Ein spannendes Experiment zur Wahlberichterstattung in der Wissensgesellschaft

(zoon politicon) Nur der Beste soll herrschen, meinte Platon. Doch Aristoteles widersprach ihm: Die Menge kann nicht irren! Beide Philosophien hallen bis heute in der politischen Berichterstattung nach: Platon legitimiert ExpertInnen, Aristoteles Internetservices wie “wikipedia”.

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Das Experiment
2007 habe ich, als Experte, an einem Experiment im online-Lexikon “wikipedia” teilgenommen. Anonym habe ich am Artikel “Schweizer Parlamentswahlen 2007” mitgeschrieben. Fleissigster Initiant ist Lirum Larum, von dem ich bis heute nicht weiss, wer er ist. Die Autorenliste zeigt aber, das im Wahljahr mehrere Dutzend Personen mitgeschrieben haben.

Betrachtet man das Endergebnis, kann man ausgesprochen zufrieden sein. Entstanden ist ein ausführlicher, informativer und neutraler Artikel zu den jüngsten Parlamentswahlen. Bezogen auf die Nationalratswahlen wird Vieles zusammengefasst, das sonst auf Internet greifbar ist. Besonders wertvoll ist aber die einheitlich durchgezogene, interkantonale Aufarbeitung der Ständeratswahlen 2007, die es in so handlicher Form sonst nirgends gibt.

Mein persönliches Fazit
Mein persönliches Fazit: Es war spannend, sich jeden Tag zu fragen, was von dem, das passiert, ist bemerkenswert, und wie kann man das in geraffter Form, ohne Wertung und allgemein verständlich formulieren. Wenn mal was daneben ging – und das gabs!- entzündete sich bald eine Kontroverses auf der Diskussionsseite, und es wurden ganze Passagen geändert und gestrichen. Der grösste Dissens entzündete sich ohne Zweifel an der SVP-Demonstration vom 6. Oktober 2007. Beides ist wohl wikipedia-inhärent.

Die Menge hatte recht und war schnell!
Der Aritikel ist nach den Wahlen noch um einiges gestrafft und bereinigt worden. Heute verfügen wir,

. dank der Menge von Beobachtungen, die von verschiedenen Leute unabhängig gemacht wurde,
. dank dem Willen das festzuhalten und sich damit auch instant der Kritik auszusetzen, und
. dank den nachträglichen Bemühungen, einen fehlerfreien und gut verlinkten Artikel daraus zu machen,

über einen der nützlichsten Artikel zu den jüngsten Parlamentswahlen in der Schweiz. Für mich eines der spannendsten Experiment, Wissen zu produzieren, das vor dem Entstehen der Wissensgesellschaft undenkbar gewesen wäre.
Wünschenswert wäre nun, das Experiment global weiter zu denken, und die Sprachversionen auf wikipedia dem höchsten Wissensstand (für einmal auf Deutsch) anzupassen!

Claude Longchamp