Polit-kultureller Wandel in der Mediengesellschaft

Resümee eines Tages unter Managern, Funktionärinnen und Kommunikatoren über Veränderungen im Vetrauen der SchweizerInnen zu ihren politisch-medialen Institutionen.

Ich war gestern an der Retraite eines grossen Verbandes der Schweiz. Ein anderer Referent zitierte aus dem Sorgenbarometer, welches ich mit meinem Team jährlich für die Credit-Suisse erstelle, und bei dem es um kurzfristige Sorgen einerseits geht, um längerfristige Bindungen in Institutionen anderseits.

vertrauen
Quelle: CS/gfs.bern, Sorgenbaromter 2009

Verschiedene Aspekte des Vertrauens in Institutionen aus der Erhebung von 2009 gaben zu Diskussionen Anlass: So werden Bezahlzeitung durch Gratiszeitungen überholt. Printmedien rangieren einiges hinter elektronischen Medien. Oder der Nationalrat rangiert klar vor dem Ständerat. “Ausgerechnet”, beklagten es die Einen; “typisch” war dies für die Anderen.

Was steckt dahinter? Die genannten Veränderungen begannen sich, eine um die andere, nach 2003 abzeichnen. Die meisten der genannten Entwicklungen sind konstant, das heisst die Veränderungen dauern mehr als über einen Jahresvergleich an.

Die traditionelle politische Kultur der Schweiz, auf konkordante Politik ausgerichtet, an der Zusammenarbeit Aller aufgrund bekannter und berechenbarer Positionen orientiert, ist in vielerlei Hinsicht in Bewegung geraten. Was zunimmt, ist nicht nicht einfach eine Streitkultur, wie man in der Theorie häufig annimmt. Wachsend ist die fallweise Repolitisierung der Bürgerschaft über Ereignisse, Emotionen schüren und Auseinandersetzung provozieren. Sie allen machen Politik zum medialen Marktgeschehen, was Aufmerksamkeit generiert.

Man kann die Schnellebigkeit von Ankündigungen beklagen, die zu einer oberflächlichen Auseinandersetzung des raschen Positionsbezug mit grossen Folgenlosigkeit führt. Man kann auch den Zwang zur Polarisierung und Personalisierung, die damit verbunden sind, schlecht finden. Denn das alles hat zur Entsachlichung der Politik geführt, macht sie spektakulärer, gleichzeitig aber auch virtueller.

Auffällig ist dennoch, dass das genau bei jenen Institutionen das Vertrauen zunimmt, welche sich offensiv den neuen Entwicklungen stellen: den Gratiszeitungen im Medienbereich, dem Nationalrat unter den politischen Organen; demgegenüber stagniert der Ständerat in der Vertrauenszuschreibung, und die Bezahlmedien haben mühe.

Nochmals: nicht wegen ihrer Arbeit als solcher, aber wegen ihrer geringeren Nähe zur Masse.

Am Ende des gestrigen Tages spührte ich zwei Tendenzen im Publikum:

. die einen sehen darin das Ende der Politik, wie sie bei den griechischen Philosophen begründet wurde, in der Aufklärung zugespitzt und in der westlichen Welt als Ausdruck der Vernunft installiert wurde;

. die anderen nimmt alles gelassener, schickt sich in die Trends und ist bestrebt, sich so zu arrangieren, dass sie daraus ihren Mehrwert für sich und ihre Organisationen ziehen können.