Der Herbst der jetzigen Bundesratswahlen (Bundesratswahlen 2008/12)

Einen Tag vor der spannenden, aber auch unklaren Ersatzwahl für Bundesrat Samuel Schmid meldet sich der neue Zürcher Staatsrechtler Andreas Auer zu Wort. Im Tages-Anzeiger von heute kritisiert er das Regierungssystem, das unverändert die Züge von 1848 trage und nicht mehr zur heutigen Zeit passe. Er spricht sich für die Volkswahl der Regierung aus.

Andreas Auer, seit 2008 Professor für Staatsrecht an der Uni Zürich
Andreas Auer, seit 2008 Professor für Staatsrecht an der Uni Zürich

Die Wirren um die Nachfolge von Samuel Schmid gefallen dem Staatsrechtler nicht. Zwar nennt er die Uneinigkeit der Parteien nur vorsichtig als Grund, und auch die Medialisierung der Nomination wird eher zurückhaltend erwähnt. Doch sieht Auer in der Oeffnung der Bundesratswahlen über den Raum des Bundesversammlung hinaus ein Ungleichgewicht aufkommen: Das Volk, in der direkten Demokratie gewöhnt, alles zu entscheiden, wird in der zentralen Personenfrage auf Zuschauen zurückgebunden.

Andreas Auer spricht sich klar für die Volkswahl eines institutionell erneuerten Bundesrates aus. Hier seine zentralen Forderungen:

. Die Bundesregierung setzt sich inskünftig auf BundesrätInnen und MinisterInnen zusammen.
. Die Bundesräte werden vom Volk gewählt. Sie müssen die Landesteile repräsentieren nicht die Kantone. Der Bundesrat leitet die Geschäfte politisch.
. Das Parlament bestimmt die Minister, welche die Departemente führen.
. Die Zahl der Departement wird erhöht, um einen Grössenausgleich zu schaffen.
. Die Amtszeit wird generell beschränkt.

Auer stellt sich die Frage, warum die Volkswahl von Regierungen in den Kantonen klappen, beim Bund aber versagen sollen. Die Berechenbarkeit von Bundesratswahlen – bisher das wichtigste Argument für den Status Quo – entfalle nämlich zusehends. Und in den Kantonen werde mit ausgleichendem Wahlrecht und Wahlabsprachen unter den Parteien sehr wohl Rücksicht auf eine ausgewogenen partei- und regionalpolitische Zusammensetzung genommen.

Der Staatsrechtler attestiert, die voraussichtlichen Wahlkampfausgaben seien die Schwäche des Vorschlags. Sie müssten geregelt werden. Die Schwäche des heutige Systems sei, dass man, um der Ohnmacht der BürgerInnen Ausdruck zu verleihen, der Wahl der Regierung in Medien immer deutlicher mit obskuren Machenschaften in Verbindung bringe.

Das sei der Demokratie nicht würdig.

Claude Longchamp