Die Parteienlandschaft der Schweiz wird vielfältiger, bilanziert die NZZ Mitte Legislatur

Martin Senti, Politologe in der NZZ-Inlandredaktion, bilanziert die gegenwärtigen Entwicklungen in der schweizerischen Parteienlandschaft heute wie folgt: “Bis Mitte der Legislatur 2003-07 stand das politische Klima ganz im Zeichen der Polarisierung. Vor vier Jahren aber änderte die Grosswetterlage. Heute, zur Mitte der Legislatur 2007-11 steht der Trend eher für eine Pluralisierung.”

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Abgeleitet hat der Dozent für politischen Parteien der Schweiz an der Universität Zürich seine Bilanz aus einer neuartigen Bestimmung der Parteistärken. Sie basiert auf dem Index, den Daniel Bochsler entwickelt hat. Dabei geht es nicht um Anteile in der Wählerschaft, sondern um Sitzanteile in den Kantonen, wobei die Angaben unter Neutralisierung der Effekte gemacht werden, welche durch unterschiedliche Bevölkerungszahlen der Kantone und Sitzzahlen der Parlament entsteht.

Demnach ist die FDP nach der Fusion mit den Liberalen die stärkste schweizerische Partei in den Kantonsparlamenten. Sie kommt neu auf 21,8 Prozent. Die Fusion hat nach Bochslers Berechnungen die neue FDP zwar grösser gemacht, den negativen Trend aber nicht gestoppt. Seit der Fusionsankündigung Ende 2007 verloren die beiden Parteien 0,6 Prozent an Sitzanteilen. Beendet ist auch der Aufstieg der SVP, der zwischen 1999 und 2001 spektakulär war, sich bis 2007 abegeflacht fortsetzte. 2008 und 2009 brachten der SVP erstmals Verluste in der Grössenordnung von 1,1 Prozentpunkten. Ohne die Parteiabspaltung der BDP wäre die SVP um gut 1 Prozent innerz zweier Jahre gewachsen. Leicht verloren hat auch die CVP. Die es auf 15,9 Prozent Sitzanteil bringt. Der Rückgang von 0.8 Prozentpunkten seit 2007 entspricht dem langfristigen Trend .

Der dramatischste Rückgang betrifft die SP. Zwischen 2003 und 2006 konnte sie mit der SVP um den Titel der stärksten Partei in den Kantonsparlamenten buhlen. Seither ist sie mit 19,4 Prozent auf Platz 3 zurückgefallen. 3,6 Prozentpunkte Sitzanteile hat sie seit dem Einbruch nach in der zweiten Hälfte der letzten Legislatur verloren. Die Grünen sind weit davon entfernt, diesen Abgang für sich beanspruchen zu können. Zwar wachsen sie seit 2001 in den Kantonsparlament fast unentwegt, doch machen sie nicht mehr als 9,3 Prozent (+0,3 Prozentpunkte seit 2007) aus. Die eigentlichen Sieger sind die BDP (2,3%), die Grünliberalen (1,5%) und die übrigen Kleinparteien (8,1%), die nach 2005 resp. seit ihrer Parteigründung allesamt wieder etwas zulegen können.

WählerInnen-Ströme so analysieren zu wollen, bleibt etwas verwegen. Parteistärken auf diese Art und Weise zu bestimmen ist aber interessant, weil sie um die Effekte der nationalen Wahlkampagnen “bereinigt” erscheinen. Demnach “gewinnt” die SVP auf diese Art und Weise massiv, während die FDP so “verliert”.

Bilanziert man die Stärken in den Kantonsparlament, trifft die Pluralisierungsthese von Senti durchaus zu, ergänzt durch parteipolitischen Innovationen in der Mitte, einer Neubegründung der FDP und Erosionen der Pole links, aber auch rechts.

Claude Longchamp