Nun kommt der Informationscrash, prophezeit der “Börsianer des Jahres”.

Man nehme: eine Priese des gegenwärtigen Lebensgefühls, sage einen weiteren Crash voraus und mixe beides zu einem leicht geschriebenen Buch. Das ergibt einen Bestseller mit dem Titel “Der Informationscrash“, sagt Autor Max Otte, in Deutschland eben zum “Börsianer 2009” gewählt. Ich mache das ein Fragezeichen.

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2006 schrieb Otte, der Börsencrash komme. 2008 kam er dann, und das Buch “Der Crash kommt” kletterte im Nu auf die Spitzenplätze der Bücherparaden. Nun doppelt der Autor nach und veröffentlicht nachträglich die Analyse zurr Prognose. Der einfache Befund: Schuld an allem ist die heutige Informationsflut, die uns zumüllt. Doch nicht mehr lange, denn als nächstes kommt der Informationscrash, verheisst das Buch aus dem Econ-Verlag!

Was in den Sozialwissenschaften anerkannt Informationsgesellschaft heisst, wird bei Otte flugs zur Desinformationsgesellschaft. Ihr wichtigstes “Lebenszeichen” war der Börsencrash 2008. Denn nach Otte, Professor für Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Worms, arbeiten Wirtschaftsakteure ganz bewusst auf Falschinformationen hin, um bessere Geschäfte machen zu können, reagiert die Politik ohnmächtig, weil sie nicht begreift, was uns geschieht, und sind die Medien maximal noch als gekaufte Lakaien erwähnenswert.

Die Symptome der Geschichte, die Otte flüssig erzählt, sind in der Tat ernst. Die heutige Informationsschwemme werde aus drei Gründen zu ihrem Gegenteil, schreibt er:

. Denn wir leiden generell am Ueberfluss an Ueberinformation.
. Deshalb merken wir auch die Nicht-Information in wichtigen Fragen gar nicht.
. Und wir lassen uns durch Pseudoinformationen der Wissenstechnokraten ablenken.

Doch dann kommt eine weit hergeholte Begründung: Angefangen hat nach Otte, einem gefragten Vortragsredner, alles mit dem Lebensmittelvertrieb. McDonald habe gezeigt, wie man unqualifiziertem Personal, das die Waren güstiger denn je unter die Leute bringe, Geschäfte mache. 70 Milliarden Euro Umsatz gehe in der Branche so über den Ladentisch. Und verderbe zunehmend die ganze Gesellschaft – und Kommunikation. Denn formalisierte Vorgaben und systematische Kontrollen in allen Lebenslagen seien es, was uns das Denken abgewöhnt haben und uns alle dumpf machen.

Im Buch des Börsen-Gurus liesst sich das alles wie ein Fortsetzungsroman. Es kommt einem fast vor, die gesammelten Kolumnen vorgeführt zu bekommen, um sie im Schnellgang konsumieren zu können. Das riecht dann fast schon ein wenig wie im McDonald: “Was möchten Sie?” – “Kapitalismuskritik!” – “Hier! Der nächste Bitte!” – “Gute Moral!” – “Gut so, macht 5.50”. Und so fort. Symobolische sprochen ist man im Buch von Otte schnell zuvorderst in der Schlange, hat seinen Burger, isst ihn, und wird doch nicht satt.

Schade!, sage ich da, denn was analytisch ordentlich beginnt, verkommt zur sattsam bekannten pauschalen Mainstream, ohne schlauer zu machen. Er habe noch keine eigentliche Theorie der Informationsüberschwemmung entwickelt, sagt Anlageberater Otte über sich selber, auch keine Rezeptologie dagegen, fügt er am Schluss des Buches bei.

Dem ist eigentlich nichts beizufügen.

Ausser die Frage: Kommt es nun zum Informationscrash, ja oder nein?

Claude Longchamp