Rotationsprinzip zwischen FDP und CVP: ein Vorschlag mit Stärken … und Schwächen!

Im heutigen Tages-Anzeiger schlägt Urs Altermatt vor, angesichts vergleichbarer Stärken von FDP und CVP einen Bundesratssitz zwischen beiden Parteien zu rotieren. Hier eine kritische Diskussion, die auch Schwächen der Argumentation aufzeigt.

SCHWEIZ BUNDESRAT REISE
Mit etwas Wehmut schaut der Tagi auf die Zeiten zurück, als es mit dem Bundesrat scheinbar besser ging.

Urs Altermatts Stimme ist nicht ohne. Der angesehene Freiburger Zeitgeschichtler, seit Kurzem emeritiert, ist der Bundesratshistoriker par excellence. Sein Bundesratslexikon ist seine wissenschaftliche Basis; seine Interventionen in Wahlgänge hat seine Reputation auch über Fachkreise hinaus gestärkt. Beseelt waren sie immer vom Wunsch, stabile Verhältnisse zu garantieren, auch wenn dabei nicht zu übersehen ist, das CVP-nähe Begründungen besondere Gewicht erhielten.

Nun nimmt Altermatt im Tagesanzeiger zur anstehenden Ersatzwahl von Hans-Rudolf Merz eine Idee auf, mit der ich insbesondere 2007 auch schon sympathisiert habe, sie zwischenzeitlich aber nicht mehr propagiere. Sie lautet: Angesichts vergleichbarer Stärken können weder FDP noch CVP davon ausgehen, auf eine gewisse Dauer selber einen Bundesrat mehr als die andere zu beanspruchen, was für die Rotation eines FDP/CVP-Sitzes bei Rücktritten aus diesen Reihen spricht.

Pellis Avance

Anlass, den Vorschlag wieder aufzunehmen, ist die interessante Aussage von FDP-Präsident Fulvio Pelli. Demnach müsse jeder und jede aus der FDP mit ambitionen wissen, dass letztlich erst die anstehenden Parlamentswahlen 2011 über den Verbleib in der Regierung entscheiden. Sollten sie zwischen FDP und CVP einen Positionstausch bringen, habe die FDP keinen Anspruch mehr auf zwei Sitze und sei ein Rücktritt fällig.

Altermatts Folgerungen

Altermatt irrtiert das. Mit der Abwahl von Ruth Metzler habe man 2003 einen ersen Tabubruch begangen, indem die parteipolitische Stabilität des Bundesrates aufgegeben worden sei. Jetzt drohe ein zweiter, wenn auch die personelle Konstanz aufbreche. Beides sei dem Konkordanzsystem abträglich, das mit der Berechenbarkeit der Regierungszusammensetzung seinen wichtigsten Trumpf verspielen würde.

Sinnvoller sei es, wenn die FDP nun in einem geregelten zugunsten der Zentrumsfraktion verzichte, dafür aber, in einem ebenso ordentlichen Verfahren die Nachfolge aus deren Reihen wieder stellen könne. Im Rahmen der Regierungsreform könne das Parlament die Zahl der Regierungssitze auf 9 erhöhen, um die Ansprüche der SVP und der Grünen zu bedienen. Ueber den Verbleib von Eveline Widmer-Schlumpf resp. ihrer BDP in der Regierung könne man dann 2011 streiten. Sie könnte auch der FDP beitreten.

Drei Schwächen der Argumentation Altermatts

Die erste Schwäche ist, dass der Zeithistoriker fallweise mit den Parteistärken argumentiert. Wenn man Machtfragen mit Anteilen entscheiden will, hat das seine Logik. Doch muss sie konsequent eingehalten werden. Denn dann ist der Sitz der BDP unter keinen Umständen zu rechtfertigen, genauso wenig wie die Zurückstufung der SVP. Bei einer rein arithmetisch begründeten Konkordanz müsste der neue Bundesrat je zwei Vertreter der SVP und SP haben, je einen von FDP und CVP, und der siebte Sitze könnte rotiert werden. Nichts spricht dafür, bei einem parteipolitischen Wechsel die FDP zu schwächen, die BDP zu schonen und die SVP zu übergehen.

Dass man hier nicht mit Messers Schneide vorgeht, hängt von der zweiten Schwäche rein rechnerischer Verteilregeln ab. Denn es ist nicht eindeutig, auf welches Kriterium abgestellt werden soll. Die FDP argumentiert mit der Parteistärke bei Nationalratswahlen. Das hat den Vorteil, ein nicht manipulierbares Kriterium zu sein, verbunden mit dem Nachteil, der föderalistischen Struktur des schweizerischen Politsystems nicht Rechnung zu tragen. Genau umgekehrt ist es, wenn man, wie in CVP-Kreise üblich, auf Fraktionen abstellt. Das berücksichtigt zwar die Ergebnisse in beiden Parlamentskammer. Er kann aber die elektorale Stärke von Parteien, die sich zu Fraktionen zusammenfinden, beeinflusst werden. Für dieses Kriterium spricht letztlich nur, dass wir keine Volkswahl, sondern eine Parlamentswahl des Bundesrates haben; dagegen muss man aber einwenden, das Fraktionsstärken über Parteigrenzen hinweg rasch zerfallen können und damit der gewünschten Stabilitätsausrichtung nicht wirklich dienen.

Es bleibt auch ein dritter kritischer Diskussionspunkt. Ein Rotationssystem mit einer mittleren Verweildauer von Bundesräten, die bei rund 10 Jahren liegt, ist nur bei einer längerfristigen Stabilität in den Parteistärken sinnvoll. Wer aber garantiert, dass FDP und CVP in den nächsten 10, 20 oder 30 Jahren stets Wahlergebnisse einfahren, die im 2 Prozent-Bereich gleich sind? Niemand! Ohne diese Garantie ist eine scheinbar gute Lösung für den ersten, der davon profitiert, von Vorteil, ohne dass der zweite eine Garantie hat. Deshalb sollte Altermatt besser gleich von einem Sitztausch weg von der FDP hin zu CVP sprechen.

Das ist, unabhängig von der betroffenen Partei, aus meiner Sicht die grösste Schwierigkeit mit dem Ansatz, und es ist das Argument, das auch mich, nach anfänglicher liason mit der Idee, hat Abstand nehmen lassen.

Claude Longchamp