Das (amerikanische) Fadenkreuz für die Analyse von Ideologien

Eine interessante Variante zum “Politischen Kompass” stellt der Radar “Moral Politics” dar. Vordergründig ist alles ganz anders, hintergründig ergeben sich vergleichbare, aber differenziertere Bewertungen politischer Ideologien.

Moral Politics baut nicht auf Stellungnahme in Streifragen, sondern auf moralischen Urteilen auf. Unterschieden werden auch hier zwei Dimensionen:

Erstens, die moralische Ordnung, zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit sowie
zweitens, die moralischen Regeln, unterteilt in Konformismus und Non-Konformismus.

Beide Dimensionen werden mit insgesamt 16 Einstellungen gemessen.

Wie beim politischen Kompass kann man das selber ausfüllen, und man findet sich dann im Fadenkreuz von “Moral Politics” wieder.

Man kann den Radar aber verwenden, um selber etwas über Ideologien sowie über ländertypische Verteilungen zu lernen. Das Raster der Ideologien ist in der obigen Grafik abgebildet. Es ist baut bei den Regeln auf der amerikanischen Unterscheidung zwischen Republikanismus und Demokratismus auf, während bei der Ordnung die gängigen Adjektiv “social” resp. “capital” verwendet werden. Der Vorteil dieser Klassierung ist, dass extremere Formen dieser vier Grundvarianten explizit in das Schema eingearbeitet worden sind.

Die Positionierung der amerikanischen Präsidenten aus der jüngsten Zeit macht klar, dass sich die republikanischen und demokratischen Vertreter erwartungsgemäss unterscheiden. Ronald Reagan und Georges W. Bush erscheinen demnach als die typischsten Vertreter des konservativen Neo-Liberalismus, während Georges H. Bush, Richard Nixon und insbesondere Gerald Ford gemässiger erscheinen und für den kapitalistischen Republikanismus stehen.
Das Gegenstück ist Jimmy Carter, der als Vertreter des sozialen Demokratismus erscheint, während insbesondere Bill Clinton deutlich kapitalistischer positioniert wird. Dazwischen befinden sich John F. Kennedy und sein Nachfolger Lyndon B. Johnson.
Da es sich hier um retrosepktive Beurteilungen der Politiken amerikanischer Präsidenten handelt, fehlt Barack Obama zurecht.
Eines ist klar: Das Fadenkreuz zur Analyse von Ideologien liefert für den amerikanischen Kontext sinnvolle Ergebnisse. Die Uebertragung in andere politische Kulturen fällt aber nicht so einfach, denn die Begrifflichkeiten, die Problemstellungen und ihre Bewertungen sind nicht zwingend gleich konotiert.

Vorsicht ist angebracht, wenn man die prozentualen Verteilungen in den Quadranten nach Länder anschaut. Das das Mitmachen ungeregelt ist, handelt es sich, trotz teilweise beeindruckender Zahlen, um nicht-repräsentative Werte.

Claude Longchamp