Burka-Verbot: Online-Umfrage überhöht Realitäten

“4 von 5 LeserInnen des Newnetzes sind für ein Burka-Verbot”, resümiert die Redaktion eine online-Umfrage in dieser Sache. Zwar hält sie fest, das Vorgehen sei nicht repräsentativ gewesen, doch verschweigt sie, dass sie das repräsentative Resultat längst kennt.

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Ganzkörperkleider: In der Schweiz unbekannt und unbeliebt: Wie stark, das der Fall ist, gehört zu den Fragen, welche man mit Umfragen bestimmen kann – oder könnte!

Die Berichterstattung zur Minarett-Initiative konservativ-religiöser Kreise eröffnete das newsnetz mit einer Repräsentativ-Befragung, welche der Tages-Anzeiger und Isopublic gemeinsam in Auftrag geben hatten. Diese zeigte eine Mehrheit gegen die Initiative; sie legte aber auch nahe, dass mit der Lebensweise islamischer Minderheiten in der Schweiz mehrheitlich Probleme gesehen werden. Beides wird nicht nur unterschiedlich beantwortet, es wird auch unterschiedlich gesehen. Burka-Verbote und Minarett-Verboten sollten deshalb nicht verwechselt werden.

Zu den am Lebensweise von Teilen der isalmischen Bevölkerung, die am deutlichsten verworfen wurden, gehört das Tragen von Ganzkörperkleidern durch Frauen in der schweizerischen Oeffentlichkeit. 68 Prozent der Befragten in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz lehnten dies in der repräsentativen Telefonbefragung ab, 29 Prozent waren sich dem nicht so sicher.

Die online-Datensammlung ergibt zwar die gleiche Mehrheit; doch weichen die Resultate Anteile ab. Die Befürwortung ist 9 Prozent geringer, die Ablehnung gar 12 Prozent höher. Mit anderen Worten: Das Ergebnis der online-Umfrage fällt einiges zu negativ aus!

Ueberraschend ist das nicht: Denn online-Umfragen, bei denen die Teilnahmemöglichkeit offen ist, kennen rasch viele Teilnehmende, aber kein einziges Kriterium, das die Repräsentativität der Auswahl sichert. Sie können deshalb leicht missbraucht werden, insbesondere von Gruppen, die besonders interessiert sind. Der Vergleich im vorliegenden Fall legt nahe, dass das durch die Initianten selber gemacht wurde.

Ueberraschender als das ist jedoch das Ausmass der Abweichung. Denn in der repräsentativen Telefonbefragung befürworteten selbst an der SVP-Basis nur 75 Prozent ein Burka-Verbot in der Schweiz. Oder anders gesagt: Die eben veröffentlichte Zustimmungshöhe zu einem Verbot von Ganzkörperkleidern für Frauen ist wohl krasser als die an der SVP-Basis.

Sie ist in ihrer Deutlichkeit nur für die Initianten der Minarett-Initiative typisch. Und ob das mit der Leserschaft von newsnetz identisch ist, kann bezweifelt werden.

Claude Longchamp