Neues Phänomen in Genf: SVP wird rechts überholt

Noch liegen die definitiven Wahlergebnisse nicht vor, doch ist eines sicher: Die Genfer WählerInnen verschieben die Parteienlandschaft nach rechts. Siegerin ist das Mouvement Citoyens Genevois (MCG).

Tagesschau vom 11.10.2009

Nach den Hochrechnung des Kantons am späten Nachmittag kommt das MCG neu auf 17 Sitze. Es legt 8 Mandat und gut 7 Prozente unter den Wählenden zu. Die SVP, bisher stärkeste Rechtspartei im Genfer Kantonsparlament, verlor. Voraussichtlich hat sie noch 9 Sitze, zwei weniger als in der letzten Legislatur. Sie büsste auch rund ein Wählerprozent ein.

Grösste Partei im Kanton Genf bleiben die Liberalen. Für sie sieht die Hochrechnung noch 20 Sitze. Mit den 3 möglichen Verlusten wäre die LP auch die grösste Verliererin des Tages. Elektoral würde sie gut 2 Wählerprozente zurückgehen. Beschränkte Verluste zeichnen sich auch für die FDP ab, denn auch sie dürfte einen ihrer Dutzend Sitze verlieren; zudem weist sie eine negative WählerInnen-Entwicklung von rund 1 Prozent auf. Schmerzen dürfte sie, dass zwischenzeitlich die CVP in der Entende Bourgeoise, die sich halten könnte, vor ihr ganz knapp liegt.

Zu einem Positionstausch kommt es auch auf im linken Spektrum. Erstmals sind die Grünen, neben dem MCG der zweite Sieger des Tages, die stärkste Partei links der Mitte. Sie gewinnen zwar nur 1 Mandat hinzu und verbessern sich auch nur um 1 Prozent. Doch verliert die SP zwei Mandate und wohl auch 2 Prozent an WählerInnen. Kein Durchbruch scheint der äusseren Linken zu gelingen. Anders als vor vier Jahren traten diesmal Solidarité und der Partei du Travail gemeinsam an, scheiterten aber auch so knapp an der 7 Prozent-Hürde, die es für den Einzug ins Genfer Kantonsparlament braucht. Gleiches gilt auch für die Rentnerpartei, geführt von ehemals links Exponenten, die mit 5 Prozent WählerInnen-Anteil ausserhalb des Grossen Rates bleibt.

Der grosse Sieg der rechtspopulistischen Mouvement Citoyens Genevois findet 2009 bei einer gesteigerten Wahlbeteiligung statt, die knapp über 40 Prozent liegen dürfte. Verliererin ist die bürgerliche Entende. Klarer noch als bisher verfehlt sie die Mehrheit im Parlament, sodass sie auf Stimmen links angewiesen ist, um zu regieren.

Aus nationaler Sicht sind die Veränderungen auf der rechten Seite bemerkenswert. Es gewinnt, wer Stimmung gegen GrenzgängerInnen macht und diese verbal diffamiert. Ihr Präsident, Eric Stauffer, hatte schon im Frühjahr 2009 darüber nachgedacht, eine neue Partei rechts der SVP zu gründen. Die Veränderungen, die er nun im Kanton Genf erzielte, sind erheblich. Es siegt eine Partei mit den Mitteln, die bisher von der SVP verwendet wurden – und deklassiert damit auch die kantonale SVP – zwischen Opposition und bürgerlichem Anschluss hin und her gerissen.

Claude Longchamp