Der Preis für den Spagat (Bundesratswahlen 2008/8)

Je deutlicher die SVP-Fraktion die Rückkehr in die schweizerische Regierung betreibt, desto klarer bewegt sich der Zentralvorstand der SVP-Partei in Richtung Themen-Opposition. Der Spagat ist typisch für das Verhalten einer Partei an einen Pol des politischen Spektrums. Er verhindert ihre nachhaltige Integration in die Regierungsarbeit, womit eine Polpartei auch die Möglichkeit vergibt, eine effektive Führungsrolle in der Landesregierung zu übernehmen.


Ein Spagat hilft zwar, ein Gleichgewicht zwischen verschiedensten Anforderungen zu finden, schränkt aber die Handlungsmöglichkeiten ein. Auch in der Politik, behaupte ich hier.

Der Wille in die Regierung zurückzukehren
Zuerst hat die Fraktion der SVP beschlossen, wieder in den Bundesrat zurück kehren zu wollen. Zwar hätte man am liebsten den abgewählten Bundesrat Christoph Blocher wieder in der Landesregierung gehabt. Doch haben die Volks- und Ständevertreter der SVP begriffen, man mit dieser Forderung auch das Risiko einer zementierten Oppositionsrolle einzugehen. Dehalb wurde, wie von CVP-Fraktionspräsident Urs Schwaller vorgeschlagen, der ehemaligen Parteipräsident Maurer auf einem Zweierticket mitnominiert, selbst wenn die SVP damit rechnen muss, dass Maurer in der entscheidende Wahl am 10. Dezember in der Bundesversammlung das Rennen machtwird.

Das Festhalten an der Opposition
Heute hat die Delegiertenversammlung beschlossen, die Personenfreizügigkeit mit der EU definitiv abzulehnen. Die Parolenfassung für den 8. Februar 2009 fiel nach einigem Hin und Her und brüskierte den regierungswilligen Wirtschaftsflügel der Partei, der bereits im Voraus seine Unterstützung der “Bilateralen” bekundet hatte. Ueberlegungen zur Positionierung der Partei im nationalkonservativen WählerInnen-Segment drften ausschlaggebend gewesen sein: Man will auf jeden Fall verhindern, dass Schweizer Demokraten oder Lega dei Ticinesi auf nationaler Ebene ein rechtes Wählerpotenzial an sich und damit gegen die SVP binden können. Denn das könnte nach der Abspaltung des gemässigten Flügels in Form der BDP die mögliche Parteistärke der SVP ein zweiten Mal negativ beeinflussen.

Die gemässigte Reaktion der Bundesratsparteien

Zwischenzeitlich scheinen CVP und FDP begriffen zu haben, dass die SVP bei einer Rückkehr in den Bundesrat ihr Programm nicht ändern wird. Die SP hat diese Forderung auf Rücksicht auf ihr eigenes Verhalten nie unterstützt. Hat man sich im Zentrum in der Blocher-Frage durchgesetzt, scheint man in der Euorpa-Frage unverändert nachgiebig.

Entsprechend pragmatisch fallen die Reaktionen auf die SVP-Positionierung aus. Die ursprüngliche Forderung der Zentrumspartei, nur SVP-Vertreter im Bundesrat zu akzeptieren, welche den Bilateralen Weg integral befürworten, wird nicht mehr gestellt. Man beschränkt sich unter bürgerlichen PolitikerInnen einzig darauf, Loyalität von SVP-Bundesräten gegenüber Mehrheitsbeschlüssen zu fordern. Von Christoph Blocher weiss man, dass er das während seiner Amtszeit nicht konsequent eingehalten hat. Ueli Maurer musste den Tatbeweis bisher nicht erbringen, nimmt sich aber schon jetzt das Recht heraus, in dieser Frage als Bundesrat schweigen zu dürfen.

Die Konsequenz der Ambivalenz

Man kann darauf nur einen Schluss ziehen: Egal ob die Partei ausserhalb oder innerhalb des Bundesrates politisiert, wird sie selbst in zentralen Frage der Legislatur ihre eigene Position einnehmen und von ihren RepräsentantInnen erwarten, dass sie loyaler zu den Parteiinteressen verhalten als zu den Mehrheitsbeschlüssen.

So verständlich der Spagat aus der inneren Logik der Partei sein mag, so hinderlich ist es für sie auch mit Blick auf einen nachhaltige Integration ins Regierungsgeschehen. Damit vergibt sich eine Pol-Partei auch die Möglichkeit, eine effektive Führungsrolle im Bundesrat übernehmen zu können.

Claude Longchamp