten Wahlzettel; jede(r) gegen jede(n)

Die dritte Variante leuchtet unter dem Stichwort “Volkswahl” auf den ersten Blick am meisten ein. Demnach wären, wie das im Kanton Bern 2010 erstmals auch der Fall sein wird, vorgedruckte Wahlzettel nicht erlaubt. Allianzbildung zwischen den Parteien sind dann weniger wichtig, weil sie die Aussichten der eigenen KandidatInnen schmälern. Selbst wenn man sich formell gegenseitig empfiehlt, gibt es ohne vorgedruckte Wahlzettel nämlich keine Garantie, dass man übers Kreuz auf die KandidatInnen anderer Parteien wählt. Doch hat auch dieses Szenario zwei Nachteile: Einerseits sind die Amtsinhaber begünstigt; anderseits können sich neue BewerberInnen nur mit landesweiten Wahlkampagnen durchsetzen. Die Werbeausgaben einerseits, die Medienberichterstattung anderseits bestimmen die Wahlchancen in erheblichem Masse mit. Die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios halte ich für mittel, geringer ist es, dass die sinnvollste Einschränkung, die Amtszeitlimitierung, beispielsweise auf 8 Jahre, gleichzeitig eingeführt wird.

Erste Bilanz
Kurz gesagt: Bei einer Annahme der “Volkswahl für den Bundesrat” ist damit zu rechnen, dass vorgedruckte Wahlzettel möglich sind, es zur verschärften Blockbildung innerhalb der Regierungslager kommt, der Wettbewerb unter ihnen verstärkt wird und die parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates floaten wird. Bevorteilt ist dabei der stärkste Block, und innerhalb dieses die stärkste Partei. Politische Stabilität auf der Basis der Konkordanz wird leiden. Als Varianten kommen reine Bestätigungswahlen in Frage, allenfalls auch der Durchstart zu Bundesratswahlen mit eigentlichen Wahlkämpfen à la américain. Oder noch klarer: In keinem zu erwartenden Fall wird die Parteienmacht gebrochen, allenfalls durch die Medienmacht ergänzt.

Claude Longchamp

Die Implosion der SPD

Die erste Analyse der Wählerwanderungen kommt bei der SPD zu einem eindeutigen Befund: Die Partei ist regelrecht implodiert.
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Die SPD schmerzen nicht nur die 11,3 Prozent, die sie am WählerInnen-Kuchen seit den Bundestagswahlen 2005 verloren hat. Schlimmer noch ist der Befund der Analyse zur WählerInnen-Wanderung, die eine negative Bilanz in alle Richtungen kennt. Bei der Bilanz von Zu- und Abwanderung hat die SPD ein Minus von rund 5 Millionen Wählenden aus dem Jahre 2005.

Den grössten Verlust kennt die SPD gegenüber den Nicht-WählerInnen.
An zweiter Stelle steht die Abwanderung zu anderen Linksparteien.
Als Drittes folgt der Uebergang zur neuen bürgerlichen Koalition.
Und selbst gegenüber Parteien, die kein Mandat erringen konnten, verliert die SPD Stimmen.

Keine Partei kennt ein so umfassend negatives Profil. Die CDU/CSU hat zwar ähnlich wie die SPD Mühe, bestehende WählerInnen zum Wählen zu motivieren, verliert aber nur im bürgerlichen Lager. Und die Linke ist für die Grünen beschränkt zur Konkurrenz geworden.

Das Mobilisierungsprobleme der ehemaligen Volksparteien ist eklatant. Es ist der sichtbarste Ausdruck der grossen Koalition, des Mangels an thematischer Trennschärfe und der fehlenden Wahlkampfstimmung. Bei der SPD kommen wohl auch das Fehlen einer Machtperspektive hinzu, denn ihr blieb letztlich nur die Hoffnung auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit CDU/CSU.

Die Situation der SPD erschwert eine eindeutige Korrektur. Geht die Partei nach links, muss sie mir weiteren Abgängen an die Regierungskoalition rechnen. Weicht sie dagegen nach rechts, ist mit einem verstärkten WählerInnen-Anteil insbesondere der Linken, vielleicht auch der Grünen zu rechnen.

In einer solche Situation gibt es in der Regel nur eins: Die Grundposition nicht radikal verändern, das Spitzenpersonal aber gründlich erneuern, die VerterterInnen der verschienen Strömungen besser einbinden und die parteiinterne Arbeit neu machen, bis der Magnet wieder funktioniert.

Wichtiger ist die generelle Erneuerung der Partei, denn sie ist in der bisherigen Form implodiert.

Claude Longchamp

Prognosetools im Praxistest

Die zweite Vorlesung an der Uni Zürich zur Wahlforschung bot am Freitag vor der Entscheidung Gelegenheit eine Uebersicht zu den Prognosen zu den deutschen Bundestagswahlen zu geben. Jetzt kann man sie die eher theoretischen Ueberlegungen aufgrund des Praxistests überprüfen.

Zur Sprache kamen (unter anderem) Stärken und Schwächen der drei Tools, die bei den Bundestagswahlen 2009 angewandt wurden: politökonomische Schätzgleichungen, Wählerbefragungen und Wahlbörsen.

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Weitere Ergebnisse finden sich hier aufgearbeitet.

Zwischenzeitlich kann man nicht nur eine konzeptionelle Beurteilung vornehmen, vielmehr ist es auch möglich, die Instrumente zu bewerten.

. Die Befragungen lagen grösstenteils richtig. Generell wurden die grösseren Parteien leicht überschützt, während die kleineren minimal zu schwach ausgewiesen wurden. Damit lag die Ueberzahl der Institute bei den Koalitionsaussagen richtig.
. Die Wahlbörsen überschätzten die SPD recht klar, und sie lagen auf der bürgerlichen Seite leicht zurück. Die Koalitionsaussage war bis eine Woche vor der Wahl falsch, suggerierte sie doch eine Fortsetzung der grossen Koalition.
. Die Schätzgleichung zu deutschen Wahlen, die Thomas Gschwend entwickelt hat, lag für die siegreiche Koalition von CDU/CSU und FDP richtig, wenn sie auch den Wähleranteil überschätzte.

Aus diesen Beobachtungen heraus kann man zwei Folgerungen ziehen: Umfragen, die kurz vor Schluss gemacht werden, sind das präziseste Prognosetool. Der Ausreisser von 2005 hat sich nicht wiederholt; bedingt war er durch die Unsicherheit, die durch die neu auftretende Linke entstanden war. Politökonomische Schätgleichungen haben sich etabliert, auch wenn man noch zu wenig Erfahrungen mit ihrer Robustheit hat. Schliesslich können auch Wahlbörsen eingeschränkt verwendet werden.

Es ist nicht auszuschliessen, dass sich die drei Tools gegenseitig beeinflussen: Schätzgleichungen liefern als Erstes Prognosen. Die können Umfrageergebnisse beeinflussen, namentlich die Gewichtung von Rohdaten. Schliesslich bestimmt beides Erwartungshaltungen, auch die der Börsianer.

Claude Longchamp

last minute Befragungen zu den deutschen Bundestagswahlen 2009

In Deutschland gibt es zwei Vorgehensweisen mit Umfragen in der letzte Woche vor der Wahl: Die Institute, die für ARD (dimap) und ZDF (FGW) arbeiten, verzichten auf neue Erhebungen. Derweil publizieren andere Institute wie Allensbach, Forsa und info diese Woche nochmals aufdatierte Umfrageergebnisse.

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Uebersicht über die jeweils letzten Befragungen der sieben Institute, die zu den kommenden Bundestagswahlen forschten

Die beiden Umfrageserien für die öfrentlich-rechtlichen Fernsehanstalten werden in den letzten sieben Tagen ausgesetzt, um jedem Vorwurf, in letzter Minute beeinflussend zu wirken, begegnen zu können. Publikation in dieser Zeit werden in der Regel mit der grossen Zahl unentschiedener WählerInnen begründet, die mit jedem Tag vor der Wahl abnimmt.

Die Umfragen der letzten Tage zeigen eine Angleichung der Stärken des rechten und des linken Blockes, wobei CDU/CSU und FDP in der Regel knapp vorne sind. Am klarsten ist das bei der Forschergruppe Wahlen mit 3 Punkten Unterschied der Fall. Institutsleiter Matthias Jung sprach den auch bereits von einem knappen, aber sicheren Sieg für die neue Koalition. 2 Prozentpunkte Differenz weisen die Befragungen von dimap, GMS und Allensbach auf. Forsa sieht genau einen Prozentpunkt Unterschied, während bei Emnid beide Blöcke gleich stark sind. Einzig Aussenseiter info sieht einen Vorsprung für die drei linken Parteien SPD, Grüne und Linke von 3 Prozentpunkten.

Claude Longchamp

Umfragen in Deutschland: CDU/CSU mit FDP vorne

Dank Gewinnen für die FDP werden die bürgerlichen Parteien bei den deutschen Bundestagswahlen 2009 obsiegen. Das ist der Schluss aller Umfrageinstitute in Deutschland. Unterschiede ergeben sich vor allem bei der Grösse des Vorsprungs auf eine rot-rot-grüne Koalition.

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Neun Tage vor der deutschen Bundestagswahl liegen die CDU/CSU bei 36, die SPD bei 24 und die FDP bei 13 Prozent. Es folgen die Grünen und die Linke, die es auf je 11 Prozent der Wählenden bringen. Das jedenfalls ist die Zusammenfassung von www.wahlumfrage.de, einer unabhängigen Plattform für Wahlumfragen. Ausgewertet wurden hierzu die jüngsten Publikationen der sieben Institute, welche mit der Sonntagsfrage den Stand der Wahlabsichten zur anstehenden Bundestagswahl erforschen.

Gegenüber der Bundestagswahl 2005 bedeutet dies Verluste für die SPD, Gewinne für die FDP, die Grünen und beschränkt auch für die Linke. CDU/CSU könnte sich demnach halten.

Bei CDU/CSU und FDP sind die Schwankungsbreiten der Angaben aus den verschiedenen Instituten mit zwei Prozentpunkten gering. Bei den Grünen und der Linken sind es mit drei, bei der SPD dreieinhalb Prozentpunkte etwas. Das hat vor allem mit den Gewichtungsfaktoren der Institute zu tun, die angewendet werden, um den Entscheid der Unentschiedenen vorwegzunehmen. Die Institute arbeiten dabei mit individuellen Erfahrungsregeln, die im Detail nicht bekannt sind.

Auf die Koalitionsaussagen hat das kaum einen Einfluss. Alle sieben Institute sehen nämlich die CDU/CSU im Verbund mit der FDP vorne. Einzig bei Emnid ergibt sich ein Patt mit einer rot-rot-grünen Regierung. Derweil weisen die Forschungsgruppe Wahlen und die GMS Dr. Jung GmbH ein Verhältnis von rund 53:47 aus. Bei Forsa und info ist es bei 52:48 und bei Allensbach und dimap bei 51:49. Demnach kommt nur gemäss Emnid auch eine grosse Koalition in Frage.

Das Ganze bleibt allerdings ein wenig hypothetisch. Denn in der Endabrechnung zählen nur die Stimmen der Parteien im Bundestag. Direkte Schlüsse von Umfragen auf Fraktionsstärken sind noch nicht möglich. Dafür braucht es nämlich Angaben zu Direktmandaten, WählerInnen-Anteilen und allfälligen Ueberhangmandaten. Bundeskanzlerin Merkel kündigte an, auch mit nur eine Stimme Mehrheit im Bundestage eine Koalition ihrer CDU/CSU mit der FDP eingehen zu wollen.

Claude Longchamp

Umfragen zu politischen Parteien im Vergleich

Mit nur kurzem Abstand erschienen in der Schweiz zwei Repräsentativ-Befragungen zu den aktuellen Parteistärken: Zeit einen Vergleich anzustellen und die Charakteristiken der Umfragen zu benennen!

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Vor gut einer Woche erschien das “Wahlbarometer” der SRG SSR idée suisse Medien. Heute publizierten die Sonntagszeitung und Le Matin ihren “Parteienbarometer”. Dieser basiert auf einer repräsentativen Auswahl von 1002 Wahlberechtigten, die zwischen den 27. August und 10. September 2009 von Isopublic befragt wurden. Demgegenüber interviewte das Forschungsinstitut gfs.bern zwischen dem 10. und 22. August 2035 Wahlberechtigte, um das Wahlbarometer zu erstellen.

Die Reihenfolge der Parteien ist in beiden Untersuchungen gleich. Am generellen Gefüge der politischen Parteien in der Schweiz hat sich seit 2007 nichts verändert. Die Prozentwerte der Parteien in beiden Befragungen variieren aber.

Am grössten ist die Differenz bei der SP. Bei Isopublic schneidet sie um 1.8 Prozentpunkte besser ab als bei gfs.bern. Dafür liegt die SVP bei gfs.bern um 1.5 Prozentpunkte höher als bei Isopublic. Die dritte, noch erwähnenswerte Abweichung ergibt sich bei der neuen BDP. Sie wird bei Isopublic 0.9 Prozent stärker eingestuft als bei gfs.bern.

Alle Divergenzen sind im theoretischen Stichprobenfehler. Dieser suggeriert aber eine zu grosse Unsicherheit, da die maximalen Abweichungen nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 Prozent erreicht oder überschritten werden dürfen.

In der Tat waren beide Institute bei den Nationalratswahlen 2007 genauer als der Stichprobenfehler. gfs.bern hatte eine mittlere Abweichung vom effektiven Parteiergebnis von 1 Prozent. Die Vergleichszahl lag bei Isopublic bei 1,5 Prozent pro Partei.

Eines scheint sich gleich zu bleiben: Die Parteienlandschaft von Isopublic war auch 2007 leicht “linker” als jene von gfs.bern, überschützte das Zürcher Institut für Markt- und Meinungsforschung die SP doch stärker unter blieb es bei der SVP tiefer stehen als das Berner Forschungsinstitut.

Das kann auch mit der Stichprobengrösse zu tun haben: Bei kleineren Stichprobengrössen sind Ausschläge gegenüber der Realität eher zu erwarten. Sollte es sich aber wiederholen, ist davon auszugehen, dass in der Stichprobenbildung der beiden Institute kleinere, in politischen Fragen aber relevante Unterschiede bestehen.

Claude Longchamp