Die variable Geometrie der politischen Kräfte

Die SP kennt ihren Marktwert unter der Bundeskuppel. Sind sich die Bürgerlichen einig, was häufig der Fall ist, sind die Mehrheiten auch ohne SP-Support klar. Streiten sich aber SVP, FDP und CVP, ist das Zentrum namentlich im Nationalrat auf die Stimmen der SP, allenfalls auch der Grünen angewiesen. Das nennt man variable Geometrie der politischen Kräfte.

HBlkW1WS_Pxgen_r_900x599

Die laufende Debatte über den Staatsvertrag der Schweiz mit den USA zeigt exemplarisch, was gemeint ist. Von der SVP bekämpft, kann die SP Zustimmung signalisieren, dafür aber mit der Einführung einer Boni-Steuer den Preis diktieren. Das ist im Zentrum zwar wenig beliebt, weshalb man Entgegenkommen verspricht, ohne Verpflichtung eingehen zu wollen. Genauso so analysiert SP-Präsident Christian Levrat das.

Solange in der Schweiz Konsenspolitik betrieben wurde, kam diese Konstellation selbstredend nicht vor. Aktuell ist das im Nationalrat mindestens nicht mehr der Regelfall. Das blockiert zwar nicht alle Geschäfte, erschwert dem Zentrum aber die Arbeit. Alleine kann es im Bundesrat regieren, und es ist gut möglich, dass es dafür auch im Ständerat Sukkurs findet. Doch es droht ein Scheitern im Nationalrat, denn hier können so abgestützte Vorlagen zwischenzeitlich von SVP, SP und Grünen schon in den vorberatenden Kommission gestoppt werden.

Mit dieser Veränderung müssen FDP, CVP und BDP umgehen lernen. Denn es ist eine direkte Folge der Polarisierung bei den Wahlen seit 1995 mit den entsprechenden Veränderungen in den WählerInnen-Anteilen. FDP und CVP sind heute Schwächer als vor 30 Jahren.

Nicht zu verübeln ist ihnen, dass sie bestrebt sind, unter veränderten Bedingungen indessen ihre Schlagkraft zu erhöhen. Das begann nach den Wahlen 2007 mit Parteifusionen und Fraktionsgemeinschaften, fand seine Fortsetzung in der erhöhten Parteidisziplin und wird gegenwärtig mit der Allianzbildung im Zentrum fortgesetzt.

Genauso wenig sollte man aber auch die Polparteien beklagen, wenn auch sie sich heute strategischer verhalten und die Linke Forderungen stellt, wenn die SVP blockt, resp. diese Bedingungen nennt, wenn die SP und die Grünen nicht mitziehen wollen.

Das kann zwar zum Scheitern von Vorlagen führen, oder die Einsicht wachsen lassen, dass es für die Mehrheit in der Schweiz drei grössere Parteien braucht, die am gleichen Strick ziehen. Die BDP im Zentrum ist dafür kein Ersatz, weder parlamentarisch, noch direktdemorkatisch. Die drei, die die Politik führen, müssen allerdings nicht immer die gleichen sein, weshalb man es treffend auch die variable Geometrie der politischen Kräfte nennt.