Erhebliche Elite/Basis-Konflikte breit dokumentiert

Lohnexzesse und Bankenrettung polarisieren wie nichts anderes zwischen oben resp. unten und könnten Auswirkungen auf politische Institutionen wie den Bundesrat haben.

Wenige Elite/Basis-Vergleiche in der Schweiz
Umfragen in der Schweiz sind mitunter selber durch die politische Kultur geprägt. Denn sie beziehen sich meist auf alle, sprich die stimm- und wahlberechtigte Bevölkerung. Deren Denken muss bekannt gemacht werden. Das ist im Ausland bei weitem nicht im gleichen Masse der Fall, interessiert man sich doch gleichwertig auch für Einstellungen der Eliten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Die Befragungsserie SOPHIA, welche Marie-Hélène Miauton seit Jahren realisiert, bildet eine Ausnahme. Vielleicht hängt es mit dem Werdegang der Forscherin zusammen, die in Marokko geboren wurde und französisch-schweizerischer Abstammung ist. Die Publikation der Studie in den Medien der Tamedia-Gruppe arbeitet die spezifischen Erkenntnisse, die man aus dem Vergleich von Eliten und Basis herausarbeiten kann, wird textlich nicht spezifisch gewürdigt, datenmässig ist er aber breit möglich.

Die grössten Unterschiede

Die massivsten Differenzen in beiden Befragungen, welche diesen Frühling gemacht wurden, ergeben sich bei Einkommenslimiten für UnternehmenleiterInnen. Eine klare Mehrheit von 78 Prozent der Bevölkerung befürwortet diese; bei den befragten Leadergruppen sind die Meinungen geteilt, befürwortet wird die Forderung von 49 Prozent; 44 sind dagegen.

Damit einher geht eine diametrale Beurteilung der Gewerkschaften. 66 Prozent der Bevölkerung schenkt ihnen volles oder ziemliches Vertrauen. Innerhalb der Leader sind es gerade 30 Prozent. Aehnliches gilt für die KonsumentInnen-Organisationen; immerhin gilt der Befund nur abgeschwächt.

Polarisierend wirken die Banken. Doch sind die Verhältnisse hier genau umgekehrt. Das Vertrauen der Eliten ging mit den aktuellen Ereignissen massiv verloren: 65 Prozent der Leader sehen es bei sich sehr erschüttert; 69 Prozent sind analog mit der Rettung der UBS einverstanden. In der Bevölkerung reicht der starke Vertrauensverlust weniger weit (39%), und man hat mehr Mühe, zum Rettungsplan zu stehen (52%) dagegen.

In einem Punkt gibt es zwar nicht andere Mehrheiten, aber eine symptomatische Differenz. Sie betrifft die Volkswahl des Bundesrates, die von Eliten und Bevölkerung mehrheitlich nicht gewünscht wird. Bei den Leadergruppen sind die Meinungen hierzu eindeutig negativ. 85 Prozent sind hier dagegen. Bei der Bevölkerung sind es nur noch 30 Prozent.

Eine kurze Würdigung
All die Themen, die hier erwähnt wurden, können im gegenwärtigen Krisengefühl zum Spielball zwischen Volk und Taktgebern werden. Mediendemokratie kann da rasch von der Vermittlung zwischen den Pol hin zur Klagemauer gerade zwischen BürgerInnen und Behörden oder Leaderfiguren werden.

Die klarste Polarität resultiert bei der Lohnspirale, die oben und unten verschieden dreht, und genau so gelesen wird. Deshalb will man ob von Gewerkschaften nichts wissen, unten ortientiert man sich immer mehr danach.

Latent kann sich ein solches Klima auch auf die Banken auswirken; ebenso auf den Bundesrat: Denn die Rettung der UBS wird in der Bevölkerung nicht einfach geschluckt, und die Aussenorientierung des Bundesrates kann ihn als Volksferne angekreidet werden. In beiden Fällen halten die Eliten dagegen, und machen hier noch die Mehrheitsmeinung aus.

All jene, denen rationale Lösungen in einem emotional aufgewühlten Krisenumfeld wichtig ist, kann nur geraten werden, sich diesen Fallstricken der Politik genau anzunehmen. Denn die Kluft zwischen oben und unten gehört nicht nur in der Forschung zu den unterschätzten Themen. Auch die Politik beschäftigt sich mit dem Hinweise auf “Populismus” nicht gerne damit.