Die Machtfrage in der SVP (Bundesratswahlen 2008/7)

Mit dem Fraktionsentscheid vom Donnerstag über die Kandidatur für die Nachfolge von Samuel Schmid als Bundesrat wird die Machtfrage in der SVP gestellt. Ein eigentlicher Richtungsentscheid bahnt sich via Personen- und Verfahrensfragen an.

christoph blocher und sein publikum, die basis des svp erfolges
christoph blocher und sein publikum, die basis des svp erfolges

Sozialwissenschaftliche Machtdefinitionen
Max Weber, der grosse deutsche Soziologe zu Beginn des 20. Jahrhunderts, definierte Macht als “jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht.“ Damit gab er der Durchsetzungsmacht eine gültige Umschreibung, ohne sich um die Frage zu kümmern, worauf diese Macht basiert. Das haben Sozialpyschologen besser auf den Punkt gebracht. Macht entsteht durch Position, Identifikation oder Wissen und sie bedient sich der Belohnung oder des Zwangs als Mittel.

Christoph Blochers Macht wird in Frage gestellt
Christoph Blocher verfügte lange über verschiedene dieser Machtressourcen; seine stärkste war jedoch sein Charisma. Seine Anhängerschaft ist fasziniert von ihm, fühlt sich mit ihm verbunden, ja identifiziert sich mit ihm in hohem Masse. Das verdrängt Meinungsverschiedenheiten, verringert Diskussionen und führt dazu, das gelegentliche Differenzen meist schnell aufgegeben werden.

Christoph Blochers Charima wirkt in der aktuellen Situation nicht mehr wie früher. Die Machtfrage in der Partei wird offen gestellt. Die Idenfitikation mit dem Uebervater der Partei ist macherorts zum Ritual verkommen, das zwar demonstrativ beschworen, hinter den Kulissen aber unterlaufen wird. 10 Kandidaten aus den eigenen Reihen treten gegen Christoph Blocher an, und man weiss nicht, ob es nichtnoch weitere gibt, die losgelöst vom parteiinternen Verfahren auf einen geeigneten Moment warten, um sich doch noch ins Spiel zu bringen.

Die Entscheidung des Machtkampfes
Die nächsten zwei Tage werden zeigen, wer in der SVP das Sagen hat, das heisst nach Weber seinen Willen auch gegen Widerstände durchsetzen kann. Man wird genau beobachten können, wer in der grössten Partei die Macht inne hat: der Parteipräsident, wie es sich gehört, dier Uebervater, wie man es erwartet, die Seilschaften des Nachwuchses und der Frauen, die ihre Chance wittern, die ideologischen Grundsatzpolitiker, welche die Vorherrschaft über die Partei zu verteidigen suchen oder die pragmatischen Interessenvertreter die ihre politischen Anliegen mit dem Staat realisieren müssen.

Der Vorentscheid fällt schon bei der Zahl der Nominierungen: Eine Einerkandidatur Blocher verhindert mit aller Wahrscheinlichkeit die Rückkehr in den Bundesrat, mit ungewissen Konsequenzen. Eine Einerkandidatur ohne Blocher beendet seine Karriere, auf Geheiss der eigenen Fraktion. Und eine Zweikandidatur mit Blocher und einer weiteren Person ist eine offene Einladung an die Bundesversammlung, die SVP in den Bundesrat aufzunehmen und dabei Blocher nochmals abzulehnen. Damit sind die Aussichten der SVP, mit Blocher im Bundesrat vertreten zu sein, sehr gering. Das Maximum, was der gealterte Machtapparat um ihn herausholen kann, ist dass ein Getreuer als Zweiter nominiert und gewählt wird.

Man erinnere sich nur ein Jahr zurück, um zu begreifen, was sich alles verändert hat. “SVP wählen – Blocher stärken”, war das damalige Motto. Heute ist nicht einmal mehr sicher, ob Blocher wählen auch SVP stärken bedeutet.

Claude Longchamp