Der Mechanismus hysterischer Treibjagden

Bemerkenswert offen beschreibt Kolumnist Kurt W. Zimmermann in der heutigen Weltwoche wie das Schema des Thesenjournalismuses funktioniert.

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Top-Journalist Zimmermann zum Thesenjournalismus: Umkehr von Recherche und Schlussfolgerung.

Definiert wird der Thesenjournalismus durch die Umkehrung von Recherche und Konklusion, schreibt der ehemalige Chefredaktor der Sonntagszeitung. Im Normalfall sammelt ein Journalist Informationen, um sich eine Meinung zu bilden. Im Thesenjournalismus bildet er sich eine Meinung und sammelt er Informationen, welche die These stützen resp. lässt alles weg, was der Thesen schadet.

Daraus leitet Zimmermann sechs Phasen der medialen Vorgehensweise des Thesenjournalismus bei seinen Treibjagden auf. Sie lauten:

Skandalisierung: Ein bestimmtes Ereignis wird von Beginn weg in einen Kette von Widerholungen gestellt, um die Tonlage vorzugeben.

Personalisierung: Alles Schlechte wird von einem Monster verursacht dargestellt, auf den sich die Aufmerksamkeit in der Folge konzentriert.

Kampagne: Aktiv gesucht werden Informanten. Zitiert wird, wer ins Schema passt. Wer das nicht unterstützt, fällt ausser Betracht.

Rücktritt: Der Rücktritt des Monsters wird gefordert, von wem auch immer. Mögliche Nachfolger, die ins Gespräch gebracht werden, sollen die Position des Monsters weiter destabilisieren.

Eskalation: Wenn das Monster nicht geht, werden seine Vorgesetzten unter Druck gesetzt. Sie sollen im gewünschten Sinne handeln, um nicht selber in den Strudel von Vorwürfen gerissen zu werden.

Schmutz: Schlammschlachten sollen die Angegriffen diskredieren, bis sie selber das Handtuch werfen.

Die Grundfragen, um die es geht, werden während allen sechs Phasen bewusst nicht gestellt, schreibt der Medienprofi. Damit kommt die eigentliche Diskussion nicht voran, die Scheindiskussion hebt aber umso schöner ab.

Natürlich legt Kurt W. Zimmermann das offen, um den Angriff auf Post-Verwaltungsrats-Präsident Claude Béglé zu analysieren. Das sei eine “hysterische Treibjagd” schreibt die Weltwoche dazu. Doch das ist gar nicht der Punkt, weil das Verfahren auf x andere Vorgänge ähnlicher Art angewendet werden kann. Wo auch immer. Und gegen wen auch immer.