Zwei unterschiedliche Konzepte der politischen Strukturierung haben die Parteien in den letzten Jahr angetrieben: Die breite Zusammenarbeit aller Regierungspartei zerfiel zuerst in eine Blockbildung “Bürgerlichen vs. erstarkte Linke”, dann immer mehr auch in eine “Alle gegen erstarkte SVP”. Beide Bi-Polarisierungen müssen im Politsystem der Schweiz auf die Dauer vermieden werden, wozu ein tripolares Parteiensystem einen Beitrag leistet.
Mein Kommentar zur laufenden Debatte über die neue “Allianz der Mitte”
Bipolarisierungen in der jüngsten Vergangenheit
Die SVP hat als erste nach ihrem Wahlsieg von 1999 versucht, ihre sachpolitische Isolierung machtpolitisch zu überbrücken. Sie hat der FDP ein Angebot für eine gemeisame Politik von rechts gemacht. 2003 kam es – ganz in diesem Sinne – mit den Stimmen der SVP und FDP zur Doppelwahl von Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz in den Bundesrat, aber auch zu einer Blockade der Gremiums.
Die rechte Bundesratsmehrheit hatte im Parlament keine Entsprechung und erlitt in wichtigen Volksabstimmungen Schiffbruch. Mobilisiert wurde dafür eine rot-grün-schwarze Allianz, die 2007 mit der Abwahl von Christoph Blocher aus dem Bundesrat erfolgreich war. Sachpolitisch zu wenig breit abgestützt, misslang es 2009 indessen, daraus eine Allianz zu bilden, welche der CVP zu Lasten der FDP einen zweiten Bundesratssitz gebracht hätte.
Beide Strategien der Bi-Polarisierung der Parteienlandschaft sind zwischenzeitlich gescheitert. Die FDP konnte ihre Serie von Wahlniederlagen nicht aufhalten, unverändert verliert sie, während die SVP gewinnt. Bei der CVP ist nicht auszuschliessen, dass das Zwischenhoch von 2007 schon vorbei ist, und selbst die letzten treuen nationalkonservativen Wählerinnen noch zur SVP wechseln.
Alte und neue Tripolarisierungen
So überrascht es nicht, dass man erneut über die Tripolarisierung der Parteienlandschaft nachdenkt. Erstmals war das Mitte der 90er Jahre der Fall, als das Nein zum EWR die EU-Beitrittsfrage aufs Tapet brachte. Um scharfe Gegensätze vermeiden zu können, entstand die Politik des Bilateralismus: wirtschaftspolitisch offen, staatspolitisch jedoch ohne Mitgliedschaften mit bindendem Charakter auf EU-Ebene.
Die SVP blieb diesem Projekt gegenüber skeptisch, weil sich die ausgelöste Dynamik nicht mehr aufhalten lässt. Die SP sah darin ihre Chance, gesellschaftlichen Modernisierung mit sozialpolitisch flankierenden Massnahmen durchzusetzen. Unübersehbar ist aber, dass diese Projekt als tragende Brücke über innenpolitischen Gegensätzen an seine eigene Grenze geraten ist.
Der neue Versuch hin zur Tripolarität des Parteiensystems braucht zunächst eine oder einigen Zukunftsvorhaben dieser Art. Deshalb ist es zu begrüssen, dass es sachpolitisch aufgegleist wird und Kerndossiers von FDP und CVP mit einer mittelfristigen Perspektive ins Zentrum gerückt werden. Priorität haben dabei die brüchig gewordenen Aussenbeziehungen der Schweiz, verbunden mit einer koordinierten die Wirtschafts-, Gesellschafts- und Staatspolitik.
Der Bundesrat kann jedoch nicht als übergeordnete Instanz der Parteienkoordination dienen. Das muss von den Parteien selber kommen. Mehrheiten für einen Pol sind nicht gut, vor allem nicht, wenn sie im Parlament nicht abgestützt sind. Das spricht gegen 4 Sitze für die Allianz der Mitte im Bundesrat, zumal eine Mehrheit bei den Parlamentswahlen 2011 nicht in Aussicht ist.
Das politische System als Rahmenbedingung nicht übersehen
Die politische nötige Erweiterung einer Allianz der Mitte kann auch zwei Arten geschehen: mit einem Uebergang zu einem Regierungs- und Oppositionssystem, oder mit wechselsenden Allianzen nach links und rechts, die ihre Zentrum aber in der Mitte und nicht an den Polen hat.
Ersteres wirkt attraktiver, hat aber Tücken: Der Föderalismus zwingt politische Projekte in der Regel politisch in der Mitte anzusiedeln. Die direkte Demokratie verstärkt diesen Effekt, indem politisch aktzentuierte Vorlagen in der Volksabstimmung scheitern.
Allianzen auf Regierungsebene, die nur noch fallweise entstehen, lassen demgegenüber Führung vermissen, fördern Personengerangel in der Regierung, und es mangelt ihnen an politischer Kohärenz, was nicht sinnvoll ist.
Gegenüber dem Status Quo braucht es eine Stärkung der Tripolarität des Parteiensystem könnte dem Abhilfe schaffen, indem es das Zentrum thematisch stärkt. Das wird aber nur mit Partner umsetzbar bleiben, und diese sollten ohne feste Ausgrenzungen nach links oder rechts erfolgen.
Denn das hat die allerjüngste Geschichte uns gelehrt: Selbst Parteien, die in die Opposition gehen, werden im Politsystem Schweiz damit rasch unglücklich und streben deshab bald wieder nach einem neuen Arrangement in Bundesrat.
Ausgewogen, allemal, doch für mich etwas zu abstrakt. Was heisst das alles für die Schweiz, und für ihre Einwohner?
Zunächst nicht viel. Denn es ist eine Darstellung der Parteien, des Parteiesystems und der zentralen Polarisierungen.
In Abstimmungen ist es klar, dass das so nicht viel Sinn macht. Denn es geht da um ein Ja oder ein Nein.
In der Meinungsbildung hierzu macht es aber sehr wohl Sinn, denn die (Bi)Polarisierungen sind nicht immer gleich, wie einleidend beschrieben.
Faktisch haben wir heute schon eine Tripolarität – ausser dass der dritte Pol nicht richtig sichtbar ist, aus zwei grösseren und etwa drei kleineren Parteien besteht, und deshalb nur atomisiert auf die Willensbildung im Parlament wirkt.
Die hier favorisierte Idee einer Koordination in der Mitte hätte zur Folge, dass die Meinungsbildung in der Mitte präventiv intensiver erfolgen müsste, dann aber geballter auf die Willensbildung im Parlament eingebracht werden könnte.
Genau das ist die Funktionsweise in einem tripolaren Parteiensystem.
Dieses halte ich in einem konkordanten Regierungssystem für adäquater als (wechselnde) Bipolarisierungen. Denn in diesen gibt stets ein Pol den Ton an, ohne dann die Verantwortung tragen zu müssen, wie das der Fall wäre, hätten wir ein Regierungs/Oppositionssystem. Hätten wir das, müsste man aber sich die Volksrechte überprüfen, und sich im Klaren sein, dass der ausgeprägte Föderalismus in der Schweiz insgesamt ausgesprochen mässigend auswirken würde.
Gut überlegt, denn die Polarisierung zwischen Bürgerlichen und Linken geht nicht mehr auf.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass zwischen SVP und BDP, aber auch SVP und FDP oder CVP die Rivalitäten die Gemeinsamkeiten überlagern.
Die beschrieben Polarisierung zwischen links und rechts ist ein typisches Ergebnis des Parteiensystems, das durch die internationale Konfliktlinie entstanden, die sich aus der Russischen Revolution ableitete. In der Schweiz war die Spaltung der Linken nur beschränkt wirksam, die Sammlung der Bürgerlichen indessen schon.
Diese Konfliktlinie wurde eigentlich erst mit der Globalisierung der Wirtschaft, mit dem Einfluss der EU auf die Schweiz, und mit Internatinalisierung der Schweizerischen Kultur relevant. Sie hat eine tiefe neue Spaltung, insbesondere zwischen nationalkonservativer und neobliberaler Rechte gebracht. Diese kann thematisch zwar überwunden werden, beispielsweise etwa in Fragen der Finanzpolitik, trennt die ehemaligen bürgerlichen Partner in vielen anderen Fragen aufgrund der Interessen, aber auch auch der politischen Kulturen, die gelebt werden.
Deshalb halte ich die Diagnose der Tripolarität des Parteiensystem der Schweiz für angemessener, vorausgesetzt die Allianz der Mitte findet sich als Pol.
@HH
Dass Rivalitäten die Gemeinsamkeiten überlagern, ist doch logisch und nicht negativ. (Wobei Rivalitäten und Nicht-Gemeinsamkeiten auch noch unterschieden werden solten) Als Resultat der Überlagerung kommt dann ein kleine Restmenge zum Vorschein, entweder etwas Rivalität oder etwas Gemeinsamkeit.
Du meinst aber wohl, dass vor lauter Rivalität die Gemeinsamkeiten nicht zum Zug kommen. Und das ist schlecht. Das zeugt von Dilettantismus, und dies blockiert. Die Rivalitäten der SVP äussern sich in ständigen Provokationen, Gejammere, aber auch im Aufdecken von Problemen. leider fehlen die Taten, stattdessen wird von einem Thema zum nächsten gehüpft, mit ständigen Wiederholungen.