Auf scatterplot, einem blog aus der welt der amerikanischen universitäten, habe ich eine interessante Typologie gefunden, was WissenschafterInnen (nicht) sein sollten. Vier Rollen werden unterschieden, die mich angeregt haben, mich in meinem Umfeld umzusehen. Eine kleine Charakteristik an Wissenschaftertypen – mit einem grossen Augenzwinkern!
Was nur sollen angehende WissenschafterInnen werden?
Intellektuelle
Intellektuelle verstehen es, redend oder schreibend zu intervenieren. Sie rufen dazwischen und beeinflussen so den Gang der Dinge. Ohne Medien würde sie gar nicht gehen. Denn diese bieten Intellektuellen erst den Raum, den sie brauchen, um sich zu entfalten. Intellektuelle erkennt man daran, dass sie sich für ein Projekt einsetzen, eine Idee verfolgen und ein klares Wertemuster haben, und das mit Verve. Deshalb wissen sie auch, wie die Zukunft aussieht – jedenfalls aussehen sollte. Hierfür setzten sie sich unablässig ein. Details interessieren Intellektuelle nicht, vielmehr wollen sie das Ganze verständlich machen oder mit ihrer Kritik das Falsche in der Entwicklung diskreditieren. Intellektuelle haben gelernt zu stören, ohne dass sie das selber wirklichen stören würde. Allerdings, gerade unter den WissenschafterInnen, werden Intellektuelle immer seltener.
ExpertInnen
Kein Experte, keine Expertin ohne Fakten. Wer es mit Fachleuten zu tun hat, begegnet keinen Gesinnungsmenschen. Dafür gelegentlich Datenhubern. Denn ExpertInnen sind von einem überzeugt: Daten sind die neutralste Form der Beschreibung von Realität. Diese hat es den ExpertInnen angetan, sie können es nicht lassen, sie immer wieder zu analysieren. Experten sind Informationsverarbeiter mit klar umgrenztem Sachgebiet. Die besten Fachleute arbeiten am klarsten nach den Regeln der Vernunft. Das verspricht Vorteile – für wen auch immer. Den Managern, den Politikerinnen und den ChefredaktorInnen stellen sie ihr Wissen zur Verfügung. Vertrauen in ihre Arbeit und anerkannte Kompetenz begründen ihre Glaubwürdigkeit – und die ist ihr Kapital, gerade wenn die Logik und die Statistik in der Vermittlung nicht mehr weiterreicht. ExpertIn zu sein, ist heute der verbreiteste Wunsch unter WissenschafterInnen.
Gelehrte
Welches Phänomen auch immer ein Gelehrter (oder eine Gelehrte) aufgreift, ihm oder ihr eröffnet sich damit unverzüglich das ganze Universum unserer Kultur. Gelehrt zu sein heisst, weise zu sein. Dafür braucht es Geduld, die sich meist erst im Alter einstellt. Denn frühestens dann ist man mit der ganzen Geistesgeschichte der Menschen vertraut, bei den antiken Philosophen wirklich zuhause, und hat man die Werke der Kirchenväter ausgiebig studiert. Gelehrte dürfen aber nicht nur in der europäischen Vergangenheit heimisch sein, sie müssen auch eine Hauch der östlichen, ja fernöstlichen Lehren in sich aufgenommen haben. Gelehrte sind immer auch ein bisschen ein Guru. Das Publikum ist ihnen nicht egal, am besten ist es aber nicht zu zahlreich, denn das erlaubt es, sich austauschen und vertiefen zu können. Denn wer Gelehrte wissen: Wer das Glück hat, ihne zu begegnen, will danach inspiriert sein.
AkademikerInnen
AkademikerInnen schliesslich haben vor allem einen Lebenslauf, der ihre bisherige Karriere dokumentiert. Für Akademiker ist es wichtig, viel geschrieben zu haben. Publizieren nennen sie das, ohne dass sie sich wirklich für Publizistik interessieren würden. Denn entscheidend sind nicht die LeserInnen, sondern ist die Bibliographie. Möglichst lang soll sie sein und aufzeigen, wie gut man vernetzt ist. Entsprechend zitiert man auch. Oder auch nicht. Denn AkadmikerInnen wissen eines: Andere AkademikerInnen entscheiden über den weiteren Verlauf ihres Erfolges. Deshalb eifern AkademikerInnen akademischen Vorbildern nach. Und beobachten genauestens, was andere AkadmikerInnen mit vergleichbarem Ruf machen, könnten sie doch dereinst KonkurrentInnen sein, wenn es um eine gute Stelle geht, um Gelder für Forschungen, um Ehrungen, die man so gerne dem eigenen Lebenslauf noch beifügen möchte.
Und nun?
Was nun braucht die Wissenschaft? Nichts davon, von allem etwas oder einen ganzen bestimmten Typen. Sachdienliche Hinweise sind erwünscht.
Experten, Fachleute …. schön ist es jedenfalls, wenn diese auch mal was geleistet haben.
“Nur” ein Studium hinter sich bringen, heisst noch langen nicht, Zusammenhänge erkennen zu können und etwas positives umzusetzen.
Da bin ich gleicher Meinung, und gerade deshalb habe ich den Artikel geschrieben. Denn es geht mir nicht darum, dass beispielsweise gegenwärtig 3000 junge Menschen in der Schweiz Politikwissenschaften studieren. Sondern um die Frage, was für Vorbilder sie haben (sollten), damit sie mit ihrem Wissen eine für die Gesellschaft interessante Rolle übernehmen können.
Unterschätzen würde das, was dabei passiert, indessen nicht. Man kann nämlich auch die Gegenthese vertreten: Gerade weil sich die Schweizer Politik so hart an das Milizsystem klammert, geht die Entwicklung der Professionalisierung von Politik eklatant an ihr vorbei. In den Bereichen der Wissenschaft ist das selbstredend der Fall, doch hat das massive Ausstrahlungen auf die Verwaltung von Regierung und Parlament, die politische Kommunikation, die Stäbe der Parteien, die Exekutiven in Städten und Kantonen, die PA-Verantwortlichen in den Unternehmen, etc. etc.