Wählen mit 16 – eine wissenschaftliche Bilanz der österreichischen Erfahrungen

2007 führte Oesterreich bundesweit das Wahlrechtsalter 16 ein. Die Vorverlegung der Nationalratswahlen 2010 auf 2008 verlieh der Neuerung besondere Dynamik, kamen die jungen BürgerInnen ziemlich unvorbereitet zu ihrem europäischen Privileg. Eine Evaluierung hält nun Stärken und Schwächen der Aktion fest.


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Die Nachwahlanalyse “Wählen mit 16”, von Ulrike Kozeluh im Herbst 2008 realisiert, liegt zwischenzeitlichen in einer handlichen Fassung von Flooh Perlot und Martina Zandonella kommentiert vor. Sie lässt zwei Schlüsse zum grossen Thema “Jugend und Politik” zeichnen sich ab: Das Interesse von Jugend und Politik wird von den ForscherInnen auf der generellen Ebene bejaht, aber doppelt differenziert:

Erstens, Jugendliche ab 16 Jahren sind keine einheitliche Gruppe. Sie müssen in SchülerInnen und Erwerbstätige unterteilt werden. Denn das entscheidet über das politische Interesse, den Informationsstand und die Einstellungen. Insbesondere zeigen Jugendliche, die arbeiten, eine grössere Distanz zur Politik, dafür eine grössere Nähe zu autoritären Denkmustern. In Zuwanderungs- und Islamfragen reagieren sie auffällig geschlossener als Gleichaltrige, die noch zur Schule gehen.

Zweitens, Politik per se gibt es nicht. Sie muss in die Bereiche der Parteienpolitik und Gesellschaftspolitik differenziert werden. Ersteres ist bei Jugendlichen insgesamt schlecht angeschrieben, stösst auf Skepsis und mobilisiert Klischees. Medial vermittelt, verringern sie die Bereitschaft, sich politisch engagieren zu wollen nicht, lassen aber Parteien und Wahlen als Plattform hier als unattraktiv erscheinen.

Ausweichend könnte man sagen, die Ergebnisse seien durch die Umstände der Einführung des Wahlrechtsalters 16 mitbeeinflusst. Die AutorInnen erwähnen das zwar in der Einleitung, in den Schlussfolgerungen sind sie aber deutlicher, werfen sie doch Fragen auf wie Politik ausserhalb der Schule kognitiv und emotional adäquat vermittelt werden kann. Denn die Jugendlichen, die 2008 erstmals politisch mitbestimmen konnten, melden selber gewisse Zweifel zu ihrer politischen Reife an.

Mit Blick auf die Schweiz heisst das, dass Entscheidungen zur Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters wie im Kanton Glarus beschlossen pädagogisch begleitet werden sollten. Abgeschwächt, richtungsmässig aber gleich gilt dies aber für jede Erwartung, dass sich junge Menschen in die Politik einmischen sollten.

Schade, dass die Austria-Studie den Komplex der politischen Sozialisierung via Internet weitgehend ausklammerte. Eine analoge Untersuchung in der Schweiz müsste wohl genau da beginnen!

Quelle: F. Perlot, M. Zandonella: “Wählen mit 16 – Jugendliche und Politik in Oesterreich”, in SWS-Rundschau, 4 / 49 (2009)