“Islamophobie” ist keine taugliche politische Kennzeichnung.

Sie hoffe, die “Islamophobie” werde nach der Abstimmung vom 29. November 2009 wieder abnehmen, sagte Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf heute vor der internationalen Presse. Ich hoffe das auch und, dass die Bundesrätin das Wort “Islamophobie” nicht mehr gebraucht.

topelement
Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf heute in Genf an der Medienkonferenz

Phobien in Medizin und Politik
In der Medizin macht der psychologische Begriff der Phobie Sinn. Er beschreibt krankhafte Zustände von Menschen, die Angst haben, auch wenn sie nicht bedroht sind.

Die Kombination von Kulturen und Phobien ist problematisch. Denn sie besagt, dass man als Träger einer Kultur zu Unrecht Angst hat.

Noch problematischer ist die Psychologisierung des politischen Widersachers. Das gehört eher zu den Untugenden autoritärer Ideologen.

Ich schlage vor, auf den Begriff der “Islamophobie” ganz zu verzichten. Genauso wie man “Xenophobie” kaum mehr zitiert, um Fremdenfeindlichkeit zu bezeichnen, und die “Homophobie” sich als Kennzeichnung von Menschenfeindlichkeit gar nicht erst durchsetzen konnte. Selbst im englischen Sprachraum, von wo der Begriff kommt, ist er zwischenzeitlich umstritten.

Islamfeindlichkeit ist angemessene Kennzeichnung

Wenn ich für Sorgfalt im Umgang mit Benennungen plädiere, heisst das nicht, dass ich das Bezeichnete damit ausschliesse. Nein, ich möchte dieses umso genauer bezeichnen.

Ich bin der Meinung, dass der Begriff der Islamfeindlichkeit in politischen Analysen nötig ist, aber genügt, um das festzuhalten, worüber man sich Gedanken machen muss.

Denn es gibt ohne Zweifel islamfeindliche Ideologien, Werthaltungen und Einstellungen. Sie finden sich in religiös-konservativen Kreisen, welche die Reinheit des Glaubens predigen. Es gibt sie unter fremdenfeindlich eingestellten Exponenten, die in ihrem Hass auf das Andere nicht unterscheiden, denn ihr Geschäft ist es, Gruppen zu erniedrigen, um ihre Angehörigen diskriminieren zu können. Und das alles gibt es zwischenzeitlich reichlich undifferenziert in Massenmeiden und im Internet. Das alles ist nicht ohne, wenn es aggressives Verhalten gegenüber Musliminen in Wort und Tat rechtfertigt.

Meinungsbildung der BürgerInnen nicht diskreditieren
Die Annahme, dass Menschen, die sich an politischen Meinungsbildungsprozessen beteiligen, phobisch reagierten, sollte man indessen generell unterlassen. Denn sie machen sich ihre Meinungen auch aufgrund ihrer Erfahrungen im Alltag. Und diese müssen als solche immer Ernst genommen werden. Sonst machen demokratische Entscheidungen keinen Sinn mehr.

So hoffe ich, dass unsere Justizministerin wachsam bleibt gegenüber unbegründet feindseligen Ablehnung der Minderheiten von Muslimen in der Schweiz. Und dass sie im öffentlichen Diskurs auf untaugliche Etiketten wie “Islamophobie” inskünftig verzichtet. Es reicht, wenn sie eine Höhepunkt der Islamfeindlichkeit feststellt.

Claude Longchamp