Kollegium der Regierung und Diversität des Landes sprechen gegen die Volkswahl

Warum sich Volkswahl des Bundesrates und das System der Konkordanz schlecht vertragen. Eine Replik auf die eben lancierte Volksinitiative.

alternativer-bundesrat2009
Bundesratswahlen in der Schweiz sind mehr als ein Entscheid per Maus-Click, findet die Ueberzahl der PolitikerInnen und Polit-WissenschafterInnen

Alt-Bundesrat Christoph Blocher und alt Nationalratspräsident André Bugnon widersprachen sich am Samstag, als es an der SVP-Delegiertenversammlung darum ging, die Modalitäten der Initiative für eine Volkswahl des Bundesrates zu bereinigen. Der Waadtländer befürwortete das Proporzverfahren mit der Begründung: “Wir dürfen nicht Angst haben vor unserem eigenen Erfolg.” Den siegreichen Gegenstandpunkt vertrat der Zürcher mit dem Argument, dass “damit endlich Persönlichkeiten und nicht mehr Parteiprogramme in den Bundesrat gewählt werden”.

Die Kontroverse entbehrt nicht der Ironie, wenn man sich erinnert, wie die SVP ihr eigenwilliges partei- und fraktionsinternes Auswahlverfahren für linientreue Bewerber begründet. Denn es geht ihr gegen alle Widerstände nur darum, dass die Positionen der Partei in der Bundesregierung “lupenrein” vertreten werden; halbe Bundesräte sind nicht die Sache der SVP.

Doch das ist gar nicht der Punkt meines Beitrags. Denn in den Kommentaren zum Nebenschauplatz “Wahlverfahren” ist die Würdigung des Hauptsachverhaltes “Volkswahl” bisweilen untergegangen. Ganz anders als dies in Behörden und Wissenschaft der Fall ist, die im Zusammenhang mit der Staatsleitungsreform die Frage gründlich behandelt haben und dabei in der überwiegenden Zahl zu einem negativen Schluss gekommen sind.

Die Botschaft des Bundesrates nennt hierzu drei generelle Argumente:

Erstens, die verschiedenen Kriterien wie Zugehörigkeit zu Partei, Sprache, Landesteile und Geschlecht können nicht mehr umfassend einbezogen und zeitgemäss weiterentwickelt werden. Faktisch würde mit der vorgeschlagenen Version die labile Balance zwischen allem mit der doppelten Sitzgarantie für die Lateiner geregelt.

Zweitens, insbesondere die Einzelwahl der BundesrätInnen weicht das Prinzip der Kollegialbehörde weiter auf. Angesichts der Diversität des Landes, die höher ist als jene der Kantone, ist das nicht noch zu fördern. Faktisch ist damit zu rechnen, dass gerade amtierende Bundesräte mit dem Portfolio ihre Departementes Wahlkampf führen würden, während vielerorts verlangte Gesamtsicht in den Hintergrund geriete.

Drittens, schliesslich wird mit einem vermehrten Einfluss der Medien auf die Politik gerechnet, die sich an der Personalisierung bereits heute festmachen lässt, was die Kommunikation erleichtert, aber nicht immer zu einer sachorientierten Politik beiträgt. Zu befürchten ist, dass die Gesetze der Medien noch mehr als heute jene der Politik bestimmen würden.

Mit Didier Burkhalter, könnte man beifügen, hat die Bundesversammlung jüngst den Zeiger in die diametrale Richtung zur SVP-Initiative gestellt. Gewählt wurde mit ihm nicht nur der Repräsentant der Romandie, sondern auch der überzeugte Vertreter der Konkordanz und der Anti-Held der Medien.

Claude Longchamp