Was die Wissenschaft in der Praxis aus dem Angriff auf die Klimaforschung lernen sollte

Die Liste der beklagten Fehlleistungen der Klimaforscher und ihrer Vermittler war lang. In Anspielung an den Watergate-Skandal erfand man schon mal den Begriff des “Climategate”. Jetzt liegen erste Untersuchungen über die Forschung und ihre Kommunikation vor, die eher Schwachstellen der heutigen Wissenschaftspraxis erkennen lassen als solche der Forschung.

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klimaforschung der university of east anglia: beklaut, angeklagt und rehabilitiert

Alles begann mit eine Diebstahl: Kurz vor der Klimakonferenz in Kopenhagen tauchten e-mails auf, die aus der Datenbank der University of East Anglia entwendet worden waren. Sie nährten in medialer Windeseile die Vorstellung, die Klimaforscher hätten überzeichnet, ja bewusste Manipulation betrieben. Dies verunsicherte die Verhandlungen der Klimakonferenz in Kopenhagen. Nur kurz darauf musste der UN-Klimarat zugeben, dass sich Fehlangaben zum Rückgang der Gletscher und zu den Folgen der Meeresspiegelerhöhung für die Niederlande in die Berichterstattung eingeschlichen hatten. Das untergrub die Glaubwürdigkeit wissenschaftlich hergestellter Befunde zu Themen, welche politische relevant, sinnlich nicht erfahrbar sind, selbst in namhaften Zeitungen.

Zwischenzeitlich liegen drei Gutachten zur Klimaforschung und ihrer öffentlichen Vermittlung vor. Beteiligt waren das britische Unterhaus, die Royal Society und die East Anglia University selber. Die Forschung selber nehmen sie weitgehend in Schutz. Die Kommunikation ist indessen ein Problem, vor allem dann, wenn sich nicht nur Forschungsergebnisse, sondern auch Berichte von Interessengruppen, die nicht weiter geprüft werden, in die Resultatekommunikation einfliessen. Medial in Fahrt gekommene Kritik entwickelt sich eigengesetzlich, und sie treibt weit herum eigentümliche Blüten.

Empfohlen wird den KlimaforscherInnen, sich offener gegenüber Anfragen zu verhalten und ihre eigenen Resultate offensiver zu kommunizieren. Der Weltklimarat seinerseits muss Qualitätskriterien entwickeln, die klar machen, welche Forschungsberichte berücksichtig werden dürfen und welche nicht. Und an die Adresse der Medien ist gerichtet, dass sie die Unsicherheiten der Forschung ebenso vermitteln müssten wie deren Sicherheiten.

Von aussen betrachtet wird man sagen können: Die Wissenschaft, die sich an die politische Oeffentlichkeit richtet, kann nicht damit rechnen, als reine Expertenstimme wahrgenommen zu werden. Sie muss deshalb neue Wege gehen, ihre eigenen Resultate verständlich und direkt an die Politik heranzutragen. Die Politik ist ihrerseits gehalten, Wissenschaft als eine höchst relevante Stimme zu verstehen, die möglichst unvermittelt in Entscheidungen einfluessen soll. Denn in den Vermittlungsprozess mischen sich zwischenzeitlich Medien, Lobbygruppen, MeinungsmacherInnen und Internetschwärme, welche jede Sache, die wichtig ist, nach ihren Interessen oszillieren lassen, um so auf die Entscheidungfindungen Einfluss zu nehmen.

Eigentlich sollte man angesichts der täglich vermittelten wissenschaftlichen Berichte viel mehr über solche Zusammenhänge wissen und lehren, um Fälle wie die Kritik an der Klimaforschung inskünftig verhindern zu können. Denn das Risiko von Reputationsschäden bleibt unabhängig von Rehabilitationen.