Grünes Glücksstreben

Bastien Girod ist ohne Zweifel einer der kreativsten JungparlamentarierInnen bei den Grünen. Rechtzeitig um die programmatische Debatte vor den kommenden Wahlen beeinflussen zu können, legt er unter dem Titel “Green Change” ein Buch zur Zeitdiagnostik vor, dass er keck “Strategien zur Glücksmaximierung” nennt.

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Drei Teile hat das 200seitige Werk des jungen Zürcher Umweltwissenschafters: Der erste ist dem ökologischen Engagement für Veränderungen gewidmet. Es wirkt ein wenig wie ein grünes Handbuch für angehende PolitikerInnen. Der zweite Teil, das eigentliche Herzstück, analysiert die Glückbilanzen welt- und schweizweit. Dabei stützt sich Girod in vielem auf die Glücksforschung des Zürcher Oekonomen Bruno S. Frey. Der dritte Teil widmet sich den Folgerungen grüner Politik, wie sie der Nationalrat schon jetzt vor Augen hat.

Girod grenzt sich von Verständnis ab, wonach wegen eines angenehmen Zufalls man Glück gehabt habe. Ihm geht es um ein “gewolltes glücklich sein resp. werden”, das er aus einer allgemeinen Lebenszufriedenheit einerseits, der spezifischen Befindlichkeit anderseits ableitet. Die Maximierung dieses Glücksbewusstsein rückt er in die Nähe der Nachhaltigkeitsforderungen, wie sie die Oekologen schon lange fordern.

Hierfür behandelt der Autor die wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Faktoren, die glücklich machen, zieht er Bilanz zum “hier und jetzt” in der Schweiz und fragt nach auf anregende Art und Weise der Perspektive für das “morgen” und “anderswo”. Dann outet sich Girod als (gemässigter) Linker, der zur Emanzipation aufruft. Denn die Menschen auch in Staate mit hohem Glückempfinden müssten sich “aus dem Gefängnis des bisherigen Glücks” befreien.

Chancen sieht Girdo darin, dass das Menschbild der Wirtschaft und Politik zu einseitig sei, und ökologische aufgeklärte Menschen nicht nur egostisch, sondern auch anteilnehmend handeln wollen. Das zentrales Potenzial erscheint ihm in grünen Märkten, die neuartiges Wachstum versprechen würden, welche die Grünen in deren dynamischen Phase schnellstmöglich beeinflussen sollten.

Für den so begründeten grünen Wandel benennt er im abschliessenden Teil die Leitlinien, beschreibt er das Leben in der nachhaltigen Gesellschaft, und macht er Vorschläge mit welchen Allianzen, das alles zu bewerkstelligen sei. Vielleicht ist das der umstrittenste Buchteil, sicher aber der praktischste: Denn Girod postuliert, die Grünen dürften sich nicht alleine auf eine grün-soziale Allianz (“Solidarität und Fairness”) bschränkten, sondern müssten auch eine grün-liberale (“Green Economy”) und eine grün-konservative (“Umwelt- und Naturschutz”) suchen. Dabei sind ihm grüne Strömungen in den verschiedensten Parteien als Allianzpartner willkommen.

Der Schluss ist dann ein Appel für Girods grünes Glücksprojekt ohne Berühungsängste: Einspannen will er die zukunftsfähige Wissenschaft, die selbstbewussten Lobbyisten und populäre Sportlerinnen, Musiker und Kulturschaffende. Menschen wie Melanie Winiger, Stress und Co. sollen daran arbeiten, dass jede und jeder seinen Beitrag zum Green Change bewerkstelligen wird – bei den Wahlen 2011 und darüber hinaus.

Das Buch “Green Change” ist ideenreich gemacht, flüssig geschrieben, bisweilen aber salopp in der Herleitung und Begründung der Gedanken. Trotzdem gehört zum Anregendsten, was man gegenwärtig zu neuen grünen Projekten aus Schweizer Sicht lesen kann. Diskussionen hierzu sind erwünscht!