Nobelpreiswürdige Oekonomie

Wenn das Rätselraten über den nächsten Nobelpreisträger (aus der Schweiz) losgeht, fällt fast sicher der Name des (österreichischen) Wirtschaftswissenschafters Ernst Fehr von der Uni Zürich. Was ihn gegenüber anderen Oekonomen auszeichnet, verrät er dem heutigen “Bund“.

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Ernst Fehr, vielfach top-gesetzter Professor für empirische Wirtschaftsforschung an der Uni Zürich

Verhaltensökonom Ernst Fehr steht den Annahmen des homo oeconomicus’ aus zwei Gründen skeptische gegenüber: Er lehnt das Axiom des immer eigennützig handelnden Mensch ab, und er setzt auf Laborexperimente, um Einflussfaktoren auf Verhaltensweisen zu bestimmen.

Der Spitzenforscher verdeutlicht das so: Im Labor kann ich “einen Tausch simulieren, der nur einmal via Internet stattfindet, mit einem Partner, den ich nicht kenne, über den ich keine Informationen habe und den ich nie im meinem Leben treffen werde.” Ohne diese Bedingung gäbe es für einen klassischen Oekonomen keinen Grund, nicht zu schummeln. Und trotzdem klappt der Tausch in viele Fällen.

Weil Menschen zugunsten der Ehrlichkeit auf einen materiellen Vorteil verzichten, folgert der Zürcher Professor. Denn Menschen sind nicht wegen eines Vorteils ehrlich, sondern auch wegen der Norm, ehrlich sein zu wollen.

Doch ist Ehrlichkeit nicht nur eine individuelle Eigenschaft, weiss Fehr; sie muss auch eine kollektive sein. Denn Normen, wissen Soziologen schon lange, sind Teile der Kultur, die durch Institutionen gestützt werden muss.

Institutionellen Anreizssystem kommt deshalb in der Verhaltensökonomie eine zentrale Bedeutung zu. Oder in den Worten des Könners: “Als Oekonom muss ich mich deshalb immer Fragen: Wie ändere ich die Institutionen, damit ich eigennützige Motive in sozial nützliche Bahnen lenken kann?”

Darauf angesprochen, ob Fehr für oder gegen Obergrenzen für Gehälter von Angestellten in Unternehmen sei, lässt er klar durchblick: dagegen, denn sie würden den Wettbewerb behindern. Doch ist er dafür, dass es eine Finanzmarktaufsicht gibt, die Vorschriften macht, wie die Anreizssystem für die Entlöhnung strukturiert sein sollen.

Was mir daran gefällt? Dass ein Spitzen-Oekonom hingeht und sagt, Gerechtigkeit entsteht nicht von alleine, sie muss ermöglicht werden. Und dasselbe gilt auch für Ehrlichkeit, denn auch sie muss gefördert werden. Und wenn man das alles tut, verstösst man vielleicht gegen den homo oeconomicus, nicht aber gegen die gesellschaftlichen Interessen der Menschen.

Noch vor kurzem wäre das auch ein Verstoss gegen die Grundsätze der Oekonomie gewesen. Jetzt ist es auf dem Weg, die höchste Anerkennung zu bekommen. Oder wie sagt es Fehr: Individueller Nutzen muss so gelenkt werden, dass er sozial nützlich wird!