SVP am Scheideweg

Meine Prognose zur SVP war schon immer: Solange die SVP Wahlerfolge feiert, wird sie damit alle Probleme im Innern übertünchen können. Nun hat sie vor einer Woche erstmals richtig eine Wahl verloren – und die Probleme werden sichtbar. Eine Zwischenbilanz zur Lage der SVP.

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Informelle SV-Parteispitze, die ohne die Romands zu konsultieren, Vorgaben macht, die dann in den Gremien beschlossen werden.

Wer glaubt, die SVP serble nun automatisch vor sich hin, der oder die sei daran erinnert, dass der SVP seit 12 Jahren vorausgesagt wird, den Zenit überschritten zu haben. Doch jedesmal schaffte sie es, alle enttäuschten Anhänger, eilfertige Kommentatoren und und einäugige KritierInnen mit neuen Erfolgen zu überraschen.

Der Aufstieg der SVP zwischen 1995 und 2007 ist für das schweizerische Parteiensystem einmalig. Er ist unweigerlich mit Christoph Blocher als grossem Kommunikator verbunden, und er fällt in eine Zeit des antizipierten Wertewandels, ausgelöst durch Veränderungen im ökonomischen und politischen Umfeld. Dieses hat sich seit letzter Woche nicht verändert. Damit ist auch klar, dass das Potenzial für den Nationalkonservativismus in der Schweiz über Nacht nicht geringer geworden ist.

Die erste richtige Wahlniederlage nach dem epochalen Aufstieg der SVP im Kanton Fraubünden vor einer Woche kam mitten in die Diskussion rund um den Staatsvertrag zwischen der Schweiz und den USA. Das bisher gewohnte Krisenmanagement in dem Medien versagte. Deshalb geschah, was sich schon bei der Personenfreizügigkeit abgezeichnet hatte: Der monolithische Parteiblock beginnt zu wanken. Seither oszilliert die Parteispitze: “Zustimmung, um eine neue Unternehmenssteuer zu verhindern”, war der erste Schwenker weg von den rechtstaatlichen Bedenken. “Jein, weil das verlangte Ja nur mit einem Referendum in Frage komme”, lautete der zweite. Und schliesslich empfahlen Fraktions- und Parteispitze Stimmenthaltung, um die Vorlage im Parlament passieren zu lassen, worauf die SVP-Ständeräte ermöglichten, dass das Geschäft ohne Volksentscheid von der Traktandenliste gestrichen wird.

Wenn es zum Clinch zwischen Wirtschaftsinteressen und grundsätzlichen Positionen unserer Partei zur Schweizer Souveränität kommt, entscheidet sich Blocher immer zugunsten der Wirtschaft. So war es ja auch bei der Personenfreizügigkeit.
NR Oskar Freysinger

Jetzt mehren sich die Zeichen, dass die SVP nicht anders als alle anderen Parteien ihre Probleme hat. Erwischt hat es die Partei an ihrer vielleicht schwächsten Stelle: dem Verhältnis von deutsch- und französischsprachiger Schweiz. Letztere kennt das Gefühl zu verlieren seit den jüngsten Genfer Wahlen, bei denen sie vom MCG auf der rechten Seite überholt wurde. Seither droht ihr Präsident mit einer Ausweitung seine rechtsradikalen Bürgerbewegung in andere Kantone der Romandie. Für die deutschsprachige SVP ist das neu. Schwierigkeiten ergeben sich aber auch, weil in der informellen Parteispitze mit Blocher, Brunner und Bader kein Romands ist. Der Pfeil, den Yvan Perrin am Wochenende abschoss, zielte Richtung “Herrliberg” – und meinte Christoph Blochers Rolle als taktgebender Uebervater der Partei.

Die nächsten Parlamentswahlen 2011 sind die grosse Herausforderung für alle Parteien. Gewinnt die SVP auch diese Wahl, scheint vieles möglich: minimal, dass sie sie wieder zwei Sitze im Bundesrat beanspruchen und dies auch durchsetzen kann; maximal, dass es mit der Drohung der Volkswahl des Bundesrates zu einer Grundsatz-Debatte über Konkordanz und Bundesrat kommt, bei der die SP die Zeche bezahlt.

Verliert die SVP die Wahl jedoch, dürfte der Zwist zur Rolle von alt Bundesrat Christoph Blocher im eigenen Parteigefüge richtig losbrechen. Denn der Aufstieg der Partei, zahllose ihrer Erfolge in der Sache, aber auch die Kultur, die mit der jetzigen Parteispitze gelebt wird, sind zweifelsfrei das Produkt der Umwälzung, die mit CB. in Verbindung gebracht wird. Auslöser dürfte sein, dass der Parteispitze Machfragen wichtiger erscheinen als prinzipielle, also genau das, was man den bürgerlichen Verbündeten von gestern regelmässig vorwarf.

Diese Weichenstellung haben zwischenzeitlich auch die Zentrumsparteien verstanden. Und sie unterlassen nichts mehr, um die Prinzen-Rolle der Konkurrenz als bürgerlicher Herausforderer zu schmälern: Angefangen bei der Schattmattsetzung Ueli Maurers mit den Ueberarbeitungen des Sicherheitsberichts, bis hin zum Blockbildung, um die bürgerliche Mitte als Gegenstück zu den treibenden Polen zu stärken.

Das alles geschieht mit dem Ziel, der SVP die Lufthoheit über Wählerpotenzial 2011 streitig zu machen. Doch wie gesagt: mit alles anderem als sicherem Ausgang!