Die Regierungsreform tut not!

Die Vorbereitung auf die gestrige Arena-Sendung machte mir deutlich wie noch nie, dass eine Regierungsreform gerade für das Krisenmanagement dringend ist. Hier die Idee.

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Ein Statement zur Lage des Bundesrates in der gestrigen Arena als visuelle Aufzeichnung, den ganzen Gedankengang hierzu als schriftliche Notiz in diesem Blog. Denn es geht nicht um die Zahl der Ueberforderten, sondern um die Ueberforderung der Institution.

Die Situation im Rückblick
Seit ich den Schweizerischen Bundesrat professionell beobachte, ist die Einheitlichkeit, mit der das Gremium politisiert, zurückgangen. In den letzten 20 Jahren haben die Mitglieder des Bundesregierung an Bedeutung gewonnen. Das hat zunächst mit der Medialisierung der Politik, insbesondere auch der Regierungspolitik zu tun. Anfänglich waren es auftrittsgewandte Aussenseiter im Gremium, welche diese Möglichkeit nutzten; heute bedienen sich letztlich alle dieses Mittels. Verstärkt haben sie ihre Stäbe, in kommunikativer Hinsicht, aber auch in sachpolitischer, stärker sind die Kanäle zu den Parteien geworden, die ihnen nahestehen, und bisweilen ist auch die Beziehungspflege mit dem Ausland direkt ausgebaut worden. Das alles hat die Handlungsfähigkeit der einzelnen Mitgliedern erhöht; es ist deshalb nicht einfach negativ zu beurteilen, und es soll nicht einfach rückgängig gemacht werden!

Gelitten hat aber der Bundesrat als Team. Das gilt ganz generell; in Krisenfällen zeigt es sich ganz speziell, wie der GKP-Bericht diese Woche drastisch festhielt. Namentlich mangelt es an der Fähigkeit, schnell, entschieden, gerichtet und korrekt Stellung zu nehmen. Es regiert, wie ich es gestern nannte, die Ueberraschungskommunikation der Departementschefs, die Versuchsraketen in alle Richtung in die Luft lassen. Der rotierende Bundespräsident verkommt zur Pose, im Aus- und Inland, denn er macht in der gelebten Vielfalt keinen Sinn mehr.

Das Grundprinzip in Theorie und Praxis
Eigentlich wäre der Bundesrat in der Schweiz eines der wenige Beispiele, das auf dem Prinzip der kollektiven Führung aufbaut. In einem Land mit zahlreichen und verschiedenen Kulturen ist das eine der Integrationsinstanzen. Deshalb legt man aus dieser Sicht zurecht viel wert auf die Repräsentation der Sprachregionen, der Geschlechter und der Parteien im Bundesrat. Doch wirkt das alles nicht mehr ganz so adäquat, wenn sich das Rollenverständnis nicht nur einzelner Mitglieder, sondern zunehmen aller weg von diesem Prinzip entwickelt.

Der Bundesrat musste immer geführt werden; meist waren es Vertreter der FDP, die das taten; seltner BundesrätInnen anderer Parteien. Gegenwärtig ist die FDP weder als Partei noch mit ihren Mitgliedern in der Lage das zu machen. Bundesrat Burkhalter kann man diesbezüglich noch nicht beurteilen, Bundesrat Merz ist sichtbar überfordert, und bei alt-Bundesrat Couchepion macht eine Bewertung keinen Sinn mehr.

Der sanfte Umbau
Mein neuer Bundesrat braucht mehr institutionelle Führung, und er hat mehr Kohärenz nötig. Er sollte, erstens, nicht mehr, sondern weniger Parteien umfassen. Drei sind angesichts der heutigen Parteien unumgänglich, um auf 50 Prozent in beiden Kammern zu kommen, vier wohl besser, wenn man keinen Fraktionszwang einführen will. 5 wie heute, oder gar sechs, wie auch schon erwogen wurde, machen da keinen Sinn. Vielmehr würde eine Reduktion die Erwartungen an die Regierung bündeln.

Zweitens sollte die Bundesräte nicht mehr einzeln gewählt werden, sondern für vier Jahre auf einer Liste, welche die Parteien, die willens sind, an den Schwerpunkten der Legislatur zu arbeiten, gemeinsam. Denkbar wäre auch verschiedene Listen, mit unterschiedlichen Personen- und Parteikonstellationen. Gewählte Personen sollten für nicht mehr als 8 Jahre im Bundesrat sein.

Drittens, geführt werden sollte das Gremium durch einen Bundespräsidenten/eine Bundespräsidentin, der oder die eine ausgebauten Bundeskanzlei vorsteht. Gleichzeitig ein Departement zu führen macht angesichts der Aufgabe, die man eigenltich hätte keinen Sinn; gleichzeitig auch Aussenminister sein zu wollen, ist ebenso unsinnig. Die Legislaturplanung, die Sitzungvorbereitung, das Protokoll und die Kommunikation wären direkt beim Präsidium angesiedelt. BundespräsidentInnen sollten das Amt in ihrer zweiten Amtsperiode ausüben, vorher DepartementsvorsteherIn gewesen sein. Das macht sie mit den Geschäften vertraut, und das gibt ihnen auch die Chance, sich als Fachminister mit Bodennähe in der Bevölkerung zu profilieren.

Viertens, die Zahl der Bundesräte müsste generell erhöht werden, sicher auf neun, nach oben jedoch ohne feste Limite. Staatssekretäre, die nur dem Departementschef verpflichtet wären, würde es dafür nicht mehr geben. Gewählt würde der Bundesrat wie bisher durch die Vereinigte Bundesversammlung, aber in corpore, nicht als Einzelmitglieder.

Meine Würdigung

Die Vorteile sehe ich darin, dass die verbindenden Elemente institutionell gefördert würde. Die Führung würde erhöhte, und damit wohl auch die Koordination. Die Kohärenz der Aktion, gerade in schwierigen Zeiten könnte verbessert werden. Vielleicht würde so das Konkordanzprinzip wieder gestärkt, vielleicht auch in Richtung Konkurrenzprinzip ausgebaut. Das ist zwar nicht mein primäres Ziel, angesichts der disparaten Entwicklungen gerade im Parlament braucht es meiner Meinung nach auf Regierungsebene aber eine Sammlung der regierungswilligen und -fähigen Kräfte.