Mit Leidenschaft gegen den Zerfall der Medienkultur

Zu den Ingredenzien der Forschung zählt Kurt Imhof, führender Mediensoziologe der Schweiz, gute ForscherInnen, viele Datensätze, Theorien, Methoden und … Leidenschaft.

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Kurt Imhof, wie er leidenschaftlich lebt und forscht

Auf seine Leidenschaft angesprochen, spricht der Zürcher Professor Kurt Imhof am liebsten über sein Projekt, ein Medien-Observatorium für die Schweiz einzurichten. Dieses soll untersuchen, wie Medien Politik und Wirtschaft beeinflussen. Dabei geht es ihm um den Auf- und Abbau von Zukunftsvertrauen, weil dieses Investitionen lenkt. Es treibt ihn an zu zeigen, wie durch Heroisierung und Skandalisierung die Reputation von Wirtschaftseliten entsteht un vergeht. Und er will bestimmen, wie sich die Veränderung der Qualität im ökonomisierten Mediensystem auswirkt.

Bisher wurden die Ergebnisse summarisch auf einer Online-Plattform veröffentlicht. Mitte 2010 soll das erste Jahrbuch “Qualität der Medien Schweiz” erscheinen. Denn davon ist Imhof überzeugt: Die Medien, die alles und jedes in Frage stellen, sind es sich nicht gewohnt, dasselbe mit sich zu machen.

Kontrollieren will Imhof die Medien nicht – zur Selbstreflexion verführen indessen schon. Indem der Medienexperte Medienkritik als Medienevent vermarktet. Zum Pudding seien die Medienberichte geworden, erklärte Imhof jüngst der NZZ, seit Information und Unterhalten vermischt würden, um in der Gratiskultur bestehen zu können. Widerspruch dazu gabs nicht, denn die Pointe gefiel. Doch eigentlich meinte Imhof, dass sich Universalität, Ausgewogenheit, Objektivität und Relevanz der Medienberichterstattung über die Zeit verschlechtert haben. Diese Botschaft wäre so schwieriger zu vermitteln gewesen.

Sein Observatorium müsste eigentlich durch die Medienverlage finanziert werden, meint Imhof. Doch das funktioniere in der Praxis nicht. Schon Einwände in der Theorie gibt es, wenn der Staat das machen würde, denn der lebt von der demokratischen Willensbildung, die zivilgesellschaftlich begründet sei. Unabhängigkeit der Medienforschung am Observatorium will er deshalb durch Wissenschaft, Stiftungen und Donatoren sichern. Zwei Millionen Schweizer Franken sind so schon zusammengekommen.

Als man begonnen habe, das Jahrbuch zu entwerfen, habe er noch nichts davon gehabt – und sei doch gestartet, sagt Imhof mit gewohntem Schalk, “weil letztlich die Leidenschaft die Forschung treibt!”