Sicher braucht es Mut, mitten in der jüngsten Finanzkrise ein optimistisches Buch über die Geschichte des Geldes zu schreiben. Denn da kann man sowohl bei HistorikerInnen oder OekonomInnen, als auch im Publikum leicht durchfallen.
Niall Ferguson wäre nicht Niall Ferguson, würde er sich der grossen Aufgabe nicht stellen. Denn der britische Historiker mit Jahrgang 1964, der meist in den USA an Elite-Universitäten forscht und lehrt, ist dafür bekannt geworden, Geschichte medien- und damit auch publikumsgerecht zu präsentieren – und zwar nicht nur als origineller Fachmann, sondern auch als genialer Kommunikator. Das sichert ihm, was auch immer er in Angriff nimmt, Zustimmung, wie die der Times, die ihn schon mal zum „brilliantesten Historiker seiner Generation“ erklärt hat.
Im Buch zum „Aufstieg des Geldes“ als eigentlicher Währung der Geschichte beginnt Ferguson zwar im Altertum, genauer gesagt bei den Geldverleihern in Mesopotamien, spannt er den Bogen aber auch bis in die Gegenwart, das heisst die Tage des Jahres 2007, als die ersten Anzeichen der Finanzmarktkrise in den USA sichtbar wurden.
Denn es geht dem Tausendsassa der Wirtschaftsgeschichte in dieser Uebersicht nicht wirklich um die Geschichte der Medici i Florenz, nicht um die Aktiengesellschaft der niederländischen Ostindienkompanie und auch nicht Staatsanleihen aus dem Rothschild-Imperium nach dem Ende der napoleonischen Kriege. Er will auch nicht einfach erzählen, wie vielerorts Versicherungen entstanden, die kollektive und private Vorsorge anbieten, oder politische Programme lanciert wurden, die Privathaushalte animieren, sich auf Immobilienbesitz zu spezialisieren.
Denn im Kern des Buches geht es Ferguson um eine Abstammungslehre des Geldes. Das tönt ein wenig darwinistisch – und es ist es bisweilen auch. Denn es hat mit Fergusons Auffassung von Geschichte zu tun.
Aehnlich wie Herbert Spencer sieht Ferguson die Entwicklung der Gesellschaft als Evolution vom Einfachen zum Höheren. Anders als beim britischen Soziologen ist bei ihm das was sich durchsetzt, nicht einfach gut, aber besser. Deshalb ist die jeweilige Gegenwart immer die beste als bisherigen.
Ferguson verfällt nicht in die Falle früherer Fortschrittsoptimisten, von einer linearen Entwicklung der Menschheit, der Gesellschaften und der Wirtschaften zu sprechen. Vielmehr braucht er mit Bezug auf das Geld die eingängige Formel, dass die Finanzgeschichte Zickzack-förmig verlaufe, die Geldentwicklung sich dabei aber wie ein Sägeblatt immer tiefer ins Holz fresse.
Die Verbesserungen des Geldes als Münze, als Papiergeld, als Guthaben entstehen dabei anders als in der Natur nicht durch äussere Schockwellen, welche die Umwelt veränderten und Anpassungen der Organismen verlangten. Vielmehr leiten sie sich aus den Schwächen der bisherigen Finanzorganisationen ab, die in Schüben schöpferischer Zerstörung durch leistungsfähigere ersetzt werden müssen. Was sich dabei in Konkurrenz behaupte, diversifiziere die Angebote und verbreite sich aufgrund einer eigenen Auslese nach Massgabe der Nützlichkeit.
Geld, schliesst der Historiker seine Einsichten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sei immer nur ein Spiegel, der dem Menschen stets und überall zeige, was man wertschätze. Dass dabei Schönheit und Makel zum Ausdruck komme, liege nicht am Geld, eher am Menschen, der unfähig sei, vorauszusehen und sich vernünftig zu verhalten.
Die Lektüre des Buches ist zu allererst ein Genuss. Denn es schreibt ein Autor, der selber belesen ist, es erzälht ein Historiker, der das Vertrauen der Banker geniesst und deren Welt auch aus den privatesten Archiven kennt, und es spricht in Wort und Bild ein Kommunikator, dessen Bücher längst kein Selbstzweck mehr sind, sondern eher Nachschlagemöglichkeiten für TV-ZuschauerInnen oder KonsumentInnen von Video-Botschaften aus dem „Hause Ferguson“.
Doch dann überfällt einem nach 300 Seiten Gelesenem doch die Frage, ob man nicht nur faktenreich durch die Geldgeschichte geführt, sondern auch geschickt abgelenkt worden ist.
Gerade die Metapher der Evolution des Geldes in Analogie der Evolution der Natur verleitet nämlich zur Vorstellung, dass Alles nur natürliche Auslese sei, vor allem aber keine Interessen den Umgang mit Geld antreibe. Gerne hätte man deshalb auch gelesen, wie gerade auch ausserhalb der Geldinstitute ein Diskurs um das Wesen und die Wirkungen von Banken, Versicherungen, Obligationen, Aktien, Optionen, Derivaten entstand, der durchwegs kritischer ausfällt, als wenn man im Cockpit eines Bulldozers sitzt, der sich durch die Umgebung pflügt, im Einzelnen von schöpferischen Zerstörungen spricht, die für die allgemeine Entwicklung nötig sei.
Oder eben: das Buch ist geschliffen wie ein Brilliant, der leuchtet, ohne dass die Botschaft wirklich einzuleuchtet!
Niall Ferguson: Der Aufstieg des Geldes. Die Währung der Geschichte, 2009 (englisches Original 2008)
Ich finde der Einwand sollte viel weiter gehen. Offenbar uninteressiert ist der Autor an der Macht der Banken. Diese ist über Kreditvergaben nicht nur in der Wirtschaft insbesondere im KMU-Bereich grooss. Sie übertrifft auch in der Politik alle Befürchtungen. Denn der Staat kann wegen seinen Verbindungen mit den Banken kaum etwas tun was die Banken nicht wollen. Sie sind damit nicht nur ein (privater) Teil des Staates sondern auch eine wenig kontrollierte Herrschaft aus die jeder Demokratie spottet.
danke für den hinweis!
in der tat, ferguson interessiert sich vor allem für die entwicklung des geldes, und für die leistungen, die dabei erbracht werden.
darüber hinaus ist der historiker nicht besonders interessiert. ich weiss jedoch nicht, ob man ihm hierfür einen vorwurf machen kann, schliesslich schrieb er kein soziologisches buch.
mich störte an der analogie zur evolution, dass sie scheinbar eigengesetzlich abläuft. das mag in der natur so sein, in der gesellschaft zweifle ich aber. warum? menschen, wohl auch gruppen, vielleicht auch gesellschaften entwickeln einen willen, nach dem sie handeln, vor allem wenn sie expandieren.
genau das unterschätzt das buch.
abgesehen davon, dass ich mit emile durkheim davon ausgehe, dass es richtig ist, soziales mit sozialem zu erklären, nicht mit dem rückgriff auf die natur!
Eine interessante Konkretisierung der Debatte, die auch hier aufscheint, findet sich gegenwärtig in den Spalten der Financial Times, wie das newsnetz heute berichtet.
Dabei geht um den gegenwärtigen Oekonomenstreit, der über die richtige Wirtschaftspolitik “nach der Krise” entbrannt ist.
Dabei stehen sich die wirtschaftstheoretischen Schulen der Keynesianer (Anhänger des britischen Oekonomen John M. Keynes, der in den 30er Jahren die nachfrageseitige Wirtschaftssteuerung durch den Staat begründete) und die Monetaristen (Anhänger des Amerikaner Milton Friedman, die die angebotsseitige Wirtschaftssteuerung durch die Geldpolitik der Notenbanken etablierte) gegenüber.
Bis in die 70er Jahre dominierten die Keynesianer klar, während insbesondere während den Regierungen Thatcher und Reagan in der angelsächsischen Welt ein eigentlicher Paradigmenwechsel zugunsten der Monetaristen stattfand. Deren Dominanz ist mit der jüngsten Finanazmarktkrise und ihren Auswirkungen auf die Weltwirtschaft in Frage gestellt worden.
Dabei geht es um die Frage, ob sich ein Gleichgewicht der Märkte von alleine einstellt, oder von staatlicher Seite befördert werden muss.
Die Praxis der letzten 2 Jahren hat klar gezeigt, dass die Politik nicht mehr an das automatischen Gleichgewicht glaubt und mit Ankurbelungsprogramm notleidende Branchen stützt, um Verstärkungen der Krise, inbesondere aber auch das starke Anwachsen der Arbeitslosigkeit zu verhindern.
Der Kern der gegenwärtigen Debatte in der FT fasst Markus Diem Meier vom newsnetz wie folgt zusammen:
“Die Analyse der Keynesianer fusst vor allem auf der Ansicht, dass die Wirtschaft in den USA und in Europa in einer so genannten «Liquiditätsfalle» stecke (siehe Artikel zum Thema, «In der Falle»). In dieser Situation bleibt die Geldpolitik der Notenbanken wirkungslos. Die Leitzinsen sind bereits nahe bei Null, die Inflation sinkt, und es droht eine Deflation. Unternehmen wie Konsumenten lassen dann das Geld lieber auf der hohen Kante liegen, statt es auszugeben. In dieser Lage können nur staatliche Investitionen die Nachfragelücke wieder schliessen, die durch die Zurückhaltung von Konsumenten und Unternehmen entsteht, nur so lässt sich die Arbeitslosigkeit abbauen.
Wenn die Regierungen jetzt zu früh mit Sparen beginnen, würde sich die Schuld kaum abbauen lassen, da auch die Wirtschaft wieder in die Rezession zurückfiele. Erst wenn der Wirtschaftsmotor wieder normal brumme, sei Sparen angesagt. Das stärkste Argument der Keynesianer ist das Zinsniveau. Dass auch die langfristigen Zinsen in den grossen Wirtschaftsräumen tief bleiben, ist für sie Beleg genug, dass sich die Märkte nicht vor einem drohenden Staatsbankrott oder einer aus dem Ruder laufenden Inflation fürchten.
Die Gegner der Keynesianer lassen das nicht gelten. Sie unterstellen in ihren Modellen sowohl Konsumenten, wie auch Unternehmen, dass sie schon jetzt Geld auf die Seite legen, weil sie die höheren Staatsschulden später mit Steuern berappen müssen. Daher bezweifeln sie, dass staatliche Investitionen die Gesamtnachfrage deutlich erhöhen. Generell würden Stimulierungsmassnahmen wegen der damit verbundenen Schuldenlast das labile Vertrauen in die Wirtschaftspolitik weiter unterminieren. Das Problem dieser Argumentationsweise sind die Langfristzinsen, die bei solchen Unsicherheiten hoch sein müssten.”
Die Fakten sprechen momentan eher für die Diagnose, welche Keynesianer wie Krugman und Stiglitz liefern, weniger für die, wie sie auch der Harvard-Wirtschaftshistoriker Ferguson vertritt.