Erotisches Kapital in der Politik

Ein neues Thema füllt die Feuilletons der Magazine erreicht: das erotische Kapital in der Mediengesellschaft. Die politische Kulturforschung täte gut daran, sich den Veränderungen der politischen Kommunikation auch in der Schweiz vertieft anzunehmen.

Italy Women Violence
Mara Carfanga, Gleichstellungsministerin in Italiens Regierung, machte das beste Ergebnis aller KandidatInnen bei den jüngsten Regionalwahlen

55700 Stimmen machte Mara Carfanga bei den jüngten Regionalwahlen in Italien. Damit realisierte die Ministerin aus der Reihen der Berlusconi-Partei “Popolo della Libertà” das beste Resultat aller KandidatInnen.

Weit herum bekannt wurde sie durch einen peinlichen Patzer des Cavaliere: “Wenn ich nicht schon verheiratet wäre, würde ich sie sofort heiraten”, soll der Silvio Berlusconi über seine Gleichstellungsministerin gesagt haben. Damit versetzte er seine Frau Veronica in öffentliche Rage, und die Scheidung der Ehe der Berlusconis nahm ihr Lauf.

In den Medien geht Carfanga seither der Ruf der “schönsten Ministerin” voraus. Carfanga ist damit nicht alleine: Präsidenten, die sich wie Nicolas Sarkozy stark wähnen, lieben es, sich mit erotischen Frauen zu umgeben, nicht nur des Vergnügens wegen, sondern auch um Aufmerksamkeit zu mehren und WählerInnen zu gewinnen.

Erotisches Kapital in der Sozialforschung
“Erotisches Kapital” nennt der kanadische Soziologe Adam-Isahia Green das Phänomen. Gemeint ist damit die Energie von Frauen und Männern, die von ihren natürlichen, künstlich geschaffenen oder erlernten Eigenschaften ausgehen und auf andere wirken. Das beschränkt sich nicht nur auf unser Alltagsleben, sexuelle Beziehungen Heirat oder Kinderkriegen. Es erfasst in hohem Masse die mediale Kommunikation in Werbung und Unterhaltung, Sport und Kunst, Arbeitswelt und Politik.

Für die TheoretikerInnen eben dieses gibt es keine einheitliche Form des erotischen Kapitals. Vielmehr ist dies eine Folge der Entwicklungen vor allem von Mediengesellschaft, insbesondere ihrer sexualisierten Oeffentlichkeiten. Dabei werden ökonomisches, soziales und kulturelles Kaptial als tauschbare Handlungsressourcen von Individuen durch das erotische erweitert. Immerhin, die Forschungen zum erotischen Kapital macht mindestens sechs Bestandteile sichtbar: die Schönheit, die Attraktivitäten, die Lebenslust, die Präsentation, die Sexualität und die Vermehrung, insbesondere bei Frauen.

Soziologin Catherine Hakim, Forscherin an der London School of Economics, ist überzeugt: “Women generally have more erotic capital than men because they work harder at it. Given the large imbalance between men and women in sexual interest over the life course, women are well placed to exploit their erotic capital.” Fasziniert von Cleopatra, Madonna, Catherine Deneuve und Tina Turner, kritisiert sie die bisherigen politischen Theorien, denn das Patriarchat habe den Frauen verboten, ihr erotisches Kapital zu nutzen, um in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik zu Erfolg zu kommen, und die feministische Theorie habe die moralischen Vorschriften, an die sich Frauen halten müssten, noch verstärkt. Doch das breche in der gegenwärtigen Gesellschaft auf und müsse empirisch untersucht werden, verlangt sie und kündigt für 2011 schon mal ein Buch hierzu an.

Evidenzen auch in der Schweizer Politik?!

Die politische Kulturforschung würde gut daran tun, sich den aktuellen Veränderungen auch in der Schweiz systematisch anzunehmen. Denn Hinweise hierfür gibt es genug, auch wenn sie meist belächelt werden.

So meinte Georg Lutz jüngst unter Verweis auf Adrian Amstutz und Nathalie Rickli, Schönheit werde auch in der Schweiz gewählt, wenn man das Parlament besetze. Feministin Regula Stämpfli kritisierte ihn, und Nationalratspräsidentin Pascale Bruderer dazu, weil die Genossin der Versuchung, sich nicht über das Sein, sondern den Schein zu verkaufen, nicht wiederstehen könne. Klaus Stöhlker wiederum ist sicher, dass Doris Leuthard von ihrer äusserlichen Erscheinung politisch profitiere und Moritz Leuenberger sich nur deshalb im Amt halten könne. Die FDP-Frauen kümmern solche Unterstellungen wenig: Für ihre Geburtstagsparty zum 60. luden sie jüngst mit dem Hinweis ein, ihr erotisches Kapital ganz bewusst in die Politik einzubringen. Karin Keller-Sutter dankt es ihnen!