Halbzeitbilanz im Nationalrat: Wer steht wo, und wer kann’s mit wem?

Ein intensiver Tag liegt hinter mir. Zahlreiche Gespräche wären es wert, reflektiert zu werden. Ein Beispiel hierfür greife ich gerne heraus: das zur Position der Parteien im Nationalrat nach Politikbereichen.

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Die Grafik zeigt, wir die Parteien im Nationalrat stimmen, und welche Konfliktprofile dabei typisch sind (quelle: soz/sotomo,eigene Darstellung)

Die “Sonntagszeitung” brachte gestern eine grosse Auswertung der Parteipositionen in Sachfragen. Nicht die WählerInnen waren massgeblich für die Rangierungen, auch nicht die Programme. Vielmehr hat Politgeograph Michael Herrmann wie scon 2005 und 2008 die Namensabstimmungen im Nationalrat verwendet, um die Parteien zu charakterisieren. Gut 400 Entscheidungen in der Volksvertretung hat er verwendet und sie in den 8 üblichen Politikfeldern verortet, die er zur Strukturierung des politischen Geschehens entwickelt hat. Doch, so fragt man sich beim Lesen, gibt es über die Daten hinaus auch eine sinnvolle Synthese?

Ein Gespräch mit einem Spitzenfunktionär einer Regierungspartei kam schnell zur Sache. Es gefiel die Aufmachung und die Uebersicht, die so entsteht. Man habe es umgehend verarbeitet, und man werde es in den intenen Planungen für die kommenden Wahlen verwenden.

Denn die Uebersicht macht klar, welche Partei in welche Politikfelder mit wem resp. gegen wen antritt.

Wenn die Fakten damit klar sind, gehen die Interpretationen doch auseinander. Die Sonntagszeitung suggerierte, dass ein SVP-FDP-Bündnis generell im Kommen sei. Das mag für die Finanzpolitik stimmen, und so kann die bürgerlichen Mitte unter Druck gesetzt werden. Es gilt wohl auch für die Ablehnung des starken Sozialstaaten und neuerdings auch für den Kampf gegen mehr Umweltschutz, wo die SP und Grüne isoliert wirken.

Ganz sicher trifft es nicht auf die Aussenpolitik zu, und neu auch nicht mehr auf die Ausländerfragen. Denn hier ist die SVP isoliert. Tendenziell gilt das auch, wenn sie sich gegen gesellschaftliche Liberalisierung stellt.

In Fragen der wirtschaftlichen Liberaliserung und sogar bei der Sicherheitspolitik gilt dar ein drittes Muster. Das Zentrum im Nationalrat sieht sich bisweilen zwei Polen gegenüber, wobei Grüne, beschränkt auch SP und SVP ihre Widersacher sind.

So sind wir uns – mit Nüancen – schnell einig. Im Parlament hat es drei Arten von Koalitionen: Mitte-Links ist die seltenste und hat an Einfluss verloren, Mitte-Rechts kommt häufiger vor, ist aber nicht dominant, und am häufigsten und am erfolgreichsten sind Allianzen aus FDP, CVP und BDP. Im Ständerat, der in der sonntägliochen Uebersicht fehlte, sind sie klar in der Mehrheit, und im Nationalrat reicht eine Minderheit von rechts oder links, um sich – je nach Themenbereich – durchzusetzen.

Claude Longchamp