(zoon politicon) Jüngst habe ich am IDHEAP in Lausanne über politische Kampagnen referiert. Und bin ich dabei auf ein wenig reflektiertes Phänomen gestossen.
Der Olympische Geist verkommt mehr und mehr zum Geldgeschäft; verkommt jetzt auch der politikwissenschaftliche Geist zu zur unreflektierten Uebernahme von Marktkategorien in die Politikanalyse?
Das Phänomen
Nicht zum ersten Mal ist mir bei diesem oder einem mit ihm verwandten Thema aufgefallen, dass es dabei im studentischen Publikum nicht nur eine offizielle, sondern auch eine inoffizielle Leseweise gibt: Letztere lautet vereinfacht: Geld bestimmt Kampagnen, und Kampagne bestimmen die Politik. Also bestimmt Geld die Politik!
Ich muss da immer gleich nachfragen: Haben nicht die Grünen bei den jüngsten Parlamentswahlen in der Schweiz klar zugelegt, mit der Klimapolitik ein neues Thema gesetzt und den Anspruch angemeldet zu haben, nach den zahlreichen Erfolgen in den Städte, Kantonen und auch im Bund Teil der Regierungsparteien zu werden? Und wares es nicht sie, die – mangels Geld – auf eine nationale Kampagne “im gekauften Raum” verzichtet haben? – Ist nicht die Annahme der Verwahrungsinitiative in der Volksabstimmung gegen den fast einhelligen Willen von Regierung und Parlament – und ohne eigentlichen Abstimmungskampf – ein deutlicher Gegenbeleg dafür, dass man auch ohne Geld politische Mehrheiten für sich gewinnen kann?
Zu den Forschungsergebnissen
Die Wahl- und Abstimmungsforschung weltweit und auch in der Schweiz hat sich des Zusammenhangs angenommen. In den USA lassen sich positive Korrelationen nachweisen zwischen dem finanziellen Mitteleinsatz einerseits, und dem Wahlerfolg andererseits. Doch da hat das System: Die Geldbeschaffung ist eine Teil der Kampagnen. Sie ist ein Teil der vorherrschenden Kultur, auch in der Politik, die sich am rationalen Marktverhalten der Anbieter und Nachfrager ausrichtet. In der Schweiz sind die Belege für die Käuflichkeit von Wahlen und Abstimmungen deutlicher geringer. Unverändert gilt das sibyllinische Bonmont des Berner Politologen Wolf Linder: “Dass Wahlen und Abstimmungen in Schweiz käuflich seien, ist bisher nicht bewiesen worden, – allerdings ist auch das Gegenteil nicht bewiesen worden.”
Zur Analyse
Ich habe eine andere These, für die hidden agenda in der Wissenschaft, wenn es um den Einfluss von Geld in der Politik geht: Die Ansätze der politischen Oekonomie, die ein rationales Verhalten von Akteure annehmen, das sich auf materielle, sprich finanzielle Interessen reduzieren lasse, sind auch in der Politikwissenschaft zu vorherrschenden Deutungsmacht aufgesteigen. Der Vorgang verläuft mittlerweile kritiklos. Dabei übersieht man die Konsequenzen, die sich aus der Uebertragung von Vorstellungen ergeben, die für das Marktverhalten, das durch Angebot und Nachfrage resp. durch Geld als Kommunikationsmittel gesteuert wird, typisch sind.
Sozialphilosophisch inspirierte Theoretiker der europäischen Gegenwart – und zwar Jürgen Habermas bis Niklas Luhmann – haben letztlich immer darauf bestanden, Politik und Wirtschaft, als Teilsysteme wie auch als Lebenswelten, in eigenen Termini zu denken und zu untersuchen. Denn sie folgen unterschiedlichen Logiken, die aus der Geschichte der Demokratie, auch auch aus der Differenzierung von Funktionen hergeleitet werden können.
Mein Wunsch
Das würde dafür sprechen, bewusster mit Analysekategorien umzugehen. Geld ist das unbestrittene Steuerungsmittel der Wirtschaft, Macht jenes der Politik. Das sollte man auch in der Politikwissenschaft noch unreflektiert aufgeben, werde in den sichtbar-offiziellen, wie auch in den versteckt-inoffiziellen Deutungen!
Claude Longchamp
analysekategorien, steuerungsmittel… ähm… was sind das für wörter? bist du auf dem weg zur luhmannschen systemtheorie? mit “sauberen” codes? die kongruenz von code und system ist aber dort auch schon bereits relativiert: http://blog.rebell.tv/p6379.html
dirk baecker sagt mir mal in die kamera: der systemsoziologe sieht, dass alle systeme einen hang zur selbstüberschätzung haben… (vergl. dazu http://magazin.rebell.tv seite 17) was wäre, wenn nun aber geld so bedeutungsvoll geworden wäre, dass andere funktionssysteme mit ihren codes sich unterworfen hätten? sagen wir: das erziehungssystem, welches traditionell eher nachvollziehend, denn innovativ ist… die kunst, welche zu allen zeiten abhängig war von “engel-investoren”… etc.
will sagen: ich will mich auf die seiten deines studentischen publikums schlagen!
du selbst kommst mit dem nachfragen beispiel “verwahrungsinitiative”: ein fürchterliches beispiel! verstösst gegen alle ethische prinzipien und internationalen konventionen… das könnte anzeigen: wenn etwas noch gegen geld ankommt, dann muss es von urchigst getriebener, völlig entfesselter angst sein! ein geniales beispiel, den dramatischsten verdacht “geld als mittel zur macht” (und nicht mehr zu freiheit?) zu belegen…
dirk baecker hat ein tolles buch zusammengestellt: “kapitalismus als religion.” am ende der untersuchungen kommentiert er mir in die kamera: “es gibt viele gründe, dass der kapitalismus eine religion ist. und viele dagegen.” (http://tv.rebell.tv/p385.html) meine schlussfolgerung daraus aber wäre: wenn wir anlass für zuversicht haben wollen, sollten wir den schlimmsten, den traurigsten, den bedenklichsten fall als gegeben annehmen. (zuerst einfach einmal als eine rhetorische formel!) und wenn wir danach noch rationale hinweise für zuversicht finden: wunderbar (frei nach bazon brock)!
[…] Fällen sind Dir nicht > > bekannt, mit den entstehenden Folgekosten durch Wartungsaufwände bist > > Du auch nicht vertraut. > > Danke! > Bitte. Ich hab da eine Studie von IDC nach dem Linux im […]